Love Recipes – Süßes Verlangen - Kate Meader - E-Book

Love Recipes – Süßes Verlangen E-Book

Kate Meader

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Beschreibung

Diese italienische Großfamilie ist unwiderstehlich!Cara DeLuca ist eine absolute Perfektionistin und gibt eigentlich nie die Zügel aus der Hand. Doch auf dem Junggesellinnenabschied ihrer Cousine in Las Vegas lässt sie sich einen Abend lang treiben – und erwacht am nächsten Morgen als verheiratete Frau. Ihr frisch gebackener Ehemann ist ausgerechnet der irische Konditor Shane Doyle, der in Jack Kilroys Restaurant arbeitet und so ständig in ihrer Nähe ist. Und der zuckersüße Ire stellt sich als ganz schön hartnäckig heraus. Denn während Cara ihren leichtsinnigen Ausrutscher so schnell wie möglich ungeschehen machen will, erkennt Shane bald, dass diese unbedachte Nacht der Vorgeschmack auf die große Liebe gewesen sein könnte …Nach »Love Recipes – Verführung à la carte« folgt mit »Love Recipes – Süßes Verlangen« nun der zweite Band der sinnlichen und witzigen »Kitchen Love«-Reihe um die italienische Familie DeLuca.Kate Meader ist USA-Today-Bestsellerautorin und schreibt am liebsten prickelnde Liebesromane, in denen sich alles um köstliches Essen, unwiderstehliche Helden und energiegeladene, freche Heldinnen dreht. Ihre Romane spielen in ihrer Wahlheimat Chicago, einer Stadt, die wie gemacht ist für Essen, Romantik und Lachen – und wo sie ihren ganz persönlichen sexy Helden kennengelernt hat. Ihre Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als »Beste Romance« von Publishers Weekly und der Washington Post.

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Für alle Frauen, die denken, sie wären nicht gut genug für die bedingungslose Liebe, die sie verdient haben.

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Lene Kubis

Deutsche Erstausgabe© Kate Meader 2013Titel der amerikanischen Originalausgabe: »All Fired Up«, Forever, ein Imprint von Grand Central Publishing, New York City 2013© der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2020Redaktion: Antje SteinhäuserCovergestaltung: FAVORITBUERO, MünchenCovermotiv: shutterstock.com/wacomka

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Inhalt

Cover & Impressum

1.Kapitel

2.Kapitel

3.Kapitel

4.Kapitel

5.Kapitel

6.Kapitel

7.Kapitel

8.Kapitel

9.Kapitel

10.Kapitel

11.Kapitel

12.Kapitel

13.Kapitel

14.Kapitel

15.Kapitel

16.Kapitel

17.Kapitel

18.Kapitel

19.Kapitel

20.Kapitel

21.Kapitel

22.Kapitel

Epilog

Danksagung

Leseprobe

1.Kapitel

1.Kapitel

Es war die schönste Hochzeitstorte, die Cara DeLuca je gesehen hatte. Sobald die Hauptattraktion des Kuchenbuffets erst einmal auf einem wackeligen Servierwagen in die Mitte des Ballsaals geschoben worden war, hatten ihre perfekt glasierten Schichten alle zum Staunen gebracht. Zweifellos bedeutete auch nur ein Stück von ihr dreißig, vielleicht sogar fünfundvierzig Minuten Training mit dem Sandsack.

Früher hätte Cara jeden Bissen in Push-ups und Minuten auf dem Laufband gemessen oder wäre wie eine Verrückte durch den Pool geschwommen, um auch den kleinsten Verstoß gegen ihren Regelkatalog wieder auszugleichen. Die alte Cara hätte sich irgendeine Entschuldigung ausgedacht, um den Hochzeitsempfang noch vor dem Servieren der Torte zu verlassen und die Huhn- oder Fischgerichte wieder abzutrainieren. Aber die neue, gesunde Cara sollte nicht jeden Bissen zählen und sich darum sorgen müssen, ob sie die Grenze von hundertfünfzig Kalorien überschritten hatte.

Wie hätte sie diese fantastische Torte auch nicht in Versuchung führen sollen?

Sie trennte mit der Gabel ein Stück von der Portion, die vor ihr auf dem Teller lag, schob es sich in den Mund, kaute langsam und schluckte.

Uch.

Diese Torte schmeckte trocken, langweilig und uninspiriert. Niemand wusste besser als Cara, dass der Schein trügen konnte. Dieses Backwerk mochte der Traum der Braut, ihrer Cousine Gina, gewesen sein, aber schon ein Bissen bestätigte Cara in ihrem Verdacht, dass auf dieser Hochzeit ein Fluch lag. Gina hatte sie um Hilfe gebeten, nachdem die offizielle Hochzeitsplanerin das Handtuch geworfen hatte.

Dass Gina auf grellpinken Brautjungfernkleidern mit Schwalbenschwanzsaum bestanden hatte oder unbedingt ein Neil-Diamond-Streichquartett für den Cocktailempfang und anschließend eine weibliche Neil-Diamond-Tribute-Band, die Sweet Carolines, für den Tanz engagieren wollte, war nicht weiter tragisch. Cara fand es auch nicht schlimm, in letzter Minute eine Kleideranprobe für eine Hochzeitsparty oder einen Empfang für zweihundert heißhungrige Italiener zu organisieren. Und die süßen Ringträger? Auch das war ein Kinderspiel gewesen, obwohl Pater Phelan gegen die Labradorwelpen gewesen war, die ebenfalls den Gang hinunterlaufen sollten.

Nein, all das ließ sich regeln, schließlich war Cara eine begnadete Managerin. Richtig bergab war es eigentlich erst bei dem kombinierten Junggesellen-Junggesellinnen-Abschied in Las Vegas gegangen. Waren solche Anlässe denn nicht zum Scheitern verurteilt? Und obwohl Cara sich am liebsten herausgehalten hätte, hatte sie sich letztendlich doch verantwortlich gefühlt. Sie musste schließlich auf ihre sturzbetrunkenen Verwandten achten und dafür sorgen, dass sie eine verrückte, aber dennoch sichere Zeit hatten. Leider war sie irgendwann selbst nicht mehr ganz nüchtern gewesen, weil sie einen Fehler begangen hatte. Einen ein Meter achtzig großen Fehler mit Augen wie dunkler Bernstein und verstrubbeltem Haar.

Wäre sie doch nur in Chicago geblieben.

Wenn sie an die Ereignisse der vergangenen Woche dachte, wurde sie sofort wieder wütend. Aber sie würde alles in Ordnung bringen. Sobald sie den heutigen Tag überstanden hatte.

Langsam ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und versuchte, sich wieder zu beruhigen, indem sie tief durchatmete. Ihr Vater – von seinen Töchtern nur Il Duce genannt – plauderte gerade mit der älteren Verwandtschaft, nachdem er den größten Teil des Abends über immer wieder in die Hotelküche geflitzt war. Bestimmt hatte er sicherstellen wollen, dass das Menü exakt nach seinen Vorgaben zubereitet wurde. Seine Frau und Königin Francesca, die jetzt wieder dasselbe weizenblonde, seidige Haar hatte wie vor ihrer Krebserkrankung, sah lächelnd auf die Tanzfläche, auf der es hoch herging. Cara blickte in dieselbe Richtung und entdeckte ein paar fuchtelnde Arme.

Das darf doch wohl nicht –

»Ich glaube, ich muss mir das alles noch mal überlegen.« Der forsche, britische Akzent riss sie aus ihren Gedanken. Jack Kilroy, ihr Boss und künftiger Schwager, zog seine patrizische Nase kraus und legte demonstrativ seine Gabel beiseite.

