Love Recipes – Happy Hour fürs Herz - Kate Meader - E-Book

Love Recipes – Happy Hour fürs Herz E-Book

Kate Meader

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Beschreibung

Diese italienische Großfamilie ist unwiderstehlich! Taddeo DeLuca, der Barkeeper des Ristorante DeLuca, traut seinen Ohren nicht, als seine beste Freundin Jules Kilroy verkündet, per Online-Dating eine neue Liebe finden zu wollen. Tads Beschützerinstinkt ist geweckt, denn wer weiß schließlich, welche gefährlichen Singlemänner in Chicago lauern? Er spürt sofort, dass kein Mann gut genug sein kann für Jules, die sich liebevoll um ihren kleinen Sohn kümmert und ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Schon bald muss Tad DeLuca sich eingestehen, dass seine beste Freundin ihm mehr bedeutet, als er sich lange vorgemacht hat – und er gerät in einen Strudel der Gefühle … Nach »Love Recipes – Verführung à la carte« und »Love Recipes – Süßes Verlangen« folgt nun der dritte Band der sinnlichen und witzigen »Kitchen Love«-Reihe um die italienische Familie DeLuca. Kate Meader ist USA-Today-Bestsellerautorin und schreibt am liebsten prickelnde Liebesromane, in denen sich alles um köstliches Essen, unwiderstehliche Helden und energiegeladene, freche Heldinnen dreht. Ihre Romane spielen in ihrer Wahlheimat Chicago, einer Stadt, die wie gemacht ist für Essen, Romantik und Lachen – und wo sie ihren ganz persönlichen sexy Helden kennengelernt hat. Ihre Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als »Beste Romance« von Publishers Weekly und der Washington Post.

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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Heidi Lichtblau

© Kate Meader 2014Titel der amerikanischen Originalausgabe:»Hot and Bothered«, Forever, ein Imprint von Grand Central Publishing, New York City 2014© der deutschsprachigen Ausgabe:Piper Verlag GmbH, München 2020Redaktion: Antje SteinhäuserCovergestaltung: FAVORITBUERO, MünchenCoverabbildung: shutterstock.com/wacomka

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Wie alles begann …

1.  Kapitel

2.  Kapitel

3.  Kapitel

4.  Kapitel

5.  Kapitel

6.  Kapitel

7.  Kapitel

8.  Kapitel

9.  Kapitel

10.  Kapitel

11.  Kapitel

12.  Kapitel

13.  Kapitel

14.  Kapitel

15.  Kapitel

16.  Kapitel

17.  Kapitel

18.  Kapitel

19.  Kapitel

20.  Kapitel

21.  Kapitel

22.  Kapitel

Danksagung

Widmung

Für meinen sexy Helden – danke, dass du mit mir auf diese verrückte Reise gehst.

Wie alles begann …

Eineinhalb Jahre zuvor

Es mochte der Traum von Millionen von Frauen sein, halb nackt und mit gespreizten Beinen dazuliegen und von einem heißen Traumtypen anregende Dinge ins Ohr geflüstert zu bekommen. Doch in diesem besonderen Fall hätte Jules Kilroy gut darauf verzichten können.

»Verdammt, ich muss endlich pressen!«

»Noch nicht«, erwiderte die Ärztin streng, die in einem früheren Leben beim Militär gewesen sein musste.

Pressen Sie, pressen Sie nicht, tief einatmen, flach einatmen … argh! Jules wollte sich wirklich nicht benehmen wie die erste Frau, die je ein Kind zur Welt brachte, aber verdammt, es war ihr erstes Mal, und die Schmerzen waren unerträglich.

»Es heißt nun mal Wehen«, fügte der Mann an ihrer Seite lächelnd in seinem kraftvollen Bariton hinzu. Normalerweise half ihr diese Stimme aus jedem Tief, ganz zu schweigen davon, dass Jules sie zu ein paar schrecklich unanständigen Fantasien anregte. Doch heute hätte sie Tad DeLuca am liebsten auf den Mond geschossen.

Anstatt in Wut zu geraten, versuchte sie, sich mit der richtigen Atemtechnik zu entspannen. Frauen hatten seit jeher Kinder unter Schmerzen zur Welt gebracht, also Schluss mit dem Drama-Queen-Getue! Den Teil mit dem Einatmen bekam sie hin. Bedächtige, tiefe Atemzüge. Um sie herum erinnerten sie das leise Summen der Gerätschaften und die eingespielten Bewegungen des Teams »Holt den Satansbraten aus Jules« an die anstehende Aufgabe.

Verdammt, sie bekam ein Kind!

Ein neuer Schmerz, noch heftiger als der davor, durchzuckte sie, und sie umklammerte Tads Hand so fest, dass sie schon fast damit rechnete, Knochen splittern zu hören.

Doch er fuhr nicht einmal zusammen. Typisch!

Vor fünf Monaten war sie schwanger aus London in Chicago eingetroffen, und seitdem war er ihr Fels in der Brandung gewesen. An seinen breiten Schultern hatte sie sich schon unzählige Male ausgeweint. Ihm hatte sie als Erstem ihre Lese- und Rechtschreibprobleme anvertraut, er war es, der sie selbst bei der läppischsten Panik tröstete. Zwar standen ihr auch ihr Bruder, der ehemalige Promikoch Jack Kilroy, und dessen angeheiratete Familie, die DeLucas, zur Seite, doch nur Tad gab ihr das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein.

Ohne ihr eine Pause zu gönnen, erfasste sie eine weitere Schmerzwelle.

»Der kleine Satansbraten möchte raus.« Ihr liefen Tränen über die Wangen.

»Ist doch klar.« Sanft wischte Tad sie ihr weg. »Er will dich endlich kennenlernen. Und wir ihn!«

Ihn. Dass sie einen Jungen bekam, sah ihr mal wieder ähnlich. Seit ihr auf einem Londoner Spielplatz aufgegangen war, dass die anatomischen Unterschiede zwischen Jungs und Mädchen weitere Nachforschungen wert waren, hatte ihr die männliche Spezies nichts als Probleme bereitet.

»Nun wird’s Zeit zu pressen«, kommandierte Dr. Harper.

Jules tat es, aber auch wenn man das angeblich intuitiv draufhaben sollte, brachte sie garantiert wieder alles durcheinander.

Viel sanfter, als sie es getan hatte, drückte Tad ihr die Hand. »Atem anhalten und zehn Sekunden pressen, so, wie wir’s im Unterricht gelernt haben.« Er hielt übertrieben stark die Luft an, und sein ohnehin schon riesiger Brustkorb schwoll noch mehr an. Wie sehr sich dabei sein Kittel an seine Muskeln schmiegte, hätte ihr ausgerechnet jetzt eigentlich nicht auffallen sollen.

»So ist es gut. Nun entspannen, nicht mehr pressen«, forderte die Ärztin mit professionell auf den Wehenschreiber gerichtetem Blick. Dessen gleichmäßiges Piepsen sagte jedem im Entbindungsraum, dass es dem Baby gut ging, selbst wenn Jules meinte, es würde jeden Moment ein Alien aus ihr herausbersten.

»Vielleicht solltest du ja doch etwas von dem Dope nehmen, das dir vorhin großzügigerweise angeboten wurde«, bemerkte Tad und verstieß damit eindeutig gegen ihre Anweisungen.

Egal, was passiert, lass nicht zu, dass ich irgendwelche Medikamente nehme.

Weitere Anweisungen lauteten: Wehe, du flirtest mit den hübschen Krankenschwestern! Und: Unter keinen Umständen schaust du da unten hin!Bloß keine Medikamente war allerdings Regel Numero uno.

Auch wenn sie eine Epiduralanästhesie nicht grundsätzlich ablehnte, hatte sie sich schließlich für eine natürliche Geburt entschieden. Allerdings nicht, weil sie ein erdverbundener, Bäume umarmender Hippie war. Nein, ihr schwante einfach, dass sie unter Drogeneinfluss redselig werden und dem Mann an ihrer Seite ein paar unselige Wahrheiten enthüllen könnte.

Wie etwa, dass es sie in seiner Nähe an problematischen Stellen kribbelte und sie megamäßig in ihn verschossen war.

»Zu spät«, nahm Dr. Harper ihr die Entscheidung ab.

