Loveless (deutsche Ausgabe) - Alice Oseman - E-Book + Hörbuch

Loveless (deutsche Ausgabe) Hörbuch

Alice Oseman

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Beschreibung

Das Buch ist bei deiner Buchhandlung vor Ort und bei vielen Online-Buchshops erhältlich! Warten auf die große Liebe Georgia ist 18 und noch immer ungeküsst. Sie war noch nie verliebt, noch nicht einmal ein bisschen verknallt. Dabei schwärmt sie für alles, was so richtig schön romantisch ist: Hochzeiten, Liebesgeschichten und Happily-Ever-Afters. Der Richtige wird schon noch kommen, oder? Oder die Richtige? Irgendwann … Aber was, wenn nicht?  Lies diesen einzigartigen Roman jetzt in der grandiosen und einfühlsamen deutschen Übersetzung von Vanessa Walder. Das sagt die Presse in Großbritannien: "Ein fröhliches, entwaffnend ehrliches Buch, das direkt aus dem Kopf eines jungen Mädchens zu entspringen scheint" - Independent "Loveless ist eine Ode an Freundschaft und platonische Seelenverwandte; dieser herzerwärmende Roman gewann verständlicherweise den YA Book Prize 2021' - Irish Times "Eine wundervolle Geschichte über Selbstfindung" - The Bookseller Nominiert für den Buxtehuder Bulle 2022 Ausgezeichnet mit dem Bookseller's YA Bookprice – Von der Autorin von Heartstopper Loveless wird dich direkt im Herzen treffen: emotional, einfühlsam und ehrlich. Dieser Roman für Jugendliche ab 14 Jahren erzählt von der Magie von Freundschaften, Beziehungen und der Suche nach der Liebe.Alice Oseman zeigt in ihrer ergreifenden Geschichte, dass es mehr gibt als nur die eine Art, zu lieben und glücklich zu werden. Eine Geschichte trifft das Lebensgefühl einer jungen Generation Mit ihrem feinen Gespür für die Gefühle junger Menschen auf ihrer Suche nach Identität und Selbstakzeptanz begeistert Alice Oseman eine ganze Generation, für die LGBTQIA+ und eine diverse Zukunft selbstverständlich ist. Graphic Novels aus dem Heartstopper-Universum: Heartstopper Volume 1 Heartstopper Volume 2 Heartstopper Volume 3 Heartstopper Volume 4 Heartstopper Volume 5 Heartstopper Volume 6 - folgt Romane aus dem Heartstopper-Universum: Nick & Charlie This Winter Weitere Jugendbuchromane von Alice Oseman bei Loewe: Loveless Nothing Left for Us (die deutsche Übersetzung von Radio Silence) Solitaire I was Born for This

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Zeit:12 Std. 36 min

Sprecher:Nicole Silbermann

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Inhalt

Teil Eins

Letzte Chance

Romantik

Pip, Jason und ich

Wahrheit oder Pflicht

Tommy

Küssen

Feurig

Loveless

Teil Zwei

Veränderung

Rooney

Eine neue Freundschaft

Romantisches Denken

Sex

College-Ehe

Babys erster Club

Hohe Ansprüche

Pride

Einen Versuch wagen

Shakespeare und Zimmerpflanzen

Chaotische Energie

Allein für immer

Unreif

Wir stehen einfach auf Drama

Dating-Künste

Wie aus einem Liebesroman

Der Funke

Eine kurze, aber ergreifende Präsentation von Rooney Bach

Hand in Hand

Der Elefant im Raum

Der Buchstabe »X«

Mr. Selbstbewusst

Sunil

Es hätte ein paar Regenbogen-Flaggen mehr gebraucht

Pip

Fata Morgana

Teil Drei

Ich liebe keinen

Wichsvorlage

Countdown Timer Song

Gehirnwäsche

Fantasie-Zukunft

Spiegelwelt

Aber wenn sie sie nicht lieben kann

Zwei Mitbewohner

Der Bailey-Ball

Capulet versus Montague

Besiegt

Papierblumen

Überlebende

Teil Vier

Sehr unterschiedliche Menschen

Aromantisch asexuell

Wahre Liebe

»Die Liebe kommt als Zufall zu uns allen.

Amor schießt Pfeile, manchmal stellt er Fallen.«

TEIL EINS

LETZTE CHANCE

Drei Pärchen saßen wild knutschend ums Feuer herum, als wären sie bei einer Kuss-Orgie. Ich war halb so Würg und halb: Wow, ich wünschte, ich wär auch dabei.

Ehrlicherweise hätte ich wohl nichts anderes von unserer Abschlussball-Afterparty erwarten sollen. Aber ich gehe nicht so oft auf Partys. Deshalb wusste ich auch nicht, was da so abgeht.

Ich raffte mein Abendkleid mit einer Hand hoch, um nicht darüber zu stolpern, verließ das Feuer und ging zurück zu Hattie Jorgensens gigantischem Landhaus. Auf dem Weg schickte ich Pip eine Nachricht.

Georgia Warr

konnte leider keine marshmallows von der feuerstelle mitbringen, weil da überall leute knutschten

Felipa Quintana

Wie konntest du mich derartig enttäuschen und hintergehen, Georgia?

Georgia Warr

liebst du mich trotzdem noch oder war’s das jetzt?

Ich fand Pip in der Küche, wo sie gegen einen Eckschrank gelehnt Wein aus einem Plastikbecher trank. In der anderen Hand hatte sie ihr Handy. Ihre Krawatte hatte sie in die Hemdtasche gestopft, ihren tiefroten Samtblazer aufgeknöpft. Ihre kurzen Locken waren fluffig und zerzaust, weil sie auf dem Abschlussball wie wild getanzt hatte.

»Bist du okay?«, fragte ich sie.

»Möglicherweise ein bisschen betrunken«, sagte sie und ließ ihre Schildpatt-Brille an die Nasenspitze rutschen. »Und übrigens – ich fucking liebe dich immer noch.«

»Mehr als Marshmallows?«

»Wie kannst du von mir verlangen, mich zwischen euch zu entscheiden?«

Ich legte ihr den Arm um die Schultern, und wir lehnten uns zusammen gegen den Küchenschrank. Es war fast Mitternacht, die Musik dröhnte aus Hatties Wohnzimmer, und das Quatschen, Schreien, Kreischen und Lachen unserer Schulfreunde erfüllte jede Ecke des Gebäudes.

»Am Feuer knutschen drei Pärchen«, sagte ich. »Praktisch synchron.«

»Abgefahren«, sagte Pip.

»Ich hab mir irgendwie gewünscht, ich wäre auch dabei.«

Sie sah mich nur an. »Iieh.«

»Ich will einfach jemanden küssen«, sagte ich, was komisch war, weil ich gar nicht betrunken war. Ich sollte Jason und Pip nachher nach Hause fahren, deshalb.

»Wir könnten rumknutschen, wenn du willst«, bot Pip grinsend an.

»Das ist nicht ganz das, was ich mir vorgestellt hab.«

»Okay, also Jason ist seit ein paar Monaten Single. Ich bin sicher, er würde sich auch anbieten.«

»Hör auf. Ich mein’s echt ernst.«

Ich meinte es wirklich ernst. Ich wollte wirklich, wirklich jemanden küssen. Ich wollte auch ein bisschen was von der Prom-Nacht-Magie abkriegen.

»Dann Tommy«, sagte Pip, zog eine Augenbraue hoch und grinste verschmitzt. »Vielleicht wird es Zeit, ihm deine Gefühle zu gestehen.«

Ich war insgesamt nur ein einziges Mal verknallt gewesen. Er hieß Tommy und war einer der beliebtesten Jungs in unserem Jahrgang – der eine, der tatsächlich Model hätte werden können, wenn er es gewollt hätte. Er war groß und dünn und die meisten Menschen würden ihn wohl attraktiv finden. Ein bisschen sah er aus wie Timothée Chalamet, obwohl ich nicht so richtig kapiere, warum alle so verliebt sind in Timothée Chalamet. Ich hatte den Verdacht, dass einige Leute ihre Verknalltheit in Stars einfach fakten, um dazuzugehören.

Ich war seit der siebten Klasse in Tommy verknallt. Damals fragte mich ein Mädchen: »Wen findest du am heißesten von allen Jungs am Truham Gymnasium?«

Sie zeigte mir auf ihrem Handy ein Foto, auf dem die beliebtesten Typen in unserem Jahrgang zu sehen waren. Die Jungs gingen aufs Truham Gymnasium für Jungen auf der gegenüberliegenden Straßenseite unserer Schule. Tommy stand genau in der Mitte auf dem Foto. Ich konnte auf den ersten Blick sehen, dass er der Attraktivste war. Ich meine, seine Frisur sah aus, als wär er in einer Boyband, und er war angezogen wie ein Kinostar – also hab ich auf ihn gedeutet und gesagt: Den. Und ich schätze, das war’s.

Seitdem waren fast sieben Jahre vergangen, und ich hatte nicht einmal mit Tommy geredet. Ich wollte noch nicht mal wirklich mit ihm reden, wahrscheinlich weil ich schüchtern bin. Er war mehr so ein abstrakter Gedanke – er war heiß, und ich war verknallt in ihn, und das war für mich absolut ausreichend.

Ich schnaubte bei Pips Vorschlag. »Ganz sicher nicht Tommy.«

»Warum nicht? Du magst ihn doch.«

Der Gedanke, wegen meiner Verknalltheit auch tatsächlich etwas zu unternehmen, machte mich extrem nervös.

Also zuckte ich nur mit den Schultern, und Pip ließ das Thema fallen.