»Wenn du nicht mal den Kuchen ordentlich hinbekommst, Cara, dann weiß ich wirklich nicht, ob ich dir die Verantwortung für den wichtigsten Tag meines Lebens übertragen sollte«, fügte er in divenhaftem Ton hinzu. Gott sei Dank würde nicht Cara ihn in sechs Wochen heiraten, sondern ihre Schwester Lili! Natürlich kannte sie seine Stimmungsschwankungen und Ticks nur zu gut – schließlich hatte sie als Jacks TV-Producerin gearbeitet, während er noch der Jack Kilroy war. Nämlich ein wahnsinnig erfolgreicher Restaurantbetreiber, Kochshowstar und beliebtes Opfer der Klatschpresse. Jetzt war sie die Managerin der privaten Events seines Chicagoer Restaurants Sarriette und wusste, dass Jack beinahe genauso kontrollsüchtig war wie sie selbst. Allein deswegen hätte sie ihn nie an sich herangelassen. Überhaupt hatten in letzter Zeit wenige Leute das Vergnügen gehabt – bis sie dann in Las Vegas gewesen war.

»Der Kuchen war schon bestellt, als ich das Kommando übernommen habe, aber zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen«, sagte sie und genoss es, wie fuchsig ihr herablassender Tonfall ihn machte.

»Du bekommst die spektakulärste, stylishste, umwerfendste …«

»… künstlerischste, poetischste und gewagteste …«, nahm Lili ein wenig atemlos den Faden auf.

Cara lächelte ihre eben eingetroffene Schwester an, die gerade noch munter das Tanzbein geschwungen hatte.

»… Hochzeit aller Zeiten«, vollendete Cara den Satz, während Jack seine sich halbherzig sträubende Verlobte auf seinen Schoß zog.

»Du bekommst die Hochzeit, die du dir gewünscht hast, seit du ein kleines Mädchen warst, Jack«, säuselte Lili und küsste hin.

»Du bist so was von frech! Da sind wir beinahe ein Jahr verlobt, und es gibt immer noch Ärger mit dir. Mir wurde gesagt, dass ich ausgesprochen heiratswürdig bin, weißt du?«, sagte Jack.

»Hast du etwa wieder die alten Vanity-Fair-Artikel über dich gelesen?«, fragte Cara. Eine Zeit lang konnte man sich nicht umdrehen, ohne dass einem Jacks hübsche Visage von Anzeigetafeln, Magazincovern oder Fernsehbildschirmen entgegenstrahlte. Ob die Aufmerksamkeit wohl fehlte? Immerhin wäre es gut für ihre Karriere als Eventmanagerin, wenn dem so wäre.

»Die meisten Frauen würden dafür sterben, mit mir den Gang hinunter …« Er strich über Lilis Schenkel. Selbst in dem furchtbaren Brautjungfernkleid sah sie dank ihrer großzügigen Kurven immer noch umwerfend aus.

»Aber die Lady hier hat ja leider kein Interesse an einem Märchen«, fuhr Jack fort. »Märchenprinz inklusive.«

Lili verdrehte liebevoll die Augen. »Mir würde ein ruhiger Termin beim Standesamt genügen. Aber wenn du darauf bestehst, dann werde ich dich verwöhnen.«

»Mach das doch am besten gleich, Süße«, murmelte Jack und zog sie an sich, um sie zu küssen.

Cara seufzte und versuchte, nicht zu neidisch darauf zu sein, wie Lili und Jack sich gegenseitig mit ihren Blicken verschlangen und ganz ohne Worte verstanden. Und darauf, wie sehr sie die Gesellschaft des anderen zu genießen schienen. Da ging ja selbst ihr das zynische Herz auf.

Wenn irgendjemand ein solches Märchen verdient hatte, dann Lili. Ihre jüngere Schwester hatte sich während der Brustkrebserkrankung ihrer Mutter um sämtliche familiären Belange und die des Restaurants gekümmert, während Cara sich in der Zeit eher rargemacht hatte. Lili hatte eindeutig etwas gut bei ihr – und Cara revanchierte sich, indem sie die perfekte Hochzeit für sie organisierte. Auch wenn ihre Schwester selbst noch nicht wusste, dass sie das wollte.

»Wie schmeckt der Kuchen?«, fragte Lili Cara, sobald Jack von ihr abgelassen hatte.

»Nicht so toll. Mach dir keine Sorgen, an deinem großen Tag gibt es einen besseren.« Sie hatte schon einen Künstler im Auge, und wenn er sich bei Oprahs Abschiedsparty gut machte, dann –

»Um den Kuchen kümmere ich mich«, verkündete Jack.

»Wen hast du im Auge?«, fragte Cara, obwohl sie die Antwort eigentlich bereits kannte.

»Meine Geheimwaffe.« Jack gluckste und nickte Richtung Tanzfläche.

Cara folgte seinem Blick, und wie durch ein Wunder teilte sich die Menge, sodass sie ihn sofort entdeckte. Shane Doyle. Mit den irischen Augen, den süßen Grübchen und dem total bekloppten Tanzstil.

Die Sweet Carolines spielten ihren namensgebenden Song, und Shane wedelte mit den Händen in der Luft herum, wobei er zwischen Ausdruckstanz und wilden Hip-Hop-Moves hin- und herwechselte. Offenbar amüsierte er sich dabei blendend mit Maisey, einer Kellnerin aus dem Sarriette. Wieder spürte Cara Wut in ihrer Brust aufwallen. Shane sollte eigentlich gar nicht hier sein! Aber offenbar fühlte er sich bereits nach wenigen Wochen in Chicago wie daheim und hatte sich sogar als Maiseys Begleitung auf die Hochzeit gemogelt. Wenn es nach Cara ging, konnte sie ihn geschenkt haben!

Sie wollte schon wegschauen, als Shane plötzlich eine ziemlich gewagte Pirouette hinlegte und genau in ihre Richtung blickte. Er zog eine Augenbraue nach oben und starrte sie an. Und dann zwinkerte er ihr zu. Dazu hatte er nach dem, was in Las Vegas passiert war, verdammt noch mal kein Recht!

»Nein«, sagte sie entschlossen und wandte sich von den schokoladenbraunen Augen ab, die in diesem fast lächerlich hübschen Gesicht saßen. Freundlich und fröhlich war es obendrein.

»Was meinst du?«, fragte Jack.

»Nein, wir können Shane nicht mit der Torte beauftragen.«

Jack sah sie neugierig an.

»Er ist noch zu neu im Geschäft«, fügte sie hastig hinzu. »Und er hat viel zu viel im Restaurant zu tun. Denk dran, dass du mir einen ziemlich knappen Zeitplan auferlegt hast. Wenn ich nur zwei Monate Zeit habe, um eure Sause zu organisieren, dann kann ich kein Risiko eingehen.«

Auch wenn Jack und Lili jetzt schon seit fast einem Jahr miteinander verlobt waren, hatte Lili sich erst vor Kurzem auf die Hochzeitsplanung eingelassen. Sie machte jetzt ihren Master an der Kunstakademie, und Jack versuchte schon lang, sie in Mrs Kilroy zu verwandeln. Aber Caras Schwester ließ sich nicht drängen. Eigentlich ließ sich ihre Beziehung so ganz gut zusammenfassen.

Jack und Lili wechselten jetzt einen bedeutungsvollen Blick miteinander. Cara hasste es, wenn sie das taten.

»In Vegas ist etwas passiert. Und die Sache ist definitiv noch nicht ganz abgehakt«, sagte Lili. »Wir wissen alle, dass du mit ihm geschlafen hast.«

Wenn es doch nur so einfach wäre!