»Das Zeitfenster für legale Betäubungsmittel hat sich also wieder geschlossen«, stellte Tad fest. »Aber okay, ich bin ja hier. Ich bin deine Droge, Baby. Schau einfach in mein ungemein attraktives Gesicht, und dann sag mir, dass du mir nicht restlos verfallen bist …«

»Arschloch.« Sie war sauer, dass er es wagte, ihre Gedanken zu lesen, während sie sich an ihrem Tiefpunkt befand. Ungemein attraktiv traf es allerdings ziemlich gut. Mit seinem durchtrainierten Körper, den blauen Augen, dem dunklen, welligen Haar und den abgewetzten Jeans und ledernen Motorradklamotten glich Taddeo DeLuca einer wandelnden Prada-Werbung.

Mit einem frechen Lächeln ging er über ihre schlechte Laune hinweg. Dieses Lächeln war der Hammer. »Wenn mein heißer Anblick dich nicht genügend ablenkt, dann lass uns doch darüber reden, was du alles tust, wenn du diesen Basketball erst mal wieder los bist.«

Seit Monaten jammerte Jules herum, was sie in ihrem schwangeren Zustand alles verpasste, weshalb sie die Liste nun selbst in ihrem benebelten Zustand mühelos runterspulen konnte.

»Zunächst mal scharfe Thunfisch-Sushis essen.«

»Ich habe Aiko auf Kurzwahl.« Er spielte auf ihr Lieblings-Sushilokal im Stadtteil Wicker Park an, in dessen Nähe beide wohnten. »Ein Wort von dir genügt.«

»Einen doppelten Gin Tonic kippen.« Kaum hatte sie es gesagt, lief ihr wie einem pawlowschen Hund das Wasser im Mund zusammen. »Allerdings nur einen, ich will ja schließlich stillen.«

Tads Augenbrauen schnellten in die Höhe, und sein Blick fiel auf ihre von einem Kittel bedeckten Brüste, die inzwischen so groß waren, dass sie selbst aus einer Raumstation noch zu erkennen sein mussten und damit in Konkurrenz zur Chinesischen Mauer traten.

»Das Wunder des Lebens«, murmelte er verträumt.

Sie knuffte ihn. »Alter Lüstling!«

»Tja, sie sehen ja jetzt schon fantastisch aus, aber ich hab nichts dagegen, wenn sie nach dem Milcheinschuss noch größer werden.« Tad hatte ebenfalls sämtliche Schwangerschaftsbücher verschlungen und kannte sich bestens aus. Er tat so, als würde er zeppelingroße Brüste umfassen. »Worüber reden wir hier? Doppel-Ds? Doppel-Fs?«

»Du bist unmöglich!« Genau in dieser Minute fühlte sie sich gefährlich zu ihm hingezogen.

Er hob ihre Hand an seine Lippen und hauchte ihr einen Kuss darauf. »Worauf freust du dich noch, mia bella?«

Mia bella. Meine Schöne. Sie liebte es, wenn er sie so nannte, vor allem, wenn sie sich so gar nicht schön fühlte.

»Darauf, wieder meine Füße zu sehen.« Ebenfalls auf der Liste standen Körperteile, die sie auf keinen Fall erwähnen wollte, wie etwa der verwilderte Wald zwischen ihren Beinen, dem womöglich selbst mit Macheten schwer beizukommen wäre. Vor sieben Stunden hatte Jules zehn Minuten, nachdem ihre Fruchtblase geplatzt war, einen Termin für ein Bikiniwaxing ausgemacht.

»Na, und hübsche Schuhe. Meine Füße sind zu Marshmallows angeschwollen, und meine Schuhsammlung vermisst mich schrecklich.« Sie hatte sie ganz hinten in ihren Wandschrank verfrachtet, samt ihren modischsten Fummeln – solche, in denen Singlefrauen auf Männerfang gingen –, da der Anblick der Schuhe ihrer modeliebenden Seele sonst bei jedem Öffnen des Schranks einen Stich versetzt hätte.

Vor allem aber vermisste sie es, sich sexy zu fühlen, und leider ließen alle Recherchen nur den verstörenden Schluss zu, dass es ein Weilchen dauern könnte, ehe es wieder so weit war. Der süße kleine Bengel würde ihrem Liebesleben garantiert einen spürbaren Dämpfer versetzen.

Als hätte der Kleine ihre Gedanken mitbekommen, setzte er zum Durchbruch an.

»Ich muss pressen!« Jules versuchte verzweifelt, so zu klingen, als hätte sie Kontrolle über die Angst einflößende Situation. Es war ihr nicht nur ein biologisches Bedürfnis, dieses Kind in die Welt zu befördern, sie streifte damit auch alte seelische Fesseln ab. Ihr ganzes Leben hatte sie sich vor schwerwiegenden Entscheidungen gedrückt, war geflohen, wenn es tough wurde, hatte ihre Bemühungen runtergefahren, anstatt sie zu verstärken.

Vor fünf Monaten hätte sie für ihr ungeborenes Kind keine bessere Entscheidung treffen können, als London mit all dem Kummer den Rücken zu kehren. Nachdem sie sich eingestanden hatte, dass sie Hilfe brauchte, hatte sie den Knatsch mit ihrem Bruder beigelegt und war zu ihm nach Chicago gekommen. Zu einem neuen Leben mitsamt erweiterter Familie.

»Noch nicht!«, befahl Dr. Harper.

»Doch!« Jules fand, es fühlte sich richtig an.

Entschlossen, auf Teufel komm raus das Licht der Welt zu erblicken, legte ihr Kind erneut die Daumenschrauben an. Diese Schmerzen. O Gott, diese Schmerzen! Sie schrie vor Angst und Begeisterung, dass sie ihr Leben endlich selbst in die Hände nahm.

»Okay, dann pressen Sie«, sagte die Ärztin, als würde nicht sowieso das Baby hier den Takt vorgeben.

»Na, komm, mia bella.« Tad strich ihr mit seiner rauen Hand das verschwitzte Haar aus der Stirn. Sehe ich jetzt etwa schön aus, du Trottel? »Du schaffst das. Du schaffst alles!«

Und in diesem Augenblick glaubte sie ihm. Er war zwar ein Mann, entsprechend war lügen fester Bestandteil seiner DNA, und einer seiner Peniskollegen hatte sie in diese Bredouille gebracht. Doch er war auch ihr Freund, und sie hatte Vertrauen zu ihm.

Nach vierzig Sekunden der schlimmsten Qualen, die sie je erlebt hatte, war alles vorbei. Verschwommen registrierte sie kurz ein blutverschmiertes kleines Bündel, bevor es die Ärztin auch schon zur Untersuchung wegbringen ließ.

»Alles okay mit ihm?«, wandte sie sich an Tad, dessen Gesicht zu einer Mischung aus Staunen und Angst erstarrt war. »Tad, ist alles okay mit ihm?«

Ein Baby – ihr Baby – stieß einen Schrei aus, der bestimmt auch noch im Wartezimmer zu hören war, wo ihr Bruder mit seinem Herumgetigere vermutlich gerade einen neuen Trampelpfad anlegte. Dass sie Tad bei der Geburt dabeihaben wollte, hatte Jack schwer getroffen und die beiden in ihrer Beziehungsreha wieder ein paar Schritte zurückgeworfen. Doch ihr Bruder musste einsehen, wie wichtig es war, dass sie ihr Leben in all seinen Facetten in Eigenregie gestaltete.

»Fuck, der hat vielleicht ein Organ!«, meinte Tad ehrfürchtig. »Klingt ja ganz so, als hätte er die große Klappe seiner Mom geerbt!«

Jules hob schwach die Hand, um ihm eine zu kleben, ließ sie aber wieder fallen. Ihr fehlte die Kraft dazu.

Oder zumindest glaubte sie das, bis sie ihn sah.

Ihren neugeborenen Sohn, frisch auf der Welt, eingehüllt in eine Decke, mit einem ach so unschuldigen Blick. Die hübsche Krankenschwester, mit der Tad nicht geflirtet hatte, legte Jules das Kind an die Brust, und sie drückte das hilflose Bündel automatisch mit unvermittelt puddingweichen Armen an sich. Wie vorauszusehen war, schmolz ihr dummes Herz zu einer Pfütze aus Liebe und Hormonen.

Ein großer Kopf, weder Hals noch Haar, ein aufgeblähter Oberkörper, schrumpelige Haut – fremd und doch auf Anhieb erkennbar als ihr Fleisch und Blut. Riesengroße, sanfte Augen starrten sie an, suchten Bindung, entschuldigten sich für nichts.