Wir schlenderten Arm in Arm aus der Küche und durch den Flur von Hattie Jorgensens todschickem Landhaus. Die Leute saßen überall auf dem Boden, in ihren schönen Prom-Kleidern und ihren Smokings. Leere und halb volle Plastikbecher und Essensreste auf allen Flächen. Zwei Leute knutschten auf der Treppe, und ich sah ihnen einen Augenblick lang zu, nicht in der Lage zu entscheiden, ob es das Ekligste oder das Romantischste war, was ich in meinem Leben je gesehen hatte. Wahrscheinlich eher Ersteres.

»Weißt du, was ich möchte?«, fragte Pip, als wir in Hatties Wintergarten stolperten und uns auf ihr Sofa fallen ließen.

»Was?«, fragte ich.

»Ich möchte, dass jemand mir auf der Stelle in einem romantischen Song seine Liebe gesteht.«

»Mit welchem Song?«

Darüber dachte sie kurz nach.

»Es müsste ›Your Song‹ aus dem Film Moulin Rouge sein.« Sie seufzte. »Mann, ich bin traurig, lesbisch und einsam.«

»Ausgezeichnete Song-Auswahl, aber nicht halb so schwer zu kriegen wie ein Kuss.«

Pip verdrehte die Augen. »Wenn du unbedingt jemanden küssen willst, dann geh und red mit Tommy. Du magst ihn seit sieben Jahren. Das ist deine letzte Chance, bevor wir auf die Uni gehen.«

Damit hatte sie vermutlich recht.

Wenn überhaupt jemand infrage kam, dann war es Tommy. Aber der Gedanke erfüllte mich trotzdem mit Unbehagen.

Ich verschränkte die Arme.

»Vielleicht sollte ich stattdessen lieber einen Fremden küssen.«

»Fick dich.«

»Ich mein’s ernst.«

»Nein, tust du nicht. So bist du einfach nicht drauf.«

»Du weißt nicht, wie ich drauf bin.«

»Doch, weiß ich«, sagte Pip. »Ich kenn dich besser als irgendwer sonst.«

Sie hatte recht. Damit, dass sie mich besser kannte als jeder andere und damit, dass ich einfach nicht so drauf war. Und damit, dass heute Nacht meine letzte Chance sein würde, Tommy zu gestehen, dass ich seit sieben Jahren in ihn verknallt war. Die letzte Chance, jemanden zu küssen, solange ich noch Schülerin war, solange ich noch diese Aufregung spüren konnte, die Teenager-Träume und jugendliche Magie mit sich bringen und von der offensichtlich so ziemlich alle anderen zumindest ein bisschen gekostet hatten.

Es war meine letzte Chance, etwas davon abzukriegen.

Also musste ich möglicherweise in den sauren Apfel beißen und Tommy küssen.

ROMANTIK

Ich liebte Romantik. Ich liebte Disney (insbesondere das völlig unterbewertete Meisterwerk namens Küss den Frosch). Ich liebte Fanfiction (sogar Fanfiction für Figuren, die ich gar nicht kenne. Aber am liebsten mochte ich so was wie Draco/Harry oder Korra/Asami). Ich liebte es, darüber nachzudenken, wie meine eigene Hochzeit aussehen würde (eine Feier in einer alten Scheune, mit Herbstlaub und Beeren, Lichterketten und brennenden Kerzen, mit einem Vintage-Kleid aus Spitze, mein Bräutigam weint, meine Familie weint, ich weine, weil ich so, so glücklich, einfach so glücklich bin, dass ich den Richtigen gefunden habe).

Ich liebte – liebte! – Liebe.

Ich weiß, das ist schmalzig. Aber ich war nie zynisch. Eine Träumerin vielleicht, die an die Magie der Liebe glaubte und sich danach sehnte. Wie die männliche Hauptfigur aus Moulin Rouge, die nach Paris abhaut, um dort Geschichten zu schreiben über Wahrheit, Freiheit, Schönheit und Liebe, auch wenn er wohl besser darüber nachdenken sollte, einen Job zu finden, der es ihm ermöglicht, echtes Essen zu kaufen. Tja. Aber so bin ich auch.

Das habe ich sicher von meiner Familie. Die Familie Warr glaubt an die ewige Liebe. Meine Eltern sind immer noch genauso verliebt, wie sie es 1991 waren, als meine Mutter Ballett unterrichtet und mein Vater in einer Band gespielt hat. Das ist kein Witz. Die beiden sind der wahr gewordene Song von Avril Lavigne: Sk8er Boi – nur mit einem Happy End.

Meine beiden Großeltern-Paare waren immer noch zusammen. Mein Bruder hat seine Freundin geheiratet, als er zweiundzwanzig war. Keiner meiner näheren Verwandten war je geschieden worden. Sogar meine älteren Cousins und Cousinen hatten fast alle zumindest Partner, wenn nicht sogar schon eine eigene Familie.

Ich hatte noch nicht mal eine Beziehung gehabt.

Ich hatte noch nie jemanden geküsst.

Jason hat Karishma aus meiner Geschichtsklasse geküsst, als wir auf dieser Duke-of-Edinburgh-Klassenfahrt waren. Und er hatte eine echt grauenhafte Freundin namens Aimee, mit der er ein paar Monate lang zusammen war, bis er merkte, dass sie ein Biest war.

Pip hat Millie auf einer Party geküsst. Und dann Nicola von unserer Jugendtheater-Gruppe bei der Generalprobe für Dracula.

Fast alle hatten so eine Geschichte – einen doofen kleinen Kuss mit jemandem, in den sie vielleicht verknallt waren oder vielleicht auch nicht, und es hat nicht unbedingt zu mehr geführt, aber das gehört eben einfach dazu, wenn man ein Teenager ist.

Die meisten Leute haben mit achtzehn Jahren schon jemanden geküsst. Die meisten Leute waren mit achtzehn Jahren schon mal in jemanden verknallt, auch wenn es ein Kinostar war. Mindestens die Hälfte von allen, die ich kannte, hatten auch schon mal Sex gehabt, oder zumindest logen sie darüber, oder sie meinten in Wahrheit, dass sie eine Brust berührt oder jemandem einen runtergeholt hatten.

Aber das machte mir nichts aus, weil ich wusste, dass meine Zeit noch kommen würde. Das war bei allen so. Du wirst auch noch jemanden finden – das sagten alle, und sie hatten recht. Teenie-Romanzen funktionierten eh nur im Kino.

Alles, was ich tun musste, war abzuwarten, und meine große Liebesgeschichte würde beginnen. Ich würde den Richtigen finden. Wir würden uns verlieben. Und ich würde mein Happy End bekommen.

PIP, JASON UND ICH

»Georgia muss Tommy küssen«, sagte Pip zu Jason, als wir uns neben ihn aufs Sofa in Hatties Wohnzimmer fallen ließen.

Jason, der gerade in eine Partie Scrabble auf seinem Handy vertieft war, sah mich an und runzelte die Stirn. »Darf man fragen, warum?«

»Weil es jetzt sieben Jahre sind. Und ich finde, es ist Zeit«, sagte Pip. »Einwände?«

Jason Farley-Shaw war unser bester Freund. Wir waren ein Trio. Pip und ich gingen aufs Mädchengymnasium und hatten Jason durchs Theaterspielen kennengelernt. Unsere Jugendtheatergruppe schaffte es immer, ein paar Jungs aus dem Jungengymnasium zu überreden mitzuspielen. Nach ein paar Jahren wechselte er dann auf unsere Schule, die ab dem sechsten Jahrgang gemischte Klassen hatte. Der Jugendtheatergruppe ist er schließlich auch beigetreten.

Völlig egal, was für eine Produktion wir aufgeführt haben, ob Musical oder Theaterstück, Jason hat praktisch immer dieselbe Rolle gespielt: einen ernsten älteren Mann. Das lag vor allem daran, dass er groß und breitschultrig ist, aber auch daran, dass er auf den ersten Blick diesen etwas strengen Papa-Vibe abgibt. Er hat Javert in Les Mis gespielt, Prospero in Der Sturm und den wütenden Vater George Banks in Mary Poppins.

Abgesehen davon haben Pip und ich ziemlich schnell festgestellt, dass Jason unter seiner strengen und ernsten Schale ein richtig lieber und ruhiger Typ ist, der offenbar unsere Gesellschaft der anderer Leute deutlich vorzieht. Pip ist die Großmeisterin des Chaos, und ich hab die Tendenz, mir grundlos Sorgen zu machen wegen absolut allem und jedem. Da bringt Jasons Gelassenheit den perfekten Ausgleich in die Runde.

»Äh«, sagte Jason und warf mir einen schnellen Blick zu. »Tja, ich schätze, es spielt keine große Rolle, was ich davon halte.«

»Ich weiß nicht, ob ich Tommy küssen will«, sagte ich.

Jason sah zufrieden aus. Er wandte sich an Pip: »Da hast du’s. Fall erledigt. Bei so was muss man sich einfach sicher sein.«

»Nein! Komm schon!«, krähte Pip und sah mich an. »Georgia. Ich weiß ja, dass du schüchtern bist. Aber es ist total normal, nervös zu werden, wenn man verknallt ist. Das ist definitiv deine allerletzte Chance, um Tommy deine Gefühle zu gestehen, und auch wenn er dich abblitzen lässt, dann ist es total egal, weil er auf eine Uni am anderen Ende des Landes geht.«

Ich hätte an der Stelle erwähnen können, dass es dann auch ziemlich schwierig werden würde, mit ihm eine Beziehung zu führen, falls er mich nicht abblitzen lassen würde, aber das hab ich nicht gemacht.