»Das wusste ich nicht!«, sagte Jack wütend. »Cara, bitte sag mir, dass das nicht wahr ist.«

»Okay, es ist nicht wahr.« Irgendwie stimmte das ja auch. Sie hatte schon lang mit niemandem mehr geschlafen. Und selbst wenn es mal vorkam, blieb er oder sie nie die ganze Nacht über bei ihr. Das war zumindest immer ihre Regel gewesen, bis sie dann vor einer Woche mit einem üblen Kater aufgewacht war, eng umschlungen von einem Iren.

»Du hast schon meinen letzten Konditor fertiggemacht«, sagte Jack. »Shane ist erst seit ein paar Wochen hier, und schon hast du ihn dir gekrallt.«

»Jetzt mach aber mal langsam, Jack«, beruhigte Lili ihn. »Du kannst doch deinen Angestellten nicht vorschreiben, mit wem sie schlafen dürfen und mit wem nicht.«

»Und wie ich das kann. Sie hat Jeremy das Herz aus der Brust gerissen. Der arme Kerl hat deswegen gekündigt!«

Cara zuckte zusammen, winkte dann aber lässig ab. Es hielten sie nun einmal alle für einen männerverschlingenden Vamp.

»Sei nicht albern. Jeremy und ich haben uns ein einziges Mal miteinander verabredet, und es hat einfach nicht gepasst. Was kann ich dafür, dass du nur unterwürfige Schmusekätzchen anstellst, die alle vor dir katzbuckeln?«

Lili fixierte Cara mit ihren eisblauen Augen. »Wenn du und Shane nicht miteinander geschlafen habt, was ist dann passiert? Du bist aus dem Hotel geflitzt, als ginge es um dein Leben.«

»Es ist gar nichts passiert. Wir haben ein bisschen was getrunken, und das war’s.« Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, drehte sich ihr Hals schon wieder in Shanes Richtung.

Und dann stand er plötzlich vor ihr. Lehnte an der Tischkante. Beim Anblick seiner Oberschenkelmuskeln unter dem Stoff seiner Jeans begannen auch ihre eigenen zu zucken.

Wer trug bitte schön Jeans zu einer Hochzeit? Alle anderen hatten Smokings und dunkle Anzüge an, aber Shane repräsentierte den Amerikanischen Traum nicht nur mithilfe seiner Levi’s-Jeans, sondern hatte sie obendrein mit abgenutzten Cowboyboots und einem Sportsakko kombiniert. An den Schultern spannte es ein wenig – wahrscheinlich hatte er es von einem der anderen Köche geborgt.

Unweigerlich wanderte ihr Blick hinauf zu seinem langen, nerzbraunen Haarschopf. Zu gern hätte sie mit der Hand darübergestrichen. Und dann waren da wieder diese Augen … Und sein Dreitagebart. Und … seine großen Hände. An die konnte sie sich nur zu gut erinnern: Immerhin hatte eine davon flach auf ihrem Bauch gelegen, als sie neben Shane aufgewacht war. Leider hatte sie auch nicht vergessen, wie erotisch sich das angefühlt hatte.

»Ich bin auf der Suche nach einer neuen Tanzpartnerin«, sagte Shane in seinem sexy irischen Singsang.

»Was ist mit deiner letzten passiert?« Sie sah sich nach Maisey um, konnte sie aber nirgends entdecken. »Ist ihr von deinem Herumgehopse schlecht geworden?«

»Ich bin einfach zu viel für eine einzelne Frau«, sagte Shane und grinste genauso verschmitzt wie vor einer Woche in der Paris-Las-Vegas-Bar. Er war ihr deswegen sofort aufgefallen. Cara konnte sich nur verschwommen an die unterschiedlichen Bars erinnern, die sie während ihrer Kneipentour besucht hatten. In jeder davon waren die Männer schon vor den Frauen da gewesen. Und immer war Shane Doyle der Erste gewesen, der aufgestanden war und seinen Platz angeboten hatte.

Ein netter Junge, hatte sie gedacht. Höflich und wohlerzogen. Die Art Mann, mit der sie sich gern verabredete, weil sie ihr das Kommando überließen. Sie konnte bestimmen, wohin es ging, was sie machten, welchen Gefallen die Männer ihr tun konnten. Natürlich wurden beim Abschied manchmal ein paar Tränen vergossen – nicht ihre, natürlich –, aber bis jetzt war alles immer glattgegangen.

Wieso also war das mit Shane so furchtbar aus dem Ruder gelaufen?

»Wir sprechen über den Kuchen«, sagte Jack. Beide Köche blickten auf die Torte, die die Gäste jetzt schon durch ihre reine Anwesenheit zu beleidigen schien.

Shane schnaubte. »Wer auch immer diesen Dreck zusammengerührt hat, sollte wegen eines Verbrechens gegen die Backkunst erschossen werden.«

Jack lachte laut auf, und Cara verdrehte die Augen. Typischer Kochhumor!

»Für meine Hochzeit möchte ich jedenfalls eine ganz sensationelle Torte haben.« Jack drückte Lilis Taille. »Das wollen wir beide, oder? Kriegst du das hin, Shane?«

Shane sah sie mit merkwürdigem Blick an, und wenn Cara es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gedacht, dass er wütend war. Aber das ergab doch keinen Sinn. War es nicht eine Ehre, von Jack einen solchen Auftrag zu bekommen?

»Ich hätte gedacht, dass du Marguerite aus dem Thyme fragen würdest«, sagte Shane gepresst. »Ist sie nicht deine beste Patissière?«

Im Thyme, Jacks Stützpunkt in New York, arbeiteten einige kulinarische Schwergewichte. Bis vor zwei Wochen war auch Shane dort angestellt gewesen, aber dann hatte er nach Chicago ins Sarriette gewechselt. Jedenfalls war Marguerite eindeutig Jacks talentierteste Mitarbeiterin, in diesem Punkt stimmte Cara Shane aus tiefstem Herzen zu.

»Ja, sie ist toll, aber ich will dich«, sagte Jack. »Deine Desserts sind magisch, und nachdem du mir jetzt monatelang damit in den Ohren gelegen hast, dass du einen Job suchst, bist du doch jetzt sicher bereit für eine größere Nummer.«

Shanes Lächeln wirkte reichlich verkrampft. Irgendetwas stimmte da doch nicht! »Wir könnten Biskuitrolle mit Pistaziencreme machen. Oder vielleicht etwas mit einer Rosmarin-Zitronen-Füllung, um beim italienischen Thema zu bleiben.«

»Ich mag deine Herangehensweise«, meinte Jack breit grinsend. »Mach nur so weiter, und wir unterhalten uns dann nächste Woche noch mal.«

»Klar«, sagte Shane und strahlte Cara an, sodass seine Grübchen erschienen. Da war er wieder, der sonnige, charmante Shane.

Verwirrt griff Cara nach ihrem Champagnerglas, das sie seit den Toasts nicht mehr angerührt hatte.

»Zurück zum Thema Tanzen«, meinte Shane jetzt.

Cara hatte ihm wichtige Dinge mitzuteilen. Sehr wichtige Dinge sogar. Und wenn sie ihm weiterhin aus dem Weg ging, dann würde ihr das nie gelingen. Nachdem sie jahrelang alles immer nur verdrängt hatte, hatte sie sich geschworen, Dinge ab sofort immer so schnell wie möglich zu klären. Deswegen wunderte sie sich selbst, dass sie sich Shane nicht bereits vor einer Woche zur Brust genommen hatte. Um ihm zu sagen, was Sache war.