O ja, er war der Sohn seines Vaters, ganz eindeutig.

Schnell schob sie den Gedanken beiseite und konzentrierte sich lieber auf das neue schlagende Herz in ihren Armen, das sich dem Rhythmus ihres eigenen anzupassen versuchte.

»Danke, Jules«, ertönte eine Stimme neben ihr. Tad. Huch, den hatte sie ja beinahe vergessen!

Ihr Sohn versuchte, seinen Blick blinzelnd auf die Quelle der Stimme zu richten, und Tad beugte sich über den kleinen Winzling. Völlig ineinander versunken, schmiedeten ihre beiden Jungs einen Bund, der, so hoffte sie, ein Leben lang halten würde.

»Danke? Wofür?«, brachte sie heiser heraus.

»Dass ich dabei sein durfte.« Die Ehrfurcht in Tads Stimme verblüffte sie. Er küsste sie mit warmen, festen Lippen auf die verschwitzte Stirn und drückte dann ihrem Sohn einen sanften Kuss auf den Kopf.

Auch wenn vor ihren Augen alles kurz verschwamm, war sie von Freude erfüllt. In diesem Moment schnellte die Faust des Kleinen nach oben und berührte ihre Haare.

»Aus dem wird mal ein großartiger Pitcher für die Chicago Cubs«, meinte Tad schmunzelnd und machte dem ernsten Augenblick damit ein Ende.

»Rugby, Tad. Du wirst ihm den Sport seiner Vorfahren beibringen müssen.«

»Ich werde ihm alles beibringen, was er wissen muss.«

Jules zog die Augenbrauen hoch, und er lachte. »Nur in Maßen natürlich, und nicht, bevor er nicht wenigstens fünfzehn ist. Hey, er ist jetzt Teil der italienischen Kultur! Und wenn Jack ihn in die Mangel nimmt, wird er einen coolen Onkel brauchen.«

Onkel. Mehr würde Tad nie sein beziehungsweise sein dürfen. Sie hatte dreiundzwanzig Jahre in dem Wunsch auf diesem Erdball verbracht, eine Familie zu haben, die sie liebte und akzeptierte, hatte gehofft, eines Tages würde sie für jemanden der Mittelpunkt der Welt sein. Sich mit Jack auszusöhnen und von der Familie DeLuca mit offenen Armen aufgenommen zu werden war das Beste, was ihr passieren konnte.

Na ja, das Zweitbeste. Mit Blick auf ihr hübsches Baby seufzte sie glücklich auf.

Das alles würde sie wieder aufs Spiel setzen, wenn sie ihrer Schwäche für Tad nachgab. Doch sie trug nun Verantwortung, und die wog mehr als ihre verräterischen Hormone. Männer würden kommen und gehen, aber das hier – sie blickte auf ihren neuen Lebensmittelpunkt – war eine Liebe fürs Leben.

1.Kapitel

Tad DeLuca knirschte so fest mit den Zähnen, dass zu befürchten stand, sie würden zersplittern.

»Wir bräuchten noch ein Ersatzteil.« Mit diesen Worten kroch der Elektriker, der mit einem wahrlich üppigen Bauarbeiterdekolleté ausgestattet war, rückwärts hinter dem Pizzaofen hervor und richtete seinen Hosenbund.

»Das hieß es letzte Woche auch schon«, erwiderte Tad geduldig. Wirklich geduldig. »Da haben Sie den …«

»… Temperaturregler installiert.«

»Den Temperaturregler, ganz genau, und Sie haben gesagt, nun müsste alles wieder laufen.«

Über dem Kopf des Mannes erhob sich der Pizzaofen und machte sich über Tads Vorstoß ins Geschäftsleben lustig. Fladenbrote waren einer der Eckpfeiler der Speisekarte seiner neuen Weinbar – oder hatten es zumindest sein sollen – und nun dachte er über seinen Plan B nach. Den, der nicht existierte. Die Freuden, sein eigener Boss zu sein.

»Diesmal liegt es nicht am Regler. Da ist ein …« Der Mann murmelte etwas Unverständliches, und Tad schaltete auf Durchzug. Drei Semester Ingenieurwissenschaft reichten einfach nicht, sich über Reparaturen von Pizzaöfen auslassen zu können. Tja, wäre er länger am Ball geblieben, hätte er jetzt vielleicht etwas mehr zur Unterhaltung beitragen können. Leider führten Gedanken an seine Collegetage immer dazu, Erinnerungen daran heraufzubeschwören, wie sie geendet hatten. Und die waren schwer zu ertragen.

»Wie lang?«

Noch immer unelegant in der Hocke, rieb sich der Ofentyp den Nacken. »Eine Woche. Eher zwei.«

Ja, Herrgott noch mal! Als hätte Tad die Worte laut ausgesprochen, schossen die Augenbrauen des Mannes in die Höhe.

In nicht mal einer Woche stand in dem sekündlich hipper werdenden Stadtteil Wicker Park, nur einen Steinwurf vom Ristorante DeLuca, dem Restaurant seiner Familie, entfernt, die Eröffnung des Vivi’s an. Der Schritt vom Barkeeper zum Barbesitzer schien nur logisch, doch leider hatte zwischen dem Schicksal und der Logik eine ganze Weile Funkstille geherrscht. Noch bevor er den Mietvertrag überhaupt unterschrieben hatte, war das Lokal, das er als Erstes im Auge gehabt hatte, bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Beim zweiten war er überboten worden. Und nun hatte sich obendrein sein Koch aus dem Staub gemacht, sodass Tad nun niemanden mehr hatte, der die von ihm geplanten atemberaubenden Gerichte auf der Speisekarte in die Tat umsetzen konnte. Doch von solchen Stolpersteinen konnte er sich nicht aufhalten lassen. Der Startschuss musste endlich fallen!

Er hatte Jahre gebraucht, um an diesen Punkt zu gelangen. Viel zu lang hatte er über seine Fehler nachgedacht und sich in Ausflüchten ergangen. Es war ihm zur zweiten Natur geworden, andere zu enttäuschen, aber damit hier – Tad ließ den Blick über die glänzenden, polierten Oberflächen seiner neuen Küche wandern – würde er das vielleicht wieder ausbügeln können. Vivi wäre stolz auf ihn.

Eine Speisekarte mit köstlichen Imbissen würde eindeutig ihren Teil dazu beitragen.

»Ich würde zu gern wissen, was dir gerade in deinem Kopf herumgeht, Babe«, raunte ihm eine Frauenstimme ins Ohr. »Oder soll ich einfach mal ein paar Vermutungen anstellen?«

Lächelnd schob Tad die Gedanken daran beiseite, wie beschissen der Tag verlaufen war, und drehte sich zu der blonden Schönheit um, die ihm womöglich doch noch ein Glanzlicht aufsetzen konnte. Bei jeder anderen Frau mit ihrem Aussehen – das Haar zu einem Knoten frisiert, dunkle Ringe unter den grün-goldenen Augen, das Shirt formlos und zerknittert über einer schlabberigen, bis zu den Knien hochgerollte Wüstentarnhose – hätte er vermutet, sie wäre gerade aus einem warmen Bett getaumelt, wo man sie gehörig flachgelegt hatte. Doch es handelte sich nun mal um Jules Kilroy, seine beste Freundin. Und die hatte in den zwei Jahren, die sie sich kannten, seines Wissens noch nie ein Date – oder mehr – gehabt.

Ihre belustigt geschürzten Lippen konnten weder über ihre Müdigkeit hinwegtäuschen noch lenkten sie von ihrer blassen, zerbrechlichen Schönheit ab. Sein Beschützerinstinkt war sofort geweckt, und er hätte sie am liebsten in die Arme genommen und fest an sich gedrückt.

Doch diesem Wunsch durfte er auf keinen Fall nachgeben, weshalb er sich ganz auf ihre amüsierte Miene konzentrierte. Die erinnerte ihn nämlich daran, warum sie sich auf Anhieb verstanden hatten, als sie schwanger und erschöpft im Restaurant seiner Familie aufgetaucht war und dringend einen guten Freund gebraucht hatte.

Ein schöner Freund war er ihr gewesen! Hastig verdrängte er den Gedanken und setzte ein freundliches Grinsen auf.

»Von dieser Jauchegrube der Verkommenheit willst du lieber gar nichts wissen. Dir würden die Haare zu Berge stehen …«

Unauffällig nickte sie in Richtung des Ofentyps, der sich einmal mehr auf alle viere begeben hatte und wieder an der Ofenmechanik herumfummelte.