»Weißt du noch, wie nervös ich war, als ich Alicia gesagt habe, dass ich sie mag?«, fuhr Pip fort. »Und sie dann voll so: Sorry, ich bin hetero!, und ich hab zwei Monate lang nur geheult? Aber schau mich heute an! Ich bin aufgeblüht!« Sie kickte mit einem Bein in die Luft, um diesen Punkt zu unterstreichen. »Das ist eine Situation mit null Konsequenzen.«

Jason sah mich während ihrer Rede die ganze Zeit an, als wollte er rauskriegen, wie ich mich fühlte.

»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich weiß es … einfach nicht. Ich glaub, ich mag ihn schon.«

Ganz kurz huschte so etwas wie Bedauern über Jasons Gesichtszüge, aber es war sofort wieder weg.

»Na dann«, sagte er und schaute dabei in seinen Schoß. »Du solltest einfach nur machen, was du wirklich machen willst.«

»Ich glaube, ich möchte ihn küssen«, sagte ich.

Ich sah mich in dem Zimmer um und – Überraschung! – Tommy war da. Er stand in einer kleinen Gruppe in der Nähe der Tür. Er war gerade weit genug von mir weg, dass ich eher einen Umriss von ihm sah und mich nicht auf Details konzentrieren konnte. Er war eher ein Konzept, ein Gedanke, als eine Person, einer aus einer Gruppe attraktiver Jungs. Mein Schwarm seit sieben Jahren. Ihn so weit weg und so verschwommen zu sehen erinnerte mich an den Moment damals in der siebten Klasse, als ich auf das Foto eines Jungen gezeigt habe, weil ich dachte, er wäre vermutlich attraktiv.

Und dann fasste ich einen Entschluss. Ich würde das hinkriegen.

Ich würde Tommy küssen.

Es hat Augenblicke gegeben, in denen ich mich ernsthaft gefragt habe, ob Jason und ich mal zusammenkommen würden. Es hat sogar Augenblicke gegeben, in denen ich mich gefragt habe, ob ich mal mit Pip zusammenkommen würde. Wenn wir drei in einem Kinofilm leben würden, dann wäre aus mindestens zwei von uns ein Paar geworden.

Aber ich hatte nie auch nur ansatzweise romantische Gefühle einem der beiden gegenüber. Zumindest nicht, soweit ich das beurteilen konnte.

Pip und ich waren seit fast sieben Jahren befreundet. Seit wir in der siebten Klasse nebeneinander gesetzt wurden und die Aufgabe bekamen, einander je drei interessante Dinge über uns selbst zu erzählen. So haben wir rausgefunden, dass wir beide Schauspielerinnen werden wollten, und das hat gereicht: Wir waren Freunde.

Pip war immer geselliger als ich, lustiger, alles in allem interessanter. Ich war immer eine gute Zuhörerin. Ich hab sie immer unterstützt, vor allem, als sie mit vierzehn eine Krise hatte, weil sie lesbisch ist, und als sie letztes Jahr eine Krise hatte, weil sie nicht wusste, ob sie sich lieber für die Schauspielerei oder für Naturwissenschaften entscheiden sollte. Und dann war da noch die Krise vor ein paar Monaten, als sie sich die Haare ganz kurz schneiden wollte, aber Schiss davor hatte.

Jason und ich haben uns erst später gefunden, aber wir haben uns schneller angefreundet, als ich es je für möglich gehalten hätte. Gerade in Anbetracht meiner eher bescheidenen Leistungen, wenn es darum geht, Freundschaften zu schließen. Er war der erste Mensch, der mir je begegnet ist, mit dem ich einfach irgendwo sitzen und still sein konnte, ohne dass es sich merkwürdig anfühlte. Ich hatte bei ihm nie das Gefühl, ich müsste versuchen, witzig zu sein oder unterhaltsam. Ich konnte einfach ich sein und wusste, er würde mich trotzdem mögen.

Wir drei hatten ungefähr tausend Mal bei den jeweils anderen übernachtet. Ich wusste genau, wo in Pips Bett die Federn rausstanden. Ich wusste, dass Jasons Lieblingsglas in unserem Küchenschrank das mit dem halb verblassten Donald Duck war, das ich mit zwölf in Disneyland bekommen hatte. Wir drei schauten uns immer wieder denselben Film an: Moulin Rouge. Den kannten wir auswendig.

Es gab keine romantischen Gefühle zwischen Pip, Jason und mir. Aber was es gab, das war eine langjährige Freundschaft – und die war mindestens genauso stark, glaub ich. Stärker vielleicht, als bei den meisten Pärchen, die ich kannte.

WAHRHEIT ODER PFLICHT

Um mich Tommy erstmal körperlich anzunähern, beschloss Pip, dass wir bei einer Runde »Wahrheit oder Pflicht« mitspielen würden. Jason und ich protestierten, aber natürlich setzte Pip sich durch.

»Wahrheit«, sagte ich, als ich dran war, gequält zu werden. Hattie, die Spielleiterin war, grinste verschlagen und zog eine Karte aus dem »Wahrheit«-Stapel. Wir waren zu zwölft, alle saßen im Wohnzimmer auf dem Teppichboden. Pip und Jason waren links und rechts von mir, Tommy saß genau gegenüber. Ich wollte ihn nicht wirklich ansehen.

Pip reichte mir zur Unterstützung ein paar Chips aus der Schüssel. Dankbar stopfte ich sie mir in den Mund.

»Was ist das schlimmste romantische oder sexuelle Erlebnis, das du je mit einem Typen gehabt hast?«

Ein paar Leute machten im Chor »Uuuh«, ein Junge pfiff leise, ein Mädchen lachte einfach, ein kurzes schnaubendes »Ha«, das ich beschämender fand als alles andere.

Glücklicherweise würde ich kaum jemanden von den Leuten auf dieser Party jemals wiedersehen. Vielleicht auf Instagram, aber ich hatte die meisten Instagram-Storys auch so schon gemutet, und ich hatte eine Liste im Kopf von all den Leuten, denen ich sofort nach der letzten Abi-Prüfung nicht mehr folgen würde. Es gab ein paar wenige Leute an der Schule, mit denen Jason, Pip und ich uns gut verstanden. Leute, mit denen wir in der Mittagspause zusammensaßen. Eine kleine Gang aus unserer Theatergruppe, mit denen wir während der Proben für neue Stücke abhingen. Aber ich wusste damals schon, dass wir alle auf verschiedene Unis gehen und einander einfach vergessen würden.

Pip, Jason und ich hingegen würden einander nie vergessen. Wir würden alle drei im Oktober auf die Durham University gehen, falls unsere Noten gut genug waren. Dabei hatten wir das noch nicht mal wirklich geplant. Wir waren ein Trio von nerdigen Strebern, und trotzdem hatte es Jason nicht geschafft, in Oxford aufgenommen zu werden. Pip hatte es nicht geschafft, ins King’s College in London zu kommen. Ich war die Einzige, für die Durham wirklich die erste Wahl war.

Ich war dem Universum jeden Tag von Herzen dankbar, dass alles so gekommen war. Ich brauchte Pip und Jason. Sie waren meine Rettungsleinen.

»Das geht echt zu weit«, schaltete sich Jason sofort ein. »Kommt schon. Das ist echt zu intim.«

Sofort schrien unsere Klassenkameraden empört auf. Denen war’s scheißegal, dass es intim war.

»Irgendwas musst du erzählen«, tönte Hattie mit ihrem superschicken Akzent. »Ich meine, jeder hat mittlerweile einen grauenhaften Kuss gehabt oder so was in der Art.«

Ich fühlte mich massiv unwohl damit, so im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, also dachte ich, es wäre am besten, die Sache einfach hinter mich zu bringen.

»Ich habe noch nie jemanden geküsst«, gab ich schließlich leise zu.

Während ich das sagte, war mir nicht bewusst, dass es etwas wahnsinnig Ausgefallenes war. Ich meine, wir waren hier schließlich nicht in einem Teenie-Film. Jungfrauen-Shaming gab’s nicht im echten Leben. Alle wussten, dass man solche Sachen erst machte, wenn man dazu auch wirklich bereit war, stimmt’s?

Aber dann kamen die Reaktionen.

Einige schnappten hörbar nach Luft. Ein mitleidiges »Oooch« von jemandem. Einige der Jungs fingen an zu lachen. Einer hustete das Wort »Jungfrau«.

Hattie schlug die Hand vor den Mund und sagte entsetzt: »Oh mein Gott, echt jetzt?«

Mein Gesicht brannte wie Feuer. Ich war nicht sonderbar. Es gab eine Menge Achtzehnjährige, die noch nie jemanden geküsst hatten.

»Das ist nicht so ungewöhnlich«, sagte ich.

Hattie presste eine Hand aufs Herz und schob die Unterlippe vor. »Du bist so unschuldig.«

Ein Junge lehnte sich zu mir und fragte: »Du bist aber schon achtzehn, oder?«

Ich nickte, und er sagte: »Oh mein Gott«, als wäre ich abstoßend oder so was.

War ich abstoßend? War ich hässlich und schüchtern und abstoßend, und deshalb hatte ich bisher noch nie jemanden geküsst?

Meine Augen füllten sich mit Tränen.