Aber vielleicht sollte sie ihn erst einmal auf der Tanzfläche milde stimmen. Außerdem war seine Begeisterung irgendwie süß. Sie streckte die Beine aus und drückte einen perfekt gepflegten Fuß in ihrem Peeptoe durch. Fuchsia stand ihren Füßen wirklich ausgezeichnet.

Shane ließ seinen Blick über Cara gleiten, aber dann wandte er sich an ihre Schwester. »Lili, würdest du mir die Ehre erweisen?«

Lili erhob sich, und Caras Herz sank.

»Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast, Jack«, fügte Shane hinzu.

»Oh, Jack würde nur über seine Leiche die Tanzfläche betreten«, sagte Lili. »Der ist viel zu besorgt um seinen guten Ruf.«

»Ich habe überhaupt keine Angst davor, mich lächerlich zu machen«, meinte Jack unbekümmert. »Du hast mich doch singen gehört, oder? Beim Ententanz ist bei mir allerdings Schluss.«

»Der Tanz ist ironisch gemeint«, versuchte Cara sich irgendwie von Shanes Zurückweisung zu erholen. Er hatte sie doch gerade abblitzen lassen, oder?

»Ja, ironisch dämlich«, erwiderte Jack. »Haltet aber bitte ein bisschen Abstand zueinander, okay?«

Lachend führte Shane Lili auf die Tanzfläche und sprang dort mit den Armen rudernd umher. Lili warf sich ebenfalls wild tanzend ins Getümmel.

Tja, Cara war schon klar, weshalb Shane lieber mit Lili tanzte als mit ihr. Sie konnte eben richtig ausgelassen sein, im Gegensatz zu der Spaßbremse Cara. Die musste erst mal jede Menge Wodka in sich hineinkippen, ehe sie sich ein bisschen locker machte.

Das Vibrieren ihres Telefons erinnerte sie daran, dass ihre nächste Aufgabe als Hochzeitsplanerin anstand und dass es wichtigere Probleme gab als diesen Ausrutscher, der ihr aus Vegas bis hierher gefolgt war. Um Shane Doyle konnte sie sich auch später kümmern.

Wie lange wollte Cara eigentlich noch böse auf ihn sein?

Sie ist eine Frau, Doyle. Sie hält das notfalls zehn Jahre durch.

Der Tanzsaal dieses protzigen Hotels war gesteckt voll von Menschen in Sonntagskleidung, und dann waren da natürlich noch die Brautjungfern in ihren schrecklichen Kleidern. Cara aber stach in ihrem eleganten kleinen Schwarzen, das den Blick auf ihre wunderschönen Schultern freigab, eindeutig aus der Masse heraus. Ja, sie hatte die schönsten Schultern der Welt. Als er vor einer Woche seinen Körper um ihren geschlungen hatte, hatte er sachte mit seinen Lippen darübergestrichen. Aber er hatte sich wie ein Ehrenmann verhalten und es nicht gewagt, ihre seidige Haut dort in dem Hotelzimmer in Vegas wirklich zu küssen. Weder ihre schönen Schultern noch sonstige Stellen. Schließlich war er viel zu beschwipst und hätte wahrscheinlich nur den Moment ruiniert. Er hatte gedacht, dass ihnen später noch genug Zeit bleiben würde. Aber der Morgen danach hatte es nun einmal so an sich, dass man die brillanten Entscheidungen der vorhergegangenen Nacht auf einmal schrecklich bereute.

Anstatt nach dem Tanzen zurück zu der frostigen Cara zu gehen, schlenderte Shane zur Bar. Nicht um einen Drink zu bestellen, um Himmels willen! Nachdem er als Kind ständig seinen betrunkenen Vater um sich gehabt hatte, hatte er sich geschworen, nicht selbst in diesen Teufelskreis zu geraten oder das Klischee der irischen Schnapsnase zu erfüllen. In Las Vegas hatte er leider auf diese Prinzipien gepfiffen.

Hätte er doch nur diese Schulter geküsst. Dann würde er jetzt vielleicht besser verstehen, warum Zitronentarte sich so benahm, als wäre das alles seine Schuld. Sie wusste doch, wo sie ihn finden konnte: nämlich bis zu den Ellbogen in Kuchenteig versunken – in dem Restaurant, in dem sie beide arbeiteten. Aber sie hatte sich nicht die geringste Mühe gegeben. Seit Vegas ignorierte sie ihn einfach, kam auf ihren klackernden Absätzen anspaziert, um etwas aus ihrem Büro zu holen und dann wieder zu verschwinden, ehe er sie erwischt hatte. Und jetzt hatte Miss Perfect auch noch den Nerv, auf ihn herabzublicken, sodass er sich wie der letzte Dreck fühlte. Ihm hatte es dafür umso mehr Spaß gemacht, Lili statt ihr zum Tanzen aufzufordern. Caras säuerliche Miene war unbezahlbar gewesen!

Jacks Auftrag in puncto Hochzeitstorte hatte ihn hingegen kalt erwischt. Es war Shanes Chance, diesem arroganten Kerl zu beweisen, was er wirklich draufhatte. Er würde noch zwei Monate bei Sarriette bleiben, höchstens. Und dann in London seine eigene Konditorei eröffnen und endlich sein richtiges Leben beginnen.

Zwei Monate boten genug Zeit, um seine Neugier in Bezug auf den großen Jack Kilroy zu befriedigen. Es fiel ihm schwer, den Auftrag als Kompliment zu nehmen. Komplimente waren in der Zusammenarbeit mit Jack generell spärlich gesät.

Ach, er musste aufhören, so viel zu grübeln, so weinerlich und melancholisch zu sein. So irisch. Es war Zeit, die Dinge anzupacken!

Er spürte eine Hand auf seiner Schulter.

»Hey, du verpasst noch das Beste«, sagte Jack und deutete auf die Ansammlung von Frauen in der Mitte des Tanzsaals. Shane hatte bereits genug Hochzeitsfeiern hinter sich, um die Zeichen deuten zu können. Die Damen gaben sich Knüffe und kleine Schubser, um sich die beste Position zu sichern.

»Mädchen, werdet doch nicht gleich so grob!«, sagte Cara so streng und verführerisch zugleich, dass Shane ein warmer Schauer über den Rücken lief. Cara war zart und zugleich extrem tough. Das merkte man ihr bestimmt auch im Bett an, wenn sie nicht gerade ihren Rausch ausschlief.

»Aber wenn ihr wirklich die Nächste sein wollt, die in St. Judes an den Altar geführt wird, dann solltet ihr eure Waffen nicht vergessen. Nägel, Ellbogen und natürlich eure Absätze«, fuhr sie fort.

Sie wandte sich an Gina, die Jack gern als Zwergin bezeichnete – meistens sagte er ihr das sogar direkt ins Gesicht. Gina raffte den weiß-violetten Brautstrauß an sich.

»Seid ihr bereit, ihr Bitches?«, rief sie und drehte sich von der aufgeregten Meute weg. Der blonde Haarschopf von Jacks Halbschwester Jules bildete die einzige Abwechslung in dem Meer aus dunklem Haar. Sie stand am Rand des Pulks, sodass sie ihren sechs Monate alten Sohn Evan im Auge behalten konnte, den Caras Mutter gerade auf dem Arm trug. Aber auch Jules machte sich bereit, den Strauß zu fangen. Und selbst die zuckersüße Maisey mit den violetten Strähnchen im Haar brachte sich in Position. Es war eine ernste Angelegenheit.