»Du denkst gerade, dass es nichts Attraktiveres gibt, als den Anblick eines ausladenden Hinterns, der aus einer Jeans hervorguckt.«

Lustig, dass sich Jules’ britischer Singsangakzent, seit sie in den Staaten lebte, kein bisschen abgeschwächt hatte. Wobei es nicht so betont vornehm klang, als wäre ihr Mund mit Pflaumen gefüllt. Nein, sie hatte die Stimme eines Partygirls: ein bisschen heiser und rau, als hätte sie am Abend zuvor in einem Club stundenlang einen wummernden Bass übertönen müssen.

Bis sie sich wegen ihres Babybauchs nicht mehr so gern auf der Tanzfläche hatte austoben wollen, waren sie in der Hinsicht ein super Team gewesen. Nun hatte sie alle Hände voll mit ihrem achtzehn Monate alten Sohn Evan zu tun. Der Kleine war einfach zu knuffig, doch Jules’ Augenringe bewiesen, dass man es mit ihm nicht immer leicht hatte.

Tads Handy summte, und als ein diskreter Blick darauf ihm zeigte, dass ihn die letzte Person auf der Welt erreichen wollte, mit der er zu reden wünschte, konnte er sich ein Stirnrunzeln nicht verkneifen. Er wandte sich wieder Jules zu, die ihn neugierig ansah.

»Wie geht’s der abgehalfterten Ballerina?«

Normalerweise lockten am anderen Ende der Leitung vielversprechendere Angebote, und Jules neckte ihn gern wegen seines Geschmacks des Monats.

»Der olympischen Turnerin, meinst du wohl.« Er sprach von dem zierlichen Sahneschnittchen, mit dem er in der vergangenen Woche etwas am Laufen gehabt hatte, das inzwischen allerdings schon wieder passé war.

»Zieht sie beim Beckenbodentraining immer noch alle Register?«

Er lachte. Jules und ihr loses Mundwerk. »Es hat nicht funktioniert.«

»Ach je, die Arme! Hat vom italienischen Preisrichter wohl eine schlechte Platzierung erhalten. Oder war sie im Alter nicht mehr so gelenkig? Wie alt war sie noch mal? Achtzehn, fünfzehn?«

»Zweiundzwanzig. Sie sah bloß so jung aus.«

»Taddeo DeLuca, wann wirst du dich endlich mit einem netten, drallen Mädchen häuslich niederlassen und Bambinos in die Welt setzen?«, fragte sie mit italienischem Akzent. Zusätzlich kniff sie ihm in die Wange, wie es seine Tante Sylvia gern tat, die ihre alleinstehenden Nichten und Neffen unbedingt unter die Haube bringen wollte.

Er kannte die Antwort nur zu genau. An die blonde, grünäugige Schönheit vor ihm kam einfach keine andere heran. Gerade wollte er etwas wesentlich Flapsigeres erwidern, wie etwa, dass seine Anhängerschaft bei Facebook so etwas nie dulden würde, als er sah, dass sie inzwischen anderweitig abgelenkt wurde.

Und zwar von dem Elektriker, diesem Blindgänger, der sich unterdessen schwerfällig aufgerappelt hatte und nun seine Ich-konnte-eh-nicht-helfen-Rechnung ausstellte.

»Hallöchen!« Kaum zu glauben, wie strahlend Jules ihn anlächelte.

»Äh, hallo«, erwiderte der Mann vorsichtig.

»Sieht nach harter Arbeit aus.« Jules klimperte mit den Wimpern. Ja, wirklich, sie klimperte damit!

Eigentlich hatte Juliet Kilroy mit Flirten nichts am Hut. Noch nie hatte Tad mitbekommen, dass sie einen Typen mit irgendeinem Hintergedanken, der über eine Sprite-Bestellung an einer Bar hinausgegangen wäre, angesprochen hatte. Andererseits kannte er sie ja nur entweder schwanger oder als Mutter eines kleinen Rackers, und da stand Schäkern nun mal nicht unbedingt auf dem Programm.

Doch jetzt sah es eindeutig so aus, als würde sie flirten.

Mit dem Ofentyp.

»Zwei Wochen also, bis Sie dieses Teil bekommen?«, hauchte sie und kaute auf ihrer Unterlippe. Die Wangen des Ofentyps färbten sich, und er straffte sich ein wenig, was ihm Tad weiß Gott nicht verübeln konnte. Die Art, wie sie an ihren Lippen knabberte, war äußerst süß. Und irre sexy!

Der Mann, der Jules’ Charmeoffensive wehrlos ausgesetzt war, legte die Hand liebkosend auf seinen Werkzeuggürtel.

Mit unschuldig aufgerissenen Augen sah Jules auf den Gürtel, als ob die Vorstellung des Gürtelstreichelns und von allem, was damit einherging, ihr gerade erst gekommen wäre. Dann ließ sie den Blick über den Körper des Ofentyps bedächtig wieder nach oben wandern.

»Was tust du?« Tad bereute die Frage sofort, da sie eher gereizt als neugierig herausgekommen war.

»Ich übe«, erwiderte sie, ohne die Augen von dem unfähigen Handwerker zu lösen. »Sie wissen gar nicht, wie dankbar wir Ihnen wären, wenn Sie dieses Teil schon früher bekommen könnten. Pizzen stehen bei uns so hoch im Kurs.« Bildete es sich Tad nur ein, oder klang ihr Akzent etwas vornehmer als sonst?

»Du übst was?« Inzwischen war es Tad egal, wie angefressen er klang.

Ohne darauf einzugehen, behielt Jules den grüngoldenen Blick auf ihr Zielobjekt gerichtet.

»Vermutlich könnte ich die Bestellung als dringlich einstufen.« Inzwischen war der Ofentyp bis zum Haaransatz rot angelaufen. »Dann wäre das Ersatzteil in ein paar Tagen da.«

»Sie sind großartig!« Sie schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln.

Der großartige Mann erwiderte es mit einem schüchternen Grinsen. Dann trat er den Rückzug aus der Küche an und murmelte dabei etwas von wegen, er werde so bald wie möglich Bescheid geben.

»Das wäre gebongt!« Zufrieden rieb sich Jules die Hände.

»Was zur Hölle war das denn?«, fragte Tad.

»Bekanntermaßen fängt man mit Honig mehr Fliegen als mit Essig. Möchtest du dein Ersatzteil nun oder nicht?«

Wenn das hieß, dass er so etwas noch einmal miterleben müsste, dann nein danke!

»Danke.« Sein Versuch, nicht griesgrämig zu klingen, misslang.

»Gern geschehen.« Sie verschränkte die Arme unter der Brust, wodurch sich der Stoff ihres weiten Shirts auf eine Art und Weise an ihre Kurven schmiegte, die ihm nicht hätte auffallen dürfen. »Wo ist Long Face?«

Diesen Spitznamen hatte sie Jordie gegeben, dem Koch, der meistens mit so tieftrauriger Miene herumlief, als läge die Last der ganzen Welt auf seinen schmalen Schultern.

Besonders traurig hatte der Mistkerl allerdings nicht geklungen, als er an diesem Morgen angerufen und gekündigt hatte. Tad setzte Jules darüber ins Bild, und ihr Mitgefühl tat ihm gut.

Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen und sah ihn dann vielsagend an, als wollte sie etwas loswerden. Gern kritisierte sie seinen miesen Umgang mit der jeweils aktuellen Flamme oder seinen rasanten Fahrstil auf seiner Harley. Als seine gute Freundin hatte sie kein Problem damit, auch mal die nervende Schwester oder die nörgelnde Glucke zu spielen.

»Spuck’s schon aus.« Er war neugierig, was sie zu sagen hatte, denn ihre schnippischen Bemerkungen über seine gelegentlich nicht ganz perfekten Entscheidungen entpuppten sich oft als Highlight seines Tages.

»Kein funktionierender Pizzaofen, kein Koch, und damit kein Essen und ein Lokal, das sich demnächst mit den strengsten Kritikern der Menschheit füllen wird. Du steckst knietief in der Scheiße, Freundchen.«

Shit! In der ganzen Aufregung hatte er vergessen, das Probeessen für seine nunmehr nicht mehr existierende kleine Speisekarte abzublasen. Zum Glück bestand die ungeduldige Meute, die demnächst antraben würde, aus seiner Familie und nicht aus raubtierhaften Chicagoer Restaurantkritikern.

