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»Es tat beinahe körperlich weh, sich von ihm zu lösen, nicht den Kuss zu stehlen, den ich so sehr wollte und doch nicht haben durfte. Zu sehr hatte ich Angst, verletzt zu werden.« Die Journalistin Abigail bekommt den Auftrag, einen Artikel über das Thema »Wie angelt man sich einen Millionär« zu schreiben. Niemals käme sie auf die Idee, sich selbst in einen zu verlieben, schließlich braucht sie keinen Mann an ihrer Seite, um glücklich zu sein. Während der Recherche entdeckt sie allerdings nicht nur ihre Liebe für Millionärsromane, sondern auch für Ethan Anderson. Doch nicht nur Abigail hat eine Vergangenheit, die ihre Schattenseiten hat. Als es zu einem schwerwiegenden Missverständnis kommt, steht das Glück von Abigail und Ethan auf dem Spiel. Können die beiden trotz aller Schwierigkeiten zueinander finden? Romantisch, sinnlich und mit einem Hauch Drama erzählt Tanja Neise eine packende Liebesgeschichte.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Love Rules
-
Geheimnisse
Tanja Neise
Über das Buch
1. Abigail
2. Ethan
3. Abigail
4. Ethan
5. Abigail
6. Ethan
7. Abigail
8. Ethan
9. Abigail
10. Ethan
11. Abigail
12. Ethan
13. Abigail
14. Ethan
15. Abigail
16. Ethan
17. Abigail
18. Ethan
19. Abigail
20. Ethan
21. Abigail
22. Ethan
23. Abigail
24. Ethan
25. Abigail
26. Ethan
27. Abigail
28. Ethan
29. Abigail
30. Ethan
31. Abigail
32. Ethan
33. Abigail
34. Ethan
35. Abigail
36. Ethan
37. Abigail
38. Ethan
39. Abigail
40. Ethan
41. Abigail
42. Ethan
43. Abigail
44. Ethan
45. Abigail
46. Ethan
47. Abigail
48. Ethan
49. Abigail
Kontakt
Danksagung
Leseprobe
Bücher von Tanja Neise
50. Bücher von Emma Bishop
»Es tat beinahe körperlich weh, sich von ihm zu lösen, nicht den Kuss zu stehlen, den ich so sehr wollte und doch nicht haben durfte. Zu sehr hatte ich Angst, verletzt zu werden.«
Ethan und Abigail treffen in einem ungünstigen Moment aufeinander und ahnen nicht, wer der jeweils andere ist. Plötzlich sorgt das Schicksal dafür, dass sie gemeinsam flüchten müssen. Dabei kommen sich die beiden verdammt nahe…
Eine Frau, die denkt, immer alles im Griff zu haben.
Ein Mann, der sich nimmt, was er will.
Und Geheimnisse, die ans Licht kommen.
Können die beiden trotz aller Schwierigkeiten zueinander finden?
* * *
Love Rules – Geheimnisse ist eine abgeschlossene Liebesgeschichte.
Meine Kollegin Maddy beugte sich über ihren Schreibtisch, als ich an ihr vorbeiging und flüsterte: „Hast du es schon gehört? Der Boss will die alte Schachtel feuern!« Seit ich hier arbeitete, verbrachten wir öfter unsere Mittagspause zusammen. Sie war unter all den Mitarbeitern bei Cosmostar die Einzige, der ich zumindest ansatzweise vertraute.
Ehrlich gesagt, käme der Rauswurf der Snyder einem Sechser im Lotto gleich, denn ich konnte die alte Schachtel nicht leiden. Sie machte mir das Leben zur Hölle, sobald sie mich zu Gesicht bekam. Ich wusste beim besten Willen nicht, warum sie es auf mich abgesehen hatte, aber mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden. »Nein, noch nix von gehört«, antwortete ich möglichst neutral.
»Laura hat es mir gerade erzählt. Die Snyder ist in diesem Moment im Büro vom Oberboss.« Verschwörerisch grinste Maddy mich an. Niemand - und ich meine wirklich niemand - mochte Mrs Snyder. Und ich musste zugeben, dass es mir da nicht anders ging, auch wenn ich sonst immer positiv auf andere Menschen zuging. Bei ihr konnte ich das einfach nicht. Sie war einer der karriereorientiertesten Menschen, die mir bis dahin begegnet waren und so, wie ich sie einschätzte, war sie bereit, über Leichen zu gehen.
»Und hat Laura auch verraten, was die beiden Wichtiges zu besprechen haben? Ich frage ja nur, weil sie anscheinend auch weiß, dass es um den Rauswurf von der alten Schachtel geht.« Fragend zog ich die Augenbrauen hoch.
Es war einfach ermüdend, ständig dieses Getratsche zu hören, deshalb war es nicht verwunderlich, dass ich mich genervt anhörte. Vielleicht stresste es mich auch so sehr, weil ich selbst eine von den Kolleginnen war, die nicht zur inneren Riege gehörten. Oder es lag daran, dass ich insgeheim Mrs Snyder trotz meiner Abneigung ein wenig bewunderte, denn eines Tages wollte ich dort oben an der Spitze sitzen. Jedoch nicht um jeden Preis.
Mrs Snyder gehörte zum Inventar unseres Verlags und es rankten sich die wildesten Gerüchte um sie. Eigentlich war sie noch gar nicht so alt, maximal um die fünfzig, doch sie war die einzige Angestellte, die von Anfang an mit dabei war. Sie hatte unser Magazin sozusagen mit aufgebaut. Außerdem war sie die heimliche Chefin, der Oberboss vertrat uns nur nach außen hin, doch die innere Herrschaft oblag eindeutig Mrs Snyder.
Wenn sie wollte, dass wir zukünftig eher politisch korrekt berichten sollten, dann würde das auch genauso geschehen. Sollte sie der Meinung sein, dass sich zu wenig Modeseiten im Heft wiederfanden, dann würde das schnellstens geändert werden. Kurzum, sie war die Göttin von Cosmostar!
»Nein, hat sie nicht. Ich vermute, ist mal wieder falscher Alarm.« Dennoch würde unsere Kollegin Laura fröhlich weiter das Gerücht verbreiten. Maddy und sie liebten Bettgeschichten und Dinge, die nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wurden, weshalb sie bei uns im Haus genau dafür verantwortlich waren - für den Klatsch und Tratsch in der Promiszene.
Manchmal, wenn Maddy und ich zu Mittag aßen und sie mir ein paar der Storys erzählte, bekam ich rote Ohren. Leider konnten wir nicht alles drucken, was sie in Erfahrung brachten, sei es wegen zu junger Leserinnen unseres Magazins, zu wenig Beweisen oder klagewütigen Prominenten.
In diesem Moment klingelte mein Mobiltelefon, und als ich auf das Display sah, stand mein Herz für einen Augenblick still, bevor es in rasendem Tempo weiter schlug. Mrs Snyders Name leuchtete mir höhnisch entgegen. Das konnte nichts Gutes bedeuten, wenn sie zuvor beim Boss gewesen war.