Jack schnaubte amüsiert, als Caras Tante, deren Haar zu einer riesigen Wolke aufgetürmt war, ihre Nichte schnappte und zu den anderen Frauen schob. Der Strauß flog in hohem Bogen durch die Luft und landete direkt … in den Händen einer geschockten Cara.

»Oh, das ist nicht gut«, sagte Jack. Mist. Da war Shane ausnahmsweise seiner Meinung.

Er konnte sich nicht erklären, wie Cara ihn entdeckt hatte, weil er wirklich nicht in ihrer Nähe stand, aber irgendwie schaffte sie es, ihn aus ihren eisblauen Augen anzustarren.

Das war wirklich nicht gut.

Die Frauen knurrten, und das klang ziemlich bedrohlich. Cara wiederum drehte den Strauß nachdenklich in ihren Händen.

»Soll ich ihn noch mal werfen, Cara?«, fragte Gina sie. »An dich ist der Strauß ja irgendwie vergeudet.«

Caras Miene verdunkelte sich kurz, dann aber zwang sie sich zu einem strahlenden Lächeln.

»Klar, mach das. Auch wenn es vielleicht Pech bringt, ihn zweimal zu werfen.«

Sie drückte Gina den Strauß in die Hände und marschierte davon. Cara schien eine komplizierte Beziehung zu ihrer Familie zu haben, dachte Shane – nicht, dass das bei ihm anders wäre. Seine eigene Geschichte war Beweis genug dafür, dass man sich auf Familien einfach nicht verlassen konnte.

»Himmel, auf Hochzeiten drehen Frauen wirklich völlig durch«, murmelte Jack, was Shane irgendwie lustig fand. Wollte Jack denn nicht selbst unbedingt heiraten?

»Worum ging es da gerade?«, fragte er Jack. »Ist Cara gegen das Heiraten?«

»Cara ist generell kein Fan von festen Beziehungen.« Jack lehnte sich an die Bar und strich über die abgenutzte Maserung. »Sie ist sehr karriereorientiert«, fügte er hinzu, als würde das alles erklären.

Shane beschloss zu schweigen. Das war manchmal die beste Strategie.

»Versteh mich nicht falsch, ich schätze sie sehr«, fuhr Jack da auch schon fort. »Aber sie ist so verspannt, dass mir der arme Kerl jetzt schon leidtut, der sich in sie verguckt. Selbst wenn es sich nur um eine Affäre handeln sollte.« Seine Stimme klang so stählern, dass alles wie ein Befehl wirkte. Sobald Jack sicher war, dass seine Ansage den gewünschten Effekt auf Shane gehabt hatte, wurde sein Blick ein wenig weicher. Dennoch verstand Shane nicht, was genau er ihm damit eigentlich hatte sagen wollen.

Er entdeckte sie im Foyer neben der Zimmerpflanze mit dem riesigen Kübel. Sein Blick fiel auf ihren glatten, gebräunten Rücken, der von dem Stoff ihres eleganten Kleides in zwei Hälften geteilt wurde. Ihre bebenden Schultern konnten nur eins bedeuten: Sie weinte.

Noch ehe er sie berühren konnte, wirbelte sie auf ihren Absätzen herum. Ihr Blick verriet ihm, dass sie ihn erwartet hatte. Dennoch hatte er sich getäuscht: Sie war nicht traurig, sondern fuchsteufelswild.

»Du hast dir aber Zeit gelassen, Paddy.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

»Ist alles okay bei dir?«

Am Morgen danach war sie eher beschämt als wütend gewesen. War zu beschäftigt damit gewesen, ein Taxi zu rufen, die vor dem Hotel in einer endlosen Schlange auf die Gäste warteten. Oder ihre Schuhe zu finden, um so schnell wie möglich abhauen zu können. Jetzt hatte sich vor Zorn die Haut in ihrem Dekolleté rosa gefärbt.

»Nein, das ist es ganz und gar nicht«, fauchte sie. »Wir müssen das dringend in Ordnung bringen! Es ist schlimm genug, dass Jack denkt, dass ich eine gefährliche Aufreißerin bin und du mein nächstes sexy Opfer. Aber wenn meine Familie das rausfindet, dann ist der Teufel los.«

Sexy Opfer? Das klang gar nicht mal so schlecht. Er wollte schon einen Witz reißen, entschied dann aber, dass das gerade nicht der passende Moment war. Außerdem stimmte es ja: Sie mussten die Sache klären. Sie abhaken und dann zur Normalität zurückkehren – was auch immer das sein sollte. Momentan war wirklich alles ganz schön kompliziert. Plötzlich hatte er ein schlechtes Gewissen, dass er sie vorhin einfach hatte abblitzen lassen. Denn eigentlich wollte er nichts lieber, als mit ihr zu tanzen.

Himmel, Doyle! Jetzt hör auf, so viel zu grübeln, und konzentrier dich!

Er trat einen Schritt auf sie zu und legte seine Hände auf ihre goldenen Schultern. Am liebsten hätte er ihre Arme gestreichelt, damit sie aufhörte zu zittern. Er zog sie an sich, und ihre Haltung lockerte sich ein wenig.

»Cara«, sagte er. Leise. Beruhigend. »Alles wird gut.«

Sie hob den Kopf und sah ihn aus ihren saphirblauen Augen an.

»Ja«, sagte sie. »Sobald unsere Scheidung durch ist.«

2.Kapitel

Auf dem Lake Shore Drive war heute Morgen wenig Verkehr, aber Shane verfluchte trotzdem das Tempolimit von siebzig Stundenkilometern, das ihn davon abhielt, mit seiner Harley richtig Vollgas zu geben. Mann, er liebte diese Maschine! Das Vibrieren zwischen seinen Beinen und wie die niedrige Schwerpunkthöhe ihn immer ganz dicht am Asphalt hielt, sodass sein Körper vor lauter Energie pulsierte. Er ging mit dem Motorrad geschickt in Schräglage, um einem Sportwagen auszuweichen. Es war gar nicht so einfach, sich auf die Straße zu konzentrieren, wenn er die ganze Zeit nur an Jacks Nachricht denken konnte. Immerhin hatte sie ihn von seiner ewigen Grübelei über Cara abgelenkt.

Shane hatte endlich sein Ziel erreicht: Er hatte einen Job in Jacks Restaurant bekommen. Das war ihm vor etwa einem Jahr gelungen, als er quasi um einen Patissierjob in Jacks Restaurantdependance in New York gebettelt hatte. Dass er sich dort mit weniger Gehalt als bei dem großen Anton Baillard im Maison Rouge zufriedengeben wollte, hatte zunächst für Skepsis gesorgt. Seine Referenzen konnten dennoch alle überzeugen – er hatte immerhin mehrere Jahre in sehr viel verantwortungsvolleren Positionen gearbeitet, in Irland, UK und so weiter – und hatte sogar Jacks beinharten Souschef Laurent Benoit weichgeklopft. Doch erst als er den Job in der Tasche hatte, hatte er die schlechte Neuigkeit erfahren.

Jack verließ New York und ging nach Chicago.

Shane würde also nicht dieselben Küchendämpfe einatmen wie Jack. Er hatte Jacks Siegeszug jetzt tatsächlich schon länger mitverfolgt, als er es sich eingestehen wollte. Hatte zugesehen, wie er umwerfende Schauspielerinnen zu Filmpremieren begleitet und für Magazincover posiert hatte. Er hatte jedes einzelne Interview gelesen und selbst die kleinste Tratschgeschichte begierig aufgesogen. Sein Ziel war es gewesen, mehr über Jack zu erfahren, als dieser selbst über sich wusste. Erst einmal konnte Shane ihn nur als öffentliche Figur kennenlernen, aber jetzt, wo er mit ihm im Sarriette in Chicago arbeitete, würde er auch Einblick in seine Persönlichkeit erhalten.