Zum umfangreichen Weinangebot sollte es eigentlich trendige kleine Gerichte geben. Enten-Rillette. Steinpilz- und Schalotten-Focaccia. Die erprobte Auswahl an Käse und Wurst. Sachen also, die nicht so viel Mühe machten und den Umsatz ordentlich in die Höhe trieben. Vielleicht würde er das Angebot später erweitern, doch zunächst mal wollte er sich nicht übernehmen. Für den Moment drehte sich alles um den Wein – vor allem heute, wo nun leider kein warmes Essen angeboten wurde.

Na, zumindest gab es kalte Platten. Er marschierte hinüber zum Vorbereitungsbereich und deckte ein paar der Platten auf.

»Komm, mach dich nützlich, schöne Maid«, sagte er zu Jules. »Bring dies raus, damit wir für den Einfall der Rotte vorbereitet sind.«

»Wie meinst du das, er hat gekündigt?«, fragte Jack, und Jules riss den Kopf hoch.

Jack gab sich ja gern finster und kritisch und legte jetzt, als Investor für Tads Start-up, sogar noch eine Schippe drauf. Tad hätte das Ganze lieber allein durchgezogen, das wusste Jules, hätte dann aber drei weitere Jahre warten müssen, um das Startkapital zusammenzubekommen. Manchmal musste man zur Erfüllung seiner Träume eben Kompromisse eingehen.

Ihr Bruder, Jack Kilroy, war einer dieser unglaublich erfolgreichen Gastronomen, von deren Restaurants selbst Pygmäenstämme in Neu Guinea schon gehört hatten. In den letzten Jahren hatte er sein internationales Foodimperium zusammengestutzt und sich seine TV-Verpflichtungen vom Hals geschafft, damit er sich auf seine beiden großen Leidenschaften konzentrieren konnte: auf sein Restaurant Sarriette in Chicago, einem wahren Feinschmecker-Mekka, und seine Frau Lili, Tads Cousine.

»Ihm ist ein Job auf einem Kreuzfahrtschiff angeboten worden«, berichtete Tad gerade von Long Face. »Der idiota will die Welt sehen. Ich hatte gehofft, du könntest mir für ein paar Wochen Derry überlassen, während ich mich nach Ersatz umsehe.«

Jack runzelte die Stirn. Über längere Zeit verzichtete er nur ungern auf den Souschef des Sarriette. Zudem argwöhnte Jules, ihr Bruder würde nicht einmal die Straße überqueren und auf Tad pinkeln, wenn der in Flammen stünde. Das Verhältnis der beiden Männer war schon immer angespannt gewesen, was wohl hauptsächlich daran lag, dass ihr Bruder ihre enge Beziehung zu Tad missbilligte. Andererseits wusste sie aber, dass Jack alles tat, damit seine Investition sich auch auszahlte.

»Wir werden uns etwas einfallen lassen«, meinte Jack nach einer Weile. »Zu essen kriegen wir also schon mal nichts. Was gibt’s zu trinken?«

Tad drehte die Flasche in seiner Hand, sodass der Rest seines Publikums – Lili, ihre Schwester Cara und Caras irischer Mann Shane Doyle, der väterlicherseits ebenfalls Jacks Halbbruder war – sie sehen konnte.

»Wauwau!« Evan wand sich in Jules’ Armen und schnappte nach der Flasche, auf deren Etikett ein übergroßer, freundlicher Terrier abgebildet war. In letzter Zeit war ihr Sohnemann, der Mittelpunkt ihrer Welt, besessen von Hunden. Die Buchstaben auf dem Etikett hüpften vor ihren Augen herum und ergaben wegen ihrer Leseschwäche einfach keinen Sinn. Legasthenie war echt nervig!

Tad stellte den Wein vor. »Das hier ist ein chilenischer Pinot. Intensives Fruchtbukett mit Noten von Pflaumen, vollmundig. Passt gut zu in Zinfandel braisierten Short Ribs mit Fladenbrot.« Er begegnete Jacks spitzem Blick. »Oder zumindest wird er das, wenn wir jemanden haben, der es uns bäckt.«

Tad goss Probemengen des purpurroten Weins in Stielgläser und reichte sie herum. Dann nahm er auf einem der drei vornehmen schokofarbenen Samtsofas Platz, die in der Nähe des Eingangs um einen niedrigen Steintisch platziert waren, und lächelte stolz. Wie auch nicht, dachte Jules, wo er doch schon so lange von so einem Lokal geträumt hatte und es nun so schön geworden war.

Die flackernden Votivkerzen auf den Fensterbänken tauchten den Raum mit seinen schimmernden Kirschholzmöbeln in ein gedämpftes, warmes Licht. Auf den unverputzten Ziegelwänden kamen Lilis geschmackvolle Aktfotos mit Anlehnungen an die Weinkultur zur Geltung – Models, die in provokanten Posen Trauben hielten, andere mit terrakottafarbenen Streifen auf der Haut – wie ein Liebesbrief von Mutter Natur. Sonne, Erde, Leben. Der Clou schlechthin war aber, dass die Bar von dem dahinterliegenden Weinkeller durch eine Glaswand abgetrennt war und man somit vollen Einblick hatte. Dieses deckenhohe »Fenster in die Welt des Weines«, als das der Architekt es Tad erfolgreich angepriesen hatte, nahm der Bar das Prätentiöse, das andere Bars dieser Art oft an sich hatten. Jules war begeistert.

Tad, der Jules’ Blicken gefolgt war, tauschte mit ihr ein heimliches Lächeln. Diese Weinbar war sein Traum, doch nachdem er ihr schon so lange davon erzählt hatte, verspürte auch sie nun einen gewissen Besitzerstolz. Er hatte noch nie Angst gehabt, sie nach ihrer Meinung zu fragen, und sie keine, ihm diese mitzuteilen. Normalerweise über das neueste Flittchen-Supermodel, das er datete, oder seinen Klamottenstil.

Trotz aller Frotzeleien und bissigen Bemerkungen mochten sie sich wirklich sehr, und das von Anfang an.

Cara beugte sich vor, schnupperte an Shanes Glas und legte dabei automatisch die Hand auf ihren Bauch. Da sie im fünften Monat mit Zwillingen schwanger war, war der schon ziemlich riesig. Doch anstatt müde und erschöpft zu wirken, sah sie einfach blendend aus. Was wieder mal typisch war.

»Gott, wie ich das vermisse!« Cara hielt ihre Nasenspitze über das Glas und inhalierte tief.

Shane zog es weg, trank einen großzügigen Schluck und gab seiner Frau dann einen liebevollen Kuss.

»Sag nicht, ich würde mich nicht gut um dich kümmern, Mrs DeLuca-Doyle«, murmelte er und konnte die Freude darüber, sie als seine Frau bezeichnen zu können, nicht verbergen. Jules, die Evan auf dem Arm trug, drückte seinen Kopf an ihre Schulter, damit sie an ihrem Wein nippen konnte. Was war sie doch für eine Rabenmutter!

»Was sagst du dazu, Jules?«, wollte Tad wissen.

»Weich, leicht würzig.« Wie deine Lippen.

Nein, nein, nein! Wo, zur Hölle, war das denn hergekommen? Sie kam mit ihrer Rolle als beschäftigte Mom inzwischen doch prima klar und bemühte sich, nicht mehr an jenen schrecklichen Abend vor einem Jahr zu denken, an dem sie die Freundschaft zu Tad beinahe zerstört hätte. Ein Kuss, drei Sekunden des Entsetzens, ein Jahr des Bedauerns. Befeuert von Schlafmangel und neuen Mama-Hormonen hatte sie sich verbotenen Hoffnungen hingegeben, doch er hatte sie abblitzen lassen. Die richtige Entscheidung, wie sie zugeben musste. Zum Glück hatte ihre Freundschaft keinen bleibenden Schaden davongetragen, auch wenn sie ab und zu immer noch ein lüsterner Gedanke streifte – mit freundlicher Genehmigung von Bad-Girl-Jules.

Na, na, na, mahnte Good-Girl-Jules.

Bad-Girl-Jules kicherte frech.

Auf ihrer Schulter wurde es verräterisch feucht. Babysabber! Na, klasse. Es ging doch nichts darüber, mit einem Schlag wieder in die Realität des Mutterdaseins zurückbefördert und daran erinnert zu werden, wie eindeutig unsexy man doch war.