War ich etwa diejenige, die alles abbekommen würde? Sollte ich gefeuert werden und gar nicht Mrs Snyder? Mein Magen zog sich zusammen. Auch wenn ich hin und wieder über die alte Schachtel herzog und manches an meinem Job mir auf den Senkel ging, war ich dennoch auf ihn angewiesen.
Mit weichen Knien stand ich auf, und Maddy sah mich fragend an. Ich quetschte mir ein unbekümmertes Lächeln heraus, denn neben ihr war, wie ein Hund, der Blut riecht, Laura aufgetaucht. Ich hoffte, dass es nicht zu einer Grimasse verkam.
»Bis später, muss noch was erledigen.« Auf keinen Fall durfte ich mir etwas anmerken lassen. Sollte Laura davon Wind bekommen, lägen innerhalb kürzester Zeit Mitleidsbekundungen auf meinem Schreibtisch, weil sie dachten, ich würde meinen Job verlieren.
* * *
Der Panzer, den ich mir zum Schutz angelegt hatte, wurde mit jedem Schritt dicker. So schnell würde ich mich nicht von der alten Schachtel einschüchtern lassen. Falls sie darauf spekulierte, konnte sie das gleich vergessen. Ständig war sie auf der Suche nach einer Schwachstelle bei ihrem Gegenüber. Ich hatte natürlich solche Stellen, doch die durfte ich ihr gar nicht erst preisgeben, sonst würde sie mich bei lebendigem Leib verschlingen.
Das Vorzimmer der unangefochtenen Königin war mit dicken Teppichen ausgelegt, die meinen Schritten die Härte nahmen. An den cremefarbenen Wänden hingen postmoderne Bilder, die nicht unbedingt meinem Geschmack entsprachen. Die Sofalandschaft war nur dem Anschein nach gemütlich, wenn man sich darauf niederließ, musste man automatisch nach vorne rutschen und kerzengerade sitzen, da die Polsterung steinhart war.
Mrs Snyder hatte mit Sicherheit eine versteckte Kamera installiert und amüsierte sich königlich, während sie ihre Untergebenen beobachtete, wie sie unwohl auf dem Mobiliar herumrutschten. Vorsichtshalber würde ich stehen bleiben, bis mich die Sekretärin zu ihr ließ.
Innerlich machte ich mich auf das Schlimmste gefasst und legte mir schon mal einen Plan B für mein zukünftiges Leben zurecht. Ob ich in Chicago bleiben könnte, wenn ich diesen Job verlieren würde? Zurück in das kleine Nest in Nebraska, aus dem ich kam, wollte ich auf keinen Fall. Ich war nicht für das Dasein in einem Dorf geschaffen, denn ich brauchte das urbane Leben, den Chic und die Möglichkeit, dass ich mir zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Chai Latte an der nächsten Straßenecke kaufen konnte. Allein der Gedanke an die verstaubten Straßen meiner Heimat verursachte mir eine Gänsehaut. Dennoch mischte sich auch ein wenig Wehmut in meine Gedanken. Ich war viel zu lange nicht zu Hause gewesen.
»Miss Jones?« Hastig drehte ich mich zu der piepsigen Stimme um. Snyders Sekretärin hörte sich zwar an wie Minnie Maus, war aber alles andere als handzahm. Die Frau hatte Haare auf den Zähnen, die sie definitiv auch haben musste, bei dieser direkten Vorgesetzten.
»Ja?«
»Mrs Snyder erwartet Sie jetzt.« Gute zehn Minuten hatte sie mich warten lassen, das war für ihre Verhältnisse wenig und sprach davon, wie eilig sie es hatte, mich fertig zu machen.
Ich strich über meinen knielangen Rock und zog kurz an dem dunklen Blazer, bevor ich den Weg in den Löwenkäfig antrat. Keine Schwachstelle war mein Mantra. Innerlich litt ich Höllenqualen, aber das war und würde auch weiterhin mein Geheimnis bleiben.
Kurz bevor ich am Schreibtisch der Vorzimmerdame vorbeikam, trat ein Mann aus dem Büro meiner Chefin. Der Anblick irritierte mich. Das dunkle Haar wirkte zerzaust und seine Kleiderwahl passte nicht recht in die Chefetage von Cosmostar. Der Typ sah wie ein Physiotherapeut aus, ein heißer Physiotherapeut, wie ich feststellte. Doch wenn ich eins wusste, dann, dass die Snyder niemals Privates mit Beruflichem vermischte. Sie würde sich sicherlich nicht in ihrem Büro behandeln lassen. Doch was tat ein Mann wie dieser hier bei meiner Chefin? Kurz trafen sich unsere Blicke und ich erhaschte den Hauch seines Aftershaves, als wir aneinander vorbeiliefen. Der Kerl war definitiv heiß, wie das Kribbeln in meinem Magen verdeutlichte, aber ich blockte dieses Gefühl sofort ab. Kein Mann. Und bei diesem Vorsatz würde ich auch bleiben. Als er aus meinem Blickfeld verschwunden war, besann ich mich auf das, was vor mir lag. Und das war nicht heiß, ganz im Gegenteil. Die Snyder war eiskalt und mir graute ein wenig vor dem, was mich erwarten würde.
Die Tür fiel dumpf ins Schloss, als sich auch schon der imposante Schreibtischstuhl umdrehte. Mrs Snyder, die ein Telefonat führte, bedeutete mir mit einer energischen Geste, mich zu setzen. Ich versuchte, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, und tat so, als würde mich die Aussicht auf die Skyline von Chicago brennend interessieren, während ich dem Gespräch lauschte.
»Ja, ja, ich weiß, Jim. Ja, ich habe in diesem Moment schon eine meiner besten Journalistinnen hier sitzen. Ich werde das Konzept vertrauensvoll in die Hände von Miss Jones legen. Sie sieht gut aus und passt hervorragend. Ja, mach dir keine Sorgen. Das wird auf jeden Fall großartig. Ich kann es schon vor meinem inneren Auge sehen.«
Ich sah gut aus und war eine ihrer besten Journalistinnen? Nun gut, das bedeutete zumindest, dass mir mein Job sicher war. Das beruhigte und entspannte mich ein wenig. Meine Nerven lagen dennoch blank, da ich nicht wusste, auf was das Ganze hinauslaufen würde. Die Snyder lobte niemanden ohne Grund. Warum dann mich?
Endlich beendete sie ihr Telefonat und ihr Blick durchbohrte mich.
»Miss Jones, reden wir nicht lange um den heißen Brei. Das war der Boss, der nun Ihren Namen, den er bis heute vermutlich noch nie gehört hat, kennt.« Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie mich an.
Huhu, jetzt bekomme ich es aber mit der Angst zu tun, dachte ich ironisch. Erwartete sie darauf eine Antwort? Ich ersparte mir diese und wartete ab, was noch kam. Dann tat ich es ihr gleich, hob eine Augenbraue und hielt ihrem Blick stand. Diesen Blick hatte ich vor meinem Badezimmer perfektioniert.