»Das reicht«, platzte Pip dazwischen. »Ihr könnt jetzt verfickt nochmal alle damit aufhören, Arschlöcher zu sein.«

»Es ist aber schon komisch«, sagte ein Junge, den ich aus meinem Englischkurs kannte. Er wandte sich damit an Pip. »Du musst doch zugeben, dass es komisch ist, wenn man mit achtzehn noch nie jemanden geküsst hat.«

Pip schnaubte. »Das ist stark … besonders wenn’s von einem Typen kommt, der sich jedes Mal einen runterholt, wenn er irgendwo die Prinzessinnen aus Shrek 3 sieht.«

Dem folgte gehässiges Lachen von allen Seiten, was die Gruppe kurz davon ablenkte, sich an mir abzuarbeiten. Während Pip weiterhin unsere Klassenkameraden in die Schranken wies, nahm Jason unauffällig meine Hand und zog mich aus dem Raum.

Als wir im Flur ankamen, war ich drauf und dran zu heulen, deshalb sagte ich, ich müsste aufs Klo, und ging nach oben, um ein Badezimmer zu finden. Dort betrachtete ich mein Spiegelbild, schluckte die Tränen runter und rieb den Mascara unter meinen Augen weg. Ich wollte nicht weinen. Ich wollte nicht vor jemand anderem weinen, egal vor wem.

Bis dahin hatte ich es nicht realisiert.

Ich hatte nicht mitbekommen, wie weit ich hinter den anderen herhinkte. Ich hatte meine ganze Zeit damit vertan, darauf zu warten, dass meine große Liebe eines Tages einfach auftauchen würde. Ich hatte mich getäuscht. Alle anderen waren inzwischen erwachsen geworden. Sie tauschten Küsse, hatten Sex, verliebten sich, und ich war bloß …

Ich war bloß ein Kind.

Wenn ich so weitermachte … würde ich dann für immer allein bleiben?

»Georgia!«

Pips Stimme. Ich wartete noch, bis ich ganz sicher war, dass keine Spuren von Tränen mehr zu sehen waren. Erst dann verließ ich das Badezimmer. Sie merkte mir wirklich nichts an.

»Die sind so fucking dämlich«, sagte sie.

»Absolut«, stimmte ich ihr zu.

Sie versuchte, mich anzulächeln. »Du weißt, dass du irgendwann jemanden finden wirst, ja?«

»Sicher.«

»Du weißt, du wirst jemanden kennenlernen. Das tut jeder. Du wirst sehen.«

Jason sah mich an, mit einem irgendwie traurigen Ausdruck im Gesicht. War es Mitleid? Tat ich ihm etwa auch leid?

»Verschwende ich meine Jugend?«, fragte ich die beiden. Und sie sagten Nein, wie beste Freunde das halt so machen. Aber es war zu spät. Das war der Weckruf gewesen, den ich gebraucht hatte.

Ich musste jemanden küssen, bevor es zu spät war.

Und dieser jemand musste Tommy sein.

TOMMY

Ich sagte Pip und Jason, sie sollten wieder runtergehen und Drinks organisieren. Ich erfand eine Ausrede – dass ich meine Jacke aus dem Gästezimmer holen wollte, weil mir kalt war. Und dann stand ich einfach im dunklen Flur und versuchte zu atmen und meine Gedanken zu ordnen.

Alles war okay. Es war noch nicht zu spät.

Ich war nicht komisch oder ekelhaft.

Ich hatte noch Zeit, etwas zu unternehmen.

Ich fand meine Jacke und eine Schüssel voll Mini-Würstchen, die jemand auf einer Heizung abgestellt hatte. Ich nahm sie mit, als ich den Flur entlangging, und auf der anderen Seite eine offene Schlafzimmertür entdeckte. Ich spähte durch den Türspalt und hatte sofort einen ausgezeichneten Blick auf jemanden, der gerade zwischen den Beinen befummelt wurde.

Eine Schockwelle schoss meine Wirbelsäule hoch. Voll so, wow, okay. Ich hatte vergessen, dass Leute so was im echten Leben miteinander machten. Es war lustig, darüber in Fanfiction zu lesen oder es im Kino zu sehen, aber die Realität war echt mehr so Oh. Bäh. Ist mir das unangenehm, lasst mich hier bloß raus.

Ganz abgesehen davon – hätte man nicht vielleicht die Tür zumachen können, bevor einer dem anderen irgendwo Körperteile reinsteckt?

Es fiel mir schwer, mir mich selbst in so einer Situation vorzustellen. Ehrlich, ich liebte den Gedanken in der Theorie – ein sexy Abenteuer in einem dunklen Raum in einem fremden Haus mit jemandem, mit dem man schon seit Monaten immer mal wieder geflirtet hat – aber die Realität? In echt die Genitalien anderer Leute zu berühren? Würg.

Ich nahm an, es würde einfach eine Weile dauern, bis man für solche Sachen bereit war. Und man musste jemanden finden, mit dem man sich wohlfühlte. Ich hatte noch nie jemanden getroffen, den ich küssen wollte, geschweige denn …

Ich schaute auf meine Schüssel mit Cocktailwürstchen hinunter. Plötzlich war ich nicht mehr hungrig.

Und dann durchbrach eine Stimme die Stille um mich herum.

»Hey«, sagte die Stimme, und als ich aufblickte, war da Tommy.

Ich würde zum allerersten Mal in meinem Leben mit Tommy reden.

Ich hatte ihn natürlich schon oft gesehen. Auf den wenigen Partys, auf denen ich war. Manchmal am Schultor. Als er in die Oberstufe meiner Schule wechselte, belegten wir zwar nicht die gleichen Fächer, aber wir gingen gelegentlich auf dem Flur aneinander vorbei.

Ich hatte mich immer irgendwie nervös gefühlt, wenn er in der Nähe war. Damals nahm ich an, das hätte damit zu tun, dass ich in ihn verknallt war.

Jetzt hatte ich keine Ahnung, wie ich mich in seiner Nähe verhalten sollte.

Tommy deutete auf das Schlafzimmer. »Ist da jemand drin? Mein Mantel liegt auf dem Bett.«

»Ich glaub, da drin wird grad jemand gefingert«, sagte ich, hoffentlich nicht so laut, dass die Leute im Schlafzimmer es hören konnten.

Tommy ließ seine Hand fallen. »Oh. Alles klar. Okay, dann. Ähm. Dann werd ich ihn wohl später holen.«

Es gab eine längere Pause. Wir standen unbeholfen vor der Tür. Wir konnten die beiden im Schlafzimmer zwar nicht hören, aber allein das Wissen, was da drinnen gerade ablief und dass wir beide es wussten, reichte völlig aus. Ich wollte auf der Stelle sterben.

»Wie geht’s dir?«, fragte Tommy.

»Och, geht so«, sagte ich und hielt die Schüssel mit den Würstchen hoch. »Ich hab Würstchen.«

Tommy nickte. »Gut. Gut für dich.«

»Danke.«

»Du siehst übrigens richtig hübsch aus.«

Mein Abschlussballkleid war glitzernd und lila, und ich fühlte mich darin ziemlich unwohl. Normalerweise trug ich gemusterte Strickpullis und Jeans mit hoher Taille. Aber auch ich fand, dass ich in dem Kleid gut aussah, also war es schön, das bestätigt zu bekommen. »Danke.«

»Tut mir leid wegen dem Spiel. Wahrheit oder Pflicht.« Er gluckste. »Die können solche Trottel sein. Fürs Protokoll, ich hatte meinen ersten Kuss mit siebzehn.«

»Echt jetzt?«

»Ja. Ich weiß, das ist ziemlich spät, aber … weißt du, es ist besser zu warten, bis es sich richtig anfühlt, stimmt’s?«

»Ja«, stimmte ich zu. Aber was ich dachte, war: Wenn siebzehn »spät« ist, dann musste ich wohl geriatrisch sein.

Das fühlte sich alles so merkwürdig an. Ich war seit sieben Jahren in Tommy verknallt. Jetzt unterhielt er sich mit mir. Warum sprang ich nicht vor Freude in die Luft?

Zum Glück summte in dem Moment mein Telefon. Ich holte es aus meinem BH.

Felipa Quintana

Entschuldigung!? Wo sext du?

Haha Sex

Ich hab sext geschrieben

statt steckst

Haha

Jason Farley-Shaw

Bitte komm zurück, bevor Pip noch ein Glas Wein trinkt

Felipa Quintana

Hör auf, meinen Tweet in unserem Gruppenchat zu kapern, obwohl ich direkt neben dir stehe

Jason Farley-Shaw

Echt jetzt, Georgia, wo bist du?

Ich schaltete schnell den Bildschirm meines Telefons aus, bevor Tommy auf den Gedanken kommen konnte, ich würde ihn ignorieren.

»Äh …«, fing ich an und wusste selbst nicht so recht, was ich sagen wollte, bevor ich es ausgesprochen hatte. Ich hielt meine übergroße Jeansjacke hoch. »Wenn dir kalt ist, kannst du dir meine Jacke ausleihen.«

Tommy sah sich meine Jacke an. Er schien unbeeindruckt davon zu sein, dass es eigentlich eine »Mädchen«-Jacke war, was ich gut fand. Denn wenn er deshalb protestiert hätte, wäre das wahrscheinlich das Aus für meine jahrelange Schwärmerei gewesen.

»Bist du sicher?«, fragte er.

»Klar!«

Er nahm meine Jacke und zog sie an. Ich fühlte mich ein bisschen unwohl bei dem Gedanken, dass ein Junge, den ich nicht wirklich gut kannte, jetzt meine Lieblingsjacke anhatte. Hätte ich mich stattdessen nicht darüber freuen sollen?

»Ich wollte mich ein bisschen ans Feuer setzen«, sagte Tommy, lehnte sich an die Wand und beugte sich lächelnd zu mir runter. »Willst du … mitkommen?«

Das war der Moment, in dem ich kapierte, dass er versuchte, mit mir zu flirten.