Die letzten zwei Wochen mit Jack kamen Shane wie ein Tornado vor. Bei seiner ersten Abendschicht mit Jack war er so nervös gewesen, dass er drei Gebäckbestellungen falsch notiert hatte und den strengen Blick seines Chefs über sich hatte ergehen lassen müssen. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen hatte Jack ihn dann zu dem Junggesellenabschied seines künftigen Schwiegercousins in Vegas eingeladen und sogar alles gezahlt.

»Teambuilding« hatte er die Aktion genannt, aber von der Idee war nicht viel übrig geblieben, sobald die glühende Hitze Nevadas sie umhüllt hatte. Wie sollte man sich auch näherkommen, wenn man einen Grappa nach dem anderen in sich hineinkippte, während man auf die Frauen und den Rest der famiglia wartete?

Jack war definitiv im Clan der DeLucas angekommen. Seine Leidenschaft für Lili erstreckte sich offenbar auch auf die restliche Familie. Überhaupt schien ihm dieses Familienleben zu liegen, besonders jetzt, wo er sich auch um Jules und Evan kümmerte und sie beschützte.

Sie beschützte! Ha! Shane legte einen niedrigeren Gang ein und trat ordentlich aufs Gas, sodass er fünfzehn Stundenkilometer schneller fuhr als erlaubt.

Als Kind waren Worte wie Schutz und Familie ihm völlig fremd gewesen. Er hatte einen alkoholabhängigen Vater gehabt, der ihn regelmäßig seine Fäuste spüren ließ – nicht seine Liebe. Hatte in einem System gelebt, das Kinder eigentlich schützen sollte und dennoch gebrochene Knochen nicht zu deuten wusste. Shane hatte keine Ahnung, was Familie bedeutete, und jetzt war er über eine Heirat mit Jacks neuer Familie verbunden. Das war schon ziemlich ironisch.

Und das alles nur wegen Cara DeLuca.

In seiner ersten Woche im Restaurant war ihr Name ihm immer wieder untergekommen. Schon bald hatte er herausgefunden, dass Cara sämtliche Köche hatte abblitzen lassen, was ihr bei vielen den Ruf als frigide Lesbe eingebracht hatte. Die Crew nannte sie auch gern Zitronentarte, und das lag nicht nur daran, dass sie Beruf und Privatleben grundsätzlich strikt voneinander trennte. Scheinbar war sie sich auch zu gut, um an dem gemeinsamen Essen mit dem Team teilzunehmen, bei dem normalerweise alle Angestellten vor der Schicht zusammenkamen. Sie hatte sich eine Woche freigenommen, um die Hochzeit ihrer Cousine zu organisieren. Deswegen war er auf den hochgewachsenen Sonnenstrahl namens Cara nicht vorbereitet gewesen, als sie die Bar des Paris-Las-Vegas-Hotels betreten und ihn fast vom Barhocker geworfen hatte.

Cara DeLuca war die schönste Frau, die Shane jemals gesehen hatte.

Und das war seltsam, da er schließlich in Paris, London und New York gearbeitet hatte – allesamt Städte, in denen einem an jeder Straßenecke eine umwerfende Frau begegnete. Aber Cara war noch einmal eine andere Nummer.

Sie hatte eine perfekte Figur, platinblondes Haar, und ihre wohlgeformten Füße steckten in Designerschuhen. Nicht, dass er Ahnung von Schuhen gehabt hätte, aber in diesem Fall war er sich ziemlich sicher. Ihre Beine waren endlos, ihre Hüften schmal und verlockend, und ihre Brüste sahen aus, als würden sie perfekt in seine Hände passen.

Sie hatte ihn angesehen, umringt von ihren dunkelhaarigen Cousinen. Auf den ersten Blick mochte sie ein wenig hochnäsig erscheinen, aber dann kaute sie kurz an ihrer Unterlippe. Diese kleine Geste wirkte eher nervös als erotisch und verwandelte sie von einer kühlen Hitchcock-Blondine in eine Person, die ebenfalls nicht so richtig dazugehörte. Sie ließ ihren Blick auf ihm ruhen und entdeckte dann den Barhocker, den er für sie frei gemacht hatte. Mehr hatte es nicht gebraucht.

Eigentlich hätte er nicht trinken sollen. Das hatte er sich fest vorgenommen. Aber Jack hatte dem glücklichen Brautpaar nun mal eine Nonstopsauftour auf dem Sunset Strip geschenkt. Ständig wurde eine neue Runde ausgegeben, und Cara sah ihn dabei herausfordernd aus ihren saphirblauen Augen an.

Shane schob die Erinnerungen beiseite, um sich auf sein aktuelles Problem zu konzentrieren. Ein lautes Ping! hatte eine Nachricht von Jack angekündigt, als er gerade unruhig auf Toms Sofa geschlafen hatte – Tom war ein alter Kochkollege, bei dem er sich die letzten Wochen über einquartiert hatte. Wir treffen uns um elf Uhr im Ristorante DeLuca, stand darin. Kein Grund, kein Bitte oder Danke. Musste schön sein, so ein Selbstbewusstsein zu haben.

Shane brauste durch die kühle Mailuft aus Chinatown nach Wicker Park, einer jener trendigen Gegenden, in denen es vor Weinbars oder Hundefriseuren nur so wimmelte. Jack gehörte ein Teil des traditionellen italienischen Restaurants, und der Rest war im Besitz seines künftigen Schwiegervaters, Tony DeLuca. Und seit ein Typ in Hawaiihemd ihn mit Cara vermählt hatte, war er streng genommen auch Shanes Schwiegervater.

Gott, wie verkorkst das alles war!

Jack stand an die Kühlerhaube seines Wagens gelehnt da, einem schwarzen Flitzer, der auch perfekt in die Autokolonne des Präsidenten gepasst hätte. Er blickte auf sein Telefon, und sein Daumen bewegte sich eilig auf dem Display hin und her. Shane war noch nie jemand begegnet, der so hart arbeitete wie Jack. Wenn er nicht im Restaurant war, sah er in seinen anderen Lokalen in Europa und den USA nach dem Rechten. Meistens war er es, der morgens die Lieferungen entgegennahm, und er verließ das Restaurant erst dann, wenn der Betrieb beendet war. Nein, Faulheit konnte man ihm wahrlich nicht vorwerfen.

Sein Boss blickte auf und schob dann das Telefon in seine Jeanstasche.

»Ich hoffe, meine Nachricht kam nicht unpassend«, sagte er und klang nicht so, als ob ihn das wirklich interessierte.

»Ich fahre an freien Tagen gerne Motorrad«, entgegnete Shane. »Da konnte ich genauso gut hierherkommen.« Er nahm seinen Helm ab und öffnete den Reißverschluss seiner Lederjacke, während Jack ihn einfach nur anstarrte. Alles klar.

»Also, worum geht es?«, fragte Shane.

»Du hättest es mir erzählen sollen«, sagte Jack mit finsterer Miene.

Das mit Cara? Bestimmt meinte er Cara.

»Was denn?«

Jack fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes, dunkles Haar, sodass es in alle Richtungen abstand. Plötzlich stieg in Shane eine Erinnerung auf, die er ganz besonders tief vergraben hatte. Jack erinnerte ihn so sehr an … Es war einfach völlig unmöglich, Jack anzusehen und nicht daran zu denken. Aber Shane hatte sich nun einmal für diesen Weg entschieden, da musste er auch die negativen Aspekte in Kauf nehmen.