Sie hatte das Haus in Eile verlassen. Weiter nichts Neues. Man hatte sie schon darauf vorbereitet, wie schwierig es wurde, rechtzeitig aus dem Haus zu gehen, wenn man an alles denken musste und das Kind in letzter Minute einen Rappel bekam. Fürs Duschen und Schminken blieb sowieso keine Zeit. Auch das hatte man ihr prophezeit. Noch mal schnell kämmen? Vergiss es. Völlig zweitrangig gegenüber den Bedürfnissen des Kindes.

Normalerweise machte ihr das nichts aus, allerdings wurde das Muttersein nun, wo sie in eine eigene Wohnung gezogen war, nicht eben leichter. Die letzten beiden Jahre hatte sie im Stadthaus ihres Bruders ein paradiesisches Leben geführt und war in jeder Hinsicht unterstützt worden, auch finanziell. Anfangs hatte sich Jack mit ihr sogar Evans Betreuung geteilt, war mitten in der Nacht aufgestanden, egal, wie spät es im Restaurant geworden war, und hatte den Kleinen mit der zuvor von ihr abgepumpten Milch gefüttert. Wenn sich bei ihr Katzenjammer einstellte, hatte ihre Schwägerin Lili immer ein offenes Ohr für sie. Jules wusste, sie konnte von Glück reden, von den DeLucas so herzlich in die Familie aufgenommen worden zu sein.

Allerdings wusste sie auch, dass sie sich einsam fühlte.

Es klang so lächerlich, dieses Bedürfnis nach den Armen eines Mannes, die sie hielten. Behaarten, gebräunten, muskulösen Armen …

Einmal mehr verzauberten sie Tads Arme. Die Arme ihres guten Freundes.

Was konnte sie dafür, wenn sie das Vorbild für die Arme lieferten, von denen sie träumte? Und sie beim Abspülen von Evans Milchfläschchen an der Spüle plötzlich die Vorstellung überkam, ebendiese muskulösen und sehnigen Arme würden sie von hinten umschlingen? Vielleicht gab es ja heißere Fantasien als die, beim Schrubben einer verkrusteten Pfanne von einem Mann genommen zu werden – aber, hey, war doch toll, wenn einem die eintönige Arbeit dadurch leichter von der Hand ging! Aber musste sie dabei unbedingt an die Arme ihres Kumpels denken?

Viele Leute kannte sie in Chicago nicht, aber es reichte. Ihre neue Familie hatte kein Problem damit, als Babysitter einzuspringen, wenn sie auf einen Smoothie ins Fitnessstudio wollte oder sich als Aushilfe bei einem von Caras oder Shanes Events etwas Geld dazuverdiente. Aber jemanden kennenzulernen – einen Mann kennenzulernen – war längst nicht so einfach, wie es in London gewesen war. Damals war sie Single gewesen, kinderlos und nach ein paar Gin Tonics zu fast allem bereit. Sie vermisste diese Zeit nicht, doch sie hätte sich so gern mal wieder begehrt und gewollt gefühlt. Offen gestanden kannte sie nicht viele alleinstehende Männer. Eigentlich nur Tad.

Und der wollte genau das sein: alleinstehend.

Tad vernaschte Frauen in einem Tempo, als gelte es, ein Rennen zu gewinnen. Bei manchen der Geschichten, die er ihr erzählte, standen ihr die Haare zu Berge. Sie ermutigte ihn trotzdem dazu, und zwar zum einen, weil sie sie anturnten, und zum anderen, weil er sie so faszinierte. Er war der freundlichste, witzigste Typ, den sie kannte – und er behandelte Frauen wie Annehmlichkeiten, bis sie zu Unannehmlichkeiten mutierten. Sie mochte sich lieber gar nicht vorstellen, wie es sein musste, Tads spezielle Art der Unaufmerksamkeit zu genießen.

Doch sie hatte noch nie jemanden kennengelernt, dem seine Familie und Freunde so sehr am Herzen lagen. Nach allem, was hinter ihr lag, war eine Familie wie die DeLucas, der Tad angehörte, ihr Gewicht in gelato wert, und sie würde den Teufel tun und das aufs Spiel setzen.

In der Küche hatten sie herumgescherzt. Dass sie ihn nun wieder völlig relaxed wegen seines ausschweifenden Liebeslebens aufziehen konnte, war ein gutes Zeichen. Die Friendzone hatte sie wieder, und alles war gut. Und ihre gelegentlichen hormonbedingten Fantasien über seine Arme waren eben genau das: gelegentlich und hormonbedingt.

Jetzt sah er sie auf eine Alles-okay-mit-dir?-Art an, und sie bemühte sich, alles möglicherweise Verwirrt-Wuschige aus ihrem Gesichtsausdruck zu verbannen. Vielleicht sollte sie sich ja Botox spritzen lassen, damit ihre Miene nicht mehr so viel verriet?

Ihre Bemühungen scheiterten jedenfalls kläglich. Tad stand auf und streckte besorgt besagte Fantasie anregende Arme aus.

»Süße, komm, gib mir den Knirps. Entspann dich und trink was.« Er nahm ihr Evan ab.

»Was hast du gesagt?«, fragte Tad Evan und hörte genau hin, als wäre dessen Babygebrabbel genauso wichtig wie die Rede zur Lage der Nation. »Wein? Käse? Oh, einen Cracker! Schon verstanden, Buddy.«

Tad warf Jules einen fragenden Seitenblick zu. Als sie zustimmend nickte, nahm er einen Cracker von der Käseplatte und steckte ihn in Evans kleines Patschhändchen. Seufz. Beim Anblick der beiden ging ihr das Herz auf.

Dann gab sie sich einen Ruck und setzte für ihre Familie ein Lächeln auf. Kaum waren Jack und Shane zehn Minuten da, flachsten die beiden Brüder auch schon herum, wer den feineren Gaumen habe. Nach dem Rhythmus ihrer Neckereien hätte man die Uhr stellen können.

»Deine Geschmacksnerven sind doch von deinem hohen Zuckerkonsum längst zerstört«, meinte Jack. »Vermutlich schmeckst du nicht mal mehr Salz heraus.«

»Geschmacksknospen lassen im Alter nach«, schoss Shane zurück, der nichts auf seine Konditorexpertise kommen lassen wollte. Jack war neun Jahre älter als Shane. Die beiden Brüder hatten erst kürzlich zusammengefunden, sich aber auf Anhieb gut verstanden. Mit jedem Tag wurde die Beziehung der beiden enger, und obwohl Jules Shane supernett fand, beneidete sie die Jungs auch ein bisschen um ihr gutes und entspanntes Verhältnis. Bei ihr und Jack musste man dagegen ständig damit rechnen, dass es krachte.

»Eifersucht ist so unattraktiv, Brüderchen. Vergiss nicht, wessen Name in größeren Lettern auf dem Buchcover steht.« Jack spielte auf ihre Zusammenarbeit bei einem Kochbuch an, das nach seinem Erscheinen im letzten Jahr direkt auf den ersten Platz der Bestsellerliste der New York Times geschnellt war.

»Eingebildeter Fatzke!«, murmelte Shane liebevoll und warf ein daumengroßes Goudastück nach Jack. Der fing es auf und steckte es sich grinsend in den Mund.

»Na, na, na, ihr seid beide hübsch«, meinte Lili kopfschüttelnd. Wie eine Elster, die von etwas Glänzendem angezogen wird, fuhr Jack Lili liebevoll durchs Haar, und seine Miene wurde weich.

Jules unterdrückte einen Seufzer. Es fiel schwer, sich in der Nähe solcher Erfolgsmenschen wie ihre Brüder – und deren Frauen – nicht wie eine komplette Versagerin vorzukommen.

Als Tad vorhin in der Küche von Long Face’ überraschender Kündigung erzählt hatte, hatte Jules einen Augenblick überlegt, dass sie den Job doch übernehmen könnte, den Gedanken jedoch umgehend wieder verworfen. Sie war eine Amateurin unter begnadeten Profis. Ihre unbedeutenden Versuche, Pizza zu backen, Zitronen einzulegen und Biogemüse anzubauen, reichten wohl kaum aus, um in einer echten Restaurantküche zu bestehen. Shane und Jack hatten mit dem Kochen schon begonnen, bevor sie überhaupt laufen konnten, und verfügten inzwischen über jahrelange Erfahrungen. Mit ihrer Leseschwäche hatte Jules dagegen schon Probleme, Rezepte zu lesen, und überhaupt: Wer würde sich in der Zeit um Evan kümmern?