Es funktionierte also tatsächlich.

Ich würde Tommy allen Ernstes heute küssen.

»Okay«, sagte ich. »Ich schick nur kurz meinen Freunden eine Nachricht.«

Georgia Warr

ich häng gerade mit tommy ab lol

Highschool-Romanzen standen auf der Liste meiner Lieblings-Fanfiction-Themen ganz oben. Ich liebte auch Seelenverwandtschaft in Altraverse, Coffeeshop in Altraverse, hurt/comfort und vorübergehenden Gedächtnisverlust.

Aber ich ging davon aus, dass die Kategorie Highschool-Romanze mir am ehesten im echten Leben passieren würde. Jetzt, wo die Möglichkeit einer echten Romanze in der Highschool tatsächlich auf über null stieg, fing ich an, die Nerven zu verlieren.

Voll so mit Herzrasen, Schweißausbrüchen, zitternden Händen. Total ausflippen eben.

Aber so fühlt es sich an, wenn man verknallt ist, also war das völlig normal, oder?

Alles war total normal.

KÜSSEN

Als wir zum Feuer kamen, war außer uns niemand mehr da. Die Kussorgie war wohl vorbei.

Ich suchte mir einen Platz direkt neben dem Deckenstapel, und Tommy setzte sich neben mich. Er balancierte eine Bierflasche auf seiner Stuhllehne. Was würde jetzt passieren? Würden wir einfach anfangen zu knutschen? Mann, hoffentlich nicht!

Moment! War das nicht genau das, was ich wollte?

Es musste jetzt auf jeden Fall einen Kuss geben. So viel stand fest. Das war schließlich meine letzte Chance.

»Also«, sagte Tommy.

»Also«, sagte ich.

Ich dachte darüber nach, wie ich den Kuss anfangen würde. In Fanfics sagen sie einfach »Darf ich dich küssen?«. Das finde ich sehr romantisch zu lesen, aber als ich mir vorstellte, den Satz laut auszusprechen, klang das in meinem Kopf unendlich peinlich. In Filmen scheinen Küsse einfach so zu passieren, ohne dass vorher darüber gesprochen wird. Beide Parteien gehen darauf ein und wissen genau, was abläuft.

Tommy nickte mir zu. Ich schaute ihn an und wartete darauf, dass er was sagte.

»Du siehst wirklich hübsch aus«, sagte er.

»Das hast du schon gesagt«, sagte ich und lächelte unbeholfen, »aber danke.«

»Schon komisch, oder? In der Schule haben wir nicht wirklich viel miteinander geredet«, fuhr er fort. Während er sprach, legte er seine Hand auf meine Rückenlehne, sodass sie unangenehm nah an meinem Gesicht war. Ich weiß nicht, warum ich mich dabei so unwohl fühlte. Seine Haut war einfach so nah, das war es.

»Na ja, wir waren nicht wirklich mit denselben Leuten befreundet«, sagte ich.

»Stimmt. Und du bist ziemlich still, oder?«

Das konnte ich nicht abstreiten. »Ja.«

Jetzt, wo er so nah war, fiel es mir echt schwer nachzuvollziehen, was genau ich an ihm sieben Jahre lang so attraktiv gefunden hatte. Ich konnte zwar sehen, dass man ihn klassisch attraktiv finden konnte. So wie ich sagen konnte, wenn Popstars oder Schauspieler attraktiv waren. Aber nichts an ihm löste Schmetterlinge in meinem Bauch aus. Nur: Wusste ich denn, wie sich Schmetterlinge anfühlten? Was genau sollte ich in diesem Moment wirklich fühlen?

Tommy nickte, als ob er schon alles über mich wüsste. »Das ist schon in Ordnung. Stille Mädchen sind nett.«

Was sollte das denn heißen?

War Tommy irgendwie creepy? Ich war mir nicht sicher. Wahrscheinlich war ich nur nervös. Jeder wird in der Nähe seines Schwarms nervös.

Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, Tommy anzusehen, also warf ich einen Blick in Richtung Haus – und entdeckte zwei Gestalten, die im Wintergarten standen und uns beobachteten: Pip und Jason. Pip winkte mir sofort zu, aber Jason sah irgendwie verlegen aus und zog Pip von der Scheibe weg.

Sie wollten sehen, was mit Georgia und ihrer sieben Jahre anhaltenden Verknalltheit weiter passieren würde.

Tommy lehnte sich ein bisschen näher zu mir. »Wir sollten mehr reden, oder so.«

Aber sogar ich erkannte, dass er nicht reden wollte. Er wollte nur irgendwas sagen. Ich wusste genau, was als Nächstes passieren sollte.

Ich sollte mich zu ihm lehnen, nervös, aber aufgeregt. Er würde mir die Haare aus dem Gesicht streichen, und ich würde ihn mit einem tiefen Blick durch meine Wimpern ansehen. Dann würden wir uns küssen, ganz sanft, und eins werden: Georgia und Tommy. Dann würden wir nach Hause gehen, schwindlig vor Glück. Vielleicht würde es danach nie wieder passieren. Oder aber er würde mir eine Nachricht schreiben, und wir würden beschließen, auf ein echtes Date zu gehen. Einfach, um zu sehen, was passiert. Und bei der ersten Verabredung würden wir entscheiden, dass es weitere Dates geben sollte. Und bei unserem dritten Date würde feststehen, dass wir ab jetzt Freund und Freundin sind. Ein paar Wochen danach würden wir Sex haben. Und während ich an der Uni war, würde er mir Nachrichten schicken und mich jedes zweite Wochenende besuchen kommen. Nach der Uni würden wir zusammen in eine kleine Wohnung am Fluss ziehen und uns einen Hund zulegen. Tommy würde sich einen Bart stehenlassen, und dann würden wir heiraten, und das war das Ende.

Das war das, was passieren sollte.

Ich konnte jeden einzelnen Moment in meinem Kopf sehen. Den einfachen Weg. Den einfachen Ausweg.

Ich konnte das so machen – oder etwa nicht?

Wenn ich es nicht machte, was würden Pip und Jason dann sagen?

»Ist schon okay«, sagte Tommy. »Ich weiß, dass du noch nie jemanden geküsst hast.«

Er sagte das in einem Ton, als würde er mit einem neugeborenen Welpen sprechen.

»Okay«, sagte ich.

Es nervte mich. Er fing an, mich zu nerven.

Aber das hier war doch genau das, was ich wollte, oder? Ein süßer kurzer Moment im Dunkeln?

»Hey, hör zu«, sagte er mit einem mitleidigen Lächeln im Gesicht. »Jeder erlebt irgendwann seinen ersten Kuss. Das ist echt keine große Sache. Es ist völlig okay, neu zu sein in Sachen Romantik und so.«

Neu in der Romantik? Ich wollte auflachen. Ich hatte Romantik studiert wie eine Akademikerin. Wie eine besessene Forscherin. Romantik war mein Hauptfach.

»Klar«, sagte ich.

»Georgia …« Tommy lehnte sich ganz nah zu mir, und dann traf mich eine Welle.

Ekel.

Eine Welle vollkommenen, unbändigen Ekels.

Tommy war so nah, dass ich am liebsten laut gebrüllt hätte. Ich wollte Gläser zerschlagen und mich gleichzeitig übergeben. Meine Hände ballten sich über den Armlehnen meines Stuhls zu Fäusten, während ich krampfhaft versuchte, Tommy weiter anzuschauen. Mich weiter auf ihn zuzubewegen. Ihn zu küssen. Aber er war mir so nah, und es fühlte sich grauenhaft an. Es war widerlich. Ich wollte nur noch, dass es aufhörte.

»Es ist in Ordnung, nervös zu sein«, sagte er. »Es ist irgendwie niedlich.«

»Ich bin nicht nervös«, sagte ich. Ich war angewidert von dem bloßen Gedanken an seine Nähe. Dem Wissen, dass er etwas von mir wollte. Das war doch nicht normal, oder?

Er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel.

Das war der Moment, in dem ich zurückzuckte. Ich stieß seine Hand weg, was dazu führte, dass die Bierflasche auf seiner Stuhllehne kippte. Tommy versuchte noch, sie aufzufangen. Er rutschte nach vorne, verlor das Gleichgewicht und fiel vornüber.

Genau in die Feuerstelle.

FEURIG

Es hatte Anzeichen gegeben. Ich hatte sie alle übersehen, weil ich mich unbedingt verlieben wollte.

Zuerst kam Lukas aus der Fünften. Er versuchte es über einen Zettel in meiner Manteltasche während der großen Pause. An Georgia. Du bist so schön, willst du meine Freundin sein? Ja [ ] Nein [ ] Von Luke.

Ich habe »Nein« angekreuzt, und er hat die ganze Mathestunde durch geheult.

In der Sechsten, als alle Mädchen in meiner Klasse beschlossen, dass sie ab sofort einen Freund haben wollten, fühlte ich mich ausgegrenzt und fragte Luke, ob er noch Lust hätte, aber er war schon mit Ayesha zusammen, also sagte diesmal er nein. Auf dem Grillfest des Abschlussjahrgangs spielten die neuen Paare zusammen auf dem Klettergerüst, und ich fühlte mich traurig und einsam.

Als Nächstes kam Noah aus der Neunten, den ich aus dem Schulbus kannte. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob er zählt. Er fragte mich am Valentinstag, ob ich mit ihm ausgehe, weil die Leute das am Valentinstag eben so machen – jeder will am Valentinstag mit jemandem zusammen sein. Noah machte mir Angst, weil er laut war und gerne Menschen mit Sandwiches bewarf, also schüttelte ich nur den Kopf über ihn und starrte wieder aus dem Fenster.

