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Eine uralte Prophezeiung, eine gefährliche Suche und eine Liebe, die entweder alles übersteht – oder den Tod bringt.
Obwohl Lua das Geheimnis um ihre Existenz lüften konnte, ist die Gefahr noch lange nicht gebannt: Eine bösartige Macht sammelt sich, um die Herrschaft der Dämonen über die Welt einzuleiten. Um den Untergang der Menschheit zu stoppen, benötigt Lua den Stein der Hölle – ein sagenumwobenes Artefakt, das in die falschen Hände geraten ist. Gemeinsam mit Caelum macht sie sich auf eine riskante Suche um den halben Erdball, nicht ahnend, dass sie dabei selbst zu Gejagten werden und ausgerechnet Caelums Vergangenheit ihre Mission sowie ihre Liebe an den Rande des Abgrunds treibt …
Die spannende und nervenaufreibende Fortsetzung der Enemies to Lovers-Romantasy rund um dämonische Wesen, himmlische Mächte und einen tödlichen Feind. Herzklopfen, Gänsehaut und Wanderlust garantiert!
//Dies ist der zweite Band der »Lua und Caelum«-Serie. Alle Romane der teuflisch-guten Liebesgeschichte im Loomlight-Verlag:
-- Band 1: Zwischen Himmelglanz und Höllenfeuer
-- Band 2: Zwischen Dämonenherz und Engelstränen
-- Band 3: Zwischen Todeskuss und Seelenleuchten (Februar 2023)//
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Das Buch
Obwohl Lua das Geheimnis um ihre Existenz lüften konnte, ist die Gefahr noch lange nicht gebannt: Eine bösartige Macht sammelt sich, um die Herrschaft der Dämonen über die Welt einzuleiten. Um den Untergang der Menschheit zu stoppen, benötigt Lua den Stein der Hölle – ein sagenumwobenes Artefakt, das in die falschen Hände geraten ist. Gemeinsam mit Caelum macht sie sich auf eine riskante Suche um den halben Erdball, nicht ahnend, dass sie dabei selbst zu Gejagten werden und ausgerechnet Caelums Vergangenheit ihre Mission sowie ihre Liebe an den Rande des Abgrunds treibt …
Die Autorin
© Christine Roch
Tine Bätcke wurde 1971 in Braunschweig geboren und absolvierte ein Lehramtsstudium in Braunschweig und Köln. Wenn sie nicht gerade dabei ist, der Sonne in dieser Welt hinterherzureisen, lebt sie mit den letzten Familienmitgliedern, die noch nicht flügge geworden sind, in einem winzigen Dorf in der ‚Toskana Südostniedersachsens‘ mit ganz viel Blick auf freies Feld und ganz viel Ruhe – die perfekte Umgebung, um den Geschichten im Kopf genügend Raum zum Wachsen zu geben.
Tine Bätcke auf Instagram: https://www.instagram.com/tine_baetcke/
Der Verlag
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Viel Spaß beim Lesen!
Tine Bätcke
Lua und CaelumZwischen Dämonenherz und Engelstränen
Sie wussten von mir.
Unser Geheimnis war nach tausenden von Jahren offenbart worden.
Und sie begannen, dagegen anzukämpfen. Aber es würde ihnen nicht gelingen.
Im Gegensatz zu ihr hatte ich mich gemehrt. Ich hatte das Geschenk der Zeit genutzt. Fast zwei Jahrzehnte lang hatte ich mich von dem Bösen in der Welt genährt. Und diese Welt hatte ein niemals versiegendes Füllhorn an Leid und Hass zu bieten. Nicht einen einzigen Tag in den letzten achtzehn Jahren war ich hungrig geblieben.
Sie hingegen schon. Genau deshalb würde ihr Widerstand keinen Erfolg haben.
Ich war stärker als sie.
Das Erste, was ich wahrnahm, waren sein Geruch und seine Arme, die mich fest auf seinem Schoß hielten. Alles andere hätte ich gerne ausgeblendet, aber mein Gehirn ließ sich leider nicht so leicht lahmlegen wie mein Körper.
Wir waren im Auto. Ich merkte, wie wir bremsten und wieder anfuhren, hörte das Geräusch des Blinkers und spürte enge Kurven. Langsam öffnete ich die Augen. Sofort wurde die Umarmung fester.
»Hey, Würmchen.«
Oh, oh. Die Gefühle, die bei mir ankamen, waren von einem überdurchschnittlich großen schlechten Gewissen geprägt. Ich lächelte Caelum an. »Wo sind wir?«
»In Ljubljana, wir sind gleich wieder in der Pension.« Ljubljana, Slowenien, bösartige Dämonen und die Suche nach dem Höllenstein, um nichts Geringeres als die Welt zu retten. Klar, wie konnte ich das nur vergessen …
»Wie spät ist es?«
»Kurz vor acht Uhr abends. Du hast nur die Rückfahrt verschlafen«, lächelte er verhalten.
Das waren etwa eineinhalb Stunden, wenn ich das richtig im Kopf hatte, aber so wie Caelum tickte, reichte das für ihn, um sich Vorwürfe zu machen. Um ihm zu zeigen, dass er das nicht brauchte, schickte ich ihm eine Mischung aus Liebe und dem Gefühl von Geborgenheit, welches ich in seinen Armen wahrnahm. Es half. Er entspannte sich etwas und sein Lächeln wurde sehr viel überzeugender.
Nur eine Minute später parkte Kieron ein. Caelum wollte mich aus dem Auto heben, aber ich bestand darauf, allein zu gehen. Wie sollten wir denn sonst an der Vermieterin vorbeikommen, ohne seltsam zu wirken? Als wir den rustikalen Empfangsraum betraten, erschien sie auch direkt auf der Bildfläche.
Sie war eine herzensgute und gastfreundliche Frau, die uns netterweise auf Englisch, allerdings mit starkem Akzent fragte, ob wir einen schönen Tag in Ljubljana gehabt hatten. Zu meiner Überraschung hatten meine beiden Begleiter entweder heimlich einen Reiseführer studiert oder sie waren in den letzten vierhundert Jahren schon einmal hier gewesen. Sie erzählten von dem atemberaubenden Blick, den man von der Burg aus hatte, und der unvergleichlichen Atmosphäre der Stadt, als hätten wir die letzten neun Stunden jede Gasse und jedes Viertel hier persönlich erkundet, anstatt erfolglos einem magischen Stein hinterherzujagen.
Leider war mein Körper mit dem freundlichen Geplauder etwas überfordert. Meine Beine fühlten sich an wie schmelzende Butter und ich schwankte leicht. Schnell legte Caelum seinen Arm um mich.
Aufmerksam musterte sie mich. »Ah, viel gute Wein, Mädchen?«, schlussfolgerte sie sehr menschlich.
»Nein, sie trinkt nicht«, sprang Caelum für mich in die Bresche. »Es war nur ein ziemlich langer Tag und wir haben das meiste zu Fuß gemacht, sodass sie jetzt wirklich erschöpft ist.«
Die gute Frau nickte verständnisvoll, dann stemmte sie die Hände in die Hüften und schüttelte tadelnd den Kopf. »Kommt, weil ist so klein und nix dran. Muss essen viel gute Essen von slowenische Mama. Dann werden stark.«
Ich lächelte sie brav an. Es wäre zu schön, wenn das alles hier mit ein bisschen Essen zu lösen wäre.
Schließlich wandte sie sich an Caelum. »Bring du Mädchen in Zimmer. Muss ausruhen. Ich bringe Essen zu euch.«
Ich nickte, dieses Mal ehrlich dankbar. Tatsächlich hatte ich einen Riesenhunger. »Vielen Dank, das ist wirklich sehr, sehr lieb von Ihnen.«
Eine halbe Stunde und drei Duschen später klopfte es an unserer Zimmertür. Die Vermieterin stand mit einem kleinen Essenswagen vor der Tür und begann augenblicklich, die mitgebrachten Speisen sowie Geschirr, Besteck und Getränke in Kierons Arme zu laden. Es roch himmlisch und sah köstlich aus. Hätte ich nicht so wackelige Beine gehabt, hätte ich sie umarmt. So blieb ich auf dem Bett sitzen und strahlte sie an.