Offenbar hatte ich damit ihre volle Aufmerksamkeit errungen, denn sie legte den Kopf schräg und sah mich an, als nähme sie mich zum ersten Mal wahr. »Ich hatte heute ein Gespräch mit Mister Keaton, ein nicht sehr erfreuliches, wenn Sie mich fragen. Aber das interessiert Sie wahrscheinlich reichlich wenig. Nun gut, es ist so, Mister Keaton kam auf die, seiner Meinung nach, großartige Idee, das Thema mit den Millionärsromanen aufzugreifen.« Mit aufgestützten Ellenbogen sah sie mich über den Tisch hinweg an.
Hatte ich irgendeine Frage verpasst? Was wollte die alte Schachtel jetzt von mir? »Ja?«, fragte ich stattdessen, weil mir nicht klar war, um welche Millionärsromane es ging.
»Ich übertrage Ihnen hiermit die Verantwortung für diese Reportage. Nicht, weil Sie, wie von mir erwähnt, eine der besten Journalistinnen im Haus sind, sondern weil ich glaube, dass sie es eines Tages werden können. Sie sind eine harte Nuss. Und das in allen Lebenslagen.« Ein schräges Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht und ich verschluckte mich fast an meiner Spucke, dermaßen warf mich ihre Mimik aus dem Gleichgewicht. Außer mit einem kalten Blick und einem Gesicht, das wie aus Stein gemeißelt immer denselben Gesichtsausdruck zur Schau stellte, hatte ich sie noch nie gesehen. Kein einziges Mal – bis heute.
»Aha, und was soll die harte Nuss nun mit dem Thema Millionärsromane anstellen?«, fragte ich betont gelassen und lehnte mich ein wenig in dem ungemütlichen Stuhl zurück. Diese Frau hatte eine sadistische Ader, andernfalls konnte ich mir die unbequemen Sitzmöbel, die sie in ihrer Nähe aufstellte, nicht erklären. Das erwähnte Thema fand ich interessant und insgeheim machte ich mir bereits in meinem Kopf Notizen. Diese ganzen Frauen konnte ich nicht verstehen, die sich an den Hals eines reichen Typs schmissen, sich selbst vergaßen, nur um ein wenig von dem Luxus des anderen abzubekommen.
Zuerst bekam ich nur ein trockenes Lachen zur Antwort, doch die Frau mir gegenüber riss sich schnell wieder zusammen und antwortete: »Wir werden das Thema von A bis Z aufrollen. Recherchieren Sie, was das Zeug hält. Wer liest diesen Schund, wer schreibt diesen Schwachsinn, welche Umsätze hat der Markt mit dieser Art von Geschreibe? Und wenn Sie den ganzen theoretischen Kram abgehakt haben, werden Sie sich unter die Millionäre mischen und sich einen angeln.« Mir fiel fast die Kinnlade herunter, als mir die Bedeutung ihrer letzten Worte bewusst wurde. »Aufhänger wird sein: Wie angele ich mir einen Millionär. Und Jones?«
»Ich höre.« Was ich wirklich tat. Zu mehr war ich im Moment nicht imstande, da ich kurzfristig mit dem Gedanken gespielt hatte, zu kündigen. Dieser Auftrag erschien mir fast, als würde ich mit dem Artikel nicht nur meine Seele an Cosmostar verkaufen, sondern auch meinen Körper. Wie weit sollte ich für diesen Bericht gehen? Doch hoffentlich nicht bis zum Äußersten, denn dazu war ich nicht bereit. Panik überschwemmte meinen Körper und ließ mich ins Schwitzen geraten. Aber dann erinnerte ich mich wieder daran, dass ich ja eine harte Nuss war, laut Mrs Snyder, und riss mich vorerst zusammen.
»Kommen Sie nicht auf die Idee, tatsächlich mit einem dieser reichen Junggesellen ins Bett zu hüpfen, das würde uns nur jede Menge Ärger einbringen und die Glaubwürdigkeit unseres Magazins untergraben.«
Beinahe hätte ich erleichtert ausgeatmet, aber nur beinahe. Die harte Nuss, wie sie mich nannte, blieb nach außen gefasst. Keine Schwachstellen!
»Von daher bleiben Sie unnahbar und bringen mir jede Menge Beweise. Wie Sie das machen, ist mir schlichtweg egal, aber bleiben sie professionell - Zeitungsbranchen-professionell. Haben wir uns verstanden?«
Sie kniff die Augen leicht zusammen und sah mich unter ihren Lidern hinweg an, als wäre ich ein Tier, das sie gerade sezierte.
»Ja, das haben wir. Zeitlimit?«, fragte ich mit kühlem Ton. Wenn ich mich nicht sehr täuschte, huschte für einen Sekundenbruchteil ein anerkennender Ausdruck über ihr Gesicht.
»Ich gebe Ihnen zwei Monate für das gesamte Projekt. Spesen werden übernommen, soweit Sie mir nicht zu unangemessen erscheinen. Sollten Sie Zugang zur High Society benötigen, der Boss ist dermaßen von diesem Projekt überzeugt, dass er Sie sogar zu diversen Partys einladen, beziehungsweise mitnehmen wird.«
Snyder beobachtete mich immer noch mit diesem Sezierblick, weshalb ich mir keinen Fehler erlauben durfte.
»In Ordnung. Dann mache ich mich mal an die Arbeit.« Rasch stand ich auf und wollte schon zur Tür gehen, als sich Mrs Snyder plötzlich räusperte.
»Ich erwarte spätestens in drei Tagen den ersten Teil der Reportage auf meinem Tisch. Sie können zu Hause arbeiten und zu niemandem ein Wort. Der Boss möchte die Story als Einziger in der Branche auf dem Titelblatt haben. Maulwürfe gibt es in diesem Haus genug. Absolutes Stillschweigen, Sie kommunizieren ausschließlich mit mir über dieses Thema.«
»Ich habe verstanden.«
Als ich die Tür hinter mir schloss, erlaubte ich mir endlich, durchzuatmen. Matt lehnte ich mich für einen Augenblick an die Wand. So schlecht war es gar nicht gelaufen. Ich war zu der Snyder gegangen, in der Annahme meinen Job zu verlieren, und hatte nun einen Spezialauftrag an Land gezogen. Das war großartig. Es war nicht unbedingt das Thema, das ich mir selbst ausgesucht hätte, aber in meinem Kopf ratterte es schon gewaltig. Nur der Part mit dem Angeln des Millionärs, der lag mir noch wie ein Stein im Magen.
Genervt hielt ich mein Handy ein Stück von meinem Ohr weg, dennoch hörte ich ganz genau, was mein Vater mir zu sagen hatte.
»Du weißt, dass ich es ernst meine, also reiß dich gefälligst zusammen und hör mit den Spielchen auf«, fauchte er mich durchs Telefon an.