»Wir haben übrigens gute Neuigkeiten.« Cara schaffte es nicht, einen Nachmittag einfach faul mit dem Familienclan zu verbringen, der Job blieb immer im Hinterkopf. »Shane und ich haben den Auftrag für die Ausrichtung von Daniels Hochzeit im Mai nächsten Jahres an Land gezogen.«

Jeder gratulierte und hob sein Glas. Seit ihrer Gründung vor acht Monaten hatte sich DeLuca-Doyle Special Events zur heißesten Veranstaltungsagentur Chicagos entwickelt. Dass sie nun die Hochzeit des Bürgermeistersohns ausrichten durften, war der Hammer, andererseits machte Cara grundsätzlich keine halben Sachen.

»Bis dahin sollten die Babys schon ein paar Monate alt sein.« Schon immer hatte Jules die umwerfende blonde Frau bewundert, die so kultiviert und erschreckend kompetent wirkte. Aus ihr würde bestimmt eine Supermom. »Wie wirst du das schaffen?«

Cara lächelte. »Dieses Event wird genügend einbringen, dass wir ansonsten nicht viele Aufträge annehmen müssen. Trotzdem werden wir zu unserer Unterstützung wahrscheinlich jemanden einstellen.«

»Das werden wir allerdings!« In Shanes Miene zeigte sich liebevolle Besorgnis. Was die Arbeit anging, war Cara einfach nicht zu bremsen, und zu Shanes Leidwesen hatte sich daran auch durch die Schwangerschaft nichts geändert.

Jules fand es toll, wie die beiden einander ergänzten. So einen Partner hätte sie auch gern an ihrer Seite gehabt, einen, der sie trotz ihrer vielen Fehler liebte und ihren Sohn vergötterte, als wäre er der eigene.

Allein schon, damit man später gemeinsam darüber reden konnte, wie sich Evan in der Schule machte, ob er sich eher für Rugby oder Baseball eignete oder aber ob er in diese Achtklässlerin verknallt war. Na, sich das Elterndasein eben teilte. Doch all das würde wohl ein Traum bleiben. Genau deshalb hatte sie Jack auch ausfindig gemacht, nachdem dieser Mistkerl Simon sie hatte sitzen lassen.

Ihr Blick wanderte zu Tad und Evan, die in eine ernste Unterhaltung über die Farbunterschiede von Gouda und Cheddar vertieft waren. Sie hatten eine besondere Bindung, diese beiden. Zu schade, dass dieser Mann sie nie auch nur annähernd so innig ansah.

So viel Talent, Tatkraft und Liebe … Sie war den Tränen nahe. Das gutmütige Geplänkel um sie herum drohte sie nach unten zu ziehen, wenn sie auch nur noch eine Sekunde länger bliebe. Leise schlich sie sich zur Toilette davon.

Niemandem fiel es auf.

Ein Blick in den Spiegel sagte ihr alles, was sie wissen musste. Mit dem Stillen hatte sie vor ein paar Monaten aufgehört, aber die Pickel waren noch immer nicht ganz verschwunden. Völlig klar also, warum ihr Anblick für jeden jungen Mann wie ein Lustkiller wirkte. Kein Wunder, dass Tad entsetzt zurückgewichen war, als sie sich an ihn herangemacht hatte. Ach, herrje, sie sah ja aus wie ein Teenager-Albtraum!

»Hey, alles okay mit dir?«

Neben ihrem Spiegelbild tauchte das ihrer umwerfenden, kurvigen Schwägerin Lili auf, die mit ihrer makellosen olivfarbenen Haut und der dunklen Haarmähne einer jungen Sophia Loren glich. Glücklicherweise war sie innerlich so schön wie äußerlich, weshalb Jules keinen Grund fand, sie zu hassen.

»Ja, ich leg nur gerade ein Päuschen ein.«

»Manchmal kann’s einem mit uns ein bisschen zu viel werden«, räumte Lili mit einem mitfühlenden Lächeln ein. »Von daher muss es toll sein, in der eigenen Wohnung abschalten zu können. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich dir verzeihe, dass du mich allein gelassen hast und ich nun Jacks ungeteilte Aufmerksamkeit abbekomme.«

»Das liebst du doch.« Ihre Schwägerin wollte nett sein, das wusste Jules. Aber sie und Jack versuchten, ein Kind zu bekommen, da freute sie sich bestimmt darüber, nun öfter ganz spontan mit ihm schlafen zu können. Zehn Monate nach der Hochzeit wurde ihr Bruder allmählich nervös, und das umso mehr, als sein Bruder und seine Schwägerin Zwillinge erwarteten.

Die Tür flog auf, und Cara kam hereingestürmt. Mit den Händen fächelte sie ihren Hüften Luft zu und zog damit alle Blicke auf ihren riesigen Bauch.

»Na, wo drückt der Schuh?«, fragte sie Jules. Cara redete grundsätzlich nicht lang um den heißen Brei herum, und ausnahmsweise einmal wusste Jules das zu schätzen.

Es wurde Zeit, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nahm.

Eine eigene Wohnung war der erste Schritt, und darum hatte sich Jules vor einem Monat gekümmert, als sie in Shanes alte Wohnung über dem Ristorante DeLuca gezogen war. Vor dem nächsten Schritt hatte sie einen Riesenbammel, aber sie musste ihn tun. Dazu würde sie die Unterstützung ihrer Freunde und Familie brauchen, vor allem die der Frauen vor ihr.

Zittrig holte sie Luft und blies sie wieder aus.

»Ich werde wieder mit Daten anfangen.«

Cara riss die Augen auf. »Hey, das ist ja fantastisch! Wann immer du Hilfe brauchst, bin ich für dich da. Ernsthaft.«

»Das wird so ein Spaß, Süße«, fügte Lili mit einem schelmischen Lächeln hinzu.

Jules seufzte erleichtert auf. Sie hatte gewusst, dass die beiden sie unterstützen würden, aber es wärmte ihr Herz, es bestätigt zu bekommen.

Cara tippte bereits auf ihrem Handy herum. »Es gibt so viele Möglichkeiten. Wir erstellen einfach mal ein paar Onlineprofile und schauen dann zu, wie die Kerle auf den Knien angerutscht kommen.«

»Du wirst ein Foto brauchen. Was echt Glamouröses.« Lili legte die Fingerspitzen zu einem Viereck zusammen und betrachtete Jules durch ihren imaginären Sucher. »Wir werden ein Foto von dir machen, auf dem du megaglamourös aussiehst!«

Huch, das ging ja schneller als gedacht! Aber es fühlte sich so gut an, endlich aktiv zu werden. Wie lange war es her, dass sie sich auch nur im Entferntesten glamourös gefühlt hatte? Oder aktiv? Es wurde Zeit, das Leben an den Eiern zu packen, vorzugsweise solchen, die zu einem heißen Typen gehörten, der sie behandelte, wie sie es verdiente.

Die drei überlegten, was für Jules’ Start in die Datingwelt alles nötig war. Salontermine, Shoppingexkursionen, Beschreibung des Wunschpartners … Jules unterdrückte ein hysterisches Kichern. O Gott, sie zog das tatsächlich durch!

Und ihr Bruder würde durchdrehen. Sie fragte sich, was andere davon halten würden, doch diesen Gedanken schob sie schnell wieder beiseite.

Die Vorstellung von Jacks Reaktion dämpfte ihre Freude ein bisschen. »Kann das bitte erst mal unter uns bleiben? Irgendwie habe ich so das Gefühl, mein Bruderherz wird das nicht ganz so locker aufnehmen wie ihr.« Sie legte die Hand auf den Griff der Toilettentür und zog sie auf.

Cara schnaubte. »Als ob ihn das was anginge!«

Nachdem auf Lilis Stirn kurz eine vertraute Sorgenfalte erschienen war, zwinkerte sie Jules verschwörerisch zu. »Mach dir wegen Jack keinen Kopf. Dem bringe ich das später schonend bei.«

Mit einem dankbaren Lächeln öffnete Jules die Tür noch ein Stück und entdeckte – Mist, verdammter! – ihren Bruder dahinter, dessen Stirn sich unheilvoll verdunkelt hatte.

Natürlich.

»Mir beibringen? Was denn?«

2.  Kapitel

Zu blöd, dass sie diese Unterhaltung nun aus der Defensive heraus führen musste.