»Vielen Dank. Das sieht wirklich sehr lecker aus.«
Die resolute Frau stemmte erneut die Hände in die Hüften und legte den Kopf schief, während sie mich aufmerksam musterte. Dann hob sie drohend den Zeigefinger. »Lässt du nicht essen große Jungs. Ist für dich.«
Wir konnten uns das Lachen nur noch schwer verkneifen.
Mit sich zufrieden verließ sie das Zimmer und wir machten uns über das Essen her. Es schmeckte wirklich lecker, allerdings schafften wir es nicht einmal zu dritt und das, obwohl Kieron dabei war. Das würde morgen vermutlich einen Rüffel geben.
Nach dem Essen fühlte ich mich etwas besser. Als Caelum sich im Schneidersitz aufs Bett hockte, kroch ich auf seinen Schoß. Ich wollte heute nicht mehr weiter als nötig von ihm entfernt sein. Jetzt, wo mein Körper in Ansätzen wieder funktionierte, war mein Gehirn allerdings direkt im Hochleistungsmodus. Ich brauchte eine Fragestunde.
»Also, was war da los?«, wollte ich wissen. »Wisst ihr, warum es so viele waren? Sollten die Gorzata alle verteidigen oder beschützen? Wäre es an seiner Stelle nicht viel unauffälliger gewesen, sich mit dem Stein irgendwo still und heimlich zu verkriechen? Und wieso –«
»Stopp! Eine Frage nach der anderen, Specki. Sonst kommt unser reaktionsverzögertes Hirn nicht nach.«
Caelum grinste. »Deins vielleicht nicht.«
Da Caelum sehr wohl über ein schnelles Reaktionsvermögen verfügte, konnten wir dem Würstchenzipfel, der jetzt aus Kierons Richtung auf uns zuschoss, gerade noch rechtzeitig ausweichen.
Ich versuchte es etwas strukturierter. »Okay, also warum so viele? Und beim nächsten Mal könntest du ruhig ein ganzes Würstchen werfen, damit ich wenigstens etwas mehr davon habe als Fettflecke auf meinem Bett.« Das brachte mir ein amüsiertes Augenrollen ein.
»Es war ein Nest«, begann Caelum schließlich. »Es –«
»Was ist das?«
Er schnaubte und blickte verzweifelt gen Himmel. »Würmchen! Andere Leute ausreden lassen, ist echt eine total coole Sache, wusstest du das? Man erfährt dabei durchaus hochspannende Dinge.«
Während Kieron sich eins feixte, kratzte ich all meine Demut zusammen. »Schon gut. Ich geb’ mein Bestes. Keine Zwischenfragen mehr. Ich bin ganz Ohr.«
Ich bekam einen dankbaren Kuss auf die Schläfe, dann setzte Caelum erneut an. »Ein Nest ist so etwas wie ein Ausbildungslager für niedere Dämonen. Sie werden von Hohedämonen im Kampf und in taktischem Vorgehen unterrichtet, wobei Letzteres in meinen Augen nur begrenzt möglich ist. Sie sind einfach wirklich nicht die Schlauesten. Aber wie viel auch immer sie dabei lernen, Ziel bei einem solchen Nest ist, dass die Gruppe am Ende zu einer funktionierenden Armee wird. Und eine solche Armee besteht für gewöhnlich nicht bloß aus einem einzigen Nest, vielmehr schließen sich dafür mehrere von ihnen zusammen.«
Ich sah die beiden stirnrunzelnd an und riskierte eine Zwischenfrage. »Gehe ich recht in der Annahme, dass die Armee, die da gerade entstehen soll, für uns nichts Gutes bedeutet?«
»Vermutlich nicht«, bestätigte Kieron grimmig. »Wir glauben, dass Skaslegurs Anhänger sie aufstellen.«
Scheiße. »Wenn ich Laoghaire richtig verstanden habe, wäre der doch eigentlich stark genug, um allein gegen uns zu kämpfen, beziehungsweise um den Stein gegen uns zu verteidigen, oder etwa nicht?«
Caelum seufzte. »So klang es, da hast du recht. Aber wenn wir ehrlich sind, tappen wir, was Skaslegur angeht, mächtig im Dunkeln. Die Prophezeiung ist bei seiner Beschreibung nicht unbedingt wikipediatauglich. Wir wissen weder, wie er aussieht, noch wie er mit den anderen Dämonen in Kontakt tritt. Eigentlich wissen wir nicht mal, ob er überhaupt körperlich ist. Eine dunkle Macht kann schließlich alles Mögliche bedeuten. Und leider haben wir auch nicht das Gefühl, dass unsere Gegner uns über ihn aufklären werden. Also müssen wir unsere eigenen Informationen sammeln, und die deuten ziemlich eindeutig darauf hin, dass er Verstärkung bekommt.“ Caelums Miene wurde noch ernster, falls das überhaupt möglich war. „Abgesehen davon gehen wir inzwischen davon aus, dass das Ganze zu einer Jagd in beide Richtungen wird. Seine Anhänger wissen definitiv, dass du etwas mit der Sache zu tun hast. Schließlich wussten sie, dass deine Mutter den Stein hatte. Da liegt die Vermutung nahe, dass er jetzt in deinem Besitz ist. Sie haben zwar den Stein der Hölle, wissen aber auch, dass wir den zurückhaben wollen.« Er zögerte kurz, es schien ihm nicht zu gefallen, was er jetzt zu sagen hatte. »Sie werden auf Nummer sicher gehen und versuchen, den Stein des Himmels ebenfalls in die Finger zu kriegen. Und im schlimmsten Fall wollen sie sogar dich. Also werden nicht nur wir sie jagen, sondern sie auch uns. Und dafür werden sich nicht die Hohedämonen die Hände schmutzig machen, solange wir bei dir sind. Dafür schicken sie ihr Fußvolk.«
Ich schluckte. Das klang nicht so, als ob uns ruhige Zeiten bevorstanden. Irgendwie hatte ich gehofft, dass sie sich mit dem Höllenstein in ihrem Besitz zufriedengeben und uns in Ruhe lassen würden. Eine einseitige Jagd war bereits anstrengend genug. Aber da war wohl ein bisschen viel Wunschdenken am Start gewesen.
»Wenn ich richtig gezählt habe, waren insgesamt drei Hohedämonen dabei, oder?«
Caelum nickte anerkennend, offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich halbwegs den Überblick behalten hatte.
»Ich nehme mal an, einer von ihnen war Gorzata. Wisst ihr, wer die anderen beiden Hohedämonen waren?«
Jetzt war es Kieron, der mir antwortete. »Gorzata war in der Tat da, hat sich allerdings zügig und feige verdrückt. Bei den anderen beiden handelte es sich um Juran und Iskra. Juran war ziemlich alt. Er hatte über dreitausend Jahre auf dem Buckel.«
Mit fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Und den habt ihr mal eben so mit einem Feuertornado plattgemacht?« Kieron grinste unbescheiden, auch wenn Jurans Ableben meiner Erinnerung nach eher Caelum zuzuschreiben war. »Gibt das nicht irgendwie Ärger, wenn man so jemanden umbringt?«
Bevor ich eine Antwort bekam, erhielt ich einen Kuss in die Halsbeuge, was mich kurz in Erwägung ziehen ließ, auf eine Antwort zu verzichten. Aber nur kurz.