Und ob ich das wusste, aber er hatte offenbar noch immer nicht kapiert, dass er mich nicht einschüchtern konnte. »Ich spiele keine Spielchen. Es sollte auch dir irgendwann mal klar sein, dass dein Sohn kein kleines Kind mehr ist. Ich führe mein Leben, wie es mir passt. Wenn ich mein Geld zum Fenster rauswerfen will, dann tue ich das verdammt noch mal.« Wie ich es hasste, dass er es jedes Mal schaffte, mir die Coolness zu rauben. Jedes Mal drängte er mich in eine Ecke, und ich fing an zu fluchen.
»Ethan Anderson, dir ist hoffentlich bewusst, dass du, solltest du das tatsächlich durchziehen, vielleicht mittellos dastehen wirst?« Der grollende Ton meines Vaters schreckte mich schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, sein Gehabe ging mir einfach beinahe komplett am Arsch vorbei. Wenigstens ein Punkt, bei dem ich dazugelernt hatte. Früher hatte ein leises Brummen von ihm gereicht und ich hätte sofort klein beigegeben. Aber ich war erwachsen geworden und traf mittlerweile meine eigenen Entscheidungen.
»Das ist mir vollkommen bewusst.« Meine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus, während ich mit einem Kugelschreiber spielte.
»Schön! Aber wage es nicht, jammernd zu mir zurückzukriechen, wenn du kein Geld mehr hast.«
»Vater, erinnere dich. In den letzten Jahren habe ich versucht, den Kontakt zu dir zu meiden. Auch dieses Telefonat führen wir nur, weil du Sehnsucht nach mir hast.« Am anderen Ende hörte ich ein Schnauben. Anscheinend hatte ich erreicht, was ich bewirken wollte. Ein Grinsen legte sich auf mein Gesicht. Meinen alten Herren trieb man nicht so schnell dazu, die Contenance zu verlieren und ein Schnauben gehörte in seinen Augen eindeutig dazu. Er hatte sich gehen- und in die Karten schauen lassen. Wenn ich ihn nicht so gut gekannt hätte, wäre ich glatt bereit gewesen, nachzugeben. Aber ich wusste es besser, wusste, dass er immer und überall nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht war. Wärme und Mitgefühl hatte ich Zeit meines Lebens kein einziges Mal von ihm erfahren. Wenn er Angst hatte, dass ich mein Geld verspekulieren würde, dann nicht, weil ich nachher am Hungertuch nagen könnte. Nein, seine Angst bestand darin, sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu verlieren, weil sein Sohn ein Loser war. Doch auch das war mir schlichtweg egal. Ich war schon lange mein eigener Herr und konnte mit meinem Geld machen, was ich wollte. Ob ihm das nun recht war oder nicht.
»Dann ist alles gesagt.« Mit diesen Worten beendete mein Vater das Gespräch abrupt und entledigte sich seines Sohnes. Mal wieder.
Ein missmutiges Lächeln legte sich auf mein Gesicht und ich nahm einen großen Schluck aus dem Kristallglas. Der edle Bourbon rann heiß meine Kehle hinab, aber es war genau das, was ich jetzt brauchte. Eine Flüssigkeit, die den bitteren Geschmack aus meinem Mund vertrieb. Was wäre dafür besser geeignet gewesen, als ein dreißig Jahre alter Whiskey?
Es tat schon lange nicht mehr weh, dass mein Vater nicht akzeptierte, was ich mit meinem Leben und meinem Geld anstellte.
Es war vielmehr die Erinnerung an die vielen Schmerzen, die ich hatte überstehen müssen, bis ich endlich so hart geworden war, dass es nicht mehr wehtat.
* * *
Zwei Stunden später klingelte das interne Telefon und ich nahm das Gespräch an.
»Mister Anderson? Hier David vom Empfang. Ihre Mutter möchte Sie gern besuchen.« Der Concierge klang verlegen. Kein Wunder, wahrscheinlich war ich der einzige Bewohner dieses Nobelapartmenthauses, der seine Mutter zuerst anmelden ließ, ehe er sie empfing. Mit Sicherheit wusste er auch, wer sie war oder besser gesagt, wer sie mal gewesen war. Doch was meine Eltern betraf, war ich sehr konsequent.
Im Grunde genommen war ich nicht in der Stimmung, jetzt von ihr besucht zu werden, das Telefonat mit meinem Vater hing mir noch in den Knochen und der Termin am heutigen Vormittag ebenfalls. Vermutlich basierte der Wunsch meiner Mutter mich zu sehen, ausschließlich darauf, dass mein Vater sie hergeschickt hatte. Aber ich wusste aus Erfahrung, dass sie nicht lockerlassen würde. Sie würde mich terrorisieren bis ich sie entweder in meine Wohnung ließ oder sie innerhalb der nächsten halben Stunde irgendwo traf.
»Schicken Sie sie hoch, danke David.« Ich machte mir nicht die Mühe, aufzuräumen. Stattdessen lehnte ich mich lässig in den Türrahmen und hielt provozierend das Glas mit dem Whiskey in der Hand. Sie hasste es, wenn eins ihrer Kinder Alkohol trank. Ständig befürchtete sie, dass ich abhängig werden könnte. Es war erst mein zweites Glas an diesem Abend, aber das brauchte sie nicht zu wissen.
Als der Aufzug sich öffnete, schwebte meine Mutter auf ihren High Heels aus dem Lift, als hätte sie einen Auftritt auf internationalem Parkett. »Guten Abend, Ethan«, begrüßte sie mich unterkühlt, hauchte mir auf jede Wange einen Luftkuss und rauschte an mir vorbei, ohne auf eine Einladung zu warten. Genervt folgte ich ihr in die Wohnung. Insgeheim hatte ich gehofft, dass wir das kurz zwischen Tür und Angel klären könnten.
»Schön, dass du Zeit hast.« Das Lächeln, das sie auf ihre akkurat geschminkten Lippen zauberte, war nicht gerade mütterlich. Es erinnerte mich an die gebleckten Zähne eines Tigerhais, ehe er die Beute verschlang. Langsam ließ sie ihren Blick durch das geräumige Wohnzimmer, das direkt an eine amerikanische Küche anschloss, gleiten. Was sie sah, gefiel ihr nicht. Der Fernseher lief und ich hatte mir eine Pizza bestellt. Der halbleere Karton stand noch auf dem Tisch vor der Couch, ein angebissenes Stück lag darin. Pikiert rümpfte sie ihre Nase.
»Setz dich doch, Mutter«, bot ich ihr an, ohne auf ihren Gesichtsausdruck einzugehen.