Der Dritte war Jian von der Jungenschule, Jahrgangsstufe elf. Viele fanden ihn extrem anziehend. Wir hatten auf einer Party lang darüber geredet, ob Love Island eine gute Show ist oder nicht, und dann versuchte er, mich zu küssen, als alle betrunken waren, wir beide eingeschlossen. Es wäre so einfach gewesen, darauf einzugehen.

Es wäre so einfach gewesen, nachzugeben und es zu tun.

Aber ich wollte nicht. Ich stand einfach nicht auf ihn.

Und nun stellte sich heraus: Der Vierte war Tommy, den ich aus der Schule kannte und der aussah wie Timothée Chalamet. Ich kannte ihn nicht wirklich, und trotzdem warf es mich diesmal aus der Bahn, weil ich wirklich geglaubt hatte, ich würde ihn mögen. Am Ende konnte ich es doch nicht tun. Ich stand auch nicht auf ihn.

Meine sieben Jahre dauernde Schwärmerei für ihn war frei erfunden.

Entstanden in einem zufälligen Augenblick, als ich elf Jahre alt war und mir ein Mädchen ein Foto hinhielt mit der Frage, welchen Jungen ich aussuchen würde.

Ich stand nie wirklich auf Tommy.

Offensichtlich hatte es überhaupt niemanden gegeben, auf den ich jemals gestanden hatte.

Ich schrie auf. Tommy schrie. Sein ganzer Arm stand in Flammen.

Er rollte sich hin und her, und plötzlich kam Pip aus dem Nichts, schnappte sich eine Decke, ließ sich damit auf Tommy fallen und erstickte die Flammen. Währenddessen brüllte Tommy immer wieder »Heilige Scheiße, heilige Scheiße«, und ich stand nur über ihm und sah zu, wie er brannte.

Das Erste, was ich fühlte, war Schock. Ich fühlte mich wie schockgefroren. Als würde nichts davon wirklich passieren.

Das zweite Gefühl war Ärger wegen meiner Jacke.

Das war meine verfickte Lieblingsjacke.

Ich hätte sie niemals diesem Jungen geben sollen, den ich kaum kannte. Einem Jungen, den ich nicht einmal mochte.

Jason kam dazu und fragte Tommy, ob er verletzt sei, aber der setzte sich auf und schüttelte den Kopf. Er zog die Überreste meiner Lieblingsjacke aus, schaute auf seinen unverletzten Arm und sagte: »Was zum Teufel?« Und dann starrte er mich an und sagte: »Was soll denn der Scheiß …?«

Ich schaute auf diesen Jungen runter, den ich zufällig auf einem Foto ausgewählt hatte, und sagte: »Ich mag dich nicht auf die Art. Es tut mir wirklich leid. Du bist nett, aber ich mag dich einfach nicht auf die Art.«

Jason und Pip drehten sich gleichzeitig zu mir um. Eine kleine Menge begann sich zu formieren. Unsere Klassenkameraden wanderten nach draußen, um zu sehen, was es hier für eine Aufregung gab.

»Was soll denn der Scheiß …?«, sagte Tommy noch mal, bevor er von seinen Freunden umringt wurde, die wissen wollten, ob es ihm gut ging.

Ich habe ihn nur angestarrt und gedacht: Das war meine verdammte Jacke und dann: Sieben Jahre! Und außerdem: Ich habe dich überhaupt nicht gemocht.

»Georgia«, sagte Pip. Sie stand neben mir und zog an meinem Arm. »Ich glaube, wir sollten jetzt nach Hause gehen.«

LOVELESS

»Ich habe ihn nie gemocht«, sagte ich im Auto, als wir vor Pips Haus hielten und ich den Motor abstellte. Pip saß neben mir, Jason auf dem Rücksitz. »Sieben Jahre, und ich habe mich die ganze Zeit nur selbst belogen.«

Sie waren beide seltsam schweigsam. Als wüssten sie nicht, was sie sagen sollten. Es war ganz schrecklich, aber ich gab ihnen fast die Schuld an der ganzen Sache. Jedenfalls Pip. Sie war diejenige, die mich dazu gedrängt hatte. Sie hatte mich sieben Jahre lang wegen Tommy aufgezogen.

Nein, das war unfair. Es war nicht ihre Schuld.

»Ich bin schuld«, sagte ich.

»Ich kapier’s nicht«, sagte Pip und gestikulierte wild. Sie war immer noch ziemlich beschwipst. »Du … du bist seit Jahren in ihn verknallt.« Ihre Stimme wurde leiser. »Das war deine … deine große Chance.«

Ich fing an zu lachen.

Es ist verrückt, wie lange man sich selbst was vormachen kann. Und allen um sich herum.

Die Tür zu Pips Haus ging auf, und ihre Eltern standen da, beide trugen zueinander passende Bademäntel. Manuel und Carolina Quintana waren auch so eins von diesen perfekt verliebten Paaren, die ich kannte, mit einer unglaublich romantischen Geschichte. Carolina, die in Popayán, Kolumbien, aufgewachsen war, und Manuel aus London lernten sich kennen, als Manuel mit siebzehn Jahren seine sterbende Großmutter in Popayán besuchte. Carolina war buchstäblich das Mädchen von nebenan, und der Rest war Geschichte. Solche Dinge passierten, einfach so.

»Ich war in meinem ganzen Leben noch nie in jemanden verknallt«, sagte ich. Es war mir mit einem Mal so klar. Ich hatte mich noch nie in jemanden verliebt. Nicht in Jungs, nicht in Mädchen, in keinen einzigen Menschen, den ich je getroffen hatte. Was hatte das zu bedeuten? Bedeutete es überhaupt etwas? Oder lebte ich das Leben bloß falsch? War irgendetwas an mir falsch? »Kannst du dir das vorstellen?«

Wieder gab es eine Pause, bevor Pip antwortete: »Hey, ist schon gut. Ist schon gut, Mann. Du wirst ganz bestimmt jemanden –«

»Sag das nicht«, bat ich. »Bitte sag das nicht.«

Also ließ sie es bleiben.

»Weißt du, der Gedanke – der Gedanke daran ist schön. Die Vorstellung, Tommy zu mögen und ihn zu küssen und nach dem Abschlussball einen herzerwärmenden Moment am Feuer zu erleben. Das ist so schön. Das war es, was ich wollte.« Ich spürte, wie ich das Lenkrad fest umklammerte. »Aber die Realität ekelt mich an.«

Sie sagten kein Wort. Nicht mal Pip, die sonst immer geschwätzig wurde, wenn sie getrunken hatte. Selbst meinen besten Freunden fiel kein einziges tröstendes Wort ein.

»Na … Das war doch eine gute Nacht, was?«, lallte Pip, als sie aus meinem Auto stolperte. Sie hielt die Beifahrertür auf und deutete in einer dramatischen Geste auf mich. Die Straßenlaternen spiegelten sich in ihrer Brille. »Du. Sehr gut. Hervorragend. Und du –«, sie stupste Jason in die Brust, als er sich auf den Vordersitz setzte – »ausgezeichnet. Wirklich ausgezeichnete Arbeit.«

»Trink viel Wasser«, sagte Jason und tätschelte ihren Kopf.

Wir sahen zu, wie Pip zu ihrer Haustür ging und von ihrer Mutter sanft gescholten wurde, weil sie betrunken war. Ihr Vater winkte uns zu, und wir winkten zurück, und dann ließ ich den Motor an und wir fuhren weg. Es hätte ein guter Abend werden können. Es hätte die beste Nacht meines Lebens werden können, wenn ich tatsächlich in Tommy verknallt gewesen wäre.

Der nächste Halt war Jasons Haus, das seine Väter, die beide Architekten waren, gebaut hatten. Rob und Mitch hatten sich an der Universität kennengelernt – sie belegten den gleichen Studiengang – und konkurrierten schließlich um dieselbe Architektenstelle. Rob gewann, und behauptet bis heute, er wäre der Bessere gewesen, während Mitch immer darauf besteht, er hätte Rob gewinnen lassen, weil er ihn gern hatte.

Als wir ankamen, sagte ich: »Die meisten in unserem Alter haben jemanden geküsst.«

Und Jason sagte: »Das ist doch egal.«

Aber ich wusste, dass es das nicht war. Es spielte eine Rolle. Es war kein Zufall, dass ich hinterherhinkte. Alles, was in dieser Nacht passiert war, war ein Zeichen, dass ich mich mehr anstrengen musste – sonst würde ich für den Rest meines Lebens allein sein.

»Ich fühle mich nicht mal wie ein richtiger Teenager«, sagte ich. »Ich bin die totale Versagerin.« Und Jason wusste offensichtlich nicht, was er darauf antworten sollte, denn er sagte nichts.

Dann saß ich in meinem Auto in der Einfahrt zu meinem Elternhaus, den Geist einer Jungenhand auf meinem Oberschenkel, und machte einen Plan.

Ich würde bald auf die Universität gehen. Eine Chance, mich neu zu erfinden und jemand zu werden, der sich verlieben kann, jemand, der zu meiner Familie passt, zu anderen meines Alters, zur ganzen Welt. Ich würde einen Haufen neuer Freunde finden. Ich würde Vereinen beitreten. Ich würde mir einen Freund suchen. Oder möglicherweise eine Freundin. Einen Partner. Ich würde meinen ersten Kuss bekommen, und ich würde Sex haben. Ich war eben ein Spätzünder. Aber ich wollte nicht allein sterben.