»In dem Fall gibt es vermutlich eher einen Orden als Ärger«, räumte Caelum ein. Fragend sah ich ihn an. »Juran war zeit seines Lebens ein Widersacher Lucifers. Er war immer einer von denen, die meinten, der Teufel sei nicht böse genug. Er hat es verabscheut, dass Lucifer den Menschen so zugewandt ist und Regeln für das Leben auf der Erde aufgestellt hat. Juran hat sich nichts mehr gewünscht, als die Menschen zu unterdrücken, auszubeuten und zu beherrschen. Von daher haben wir meinem Vater zufällig einen Gefallen getan.«
Ich versuchte, eins und eins zusammenzuzählen. »Lucifer hat doch mit Sicherheit nicht bloß einen Feind, oder?« Die beiden schüttelten den Kopf. »Könnte es sein, dass sich unter Skaslegur jetzt all diejenigen zusammentun, die schon immer die Gegner deines Vaters waren?«
Kieron zuckte mit den Schultern. »Das haben wir auf der Fahrt hierher auch überlegt. Allerdings war Iskra Lucifer bislang treu ergeben, genauso wie Gorzata. Wir haben nicht die geringste Ahnung, was sie dazu antreibt, sich dieser Scheißmacht anzuschließen. Vielleicht hat sie irgendwelche magischen Kräfte, manipuliert quasi ihre eigenen Leute.« Das wäre definitiv ganz, ganz schlecht. »Vielleicht erhoffen sie sich aber auch einfach nur unglaublich viel Macht«, fügte er hinzu. »Dämonen sind alle scharf auf Macht. Ungefähr so wie Zwerge scharf sind auf Gold.«
Irritiert schaute ich zu ihm hinüber. »Sag jetzt nicht, dass es auch Zwerge gibt. Und Orks. Und Elfen.« Kieron grinste und kostete eindeutig meine Verwirrung aus. »Das wären heute dann doch ein bisschen zu viele Neuigkeiten.«
Caelum schaltete sich ein. »Nein, Würmchen, keine Sorge. Keine Zwerge. Keine Orks. Keine Elfen.«
Ich atmete auf. »Obwohl die Arschlöcher in New York den Orks ganz schön ähnlich sahen«, erinnerte ich sie, wobei mir eine fast verjährte Frage wieder einfiel. »Sind ein paar von den Hollywood-Regisseuren Dämonen? Oder wissen sie zumindest, dass es welche gibt?« Jetzt war die Verwirrung eindeutig auf ihrer Seite, der Themensprung war zu groß gewesen. »Ich meine, die Viecher auf der Straße in New York sahen wirklich aus wie Orks und der kleine Scheißer im Ruler’s Market war eindeutig mit Chewbacca verwandt.«
Kieron schlug sich die Hände vors Gesicht. Als er sie wieder runternahm, betrachtete er mich ungläubig. »Specki, ich hab wirklich nicht viel übrig fürs Denken, aber was in deinem abgedrehten Hirn vorgeht, würde ich echt gerne mal analysieren.«
Ich verzog betont beleidigt das Gesicht. »Das heißt dann wohl Nein.«
»Genau das heißt es«, bescheinigte er mir lachend.
»Caelum?«, wechselte ich schnell den Ansprechpartner und ignorierte Kierons Gespött geflissentlich. Eigentlich brauchte ich dringend etwas Schlaf, aber ein paar Fragezeichen in meinem Kopf mussten vorher noch beseitigt werden. Caelum vergrub seine Nase in meinen Haaren und seufzte. »Noch nicht fertig gefragt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Was hast du gemacht, als die Feuerwand auf uns zukam, wieso hat sie uns nicht erwischt?«
»Ich habe uns abgeschirmt. Du kannst dir das vorstellen wie eine unsichtbare Kuppel«, erklärte er. »Wenn ich sie errichte, kann nichts mehr zu mir durchdringen.«
»Ist das sehr anstrengend oder warum hast du sie nur so kurz aufrechterhalten?«
»Es ist nicht anstrengend. Wenn ich sie einmal errichtet habe, ist sie da, ich brauche mich nicht mehr darum zu kümmern. Ich muss sie nur irgendwann wieder zurückpfeifen. Das Problem ist vielmehr, dass ich die Kuppel selbst nicht verlassen kann. Ich konnte also nicht in den Kampf eingreifen, solange sie aktiv war. Das heißt, dass Kieron für die Zeit auf sich allein gestellt war, und den Zustand wollte ich bei drei gegnerischen Hohedämonen nicht allzu lange so belassen.«
Oh. »Sollte ich deshalb bei dir bleiben und nicht bei ihm?« Er nickte. »Aber kannst du das nicht auch?«, fragte ich Kieron.
Der nickte ebenfalls. »Doch, kann ich. War nur ’ne Sache der Absprache, wer wofür zuständig ist. Und dass der Kerl mit den überzogenen Besitzansprüchen mich nicht mit dir unter einen Schirm lässt, war klar, oder?«
Ich schmunzelte. Jap, sehr klar. »Meint ihr, der Letzte von denen hatte recht? Ist Gorzata jetzt in Budapest? Oder wollte er uns auf eine falsche Fährte locken?«
»Wir gehen davon aus, dass er die Wahrheit gesagt hat“, antwortete Caelum. „Es hört sich zwar immer so überheblich an, wenn ich sage, die niederen Dämonen sind nicht besonders schlau, aber es entspricht der Wahrheit. Sie sind tatsächlich ein bisschen mit eurer Tierwelt vergleichbar, und du musst zugeben, dass die Tiere der Erde auch eher selten bis gar nicht taktieren. Sie sind vielmehr durch Instinkte aufs Überleben programmiert und dafür haben sie ein paar effektive Strategien. So ist es mit den niederen Dämonen auch. Der Typ wollte überleben. Nachdem wir seinen Kumpel umgebracht hatten, fühlte er sich bedroht. Wir wollten eine Info und haben es so aussehen lassen, als ob wir sein Leben im Austausch gegen die Information verschonen würden. Also hat er uns das gegeben, was wir wollten.«
Ich schluckte. Vorsichtig stellte ich die nächste Frage. »Und warum habt ihr ihm dann nicht das gegeben, was er wollte?«
Caelum zog mich fest in seinen Arm. Ich spürte, dass es ihm nicht gefiel, was sie getan hatten. Vermutlich hatte er es deshalb Kieron überlassen.
Der antwortete schließlich auch. »Weil die Biester leider nicht nur dumm sind, Specki. Sie sind auch ohne Anstand, Ehre, Moral und Loyalität. Nur sich selbst am nächsten. Von uns hatte der Kerl außer seinem Leben keinen Gewinn zu erwarten. Hätten wir es ihm gelassen, wäre er eine Nanosekunde später durch das Portal geschlüpft und hätte uns bei Gorzata verpfiffen. Dann wäre der sofort weitergesprungen. So haben wir zumindest eine Chance, dass er noch in Budapest ist.«
Ich schluckte. Ich verstand, dass es notwendig gewesen war, trotzdem hinterließ sein Tod einen bitteren Beigeschmack. Was allerdings bei näherer Betrachtung weitaus schlimmer war als dieser Beigeschmack, war die Tatsache, dass mich der Tod der etwa fünfzig anderen Dämonen nicht besonders berührte. Er war irgendwie anonymer gewesen.
Es hatte mir nicht gefallen, was dort passiert war, trotzdem konnte ich mit der Vernichtung dieser gesichtslosen Masse umgehen. Was sagte das über mich und meine angeblich ach so weiße, reine Seele aus? Ich atmete tief durch. »Keine weiteren Fragen mehr.«
Caelum sah mich mit einer Spur Mitleid an, er musste spüren, wie zerrissen ich mich fühlte. Deshalb übernahm Kieron erneut. »Dann sollten wir uns jetzt mal um einen Flug für euch kümmern.«
Das war in meinen Augen eine durchaus angenehm neutrale Ablenkung. Leider erlebte ich das Ergebnis nicht mehr. Die Erschöpfung, die durch den Kampf und die geballte Bösartigkeit heute entstanden war, holte mich mit aller Macht ein. Ich rollte mich auf Caelums Schoß zusammen, ließ mich von dem Gefühl der Geborgenheit einlullen und gab mich dieser Erschöpfung hin.