»Nein danke. Wir fliegen heute Nacht zurück nach Washington. Ich bin nur schnell vorbeigekommen, um dir den Unsinn, den du vorhast, auszureden. Dein Vater hat mir erzählt, dass du nicht mit dir reden lässt. Vielleicht kann ich dich umstimmen.«
Ihr roter, knielanger Rock schwang locker um ihre Beine, als sie sich zu mir umdrehte und die Arme vor der Brust verschränkte. Sie war gut auf öffentliche Auftritte trainiert und wusste sich in jeder Situation richtig zu verhalten. Meine Mutter sprach fünf Sprachen - fließend - und nur der Geier wusste, in wie vielen sie noch zusätzlich leichten Smalltalk führen konnte. Was ihre Körpersprache mir gegenüber betraf, hatte sie jedoch noch viel zu lernen. Wenn man jemanden von etwas überzeugen will, sollte man niemals die Arme vor der Brust verschränken und damit eine ablehnende Haltung der Meinung des anderen gegenüber signalisieren. Aber selbst wenn sie am heutigen Abend ausnahmsweise die liebende Mutter gespielt hätte und das perfekt, ich wäre nicht umzustimmen gewesen. Nicht von ihr und erst recht nicht von meinem Vater.
»Den Weg hättest du dir sparen können. Ich habe Vater meinen Standpunkt bereits klargemacht. Oder warte, besser gesagt, ich habe es versucht. Ihr beide seid meine Eltern, aber ihr solltet niemals vergessen, dass ich mit vierunddreißig Jahren eindeutig den Kinderschuhen entwachsen bin.« Ich ließ mich auf meine riesige Couch fallen und legte die Füße auf den Tisch, während ich in die mittlerweile kalte Pizza biss. Es war klar, dass ich mich kindisch benahm und bockig, aber es machte einen verdammten Spaß, die Frau, die nie auch nur einen Hauch von Liebe für mich übriggehabt hatte, zur Weißglut zu bringen. Im Grunde genommen waren das die einzigen Gefühlsregungen, die ich von meinen Eltern erhalten hatte – Ungeduld und Ärger – zumindest dann, wenn ich nicht so funktionierte, wie sie es gern gesehen hätten.
Mutters Blick glitt angewidert zwischen dem Pizzakarton und der Whiskeyflasche hin und her. »Du lässt dich gehen, Ethan!«
Natürlich provozierte ich sie weiterhin, schließlich wollte ich, dass sie so schnell wie möglich aus meinem Apartment verschwand. Also ließ ich meine Augenbrauen lächerlich auf und ab hüpfen und sagte: »Solltest du auch mal versuchen, dann würdest du nicht so verkrampft sein und diesen verbitterten Zug um den Mund haben.« Wieder traf ich ins Schwarze. Wahrscheinlich hatte sie sich erst vor Kurzem einer Botoxspritzenkur unterzogen. Das war wie eine Manie bei ihr. Ständig ließ sie sich wegen kaum wahrnehmbaren Fältchen Spritzen verpassen. Vermutlich würde sie eines Tages wie eine Karikatur ihrer selbst aussehen.
Die Augen meiner Mutter wurden zu Kristallen. Blau und eiskalt. Der erwähnte Zug um ihre Mundwinkel verhärtete sich noch ein Stückchen mehr. Mit erhobenem Kinn drehte sie sich um und kurz darauf hörte ich die Tür ins Schloss fallen. Nicht laut, was man ihr hoch anrechnen musste. An ihrer Stelle hätte ich meinen Abgang mit einem ohrenbetäubenden Lärm gekrönt.
Das erhoffte Hochgefühl, das sich einstellen sollte, nachdem ich das erreicht hatte, was ich wollte – das Verschwinden meiner Mutter – blieb aus. Stattdessen warf ich die Pizza angewidert in den Karton zurück. Der Appetit war mir vergangen.
Meine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung lag in einem der besseren Viertel von Chicago und die Miete war dementsprechend hoch. Dennoch liebte ich meine eigenen vier Wände und fühlte mich dort sehr wohl. Von zu Hause aus zu arbeiten war für mich ein extra Bonbon, das ich gern in Anspruch nehmen würde.
Wenn ich bis übermorgen den ersten Teil der Reportage abliefern wollte, musste ich mich jedoch ein wenig ranhalten. Die Fakten zusammenzutragen durfte nicht so schwer sein, einen interessanten Artikel darüber zu schreiben, der nicht einschläfernd wirken würde, schon viel eher.
Müde kickte ich die hochhackigen Schuhe von den Füßen und stöhnte zufrieden, da meine Zehen endlich aus dieser unnatürlichen Haltung befreit waren.
Dann schlüpfte ich entspannt in die flauschigen Socken, die ich immer in der Wohnung trug, kochte mir einen Chai Latte und zündete eine Duftkerze an. Kaum, dass ich mich mit meinem Laptop auf das Sofa gesetzt hatte, begann ich mit der Recherche.
Hochmotiviert scrollte ich mich durch die Angebote eines Online-Buchhändlers. Es gab so viele Millionärsromane, dass ich bereits nach kurzer Zeit den Überblick verlor.
Von den Covern schauten mich erfolgreich aussehende Männer an oder ich sah lediglich den Torso, der vorzugsweise in einem Anzug steckte. Um zu wissen, über was ich da eigentlich schrieb, lud ich mir einen der Bestseller auf mein Tablet und begann zu lesen.
Innerhalb kürzester Zeit war ich mitten in der Story um einen heißen Typ, der, wie könnte es anders sein, auch noch ein sehr wohlhabender Mann war.
Normalerweise, von Urlauben mal abgesehen, las ich keine Belletristik, da ich mich hauptsächlich mit Fachliteratur oder der Recherche im Internet beschäftigte. Abends waren meine Augen dann oft zu müde, als dass ich noch mehr hätte lesen können. Stattdessen sah ich mir Filme oder Serien an - am liebsten Schnulzen.
Das war eins meiner bestgehüteten Geheimnisse und passte so gar nicht zu der harten Nuss, die die Kollegen bei Cosmostar in mir sahen. Das sollte auch so bleiben.
Hätte die Snyder von meiner heimlichen Leidenschaft gewusst, wäre ich vermutlich nie in den Genuss dieser Spezialaufgabe gekommen und müsste zukünftig dann wohl den Postwagen durch die Flure schieben.
Neugierig las ich in dem Buch weiter: ... und schon wurde ich feucht, doch Malcolm war sogleich an meiner Seite und seine gierigen Hände ...
Ach ja, wie schön für die Protagonistin des Romans. Mich hatten das letzte Mal gierige Hände berührt, als ich bei meiner Schwester auf meinen Neffen und meine Nichte aufgepasst hatte und die beiden unbedingt ein Stück Schokolade haben wollten. Bis auf die wenigen Ausnahmen, wenn ich meine Familie besuchte, lebte ich ausschließlich für meinen Beruf. Privates gab es nicht. Weder traf ich mich mit Kollegen noch besuchte ich ein Fitnessstudio, in dem ich einen echten Kerl kennenlernen konnte. Denn im Grunde genommen wollte ich das gar nicht, weil in der Realität die Männer nicht annähernd mit den Helden aus den Filmen, die ich mir ansah, mithalten konnten.
Das letzte Mal Sex hatte ich im College gehabt und es war der absolute Reinfall gewesen. Das war mit ein Grund für mein enthaltsames Leben. Für mich stand meine Karriere im Vordergrund, deshalb vermisste ich nichts und brauchte auch bestimmt keinen Mann, um mich vollständig zu fühlen. Dafür gab es jede Menge nützliches Spielzeug für Frauen.