Keiner sagte ein Wort, während sich die ohnehin schon knisternde Spannung in der Luft angesichts Jacks Missbilligung noch weiter auflud.

»Könnte mir vielleicht jemand erklären, was mir schonend beigebracht werden muss?« In einem dieser Ich-rühre-mich-nicht-vom-Fleck-Moves verschränkte ihr Bruder die Arme vor der Brust.

Jules hielt mit einem unbeeindruckten Achselzucken dagegen. »Ich fange wieder mit dem Daten an.«

Jacks grüngoldene Augen – das einzige Merkmal, das beide von ihrer verstorbenen Mutter geerbt hatten – verengten sich zu Schlitzen. »Und du dachtest, damit würde ich nicht umgehen können?« Über ihre Schulter hinweg bedachte er auch Lili und Cara mit einem zornigen Funkeln. »Ihr alle dachtet das?«

Beinahe meinte Jules, die Frauen hinter ihr nicken zu hören, und, eigenartig hoffnungsvoll, nickte auch sie.

»Nun, da hattet ihr recht!«, brüllte ihr Bruder. »Bist du etwa deshalb ausgezogen? Damit du deine Dates mit in deine Wohnung schleppen kannst?«

Das wurmte ihn also immer noch. Jacks Reaktion auf ihre Ankündigung, dass sie ausziehen werde, war das perfekte Beispiel dafür, warum sie diese Datingidee eine Weile für sich hatte behalten wollen. Ständig sorgte er sich um sie und machte um Evan einen Riesenzirkus. Doch sie musste auf eigenen Füßen stehen.

»Ich bin ausgezogen, damit ich etwas mehr Privatsphäre habe, aber ich werde keine Dates mit nach Hause nehmen.« So etwas würde sie niemals tun, wenn Evan in der Nähe war, und dass Jack das dachte, stank ihr ganz schön. Wütend marschierte sie an ihm vorbei zur Bar zurück und hörte, wie die anderen ihr folgten.

Sie nahm Tad Evan ab und drückte ihren Sohn fest an sich.

Tad bemerkte ihre finstere Stimmung und runzelte die Stirn. »Jules, alles okay?«

»Juliet Kilroy, warte mal eine Sekunde.« Jack. Immer noch Jack. Ihr Bruder strich sich mit den Fingern durchs Haar, was er immer tat, wenn er sich höllisch ärgerte. Wenn sie daran dachte, wie viel Mist sie im Laufe der Zeit verzapft hatte, wunderte es sie, dass er überhaupt noch Haare auf dem Kopf hatte. »Wo willst du jemanden kennenlernen? Willst du in Bars herumhängen? Und dort Männer aufgabeln?«

Vor Wut brachte sie kein Wort heraus. Allerdings schien Jack auch gar keine Antwort zu erwarten. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich seine Fragen im Kopf selbst zu beantworten.

Er wandte sich an Lili. »Hilf mir auf die Sprünge, Schatz.«

»Oh, du kommst doch ganz gut allein zurecht«, erwiderte diese mit erhobener Augenbraue, was Jules zum Lachen gereizt hätte, wenn ihr das Herz nicht bis zum Hals geschlagen hätte. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte sie in Pubs bedenkenlos Typen angebaggert und sich von ihnen ein paar Drinks spendieren lassen. Damals hatte sie keine sehr hohe Meinung von sich. Der Spruch, dass man die Männer genauso benutzte wie diese sie, war das Mantra tougher, gebrochener Frauen überall.

Jetzt bloß locker bleiben! »Ich dachte mir, ich mach’s ein bisschen systematischer. Mit Onlinedating.«

»Du fängst zu daten an?« Shane schenkte ihr ein solidarisches Lächeln. »Find ich gut!«

Sie dankte ihm mit einem Blick. Bevor sie diesen zu Tad wandern ließ.

Der den Mund zum Sprechen öffnete, aus dem jedoch wie durch einen abgefahrenen Bauchrednertrick stattdessen Jacks Stimme erklang.

»Jetzt ermutige sie doch nicht noch!«, fuhr er Shane an.

Okay, es wurde Zeit, schwerere Geschütze aufzufahren. »Jack, du bist glücklich. Shane ist glücklich. Ihr seid alle so glücklich.« Ihr Blick huschte zu Tad, der glücklich war, solange es im Großraum Chicago noch genügend Nachschub an Frauen gab. »Ich möchte jemand Nettes kennenlernen. Dieses Etwas finden, das ihr alle schon habt.« Sie hielt dem Blick ihres Bruders stand und nahm seine Halsschlagader ins Visier. »Ist das so verkehrt?«

»Nein, natürlich nicht.« Jack klang entnervt, doch auch ein wenig zerknirscht.

»Ich möchte, dass du glücklich bist. Das tun wir alle«, fuhr er fort. »Mir will nur nicht in den Kopf, wie du das Daten beschließen kannst. So läuft das normalerweise doch nicht. Die Liebe trifft einen, wenn man es am wenigsten erwartet.«

»Manchmal im wahrsten Sinne des Wortes«, bemerkte Lili. Bei ihrer ersten Begegnung mit Jack hatte sie ihm nämlich gleich mal eins mit der Bratpfanne übergebraten. Sie strich ihrem Mann beschwichtigend über den Arm. »Bei uns hat das funktioniert, Jack, aber das muss man ja nicht dem Zufall überlassen. Oder dabei eine Gehirnerschütterung in Kauf nehmen.«

Jules spürte Tads intensiven Blick, doch als sie sich zu ihm wandte, verzog er den Mund zu einem Grinsen.

»Du übst?«, fragte er lautlos, und sie hätte am liebsten die Augen verdreht. Okay, sie hatte ihre Flirttechnik an dem Reparaturheini ausprobiert, und es hatte geklappt. Für den Fall eines Falles war das doch gut zu wissen!

Jack hatte sich noch immer nicht eingekriegt. »Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Ich habe dir nur deshalb gestattet auszuziehen, weil Shane gleich gegenüber wohnt und ein Auge auf dich haben kann.«

Er hatte ihr gestattet auszuziehen? Hallo?

»Jack, das ist allein meine Entscheidung. Ich würde mich über deine Unterstützung freuen, aber wenn ich daten will, tu ich das mit oder ohne deinen Segen.«

Ihr Bruder sah aus, als hätte er einen ganzen Zitronenbaum verschluckt. Ihr doch egal! Wenn sie Schwung in ihr Leben bringen und ihrem Alltagstrott entkommen wollte, dann musste sie etwas unternehmen – egal was! Talente besaß sie keine, keine Skills, keine besonderen Begabungen. Sie hatte nur ihre Familie, ihren niedlichen Sohnemann und das Bedürfnis, jemandes Ein und Alles zu sein.

Ihr entschlossener Ton schien alle zu überraschen, doch noch stand Tads Urteil darüber aus. Seine Arme – sexy, gebräunt und behaart – hatte er vor seiner breiten Brust verschränkt. Der Brust, an die sie an unzähligen Abenden den Kopf geschmiegt hatte, während er ihr bei einem weiteren hormonellen Nervenzusammenbruch Trost spendete.

Als sie wieder seinen Blick auffing, hatte er die belustigte, sardonische Miene aufgesetzt, auf die er ein Patent besaß. Damit war eigentlich alles klar. Sie waren gute Freunde.

Und genauso sollte es sein.

Tad schloss die Tür zum Haus seiner Eltern auf und schob sie auf. Das Haus seiner Eltern. Selbst nach fast zehn Jahren betrachtete er es noch als das. Es würde immer das Heim von Vivi und Rafe DeLuca sein – und er immer ein Eindringling. Wie auf ein Stichwort hin summte sein Handy, und diesmal ging er dran. Die gefürchtete Unterhaltung mit seiner Schwester Gina konnte er nicht mehr länger hinausschieben.

»Hey, G, wie läuft es in Florida?«

»Hier laufen immer noch jede Menge heiße Kubaner und runzlige alte Knacker herum.«

Im vergangenen Jahr war sie mit ihrem Mann David in sonnigere Gefilde gezogen, als der in Miami einen Job als Manager im Ritz angeboten bekommen hatte. Obwohl sie unglaublich nervig war, vermisste Tad sie.

»Wir müssen uns über den Verkauf des Hauses unterhalten. Kein schönes Thema, ich weiß, aber wir brauchen das Geld – und du auch.«

Ende der Leseprobe