Lua war kurz davor aufzuwachen. Ich atmete erleichtert auf. Sie schlief bereits seit fast dreizehn Stunden. Mit den knapp zwei Stunden Autofahrt, die sie direkt nach dem Kampf geschlafen hatte, war sie bei fünfzehn. Und es war gerade mal der erste Tag gewesen. Leider rechnete ich nicht damit, dass unsere Suche besonders schnell vorbei sein würde. Gorzata war vielleicht nicht der Stärkste, aber er war schlau und hatte ganz offensichtlich mächtige Verbündete. Das zumindest hatte uns der gestrige Abend gezeigt. Also war es nicht unwahrscheinlich, dass sich das Ganze hier etwas hinziehen würde.
Und genau das bereitete mir Sorge. Lua war eine Anam Ban, eine weiße Seele, und damit eigentlich das mächtigste Wesen der Welt. Dennoch war sie zum jetzigen Zeitpunkt so verletzlich wie ein einfacher Mensch – vielleicht sogar noch viel verletzlicher. Allein die Anwesenheit bösartiger Dämonen entzog ihr Energie, und zwar im schlimmsten Fall bis zur Bewusstlosigkeit. Was würde es mit ihr anstellen, wenn sie ihnen in Zukunft regelmäßig ausgesetzt war? Wenn es mehr Nester gab, als uns lieb war? Sie war so zierlich, so zerbrechlich. Wie lange hatte ihr Körper dieser Bösartigkeit etwas entgegenzusetzen? Und was würde geschehen, wenn ich sie eines Tages nicht ausreichend beschützen könnte und sie zusätzlich Verletzungen davontrug? Allein der Gedanke daran ließ mich völlig verrückt werden, aber ich ermahnte mich zur Ruhe. Vielleicht lag ich mit meiner Einschätzung falsch. Vielleicht würden wir in Budapest Erfolg haben.
Jetzt war es jedoch erst mal an der Zeit, etwas zu essen. Es war inzwischen nach elf Uhr vormittags. Das Frühstück hatten wir verpasst, doch die Vermieterin hatte es sich augenscheinlich zur Aufgabe gemacht, aus diesem kleinen zarten Mädchen in den drei Tagen unserer Anwesenheit eine Walküre zu machen. Sie hatte uns so viel Essen aufs Zimmer gebracht, dass es für die ganze nächste Woche gereicht hätte. Ohne Kierons Hilfe würde nicht mal die Hälfte davon weggehen.
Lua schlug die Augen auf. Ich setzte mich zu ihr ans Bett und sah sie aufmerksam an. »Hey, ausgeschlafen?«
Sie räkelte sich und weckte damit nicht zum ersten Mal ungewollt mein Verlangen nach ihr. Ich konnte nur hoffen, dass meine Selbstbeherrschung heute nicht frei hatte.
»Hmm, ich denke, ja. Wie spät ist es?«, fragte sie mit schläfriger Stimme.
»Kurz nach elf.« Dass sie so geschwächt gewesen war, löste nach wie vor Schuldgefühle in mir aus, die ich nicht vor ihr verbergen konnte.
»Oh. Tut mir leid, dass ich so lange geschlafen habe.«
»Nein, Würmchen, bitte nicht«, erwiderte ich mit einem Seufzer. »Bitte hör auf, dich für Dinge zu entschuldigen, an denen ganz andere schuld sind.«
Sie musterte mich einen Moment lang. »Okay, ich versuche es. Aber dann hör damit auf, dir die Schuld für Dinge zu geben, für die du nicht verantwortlich bist«, forderte sie mich auf.
Oh nein! Ganz sicher nicht. »Würde ich. Der Unterschied ist nur, dass ich für diese Dinge verantwortlich bin.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Caelum, du hast recht. Ich habe mir meinen Körper und seine Reaktion auf Dämonen nicht ausgesucht. Also kann ich logisch betrachtet auch nichts dafür, dass ich so lange geschlafen habe, obwohl es sich für mich durchaus anders anfühlt. Deswegen ist es vielleicht wirklich nicht okay, sich dafür zu entschuldigen«, räumte sie ein. »Es ist aber genauso wenig okay, dass du dir ständig die Schuld an Dingen gibst, für die du nichts kannst. Du trägst an nichts, aber auch gar nichts von all den Dingen, die hier gerade passieren, Schuld.«
Ich schüttelte den Kopf. »Doch, Würmchen. Ich habe –«
»Stopp. Das ist nicht ...« Sie kniff die Augen zusammen, sortierte sich gründlich und holte dann tief Luft. »Hör zu. Jetzt mal ganz von vorne und zum Mitschreiben: Du hast kein unerlaubtes Kind gezeugt. Du hast nicht die Tore des Himmels verschlossen, du bist nicht mal der Auslöser dafür gewesen. Du hast keine Prophezeiung in Gang gesetzt, du hast sie nicht geschrieben und du kannst nichts dafür, dass du oder ich ein Teil davon sind. Du hast keinen Höllenstein gestohlen und du stellst keine Armee auf, um die Menschheit zu vernichten. Du versuchst auch nicht andauernd, mich umzubringen, sondern rettest mir ständig das Leben.« Ihre Augenbrauen hatten sich inzwischen leicht verärgert zusammengezogen. »Es wäre unserer Sache also durchaus dienlich, wenn du mit dieser Ich-bin-Schuld-Geschichte endlich aufhören könntest.«
Ich kämpfte mit mir. Was sie sagte, klang logisch und richtig, aber mein Bauchgefühl behauptete etwas anderes.
»Ich weiß, dass du anderer Ansicht bist, doch du gehörst in der Geschichte nicht zu den Bösen. Es war grausam, was ihr gestern Abend getan habt, ohne Frage. Hättet ihr es allerdings nicht getan, wären wir tot. Und mit uns die gesamte Menschheit. Kieron hat gestern gesagt, dass die niederen Dämonen keinen Anstand und keine Moral haben. Ich vermute also mal, dass sie von Ethik ganz weit entfernt sind. Du bist es aber nicht, das weiß ich. Also beantworte mir eine Frage«, forderte sie mich jetzt grimmig auf: »Ist es besser, fünfzig Dämonen am Leben zu lassen, weil man nicht töten möchte, oder ist es besser, für den Tod oder die Versklavung von fast acht Milliarden Menschen verantwortlich zu sein, weil man mit fünfzig Dämonen Mitleid hatte? Und nein, du kannst nicht beides haben. Es gibt heute keinen Telefonjoker.«
»Die Antwort ist einfach. Bloß habe ich keine Schuldgefühle, weil ich fünfzig Arschlöcher getötet habe«, entgegnete ich aufgebracht. »Ich fühle mich schuldig, weil du es mit ansehen musstest. Du bist nicht dafür geschaffen, diese Dinge zu ertragen.«
Ich merkte, wie aufgewühlt sie war. Sie bewies es mir, indem sie laut wurde.
»Aber auch das war nicht deine Idee. Es war nicht dein krankes Hirn, das vor tausenden von Jahren eine völlig bekloppte Prophezeiung geschrieben hat, in der genau das von mir gefordert wird. Dabei sein in erster Reihe. Immer und überall.« Mit der Lautstärke kam die Verzweiflung. »Caelum, keiner von uns beiden hat sich die Scheiße hier ausgesucht und keiner von uns beiden ist dafür verantwortlich. Und keiner von uns beiden wollte jemals auch nur irgendwas von dem, was hier passiert, also hör endlich auf, hier irgendwelche Schuld zuzuweisen. Du bist nicht schuld, ich bin nicht schuld. Wir sitzen im selben Boot. Wir müssen zusammenhalten. Wir brauchen uns.« Ihre Stimme wurde leiser. »Du würdest es sicher auch allein schaffen, aber ich nicht. Es hat sich nichts geändert. Ich brauche dich, um das hier durchzuziehen ... Und nicht nur dafür.«
Verdammt. Ich zog sie auf meinen Schoß und nahm sie fest in den Arm. »Das stimmt nicht, Würmchen. Ich würde es auch nicht allein schaffen«, versicherte ich ihr. »Ich brauche dich genauso wie du mich. Ich brauche dich schon allein deswegen, damit du mich immer wieder daran erinnerst, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich brauche dich, damit ich nicht zu der Erkenntnis komme, dass ich ein Monster bin.«
Eine riesige Welle von Zuneigung erfasste mich. Ich tauchte genüsslich in sie ein. Sie half mir tatsächlich dabei, meine Schuld ein wenig einzudämmen.