Dieser Protagonist Malcolm ließ mein Herz höherschlagen, aber nicht, weil er stinkreich war, sondern meiner Vorstellung eines echten Mannes verdammt nahekam. Er war keiner dieser Milchbubis, denen man in der Verlagsbranche begegnete, sondern glänzte durch sein gepflegtes Äußeres und schien zu wissen was Frauen wirklich wollen. Wo gab es so etwas im wahren Leben? Nirgends! Reale Männer rochen nach Bier und Schweiß. Sorry, aber das törnte mich nicht unbedingt an. Körperhygiene fand ich ausgesprochen wichtig und auf Alkoholiker stand ich auf keinen Fall!
Zwei Stunden später war ich ganz wuschig von den erotischen Szenen, die diese Art von Lektüre mit sich brachte. Das ging zu weit, ich hatte eindeutig zu viel Fantasie, dass ich mich von einem solchen Groschenroman dermaßen durcheinanderbringen ließ.
Um mich ein wenig abzulenken, öffnete ich mein Schreibprogramm und fing an, die ersten Zahlen meiner Recherche zu übertragen. Der Markt war überlaufen von Autoren, die Millionärsromane schrieben und die Bücher, vorzugsweise E-Books, wurden in Massen gekauft. Dementsprechend musste es enorm viele Leser geben, die sich gern wuschig machen ließen und das vermutlich täglich. Zugegebenermaßen war ich nun ebenfalls ein Opfer dieser Art von Romanen geworden, und es hatte mir gefallen. Und was noch schlimmer war, ich wollte weiterlesen. Das wurmte mich, das machte mich wahnsinnig. Ich hatte einen Universitätsabschluss, hatte der Männerwelt abgeschworen, las so gut wie nie Belletristik und ließ mich dann vom erstbesten Millionärsroman einfangen. Wahrscheinlich sollte ich mich in Zukunft von solcher Literatur fernhalten und vorsichtshalber meinen Film- und Serienkonsum einschränken. Dieser Wunsch nach Romantik in meinem Leben kollidierte mit dem Lebensziel, das ich mir gesetzt hatte – Karriere machen. Das ging eindeutig zu weit.
Nachdem die ersten Seiten getippt waren, bekam ich langsam ein Gespür für das Geschäft, für die Leserschaft und für die heimlichen Wünsche der Frauen dieser Welt. Warum träumten Frauen von einem dominanten, reichen Mann, der ihnen teilweise sogar das Denken abnahm? Diese Shades-of-grey-Generation hatte offenbar noch nichts von Emanzipation gehört. Das war furchtbar. In mir steckte keine bekennende Feministin, aber dennoch war ich der Meinung, dass das weibliche Geschlecht auf eigenen Beinen stehen sollte, und auch in Sachen Sex durften wir selbstständig entscheiden. Zum Beispiel wann wir unsere Jungfräulichkeit verlieren wollten und wann nicht. Verantwortung übernehmen bedeutete, zu wissen, was für den eigenen Körper gut ist.
Okay, ich merkte selbst, dass ich mich da ein wenig in die Grey-Sache hineinsteigerte, aber ich hatte einen Blogartikel zu dem besagten Roman gelesen und war ein wenig geschockt über den Inhalt dieses millionenfach verkauften Bestsellers. Ein Mann, der selbst zugab, nicht lieben zu können, kommt mit einem Vertrag daher und entjungfert die Protagonistin, um sie zukünftig härter rannehmen zu können? Ähm, sorry, aber das war doch nicht romantisch! Waren solche Bücher daran schuld, dass sich das Bild der Frau in der Gesellschaft veränderte? Das wir wieder zurück ins Mittelalter katapultiert werden würden und uns unterdrücken ließen - natürlich freiwillig? Uff, das wäre ja schrecklich!
Ob diese Autoren wussten, dass sie eventuell die Welt veränderten?
Vielleicht sollte ich mir mal einen dieser Autoren vorknöpfen. Ein Interview würde sich bestimmt super in der mehrteiligen Reportage machen - vielleicht in Teil zwei. Am besten mit einem der erfolgreicheren Schreiberlinge, das zog dann gleich Publikum an, das bisher noch nicht zu unserer Leserschaft gehörte. Wenn ich den oder die Autorin dabei gut wegkommen lassen würde, wären uns eventuell sogar neue Abonnenten sicher.
Ich machte mir eine Liste mit den Autoren, die ganz oben in den Bestsellerlisten standen. Morgen würde ich mich an die Pressestellen der ersten zehn wenden und um einen Interviewtermin bitten. Die Fragen musste ich mir genau überlegen und in eine zeitliche Reihenfolge bringen. Das war doch mal ein guter Plan, dachte ich.
* * *
Nein, auf keinen Fall können wir Ihnen die Telefonnummer von Miss Thompson geben. Interviews gibt sie sowieso nicht, also machen Sie sich dahingehend keine Hoffnungen.« Das war mittlerweile die zwanzigste Absage.
Ich musste meine Strategie eindeutig ändern. Nun gut, vielleicht sollte ich von meinem hohen Ross heruntersteigen und mir eine der Autorinnen schnappen, die ihre Bücher selbst veröffentlichten. Bisher hatte ich das strikt vermieden, da ich der Meinung war, dass das unserem Magazin nicht gut zu Gesicht stehen würde. Abgesehen davon hatte dieser Weg der Veröffentlichung immer noch den faden Beigeschmack von Schundliteratur. Langsam scrollte ich durch die Listen und schon bald war klar, dass eine der Autorinnen mit gleichzeitig zehn Millionärsromanen in den Bestsellerlisten vertreten war. So schlecht konnten die Bücher nicht sein, ansonsten wäre sie nicht dermaßen erfolgreich. Ich beschloss, dass ich sie interviewen wollte - Clodette Poirot. Der Name hätte gut auch in ein fragwürdiges Etablissement passen können, dachte ich kichernd und suchte bereits nach der Webseite der Frau. Rasch füllte ich das Kontaktformular aus und hoffte, dass Miss Poirot auf das Renommee unseres Magazins anspringen und sich bald zurückmelden würde. Nur wenige Selfpublishing-Autoren könnten dieser Versuchung widerstehen, schließlich waren wir die auflagenstärkste Zeitschrift in ganz Amerika. Weltweit hatten wir einen nicht zu verachtenden Anteil am Kuchen der Zeitungsbranche.
Leider fand ich auf keiner einzigen Internetseite ein Bild von ihr. Offenbar wollte die Autorin unerkannt bleiben, was ich gut nachvollziehen konnte. Schade, denn eigentlich machte ich mir immer gern ein Bild meines Gesprächspartners, bevor ich ihn oder sie traf.
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Eine Stunde später hörte ich den Benachrichtigungston meines privaten E-Mail-Postfachs. Ich hatte absichtlich dieses gewählt, denn meine anderen geschäftlichen Mails hatte die Snyder auf einen Account einer Kollegin umleiten lassen, damit ich mich voll und ganz auf diese Artikelreihe konzentrieren konnte.