»Lili hat es mir gesagt.« Jack klang ein wenig gereizt.

Scheinbar hatte Cara sich ihrer Schwester anvertraut. Das war irgendwie logisch, auch wenn er nicht den Eindruck gehabt hatte, dass die Schwestern sich sonderlich nahestanden.

»Es ist einfach passiert«, murmelte er.

»Nun, du hättest dich an mich wenden können.« Jack blickte auf das Gebäude hinter ihm und zog dann einen Schlüsselbund aus der Hosentasche. Dann ging er auf die große Tür aus Eichenholz zu, die etwa vier Meter vom Haupteingang des Ristorante DeLuca entfernt war.

»Komm mit«, meinte er ein wenig resigniert.

Shanes Gedanken wirbelten nur so durch seinen Kopf. War das der entscheidende Moment? Du hast meine künftige Schwägerin geheiratet, also komm mit?

So hatte er sich das Willkommensritual eigentlich nicht vorgestellt! Dabei hatte er sich diesen Moment so oft ausgemalt …

Jack war schon hineingegangen und hatte die Tür einen Spaltbreit offen gelassen. Shane folgte ihm die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo Jack durch eine weitere Tür verschwand. Schließlich betrat Shane eine vollkommen zugestellte Wohnung, an deren Wänden coole Kunstwerke hingen.

»Es ist ein bisschen chaotisch hier, und ich kann die Möbel natürlich einlagern lassen, wenn du sie nicht willst.« Er musterte Shane von Kopf bis Fuß. »Obwohl du wahrscheinlich ein paar Einrichtungsgegenstände brauchen wirst, wenn man bedenkt, wie du die letzten Wochen über gelebt hast.«

Langsam dämmerte es Shane. »Du willst mir diese Wohnung anbieten?«

Jack verzog den Mund. Vielleicht auch nicht. Er deutete auf das große Wohnzimmer und die kleine Küche.

»Ich habe das Gebäude vor sechs Monaten dem alten Investor des DeLuca abgekauft. Lili und ich haben hier zusammengewohnt, ehe wir ein paar Blocks weiter ein Townhouse gefunden haben. Seitdem bin ich noch nicht dazu gekommen, mich um die Wohnung hier zu kümmern. Sie meinte, du bräuchtest eine Unterkunft.«

Okay. Erstens wusste Jack nicht, dass er Cara geheiratet hatte. Zweitens bot er ihm die Wohnung an, wirkte aber nicht richtig glücklich darüber. Shane war erleichtert und verwirrt zugleich.

»Wäre es denn ein Problem, wenn ich hier einziehe?«

»Nein«, sagte Jack, aber es klang wie ein Ja. »Lili meinte, dass das Sofa, auf dem du jetzt schläfst, schlecht für deinen Rücken ist. Nicht, dass man dir das auf der Tanzfläche angemerkt hätte.«

Shane hatte einen riesigen Kloß im Hals. Jack sollte nicht denken, dass er sich auf irgendeine Art einen Vorteil verschaffen wollte. Und er wollte auf keinen Fall in Jack Kilroys Schuld stehen.

»Ich wollte mir ganz sicher keinen Schlafplatz erschleichen«, meinte er scharf. »Ich habe nur mit Lili geplaudert, nachdem wir auf der Hochzeit getanzt haben. Ich war mir nicht mal sicher, ob sie überhaupt zugehört hat.«

Jack hielt beschwichtigend die Hände in die Luft. »Ach, das weiß ich doch. Lili kümmert sich nun mal gern um die Leute, und du bist offenbar ihr nächstes Opfer. Du weißt doch, wie die Italiener sind. Haben für jeden Streuner eine Mahlzeit oder sogar ein Bett in petto.«

Shane ging ein paar Schritte Richtung Küche und strich mit dem Finger über die Ecke des robusten Holztischs, auf dem sich sicher gut Kuchenteig zubereiten ließ.

Jack grinste. »Machst du dir Sorgen wegen der Miete?«

»Nein.« Shane sah sich noch einmal um. Es war schwer, in Chicago eine möblierte Wohnung zu finden, und diese hier war so perfekt, dass er es kaum glauben konnte. Über dem Sofa hing ein ziemlich verrücktes Kunstwerk, bei dem offenbar jemand Eierschalen auf ein Stück Teppich geklebt und dann alles mit Holzlack beschmiert hatte.

»Ist die Kunst im Preis inbegriffen?«

Jacks Mund zuckte. »Klar. Was hältst du davon?«

Mist, jetzt musste er aufpassen. Schließlich durfte er nicht die Verlobte seines Chefs beleidigen.

Shane legte den Kopf schief, als musterte er ein Poster aus dem Playboy, und wartete einen Moment ab. »Es ist interessant. Beinahe ein dadaistischer Kommentar auf soziale Beziehungen und das Innenleben.«

Jack lachte so herzlich, dass sich die Wohnung im Nu in ein Zuhause verwandelte. »Mach dir keine Sorgen, Kumpel. Lili ist Fotografin. Das Ding ist von einem ihrer Kunstfreunde, aber du hast dich trotzdem geschickt aus der Affäre gezogen.«

Shane konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und merkte, wie ihm viel leichter ums Herz wurde. Trotzdem musste an der Sache hier etwas faul sein. Er konnte das Angebot nicht annehmen.

»Wir werden uns auf eine vernünftige Miete einigen. Die Wohnung hat eine Menge Vorteile – im Erdgeschoss gibt es das beste italienische Essen, im Hinterhof kannst du dein schickes Motorrad abstellen, und von hier aus brauchst du nur zehn Minuten bis ins Restaurant.« Jack lehnte sich an den Tisch und verschränkte die Arme. Es wirkte fast so, als wollte er noch eine Weile hierbleiben. Ein paar Momente schwiegen sie, was sich erstaunlich angenehm anfühlte.

»Du spielst Rugby?«, erkundigte sich Jack.

»Den Sport des Unterdrückers? Ich stehe eigentlich mehr auf Football.«

»Jetzt sag nicht, dass du einer dieser patriotischen Iren bist, die nach fünf Pints Guinness mit verschleiertem Blick irgendwelche Songs über den Aufstand grölen! Die Rugbytradition der Iren ist genauso lang wie die der Briten, wusstest du das? Ich bin übrigens auch irischstämmig. Mütterlicherseits.«

Shane wusste alles über Jacks Mutter, aber er interessierte sich mehr für das, was er nicht gesagt hatte. Jacks Vater war auch Ire, aber diese Tatsache wollte er offenbar lieber unter den Teppich kehren.

Shane sah sich ein weiteres Mal in der Wohnung um, als müsste er sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Jack plapperte weiter vor sich hin, was Shane überraschte. Der Kerl war eine echte Quasselstrippe.

»Meine Mannschaft trainiert immer am Samstagvormittag im Lincoln Park«, sagte Jack. »Wir machen uns alle so richtig dreckig und gehen dann in den Pub, bestellen ein schönes Englisches Frühstück und schauen Football auf einem großen Bildschirm. Du solltest nächstes Mal mitkommen.«

In Shane explodierte eine riesige Konfettibombe – Freude. Ein fettiges Frühstück in Kombination mit einem Footballspiel klang nach der perfekten Samstagsbeschäftigung.

Reiß dich zusammen, Junge!

»Klar«, murmelte er so unverbindlich wie möglich.

Jack nickte ihm lächelnd zu – auf diese warme, anerkennende Weise, nach der sich seine Angestellten während jeder Schicht sehnten. Jetzt wusste Shane, wie es einem Hundewelpen ging, der von seinem Besitzer gekrault wurde.