Nach einer Weile spürte ich, wie Lua leise an meiner Brust lachte. »Monster sind nicht gut aussehend und sexy und außerdem haben sie kein Sixpack. Und sie riechen auch nicht so verdammt gut.«
»Woher willst du das wissen?«, erkundigte ich mich schmunzelnd.
Sie löste sich aus meinen Armen und sah mich trotzig an. »Weiß ich einfach.«
Kurz lachte ich. »Danke, Würmchen.«
Sie blickte erstaunt zu mir hoch. »Wofür?«
»Dafür, dass du mich nicht hasst.«
Sie lächelte. So warmherzig und ehrlich, wie nur sie es konnte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Wie kommst du bloß auf den Gedanken, dass ich dich jemals hassen könnte?«
»Ich dachte, das liegt irgendwie nahe ...«, gab ich zerknirscht zu.
Sie küsste mich. Und das tat sie so voller Liebe und Begehren, dass ich ihr glaubte. Keiner von uns hatte an der Geschichte Schuld. Auch ich nicht. Und sie würde mich tatsächlich nicht hassen. Unsere Verbindung und unsere Liebe würden jeden Hass im Keim ersticken.
Zwei Tage später landeten wir abends um sechs in Budapest. Eher hatten wir keinen Flug bekommen, und wenn ich ehrlich war, hatte der Tag Pause nicht nur meinem Körper gutgetan, sondern auch unserer Zweisamkeit. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir gerne noch ein wenig mehr Zeit für uns allein haben können. Selbst der Flug war kein echter Anreiz für mich gewesen, unser Zimmer zu verlassen. Es war erstaunlich, wie schnell ich mich ans Fliegen gewöhnt hatte. Aufgeregt war ich deswegen jedenfalls nicht mehr.
Unser Hotel lag im Süden des fünften Bezirks. Nachdem wir uns ein wenig frisch gemacht hatten, gingen wir los, um noch etwas zu essen. Schnell landeten wir am Donauufer. Es war kalt, die Temperaturen lagen nur knapp über null Grad, trotzdem war die Promenade gut besucht. Der Grund dafür war offensichtlich.
Diese Stadt war atemberaubend schön. Am gegenüberliegenden Ufer erhob sich auf dem Gipfel des Burgbergs majestätisch der wunderschön beleuchtete Burgpalast, rechts von uns führte die Kettenbrücke über den Fluss. Ich konnte lediglich erahnen, was die Stadt alles zu bieten hatte.
Bei dem Versuch, den Anblick zu genießen, wurde mir schwer ums Herz. Wir waren nicht als Touristen hier. Vermutlich würden wir von der Schönheit der Stadt nicht viel zu sehen bekommen, weil unser Fokus auf einen kleinen runden Stein gerichtet war, der übrigens bislang nicht den geringsten Schimmer von sich gegeben hatte. Der Himmelsstein in meinen Händen, den meine Mutter mir hinterlassen hatte, sollte uns zum Stein der Hölle führen. Sie gehörten zusammen, waren untrennbar miteinander verbunden. In Slowenien hatte das Ding uns zwischenzeitlich in den Wahnsinn getrieben, denn dummerweise hatte uns niemand eine Gebrauchsanleitung dafür an die Hand gegeben. Inzwischen glaubte ich aber, seine Regeln zu kennen. Der Himmelsstein leuchtete nur, wenn ich ihn trug, und er wurde heller, je näher wir dem Stein der Hölle kamen. Aber ganz offensichtlich waren wir ihm momentan nicht nahe.
Ich beneidete die Menschen, die hier fröhlich schwatzend oder ehrfürchtig staunend flanierten, die hinter den Scheiben in gemütlich aussehenden Kneipen und Restaurants saßen und lachten, diskutierten oder sich verliebt in die Augen schauten. Sie wussten nichts von einer dunklen Prophezeiung, sie ahnten nichts vom möglichen Untergang der Menschheit. Sie waren sorglos und glücklich.
Caelum stellte sich hinter mich, schlang seine Arme um meinen Brustkorb und vergrub sein Gesicht in meinem dicken Schal. »Wir kommen noch mal her, Würmchen. Wenn alles vorbei ist.« Er schob den Schal ein wenig zur Seite, gab mir einen Kuss und sog meinen Geruch ein. »Dann kannst du die Stadt so kennenlernen, wie man es bei einer schönen Stadt tun sollte. Wir werden uns jede einzelne Sehenswürdigkeit anschauen und peinliche Selfies machen, wir werden shoppen und wir werden jede Menge Bars aufsuchen und Palinka trinken, bis du rosa Elefanten siehst.«
»Was ist Palinka?«
Er lachte in meine Halsbeuge. »Schnaps.«
Ich drehte mich in seiner Umarmung, damit ich ihn ansehen konnte. »Darf ich auch was anderes trinken?«, fragte ich vorsichtig.
Er grinste mich an und zog mich erneut eng an sich. »Was immer du willst, Würmchen. Aber probieren solltest du ihn.«
Ich musste schmunzeln. Gleichzeitig musste ich jedoch aufpassen, dass mich meine Emotionen nicht völlig übermannten. Die Schönheit der Stadt machte mich seltsamerweise traurig. Erinnerungen an meine Mom schoben sich an die Oberfläche. Wir waren so viel umhergezogen, hatten Nordamerika allerdings niemals verlassen. Sie hätte diese Stadt mit all den vielen Lichtern und dem bunten Treiben der Menschen geliebt. Sie hätte ihre Schönheit zu würdigen gewusst. Plötzlich konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten.
Caelum schob sanft eine Hand unter mein Kinn und hob es an. »Hey, was ist?«
Ich rang um Fassung und um Worte. »Ich ... es ist nur, weil ... meine Mom ... Es hätte ihr hier gefallen.«
Er vergrub eine Hand in meinen Haaren und zog mich mit der anderen an seine Brust. »Ach, Würmchen.«
Minutenlang standen wir einfach nur da, eine traurige und verzweifelte Insel in einem Meer aus fröhlichen Menschen. Irgendwann schaffte es seine Woge aus Liebe und Trost, meine Mauer der Traurigkeit zu durchbrechen. Es wurde besser.
Ich hob den Kopf, um ihm zu zeigen, dass es wieder gut war. »Wir kommen bestimmt wieder, okay?«
Er nickte. »Versprochen.«
»Und ich werde Schnaps trinken«, versicherte ich ihm, wobei ich mich an einem Lächeln versuchte.
Das Lächeln kam prompt zurück. »Und ich werde dich pflegen und verwöhnen, wenn der gemeine Kater am nächsten Tag von dir Besitz ergriffen hat.«
»Das könnte in Intensivpflege ausarten«, wies ich ihn auf das Offensichtliche hin.
Er gab mir einen letzten kleinen Kuss auf meine Stirn, dann nahm er meine Hand. »Nichts lieber als das. Aber jetzt sollten wir zu Kieron gehen, bevor der verhungert.«
Kieron hatte sich während meines emotionalen Ausbruchs netterweise zur nächsten Bank begeben, wo er mit einem Bier in der Hand auf uns wartete. Wenigstens konnte er die Verzögerung auf seine Weise etwas genießen.
Bei der Wahl eines Restaurants entschieden wir uns letzten Endes für eine Pizzeria ein paar Straßen weiter. Landestypisches Essen hoben wir uns in stillem Einverständnis für den nächsten Besuch auf.
Als wir uns zu Fuß auf den Rückweg zum Hotel machten, war abseits des Ufers um die Zeit nicht mehr viel los. Die paar Menschen, die uns begegneten, steuerten dick eingemummelt und mit schnellen Schritten auf ein warmes Wohnzimmer oder ein kuscheliges Bett zu.