Hektisch rannte ich zum Schreibtisch. Wie gehofft blinkte mir eine Mail von Clodette Poirot entgegen. Schön, dass eine erfolgreiche Autorin, die bestimmt schon an der nächsten Geschichte saß, so schnell antwortete.
Mit einem Klick öffnete ich den Brief:
Sehr geehrte Miss Jones
Vielen Dank für Ihre freundliche Anfrage. Ich würde Ihnen gern für ein Interview zur Verfügung stehen, allerdings habe ich, wie Sie sicherlich schon korrekt geschlussfolgert haben, ein geschlossenes Pseudonym. Dementsprechend gebe ich nur selten Interviews und wenn, dann verlange ich eine vorher unterschriebene Verschwiegenheitserklärung. Diese habe ich Ihnen beigefügt.
Sollten Sie unter diesen Umständen noch Interesse an einem Interview mit mir haben, senden Sie mir die Erklärung bitte unterschrieben zurück. Als möglichen Termin könnte ich Ihnen den morgigen Nachmittag anbieten.
Mit freundlichen Grüßen
Clodette
Wow! Die Frau imponierte mir. Ich mochte es, wenn Menschen wussten, was sie wollten und dementsprechend agierten. Ich nahm an, dass Miss Poirot eine der Autorinnen war, die professionell und durchsetzungsfähig ihr Ziel verfolgten.
Rasch druckte ich die beigefügte PDF-Datei aus, unterschrieb und schickte sie, nachdem ich das Blatt eingescannt hatte, zurück an die Urheberin.
Ich war neugierig. Was würde mich erwarten? Eine Hausfrau, die im Schlabberlook auf der Couch mit einem Laptop auf den Knien die Romane heruntertippte?
Um nicht völlig unwissend zu dem morgigen Termin zu erscheinen, lud ich mir den aktuellen Roman von Miss Poirot runter. Zumindest einige der Seiten wollte ich gelesen haben, bevor ich mich mit der Autorin traf. Der Millionärsroman, den ich mir zuvor gekauft und erstaunlicherweise bereits zu Ende geschmökert hatte, war entgegen den Erwartungen, die ich ursprünglich gehabt hatte, gar nicht so schlecht gewesen.
Der Verkehr in Chicago kam an diesem Tag fast zum Erliegen. Seit über einer verdammten halben Stunde quälte ich mich durch die Straßen und der Termin mit meinem Anwalt rückte immer näher.
Shit!
Wenn sich das Knäuel vor mir nicht langsam auflöste, würde ich zu spät kommen. Was an sich nicht weiter schlimm wäre, doch wenn ich eins hasste, dann war es Unpünktlichkeit. Wütend presste ich meine Zähne aufeinander und widerstand dem Drang, damit zu knirschen.
Im Radio dudelte irgendein Song, der meine Ungeduld ins Unermessliche steigerte, also schaltete ich das Gerät kurzentschlossen aus. Meine Gedanken drehten sich immer wieder um den vor mir liegenden Termin. Der wichtigste meines Lebens. Sogar Toni war gegen das Geschäft, das ich heute abschließen wollte.
Ich war schon immer ein Einzelgänger. Der Beruf meines Vaters hatte lange Zeit auch nichts anderes zugelassen, dachte ich bitter. Allein die Vorstellung, wie ich auf eine normale Schule ging und nach dem Unterricht einen Freund mit nach Hause brachte, war für mich eine Ewigkeit undenkbar und lächerlich gewesen. Undenkbar deswegen, weil es mir aus Sicherheitsgründen strikt untersagt gewesen war, ohne einen meiner Bodyguards das Haus zu verlassen. Lächerlich, weil ich bis auf den Sohn unserer Haushälterin keine Freunde gehabt hatte, solange wir noch nicht in Maine gelebt hatten. Toni wohnte damals bei uns, doch im Gegensatz zu mir, besuchte er eine normale Schule. Er berichtete mir von seinen Abenteuern und den Streichen, die er gemeinsam mit anderen Jungen den Lehrern spielte. Ich hingegen bekam Privatunterricht. Jammern auf hohem Niveau, klar. Aber als kleiner Junge ist einem das Privileg der Freiheit wichtiger als gute Bildung. Wichtiger noch als jedes erdenkliche Spiel, jede Konsole und jede CD zu besitzen, die einem in den Sinn kam. Ich war abenteuerlustig und einsam gewesen, eine schreckliche Kombination für diejenigen, die auf mich aufpassen mussten. So war es nicht ungewöhnlich, dass ich Vieles angestellt hatte, was meine Eltern zur Weißglut trieb. Doch so bekam ich ihre Aufmerksamkeit. Das war es, was ich noch mehr wollte, als meine Freiheit. Aufmerksamkeit um jeden Preis. Jämmerlich, wie ich heute fand, aber im Grunde genommen tat mir der kleine Junge von damals unheimlich leid.
Endlich lichtete sich das Verkehrschaos und vor dem großen Willis Tower konnte ich problemlos in die Tiefgarage abbiegen. Vielleicht stand der Termin doch nicht unter einem solch schlechten Stern, wie ich mittlerweile befürchtete. Ich hoffte es.
Einige Minuten später, kaum dass ich aus dem Lift getreten war, begrüßte mich schon die Sekretärin meines Anwalts mit einem breiten Lächeln. Wir waren zweimal miteinander ausgegangen und hatten anschließend eine wilde Nacht in ihrem Apartment verbracht, aber sie hatte mich recht schnell gelangweilt. Doch bisher gab Torry nicht auf und schickte mir immer wieder Nachrichten, die ich aber geflissentlich ignorierte. Auf solchen Beziehungsstress hatte ich keine Lust, außerdem würde ich bald Hunderte von Meilen weit weg wohnen.
Ich schenkte Torry ein kurzes und wie ich hoffte unverbindliches Lächeln, ehe ich meinen Kopf Andrew zuwandte, der in diesem Moment aus seinem Büro trat.
»Hey Ethan, alter Kumpel. Ich habe bereits auf dich gewartet.« Die versteckte Rüge für mein Zuspätkommen, ließ ich an mir abperlen. Andrew verdiente viel Geld bei diesem Deal und würde es verschmerzen können, wenn er mal zehn Minuten auf mich warten musste. »Setz dich schon mal in mein Büro, ich bin gleich bei dir«, sagte er und verschwand in Richtung Herrentoilette.
Kaum schloss sich die Tür hinter ihm, schlenderte ich auf den Büroraum zu. Leider hatte ich Torry dabei völlig vergessen und blieb abrupt stehen, als sie sich mir in den Weg stellte.
Langsam glitt ihre Hand über mein weißes Button-down-Hemd. Ihre Finger verharrten auf meiner Brustwarze, doch als sie versuchte, mich zu reizen, indem sie hinein kniff, griff ich grob nach ihrem Handgelenk. »Hey, nicht so stürmisch, Ethan«, keuchte sie auf.