Ich würde mich mehr anstrengen.

Ich wollte schließlich die ewige Liebe finden.

Ich wollte nicht lieblos sein.

TEIL ZWEI

VERÄNDERUNG

Die Fahrt zur Durham University dauerte sechs Stunden, und ich verbrachte die meiste Zeit damit, auf Pips Flut von Facebook-Nachrichten zu antworten. Jason war schon ein paar Tage vor uns gefahren. Pip und ich hatten gehofft, dass wenigstens wir beide zusammen zum College fahren könnten, aber es stellte sich heraus, dass meine Taschen und Kisten den gesamten Kofferraum und den größten Teil der Rücksitze im Auto meines Vaters in Beschlag nahmen. Also begnügten wir uns damit, uns gegenseitig Nachrichten zu schicken und zu versuchen, uns auf der Autobahn zu winken.

Felipa Quintana

Neues Spiel!!!!!

wenn wir den anderen vorbeifahren sehen, bekommen wir zehn Punkte.

Georgia Warr

und was bekommen wir, wenn wir am Ende die meisten punkte haben?

Felipa Quintana

Ewigen Ruhm

Georgia Warr

ich hab nichts gegen ein gläschen ewigen ruhms

Felipa Quintana

KUMPEL, ICH HABE DICH GERADE GESEHEN!!!!!!!!!!!!

Ich hab auch gewunken, aber du hast mich nicht gesehen.

Fühle mich zurückgewiesen.

Eine moderne Tragödie von Felipa Quintana

Georgia Warr

du kommst drüber weg

Felipa Quintana

Ich werde eine tiefgreifende Therapie brauchen.

Du zahlst

Georgia Warr

ich bezahl nicht für deine therapie

Felipa Quintana

Wie unhöflich.

Und ich hab gedacht, wir wären Freunde

Georgia Warr

Du hast gerade 10 punkte gemacht, bezahl deine Therapie damit

Felipa Quintana

VIELLEICHT MACH ICH DAS

Die Fahrt war schrecklich lang, sogar mit Pips Nachrichten, um mich abzulenken. Mum saß am Steuer und bestand darauf, den Radiosender auszusuchen. Dad schlief die ganze Zeit. Wir blieben ununterbrochen auf der Autobahn, wo links und rechts graue und grüne Farbtupfer vorbeirasten. Mum kaufte mir eine Packung Chips, aber ich war zu nervös, sie zu essen. Ich musste ständig an morgen denken, also blieb die Tüte ungeöffnet auf meinem Schoß.

»Man weiß ja nie«, sagte Mum, um mich aufzumuntern, »vielleicht triffst du ja einen netten jungen Mann in deinem Kurs!«

»Vielleicht«, sagte ich. Oder eine nette junge Frau. Gott, irgendjemanden. Ich flehe dich an. Ich bin verzweifelt.

»Viele Leute lernen ihren zukünftigen Lebenspartner an der Uni kennen. Wie dein Papa und ich.«

Mum zeigte mir regelmäßig Jungs, von denen sie dachte, dass ich sie attraktiv finden würde, als ob ich einfach auf jemanden zugehen und ihn um ein Date bitten könnte. Ich fand sowieso nie einen der Jungs attraktiv, die sie aussuchte. Aber sie blieb voller Hoffnung. Hauptsächlich aus Neugier, glaube ich. Sie wollte wissen, für welchen Menschen ich mich entscheiden würde, so wie wenn man sich einen Film ansieht und darauf wartet, dass die große Liebe erscheint.

»Ja, vielleicht«, sagte ich. Ich wollte ihr nicht sagen, dass ihr Versuch, mich aufzuheitern, dafür sorgte, dass ich mich noch schlechter fühlte. »Das wär schön.«

Langsam wurde mir ein bisschen übel.

Aber so hat sich wahrscheinlich tatsächlich jeder gefühlt, der ein Studium angefangen hat.

Durham ist eine kleine alte Stadt mit vielen Hügeln und gepflasterten Straßen, und ich liebe sie, weil ich mich fühlte, als wäre ich in einem tiefgründigen und mysteriösen Universitätsdrama wie Die geheime Geschichte von Donna Tartt gelandet, in dem es um viel Sex und um Morde geht.

Nicht, dass ich gerade auf dem besten Weg gewesen wäre, es auch nur mit einem von beiden zu tun zu kriegen.

Wir mussten auf ein riesiges Feld fahren, uns mit dem Auto anstellen und warten, bis wir aufgerufen wurden, denn die Colleges der Durham University sind alle winzig und haben keine eigenen Parkplätze. Viele Studenten und ihre Eltern stiegen aus den Autos, um sich zu unterhalten, während sie warteten. Ich wusste, ich sollte auch aussteigen und anfangen, mich unter die Leute zu mischen.

Ich hatte damals noch die Theorie, dass meine Schüchternheit und Introvertiertheit damit zusammenhingen, dass ich noch nie in jemanden verliebt war. Vielleicht redete ich einfach nicht mit genug anderen Leuten, oder vielleicht stressten mich Menschen einfach generell, und das war der Grund, warum ich nie jemanden küssen wollte. Wenn ich nur mein Selbstvertrauen aufwerten und versuchen könnte, ein bisschen offener und kontaktfreudiger zu sein, dann wäre ich vielleicht auch in der Lage, all das zu fühlen und zu tun, was die meisten anderen Menschen eben fühlen und tun.

Das Studium war ein guter Zeitpunkt, um genau das zu versuchen.

Felipa Quintana

Hey, bist du auch in der Warteschlange?

Ich hab mich mit meiner Autonachbarin angefreundet.

Sie hat einen scheißgroßen Farn mitgebracht.

Der ist bestimmt 1,80 m hoch.

Update: Der Farn heißt Roderick

Ich wollte gerade antworten oder vielleicht sogar aus dem Auto steigen, um Pips neue Bekannte und ihren Roderick zu treffen, aber in dem Moment ließ Mum den Motor an.

»Wir sind dran«, sagte sie und deutete nach vorn, wo jemand in einer Warnweste winkte.

Papa drehte sich um und lächelte mich aufmunternd an. »Bist du bereit?«

Es würde schwer werden, garantiert, und beängstigend und wahrscheinlich unangenehm, aber ich würde zu jemandem werden, der es schafft, die Magie der Romantik zu erleben.

Mir war klar, dass ich mein ganzes Leben noch vor mir hatte und dass es eines Tages passieren würde. Aber ich hatte das Gefühl, wenn ich mich nicht jetzt änderte, wenn es an der Uni nicht klappte, dann würde es überhaupt nicht mehr passieren.

»Ja«, antwortete ich.

Außerdem wollte ich nicht warten. Ich wollte es jetzt.

ROONEY

»Das kann doch wohl nicht wahr sein«, sagte ich und starb innerlich ein bisschen, als ich schließlich vor der Tür des Zimmers stand, das für die nächsten neun Monate mein Zuhause sein würde.

»Was?«, fragte Dad, ließ eine meiner Taschen auf den Boden fallen und schob sich seine Brille, die er in den Haaren getragen hatte, vor die Augen.

»Oh, nun ja«, sagte Mum, »du wusstest doch, dass das passieren könnte, Schatz.«

An der Außenseite meiner Zimmertür war mein Foto, und darunter stand in Times New Roman »Georgia Warr« geschrieben. Daneben hing ein weiteres Foto – von einem Mädchen mit langen braunen Haaren, perfekt gezupften Augenbrauen und einem Lächeln, das in seiner Natürlichkeit unheimlich aufrichtig wirkte. Darunter stand der Name »Rooney Bach«.

Durham ist eine alte englische Universität, die ein »College-System« hat. Anstelle von Wohnheimen besteht die Universität aus »Colleges«, die über die Stadt verteilt sind. Dein College ist der Ort, an dem du schläfst, duschst und isst. Aber es war auch der Ort, zu dem du deine Loyalität regelmäßig durch College-Veranstaltungen, College-Sportteams und in politischen Studenten-Wahlen beweisen musstest.

Das St.John’s College – das, in das ich aufgenommen worden war – war ein altes Gebäude. Und deshalb mussten sich ein paar der Leute, die dort untergebracht waren, Zimmer teilen.

Ich hätte nur nicht gedacht, dass ich darunter sein würde.

Eine Welle der Panik durchflutete mich. Ich konnte keine Mitbewohnerin haben – kaum jemand in Großbritannien hatte Mitbewohnerinnen an der Uni. Ich brauchte meinen Freiraum. Wie sollte ich schlafen oder Fanfics lesen oder mich anziehen oder irgendetwas tun, solang jemand anders im Zimmer war? Wie sollte ich mich entspannen, wenn ich jeden Moment, den ich wach war, mit einer anderen Person verbringen musste?

Mum schien nicht einmal zu bemerken, dass ich in Panik war. Sie sagte nur: »Na, dann lass uns mal loslegen«, und öffnete mir die Tür.

Und Rooney Bach war schon da, in Leggings und Poloshirt, und goss einen fast zwei Meter hohen Farn.

Das Erste, was Rooney Bach zu mir sagte, war: »Oh mein Gott, bist du Georgia Warr?«, als wäre ich eine Berühmtheit, aber sie wartete nicht einmal auf eine Bestätigung, bevor sie ihre Gießkanne zur Seite stellte, ein großes Stück aquamarinblauen Stoff – das ich für einen Teppich hielt – von ihrem Bett nahm und ihn mir entgegenhielt.