Nach einem solchen sehnte ich mich auch. Obwohl der Flug nicht besonders lang und anstrengend gewesen war, war ich ziemlich müde. In meinen Gedanken lag ich schon fest in Caelums Armen unter einer dicken Daunendecke. Trotzdem spürte ich sie sofort.
Verflucht, wir waren hier mitten in einer Wohngegend! Wie konnten sie es wagen, uns hier aufzulauern?
Ich sah mich um. Wir befanden uns in einer schmalen Gasse, nur aus wenigen Fenstern schien Licht. Während ich noch versuchte, sie zu orten, traten sie bereits aus einem Hauseingang hervor.
Es waren sechs. Zwei von ihnen waren übergroße Verwandte der Fledermäuse. Rauchdämonen. Mühsam kämpfte ich die Panik nieder – mit ihnen gingen die schlimmsten Erinnerungen meines Lebens einher. Wegen ihnen war meine Mom tot, und der Anblick der Rauchsäule, in die sie sich aufgelöst hatte, verfolgte mich noch heute – und das nicht bloß in meinen Träumen. Die anderen vier waren einfach eklig. Sie sahen aus wie eine Mischung aus Wasserleiche und Gollum. Lange, fisselige und strähnige Haare, eine bleiche, gräuliche Haut und fast weiße Augen. Ihre Oberkörper waren nackt und ihre fahle Haut schimmerte im Schein der Laternen. Die ersten Meter bewegten sie sich auf allen vieren, dann richteten sie sich auf. Das einzig Erfreuliche an ihnen war, dass sie keine Krallen hatten. Mir war dennoch nicht nach einem Tänzchen zumute.
Caelum schob mich hinter sich, während ich bereits nach meinem Messer griff. Unter anderen Umständen hätten meine beiden Hohedämonen die sechs mit ein bisschen Feuer in Sekundenschnelle beseitigt. Hier in dieser ruhigen Wohngegend mussten sie leise und vorsichtig sein, auf herkömmliche Art und Weise kämpfen. Ich wusste, dass sie auch das besser beherrschten als alle anderen, trotzdem bereiteten mir die Rauchdämonen Sorge.
Als sie nur noch wenige Meter entfernt waren, meldete sich Kieron zu Wort. »Letzte Chance zum Rückzug, Leute. Jetzt verpissen oder gar nicht mehr.«
Ein ekelerregendes Grinsen der vier Wasserleichen war die Antwort. Leider entblößte das bei jedem von ihnen eine Zahnreihe, die der eines weißen Hais würdig gewesen wäre. Irgendein blödes Feature hatten die aber auch alle.
Kieron zuckte mit den Schultern. »War ja nur ’n Angebot.«
Dann griffen er und Caelum an. Die beiden nahmen sich verständlicherweise als Erstes die Rauchdämonen vor, wobei sie unfassbar schnell agierten. Die anderen allerdings auch. Zwei der Bleichgesichter schossen auf mich zu. Ich duckte mich unter ihrem ersten Angriff hinweg, drehte mich sofort wieder zu ihnen um und versuchte dabei, etwas Abstand zwischen uns zu bringen.
Für einen kleinen Moment scannten wir uns gegenseitig, versuchten einzuschätzen, mit welchem Gegner wir es zu tun hatten. Sie besaßen keine Waffen, und so wässrig, wie sie aussahen, hoffte ich mal, dass sie sich nicht noch als Feuerdämonen entpuppten. Ohne Waffen mussten sie sich mir also nähern, um mich zu verletzen.
Ich hingegen hatte zwei Messer. Eins davon steckte noch in meinem Hosenbund, aber wenn ich schnell genug war, könnte ich es schaffen. Aus dem Augenwinkel registrierte ich, dass meine beiden Begleiter mir die anderen vom Leib hielten. Also holte ich aus und zielte.
Für den Bruchteil einer Sekunde war ich stolz, das Messer blieb mitten im Hals des rechten Wassermanns stecken. Er ging mit gurgelnden Geräuschen zu Boden. In dem Moment, in dem mein zweites Messer meine Hand verließ, hörte ich hinter mir ein schrilles Kreischen, das weder menschlich klang noch von meinen Begleitern stammte. Ich zuckte zusammen, woraufhin mein Wurf meterweit an Nummer zwei vorbeischoss und er auf mich zu. Ich schmiss gerade noch die Arme hoch, um mein Gesicht zu schützen, als ich auch schon den reißenden Schmerz in meinem rechten Oberarm spürte. Ich schrie auf, viel zu laut für diese ruhige Gegend. Dann zog mich das Biest runter auf die Knie.
Unmittelbar darauf registrierte ich, wie sich seine Zähne schlaff aus meinem Fleisch lösten und mich starke Arme auf die Füße hoben. Dann rannten wir. Caelum zog mich unerbittlich hinter sich her, ich hatte beinahe das Gefühl zu fliegen, so schnell war er.
Ein paar Straßen weiter blieben wir in der Nähe einer Straßenlaterne endlich stehen. Caelum nahm vorsichtig meinen Arm und betrachtete ihn kurz. Seine Wut donnerte völlig unvermittelt wie ein Gewitter auf mich nieder.
Er sah mir fest in die Augen. »Ist das die einzige Stelle?«
Ich nickte. Plötzlich keimte Angst in mir auf. Selbst ich hörte, wie panisch ich klang. »Es ist nur ein Biss, oder? Er ist nicht giftig oder so? Bitte, Caelum. Bitte sag, dass es nur ein einfacher Biss ist.«
Er zog mich vorsichtig in seine Arme und hielt meinen Kopf. »Das ist es, Würmchen. Keine Angst. Es ist ein Biss. Aber das ›nur‹ würde ich an der Stelle gerne streichen.«
Ich atmete erleichtert auf. Caelum nahm mein Gesicht in seine Hände. Ein Hauch von Schuld wehte zu mir herüber. Ich schüttelte den Kopf. »Nicht deine und nicht meine Schuld. Die Monster waren eindeutig die anderen.«
Er lächelte mich dankbar an und gab mir einen Kuss. »Komm, wir müssen das versorgen.«
Zwanzig Minuten später saß ich im Bad unseres Hotels auf dem geschlossenen Klodeckel, während Caelum mich unendlich vorsichtig Schicht für Schicht aus meinen Sachen schälte. Trotzdem war jede Bewegung die Hölle. Irgendwann hatte er mich endlich von allen Oberteilen befreit und der Blick auf die Wunde lag offen. Ich drehte meinen Kopf, um sie zu betrachten.
»Nicht hingucken.«
Die Ansage kam leider zu spät. Mein Arm präsentierte mir eine kreisrunde, völlig zerfetzte Fleischwunde von der Größe eines Bierdeckels. Ich begann zu zittern. Caelum legte eine Hand so an mein Gesicht, dass ich die Wunde nicht mehr im Blickfeld hatte, aber das Bild war bereits in meinem Kopf. Mir wurde schlecht.
Blitzschnell rutschte ich von dem Klodeckel, drehte mich um und hob ihn an. Dann erbrach ich eine komplette Thunfischpizza. Caelum kniete neben mir, hielt meine Haare aus dem Gesicht und strich mir beruhigend über den Rücken.
Ich schüttelte vorsichtig den Kopf. »Selber ›nicht hingucken‹.«
Er lachte kurz auf. »Ich hab schon Schlimmeres gesehen.«
Erst Minuten später gab mein Magen Ruhe. Caelum half mir hoch und blieb auch dann noch dicht hinter mir, als ich mir am Waschbecken den Mund ausspülte.
»Geht es wieder?«, fragte er besorgt.
Ich nickte. »Ich denke ja, ’tschuldigung.«
Er sah mich kurz vorwurfsvoll an, ich sollte das mit dem Entschuldigen vielleicht wirklich mal in den Griff kriegen. In dem Moment klopfte es an der Tür. Caelum setzte mich vorsichtig wieder auf dem Klodeckel ab und öffnete. Es war Kieron, der offensichtlich in der Zwischenzeit eine Apotheke oder ein Krankenhaus überfallen hatte.