Angewidert verzog ich das Gesicht. »Finger weg«, knurrte ich, ohne auf ihre Worte einzugehen, und sah ihr dabei kalt ins Gesicht. Ich hoffte, dass sie die Message endgültig verstehen würde.
Ihre perfekt gezupften Augenbrauen schossen erstaunt in die Höhe. »Was stimmt nicht mit dir?«, giftete Torry los. »Als wir neulich Nacht zusammen durch mein Bett turnten, warst du ganz scharf darauf gewesen, von mir angefasst zu werden. Wir hatten jede Menge Spaß.«
»Wie deutlich soll ich noch werden, Torry?« Mein Blick ruhte auf ihrem Gesicht und ich registrierte jede Regung. »Ich bin nicht der Typ, der gern Frauenherzen bricht oder jemanden verletzt. Aber um Klartext zu sprechen, es war eine einmalige Sache und wird sich nicht wiederholen.«
Als hätte sie sich die Finger an mir verbrannt, ließ sie die Hände fallen und trat zwei Schritte zurück, sodass ich an ihr vorbeigehen konnte. Doch ich sah Hass in ihren Augen aufblitzen. Da hatte ich mir wohl eine weitere Feindin gemacht.
Genervt ließ ich mich in den Besucherstuhl vor Andrews Schreibtisch fallen. Wie es mich ankotzte, wenn Frauen mir Szenen machten. Warum versprachen sie sich mehr, obwohl ich vorher klarstellte, dass außer Sex nichts laufen würde? Torry hatte ich das ziemlich eindeutig verklickert, bevor wir uns das erste Mal trafen. So machte ich das immer.
Dennoch ließ das die Hoffnungen der Frauen nicht zerplatzen. Fast jedes Mal drängten sie sich auf und das fand ich noch viel nervtötender, als die künstlichen Brüste, die zur Zeit so angesagt waren. Zumindest in der Gesellschaft, in der ich mich bewegte.
»Entschuldige, Ethan«, sagte in diesem Moment mein Anwalt und schloss die Tür, ehe er sich an seinen Schreibtisch setzte. »Bist du dir immer noch sicher, dass du das durchziehen willst?«
»Ja, absolut! Wäre ich sonst hier?«
Er ließ die Frage unbeantwortet. »Gut, ich werde dich dennoch in den nächsten Minuten über Sinn und Unsinn, über Risiken und Gesetzesgrundlagen aufklären. Wenn du dann noch immer sicher bist, kannst du unterzeichnen und das Ding ist erledigt.« Er sah mich über den Rand seiner Lesebrille an.
»Einverstanden.« Ich räusperte mich, da ich plötzlich einen Kloß im Hals hatte.
Noch ein wenig verschlafen schlurfte ich in die Küche. Es war schon zehn Uhr. Dieses Leben ohne geregelte Zeiten war eigentlich untypisch für mich, dennoch genoss ich es auf gewisse Weise nachts zu lesen und zu arbeiten. Mir gefiel es erstaunlicherweise. Aber diese Art zu leben würde auf Dauer nicht gesund sein. Um meine Batterien aufzutanken und meinen Körper nicht mit unnötigen Kohlehydraten zu belasten, machte ich mir erst einmal einen Smoothie.
Den Tag über verbrachte ich mit weiterer Recherche und einige Sätze hatte ich auch schon zu Papier gebracht oder besser gesagt in den Laptop getippt. Doch richtig zufrieden war ich noch nicht.
Der erste Teil brauchte definitiv noch ein wenig Tiefe, aber der zweite Teil würde hoffentlich durch das Interview der Hammer werden. Ich nahm mir vor, zumindest den ersten Artikel bis heute Nachmittag fertig zu bekommen. Das müsste machbar sein und ich würde mich dann vollkommen auf das Interview konzentrieren können.
Als ich ein paar Stunden später in meinem besten Businesskostüm in das Taxi stieg, das mich zu Clodette Poirot bringen sollte, hatte ich in meinem Notizbuch jede Menge Fragen notiert, die ich der guten Frau stellen wollte. Ich war schon sehr gespannt, welcher Mensch mich dort erwarten würde.
»Chelseastreet 18, da wären wir.« Der Taxifahrer hielt vor einem großen schmiedeeisernen Tor, an dem etliche Kameras auf uns hinabblickten. Dahinter erstreckte sich eine parkähnliche Anlage und am Ende des kiesbedeckten Weges erblickte ich ein weißes Herrenhaus, das einem kleinen französischen Chateau glich, das ich einmal besucht hatte. Es sah in der nachmittäglichen Sonne einfach bezaubernd aus.
Mir fiel die Kinnlade herunter. Konnte man mit dem Schreiben von Liebesromanen derart gut verdienen, dass man sich ein solches Anwesen leisten konnte? Vielleicht sollte ich meine Berufswahl noch einmal überdenken, fuhr es mir unwillkürlich durch den Kopf.
»Miss, soll ich Sie anmelden?«, wollte der Fahrer wissen, der die Sechzig schon lange überschritten und ganz bestimmt bereits öfter junge, unwissende Journalistinnen bei steinreichen Chateaubesitzern angemeldet hatte.
»Ja.« Oder? Davon stand in dem Schreiben nichts. Ich verglich rasch die Adresse. Sie stimmte.
Der Mann beobachtete mich durch den Rückspiegel mit hochgezogenen Augenbrauen, bis ich endlich kapierte, was er wollte.
»Abigail Jones. Bitte melden Sie mich als Abigail Jones, Journalistin des Cosmostar an.« Ich erntete ein Lächeln.
Kurze Zeit später glitt das Tor geräuschlos auf und wir fuhren im Schritttempo durch den Park. Am Ende der Auffahrt lag das imposante Gebäude und dahinter endete das Grundstück an einem See. Es war malerisch und ich konnte mir vorstellen, dass einer Autorin in einer solchen Atmosphäre jede Menge wundervolle Geschichten einfallen mussten. An der offenstehenden Haustür erwartete mich, nachdem ich meine Schuld beim Taxifahrer beglichen hatte, eine Hausangestellte, die in einer dunklen Uniform mit Schürze steckte. Mit einem professionellen Lächeln, das allerdings nicht ihre Augen erreichte, bat sie mich ins Haus und führte mich in einen Salon, der im Jugendstil eingerichtet war und in mir leichte Beklemmungen hervorrief.
»Mrs Poirot wird gleich für Sie da sein.«
Steif setzte ich mich auf die Kante einer Sitzbank und wartete geduldig, nachdem ich allein gelassen worden war. Wussten die Angestellten in diesem Haus genauso wenig wie ich den richtigen Namen? Vermutlich war das ausgemachter Blödsinn, denn wenn ich mich im Vorfeld über diese Adresse ausgiebig informiert hätte, wäre mir der Realname der Autorin auch geläufig. Insgeheim ärgerte ich mich, dass ich mich nicht richtig vorbereitet hatte. Neugierig blickte ich mich um. Nirgends war etwas Persönliches zu finden - keine Urkunden, Familienbilder oder Ähnliches.