»Teppich«, sagte sie. »Gedanken?«

»Ähm,« sagte ich. »Er ist großartig.«

»OK, fantastisch.« Sie schwenkte den Teppich in der Luft und legte ihn dann in die Mitte unseres Zimmers. »So. Dieser Farbtupfer hat einfach noch gefehlt.«

Ich glaube, ich stand ein bisschen unter Schock, denn erst da fing ich an, mich richtig in unserem Zimmer umzusehen. Es war groß, aber ziemlich abstoßend, was ich eigentlich auch nicht anders erwartet hatte – Zimmer in alten englischen Universitäten sind nie schön. Der Teppichboden war ein schimmeliges Graublau, die Möbel waren beige und sahen aus wie aus Plastik gegossen. Und wir hatten zwei Einzelbetten. Rooney hatte bei ihrem bereits helle, geblümte Bettwäsche aufgezogen. Mein Bett sah dagegen aus, als gehöre es eigentlich in ein Krankenhaus.

Der einzig schöne Teil des Zimmers war ein großes Sprossenfenster. Die Farbe blätterte vom Holzrahmen ab, und ich wusste sofort, dass es ziehen würde, aber es war irgendwie bezaubernd, und man konnte ganz bis runter zum Fluss sehen.

»Du hast das Zimmer schon sehr schön eingerichtet!« sagte Dad zu Rooney.

»Oh, finden Sie?«, fragte Rooney. Sie fing sofort an, Mum und Dad eine Führung durch ihre Seite des Zimmers zu geben und alle wichtigen Dinge vorzustellen – einen Kunstdruck mit einer Wiese drauf (sie mochte Landspaziergänge) und ein Plakat von Viel Lärm um nichts (ihr Lieblingsstück von Shakespeare), ihre Fleece-Bettdecke (auch aquamarin, passend zum Teppich), ihre Zimmerpflanze (deren Name – nein, ich hatte mich nicht verhört – Roderick war), eine aquamarinfarbene Schreibtischlampe (von John Lewis) und, am wichtigsten, ein riesiges Poster, auf dem in einer geschwungenen Schrift schlicht »Don’t Quit Your Daydream« stand.

Dabei hat sie die ganze Zeit gelächelt. Ihre Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren, wirbelten herum, während meine Eltern versuchten, mit ihrem enormen Sprechtempo Schritt zu halten.

Ich setzte mich auf mein Bett in der grauen Hälfte des Zimmers. Ich hatte keine Poster mitgebracht. Alles, was ich mitgebracht hatte, waren ein paar ausgedruckte Fotos von mir, Pip und Jason.

Mum sah mich von der anderen Seite des Zimmers an und schenkte mir ein trauriges Lächeln, als wüsste sie, dass ich nach Hause wollte.

»Du kannst uns jederzeit eine Nachricht schicken, Schatz«, sagte Mum, als wir uns vor dem Gebäude verabschiedeten. Ich stand in der Oktoberkälte auf der gepflasterten Straße und fühlte mich leer und verloren. Meine Eltern waren dabei, mich zu verlassen.

Ich wollte sagen: Ich will nicht, dass ihr geht!

»Und Pip und Jason sind gleich die Straße runter, stimmt’s?«, fuhr Papa fort. »Du kannst jederzeit zu ihnen rübergehen und Zeit mit den beiden verbringen.«

Pip und Jason waren in einem anderen College untergebracht – dem University College, das die Studenten hier auch »Castle« nennen, weil es architektonisch ein Teil von Durham Castle ist. Sie hatten schon vor ein paar Stunden aufgehört, auf meine Nachrichten zu antworten. Wahrscheinlich waren sie mit Auspacken beschäftigt.

Ich wollte sagen: Bitte lasst mich hier nicht allein!

»Ja«, sagte ich stattdessen.

Ich schaute mich um. Das war jetzt mein Zuhause. Durham. Es sah aus wie eine Stadt aus einer Dickens-Verfilmung. Alle Gebäude waren groß und alt. Alles schien aus großen Steinbrocken gemacht zu sein. Ich sah förmlich vor mir, wie ich zu meinem Abschluss in der Robe über das Kopfsteinpflaster und in die Kathedrale schritt. Das war der Ort, an dem ich sein sollte.

Meine Eltern umarmten mich beide. Ich habe nicht geweint, obwohl ich es wirklich, wirklich wollte.

»Das ist der Anfang eines großen Abenteuers«, sagte Papa.

»Vielleicht«, murmelte ich in seine Jacke.

Ich brachte es nicht über mich zuzusehen, wie sie die Straße zum Auto hinuntergingen. Also ging ich auch weg, als sie sich zum Gehen wandten.

Zurück in meinem Zimmer klebte Rooney gerade ein Foto mit Klebestreifen an die Wand, genau zwischen ihre gerahmten Poster. Auf dem Foto war Rooney zu sehen, vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt, mit einem Mädchen, das rot gefärbte Haare hatte. So wie die Haare von Ariel aus Die kleine Meerjungfrau.

»Ist das eine Freundin von zu Hause?« fragte ich. Das war zumindest ein guter Start für ein Gespräch.

Rooney drehte ihren Kopf, um mich anzusehen, und für einen Moment glaubte ich, einen seltsamen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu sehen. Aber dann war er verschwunden und wurde durch ein breites Lächeln verdrängt.

»Ja!«, sagte sie. »Beth. Sie ist – sie ist klarerweise nicht hier, aber … ja. Sie ist meine Freundin. Kennst du schon jemanden in Durham? Oder bist du ganz allein hier?«

»Oh, ähm, na ja, meine zwei besten Freunde sind hier, aber sie sind im Castle.«

»Oh, das ist so schön! Schade, dass ihr nicht auf dasselbe College gekommen seid.«

Ich zuckte mit den Schultern. Durham versucht zu berücksichtigen, in welches College jemand wollte, aber nicht jeder konnte seine erste Wahl bekommen. Ich hatte auch versucht, aufs Castle zu kommen, aber ich war hier gelandet. »Wir haben es versucht, aber, na ja.«

»Das ist schon okay so.« Rooney strahlte. »Wir werden nämlich Freundinnen.«

Rooney bot an, mir beim Auspacken zu helfen, aber ich lehnte ab, entschlossen, wenigstens diese eine Sache alleine zu machen. Während ich auspackte, saß sie auf ihrem Bett und plauderte mit mir. Wir stellten fest, dass wir beide Englisch studieren. Dann erklärte sie, dass sie nichts von der Sommerlektüre gelesen hatte. Ich hatte alles gelesen, aber das erwähnte ich an dieser Stelle nicht.

Rooney, das lernte ich schnell, war extrem gesprächig. Aber ich erkannte auch, dass sie diese fröhliche, übersprudelnde Person anlegte wie ein Kostüm. Das war völlig in Ordnung – schließlich war es unser erster Tag an der Uni. Da bemühte sich jeder, Freunde zu finden. Aber ich kriegte irgendwie kein Gefühl dafür, was für ein Mensch sie wirklich war. Das fand ich etwas beunruhigend, weil wir fast ein ganzes Jahr lang zusammenleben würden.

Würden wir beste Freundinnen werden? Oder würden wir uns unbeholfen gegenseitig ertragen, bevor wir für den Sommer nach Hause fuhren und danach nie wieder miteinander reden?

»Also …« Ich schaute mich auf der Suche nach einem Gesprächsthema im Zimmer um und mein Blick landete schließlich auf ihrem Much Ado-Poster. »Du magst Shakespeare?«

Rooneys Kopf schnappte von ihrem Telefon hoch. »Ja! Du etwa auch?«

Ich nickte. »Ähm, ja, also, ich war zu Hause in einer Jugendtheatergruppe. Und ich hab in vielen der Schulstücke mitgespielt. Shakespeare war immer mein Lieblingsautor.«

Als sie das hörte, setzte sich Rooney mit großen, funkelnden Augen auf. »Warte. Du bist Schauspielerin?«

»Ähm …«

Ich habe zwar geschauspielert, aber … also, die Sache war etwas komplizierter.

Als ich noch in der Unterstufe war, wollte ich unbedingt Schauspielerin werden. Deshalb bin ich der Jugendtheatergruppe beigetreten, in der Pip war. Und ich fing an, mit ihr zusammen für die Schulstücke vorzusprechen. Ich war tatsächlich gut. In der Schule bekam ich immer nur die besten Noten im Schauspielunterricht. In den Stücken und Musicals, in denen ich mitwirkte, hatte ich meist eine ziemlich solide Sprechrolle.

Aber als ich älter wurde, fing die Schauspielerei einfach an, mich nervös zu machen. Ich hatte mehr Lampenfieber, je mehr Stücke ich spielte. Als ich schließlich in der 13. Klasse für Les Misérables vorsprach, zitterte ich so sehr, dass ich eine Rolle bekam, in der ich nur eine Zeile sagen musste, und selbst da musste ich mich noch vor jeder einzelnen Aufführung übergeben.

So gesehen war eine Karriere als Schauspielerin vielleicht eher nichts für mich.

Trotzdem hatte ich vor, an der Uni mit der Schauspielerei weiterzumachen. Es machte mir immer noch Spaß, Rollen vorzubereiten und Drehbücher zu analysieren – es war das Publikum, mit dem ich Probleme hatte. Ich musste einfach an meinem Selbstvertrauen arbeiten. Ich würde der studentischen Theatergesellschaft beitreten und vielleicht für ein Stück vorsprechen. Immerhin musste ich wenigstens einem Verein beitreten, wenn ich mich öffnen und neue Leute kennenlernen wollte.

Und wenn ich jemanden finden wollte, in den ich mich verlieben konnte.

»Ja, ein bisschen«, antwortete ich Rooney.