Nachdem er seine Beute an Caelum übergeben hatte, lehnte er sich an die Dusche und betrachtete meinen Arm. »Specki, da fand dich ja mal einer richtig zum Anbeißen, was?«
Ich hatte schon bessere Witze in meinem Leben gehört, aber es half mir immerhin, die Sache nicht mehr so dramatisch zu sehen. Caelum hingegen hätte ihn vermutlich am liebsten erwürgt.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte Kieron beschwichtigend.
»Erst mal nicht.«
Kieron nickte. »Dann bin ich nebenan.«
Caelum bedachte mich mit einem viel zu mitleidigen Blick.
Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Guck nicht so, sonst fange ich gleich an zu heulen.«
Behutsam strich er mir über die Wange. »Du hättest allen Grund dazu.« Er hatte es noch nie schlimm gefunden, wenn ich weinte.
Als Erstes betäubte er den Arm und ich war dankbar, dass wenigstens diese Art von Betäubung bei mir normal funktionierte. Direkt im Anschluss gab er mir Schmerztabletten.
»Wofür sind die jetzt noch?«, wollte ich wissen.
»Für später. Wenn die oberflächliche Betäubung nachlässt, wird es erneut wehtun. Dann bist du schon mal versorgt und musst nicht wieder so lange warten.«
»Danke.«
Er nickte ernst, dann legte er los. Dieses Mal war ich schlauer und sah nicht hin. Ich hatte keine Ahnung, was er genau tat, aber ich war mir sicher, dass ich es auch nicht wissen wollte.
Es dauerte ziemlich lange, bis er endlich fertig war und mir einen Verband anlegte. Schweigend räumte er den Müll weg. Schließlich kniete er sich vor mich und schaute mir in die Augen, als ob er prüfen wollte, wie es mir ging. Ich lächelte ihn an, um ihm zu zeigen, dass alles okay war, wobei er ohnehin spürte, dass das nicht stimmte.
Schließlich seufzte er. »Ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist, aber ich hatte trotzdem gehofft, dass so was nicht so schnell passiert.«
»Ich weiß.«
Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und klemmte sie hinter mein Ohr. Dann stand er auf. »Ich hole dir ein paar frische Sachen.«
Eine Minute später war er mit einem seiner T-Shirts zurück. Ich schmunzelte. Wenn er die Klamottenwahl in der Hand hatte, waren es immer seine T-Shirts. Anschließend half er mir aus meiner dreckigen Jeans und meinem BH und zog mir sein Shirt über. Gemeinsam gingen wir nach nebenan und setzten uns zu Kieron aufs Bett.
Es sollte das Letzte sein, was ich heute tat. Die Schmerzmittel begannen zu wirken, das Adrenalin war verschwunden und die Erschöpfung holte mich mit voller Wucht ein. Und so war es das zweite Mal innerhalb von drei Tagen, dass ich auf Caelums Schoß einschlief.
Ich war gestern Abend heilfroh gewesen, dass Lua so schnell eingeschlafen war, so war ihr Körper wenigstens zur Ruhe gekommen. Die Schmerzmittel hatten glücklicherweise für eine ruhige Nacht gesorgt und erstaunlicherweise hatte sie nicht einmal schlechte Träume gehabt.
All diese Umstände bewirkten, dass ich mich nicht ganz so schuldig fühlte wie sonst. Allerdings wusste ich auch nicht, wie es jetzt weitergehen sollte. Kieron und ich hatten gestern Abend noch lange überlegt. Wir waren auf Lua angewiesen, der Stein war ausschließlich ihr Navi, nicht unseres. Ansonsten hätte sich einer von uns allein auf die Suche gemacht und die Sache erledigt. Die Option bestand aber nicht.
So heftig verletzt mit ihr gemeinsam loszuziehen, ging mir tierisch gegen den Strich. Auf der anderen Seite konnten wir es uns nicht leisten, tagelang zu warten und nichts zu tun. Gorzata wäre bis dahin über alle Berge und wir hätten keinen Anhaltspunkt mehr, wo wir ihn suchen sollten. Vielleicht war er ohnehin längst weg, schließlich waren wir aufgrund der Tatsache, dass wir keine Portale benutzen konnten, ein paar Tage im Rückstand. Möglicherweise war das alles hier aber auch ein amüsantes Versteckspiel für ihn und er genoss es, dass er uns jedes Mal haarscharf durch die Lappen ging.
Es war eindeutig zu früh, um sich über ein mögliches Schema seines Vorgehens Gedanken zu machen, dennoch kreisten die Szenarien endlos in unseren Köpfen. Zu einer Entscheidung waren wir gestern Abend nicht mehr gelangt. Wir hatten uns nur noch darauf verständigt, Lua ausschlafen zu lassen, und dann zu gucken, wie es ihr ging.
Als hätte sie mein Grübeln bemerkt, schlug sie die Augen auf und lächelte mich an. Allerdings nicht ohne schmerzverzerrtes Gesicht.
»Hey, guten Morgen. Wie geht es dir?«
Sie richtete sich vorsichtig auf, bemüht, den Arm nicht zu belasten. »Morgen. Ich denke, ganz gut.«
»Du bist eine grottenschlechte Lügnerin«, entlarvte ich sie.
»Es geht schon, wirklich.«
»Das tut es nicht, also hör auf, mir was vorzumachen.«
»Ein bisschen Heldentum könntest du mir ruhig eingestehen«, nölte sie mit einem etwas gequälten Lächeln.
»Du hast meine volle Heldenverehrung, ehrlich. Aber ich könnte dir zusätzlich das unwiderstehliche Angebot machen, sie ohne Schmerzen zu genießen.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, während sie darüber nachdachte, mein Angebot anzunehmen. Verdammt, sie musste furchtbare Schmerzen haben, sonst hätte sie sofort abgelehnt. Also stand ich auf und holte ein paar Tabletten, die ich ihr mit einem Glas Wasser servierte. Sie nahm sie schweigend ein.
»Leg dich noch mal hin, okay? Wenigstens bis sie gewirkt haben.«
Sie nickte, dann half ich ihr zurück in die Kissen und sie schloss sofort ihre Augen. Nie im Leben konnte ich sie in dem Zustand durch die Stadt schleifen.
Ich rief bei der Rezeption an und bat darum, uns Frühstück aufs Zimmer zu bringen. Dann schrieb ich Kieron eine Nachricht, dass es nicht so gut aussah und wir erst mal abwarten müssten, was die nächste Stunde und die Schmerzmittel brachten.
Luas Gesichtszüge waren selbst mit geschlossenen Augen angespannt, sie atmete etwas schwerer als sonst. Ihre zarten Hände lagen locker auf der Bettdecke. Niemand hätte bei ihrem Anblick geahnt, dass diese Hände geschickt ein Messer führen konnten, geschweige denn, dass sie in der Lage waren, Dämonen zu töten. Selbst für mich war es schwer zu begreifen.
Genauso wie die Tatsache, dass dieses zarte, unendlich mutige und wunderschöne Geschöpf zu mir gehörte. Ich hätte mich stundenlang darin verlieren können, sie anzusehen. Allerdings fand ich, dass dies weder der richtige Ort noch der passende Zustand war.
Nach einer halben Stunde begannen sich ihre Gesichtszüge endlich ein wenig zu entspannen. Als es kurz danach an der Tür klopfte, öffnete ich und nahm unser Frühstück entgegen. Lua hatte in der Zwischenzeit die Lider aufgeschlagen. Ich musste schmunzeln. Wahrscheinlich hatte ihr ureigener Instinkt für Essen gerade eingesetzt. Erneut richtete sie sich auf, dieses Mal sehr viel müheloser.
Ich ging mit dem Tablett zum Bett und stellte es auf der Decke ab. Dann hob ich die Deckel von den Tellern, was ihr ein begeistertes Strahlen ins Gesicht zauberte.
»Ich habe echt einen Riesenhunger. War wohl nicht besonders schlau von mir, mein Abendessen freiwillig wieder herzugeben.«
»Na ja, freiwillig hätte ich das jetzt nicht unbedingt genannt«, räumte ich ein.