Shit, so wollte er sich aber nicht fühlen! Je schneller Shane sich aus der Situation befreite, desto besser. Denn bereits nach zwei Wochen in Jacks Küche war der Worst Case eingetreten.

Shane begann seinen Bruder zu mögen.

Jetzt könnte er es ihm erzählen. Es ausspucken, während sie unter sich waren. Zwei Köche – nein, zwei Freunde –, die Witze über Sport und seltsame Kunst rissen. Zwei Halbbrüder mit verschiedenen Müttern, vereint nach all den Jahren, in denen sie nicht einmal von der Existenz des anderen gewusst hatten. Nun, einer war schon länger im Bilde gewesen. Vor zwölf Jahren hatte Shane herausgefunden, dass er einen Bruder hatte, der neun Jahre älter war als er. Und es war nicht irgendein Bruder.

Sondern der verdammte Jack Kilroy.

Er war in Großbritannien bereits kein kleiner Fisch mehr gewesen und nahm gerade New York im Sturm ein, als Shanes Vater die Bombe hatte platzen lassen. Etwas mehr als zwanzig Jahre zuvor hatte er Jacks Mutter geschwängert und ihr keine andere Wahl gelassen, als das nächste Schiff nach Liverpool zu nehmen und ihr Kind so gut wie möglich allein großzuziehen. Es hatte Shanes dreizehnjähriges Ich fix und fertig gemacht, wie ähnlich es bei ihm und Jack gelaufen war. John »Packy« Sullivan hatte auch Shanes Mutter nicht geheiratet und seinen zweiten Sohn erst dann zur Kenntnis genommen, als sie fünf Jahre später gestorben war. Der alte Bastard interessierte sich für Jack auch nicht mehr als für Shane, bis er dann seine Chance witterte. Die Chance auf Geld.

Sein Vater hatte darüber gelacht, wie leicht man Jack als Geldquelle anzapfen konnte; wie dieser ohne zu murren die Kohle rüberwachsen ließ. Aber Shane wusste, dass mehr dahintersteckte. Sobald sein Vater ein paar Gläser getrunken hatte, rückte er mit der Wahrheit heraus. Jack hatte ihm das Geld unter der Bedingung gegeben, dass er nie wieder in das verlebte, vom Whiskey gezeichnete Gesicht seines Vaters blicken musste. Bitter und gemein, wie er war, redete Packy Shane ein, dass Jack schlicht nichts mit seiner Familie zu tun haben wollte.

Ja, ihr Vater hatte jede Möglichkeit einer herzzerreißenden Wiedervereinigung der beiden Brüder zerstört. Und jedes Interview, das Jack nach dem Einstellen seiner TV-Show gab, bestätigte Shane mehr in seiner Annahme. Der Mann ließ sich nicht gern ausnutzen. Eine seiner Ex-Freundinnen hatte ihre gesamte Beziehung an die Klatschpresse ausgeplaudert, und es gab immer wieder Leute, die in irgendeiner Weise von seinem Ruhm profitieren wollten. Jack formulierte es zwar nie so deutlich, aber Shane ahnte, dass er heilfroh war, dem ganzen Promizirkus entkommen zu sein und sich jetzt ganz auf Lili konzentrieren zu können. Auf das, was ihm wirklich wichtig war – das Essen und seine Familie. Wenn Shane mit der Wahrheit herausrückte, würde Jack sofort Packy Sullivan vor Augen haben und in ihm nur einen weiteren Mistkerl sehen, der aus ihrer Beziehung Profit schlagen wollte.

Aber Shane brauchte Jack nicht für seine Karriere und wollte auch keine Almosen von ihm. Er hatte die ganze Welt bereist und mit den besten Köchen zusammengearbeitet. Seinen Platz in Jacks Team hatte er sich mehr als verdient! Was also tat er hier, wenn er doch genau wusste, dass Jack sich einen feuchten Kehricht um ihn scherte?

Er war eben furchtbar neugierig. Jetzt, wo Packy tot war, war Jack sein einziger Verwandter. Und Shane interessierte sich genug für ihn, um sein Leben vorübergehend ganz diesem Projekt zu widmen. Es machte ihn nämlich wahnsinnig, nicht mehr über Jack zu wissen.

Die spontane Trauung mit Cara war natürlich nicht geplant gewesen, aber scheinbar kam er in dieser Hinsicht doch mehr nach seinem Vater, als ihm lieb war. Shane sah zwar nicht aus wie er, hatte aber seine schlimmsten Charakterzüge geerbt. Die betrunkenen, selbstsüchtigen und impulsiven. Sobald er sicher sein konnte, dass sein Bruder tatsächlich ein Arschloch war, er das Problem mit Cara gelöst und die beste Hochzeitstorte aller Zeiten gebacken hatte, würde er ein neues Kapitel beginnen.

Leider spielte Jack aber nicht mit, und Shanes brillanter Plan geriet in Gefahr. Es war schlimm genug, mit dem Kerl zusammenzuarbeiten. In den letzten fünf Minuten hatte er auch für das Rugbyspiel zugesagt, obwohl er von diesem Sport keine Ahnung hatte, und diese Kumpelnummer war ebenfalls riskant. Daraus konnte sich eine Freundschaft entwickeln, gegenseitiger Respekt und andere gefährliche, undurchschaubare Dinge.

Es wäre eine richtig dumme Idee, hier einzuziehen.

»Oh, da bist du ja!«, hörte er hinter sich eine leise Stimme sagen. Lili stellte ihre Einkaufstüten im Flur ab und kam dann zu ihnen. Sie berührte ihn leicht am Arm, und sobald sie ihn anlächelte, lösten sich Shanes finstere Gedanken in Luft auf. Diese sanfte, kurvige, warme Frau musste man einfach mögen.

»Nimmst du die Wohnung, Shane?«

»Na klar. Er liebt die Kunstwerke.« Jack grinste Shane verschwörerisch an. Konnte er nicht wenigstens versuchen, ein bisschen unsympathischer zu sein?

Lili warf sich auf das abgenutzte Plüschsofa und zog ihre Schuhe aus.

»Das hier habe ich in einer Straße zwei Blocks entfernt gefunden. Mein Cousin Tad hat sich beinahe den Rücken gebrochen, als er es die Treppe hinaufgeschleppt hat.« Sie gluckste. »Das waren noch Zeiten!«

Lili legte den Kopf schief und sah zu Jack, der immer noch am Küchentisch lehnte.

»Wir zwei hatten hier drin aber auch ziemlich wilde Zeiten«, sagte er so leise und anzüglich, dass Lilis Gesicht sofort flammend rot anlief.

»Jack!«, murmelte sie.

»Lili.«

Shane dämmerte plötzlich, worum es hier ging.

»Wow, ihr habt hier sozusagen jedes einzelne Möbelstück eingeweiht, kann man das so sagen?«

»Shane!« Lili legte ihre Hand auf ihre glühende Wange.

»Nun, der Couchtisch hat es irgendwie nicht so gebracht«, sagte Jack zu Shane. »Nicht, dass wir es nicht probiert hätten.«

Lili war so peinlich berührt, dass Jack und Shane losprusten mussten. Vor Freude wurde Shane kurz ganz warm. Wieder und wieder sagte er sich, dass das hier eine dumme Idee war, aber eigentlich glaubte er sich langsam selbst nicht mehr.

Plötzlich bemerkte er im Treppenhaus eine Bewegung.

»Lili, im Auto sind immer noch Millionen von Tüten – oh, was ist denn hier los?«

Ende der Leseprobe