Sie grinste mich an und wollte zum Messer greifen, aber ich kam ihr zuvor.
»Was darf es sein, die Dame? Heute mit Service am Tisch.«
Sie lachte und es tat wirklich gut, das zu sehen. »Das brauchst du nicht. Ich schaffe das schon.«
»Oh nein«, entgegnete ich kopfschüttelnd. »Das gehört zu Ihrem Servicepaket, also keine Widerrede.«
Sie hob fragend eine Augenbraue. »Und welches Servicepaket ist es, das ich da gebucht habe?«
»Heldenverehrung.«
Ihre Augen leuchteten, als sie sich genüsslich gegen das Betthaupt lehnte. »Okay, also ein Brötchen mit Käse und ein bisschen Rührei bitte. Und dann: Nachschub nicht stoppen.«
Wir lachten befreit. Es ging nicht nur ihr, sondern auch mir besser. Ich hatte die vage Befürchtung, dass ich mich zu einem echten Weichei entwickelte, aber ich konnte es einfach nicht ertragen, wenn sie Schmerzen hatte.
Während ich dabei war, Lua die zweite Brötchenhälfte zuzubereiten, stellte sie die Frage des Tages: »Wie wollen wir heute vorgehen? Ich habe ja dummerweise gestern mal wieder nicht bis zu Ende zugehört.«
Ich reichte ihr das Brötchen. »Da gab’s auch nicht mehr viel zu hören. Wir wollten abwarten, was der Tag heute so bringt.«
Sie überlegte kurz. »Fehlen nur noch ein, zwei Brötchen, dann bin ich startklar.«
»Das hatte ich befürchtet«, stöhnte ich. »Ich kann dich vermutlich nicht davon überzeugen, wenigstens noch einen Tag abzuwarten?«
Für diesen Vorschlag erntete ich einen sehr ungeduldigen Blick. »Nein, kannst du nicht. Erstens wird sich mein Zustand bis morgen nicht geändert haben und zweitens ist uns Gorzata zwei Tage voraus. Abgesehen davon brauche ich meinen rechten Arm nicht, um im Auto zu sitzen und einen Stein anzugucken.«
Ich stöhnte erneut und fuhr mir durch die Haare. »Aber du brauchst ihn vielleicht, wenn wir ihn heute finden sollten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Dann könnt ihr für mich kämpfen.«
»Hat ja gestern auch hervorragend funktioniert«, gab ich ironisch zurück.
Sie sah mich ernst an. »Nur, weil es gestern schiefgegangen ist, heißt es nicht, dass das jetzt jeden Tag so ist. In Slowenien sind wir auf über fünfzig von denen getroffen und ich hatte nicht mal einen Kratzer.«
Ja, aber dafür fünfzehn Stunden Dauerschlaf. Ich schenkte mir die Bemerkung. Sie hatte recht. Es war besser, wenn wir uns auf die Suche machten, die meiste Zeit würden wir dabei wirklich im Auto verbringen. Also stimmte ich ihr schweren Herzens zu.
Fünf Minuten später lümmelte Kieron gemütlich in dem kleinen Sessel in unserem Zimmer und genoss sein zweites Frühstück. Wir diskutierten eine Weile, wie wir bei der Suche vorgehen sollten. Eigentlich glaubte keiner von uns, dass sich Gorzata irgendwo in der belebten Innenstadt aufhielt. Auf der anderen Seite würde ihm genau das vielleicht den nötigen Schutz bieten. Er könnte schlichtweg in der Menge untertauchen.
Aber was, wenn sie hier ebenfalls ein Nest hatten? Dann wäre es eher sehr weit außerhalb, eine so große Anzahl von Dämonen könnte man mitten unter Menschen auch nicht mit viel Magie verbergen.
Lua brachte noch einmal die Theorie ins Spiel, dass Gorzata sich vielleicht bei vermeintlichen Widersachern Lucifers verkroch. Leider fiel uns keiner ein, der hier in Budapest lebte.
Letztendlich kam uns die Stadt selbst zu Hilfe. Wir entschieden, völlig stumpf einen Bezirk nach dem anderen abzuarbeiten. Die Stadt war in dreiundzwanzig Bezirke eingeteilt, wir würden sie nach und nach abfahren. Der Stein hatte in Slowenien bereits geleuchtet, als wir noch über eine Stunde von unserem Ziel entfernt gewesen waren. Wir mussten also definitiv nicht jede Gasse inspizieren, was hier ohnehin schwierig gewesen wäre. Es würde reichen, wenn wir die Bezirke grob durchkämmten.
Sorgfältig schlugen wir den Stein in ein Tuch ein und legten ihn in meinen Rucksack. Ich packte zusätzlich ein paar Getränke und weitere Schmerzmittel ein. Der Tag könnte lang werden. Dann machten wir uns auf den Weg. Es war bereits nach zwölf Uhr mittags, als wir endlich im Auto saßen, doch Hauptsache, wir fingen an.
Der Rest des Tages war einfach nur ätzend. Der erste Bezirk war wunderschön, es war das Burgviertel. Lua staunte und schaute immer wieder fasziniert aus dem Fenster. Sehenswürdigkeiten genießen und erleben sah allerdings anders aus. Aus dem Fenster eines kleinen Mietwagens war selbst Weltkulturerbe nur so semischön.
Die Bezirke zwei bis vier waren vergleichsweise groß und kosteten uns viel Zeit. Zumal der Budapester Verkehr es zum Teil in sich hatte. Manchmal standen wir mehr, als dass wir fuhren. Zwischendurch machten wir kurze Pausen, um uns die Beine zu vertreten oder eine Kleinigkeit zu essen.
Gegen Nachmittag spürte ich, dass Lua wieder Schmerzen bekam, also verabreichte ich ihr erneut ein paar Tabletten. Dieses Mal wurde sie davon zu allem Überfluss furchtbar müde, sodass sie immer wieder für einige Minuten die Augen schloss. Von dem eigentlich wunderschönen fünften Bezirk bekam sie so kaum etwas mit.
Der Stein lag den ganzen Tag über in ihrer Hand und schien uns zu verhöhnen. Nicht nur einmal schlich sich eine böse Stimme in meinen Kopf, die mir sagte, dass wir hier im schlimmsten Fall tagelang ergebnislos herumkurven konnten. Keiner von uns wusste schließlich, ob sich der Höllenstein überhaupt noch in der Stadt befand. Vielleicht wurden wir längst von Gorzata beschattet und er lachte sich schlapp über uns, während er mit seinem Stein immer dann verschwand, wenn wir ihm zu nahe kamen. Es schien ein hoffnungsloses Unterfangen.
Gegen acht Uhr abends hatten wir ungefähr die Hälfte des sechsten Bezirks abgefahren. Die Stimmung war bereits eine ganze Weile auf dem Nullpunkt, als Lua sich plötzlich auf der Rückbank bemerkbar machte.
»Hey, war in den Schmerzmitteln mehr drin, als du mir verraten hast, oder seht ihr es auch?«
Und ob wir es sahen. Ihr Stein begann ganz sachte zu schimmern. Ein wenig Euphorie machte sich breit. Der Stein der Hölle war in der Stadt. Das war ohne Frage die beste Nachricht des Tages. Die schlechte Nachricht war, dass wir trotzdem weiter völlig planlos umherirrten.
In Slowenien hatten wir eine Adresse gehabt, eine Richtungsvorgabe, dort hatten wir lediglich kontrollieren müssen, ob das Leuchten heller wurde. Hier passierte es uns hingegen ständig, dass es wieder schwächer wurde. Wechselten wir dann die Richtung, hörte es zum Teil ganz auf. Also fuhren wir zum Ausgangspunkt zurück, um von dort eine andere Richtung einzuschlagen und zu schauen, wie der Stein reagieren würde.
Weitere drei Stunden und etliche Nervenzusammenbrüche später, standen wir im siebten Bezirk vor einer coolen Bar, die eindeutig die Klientel ›Hipster‹ beherbergte. Der Stein leuchtete heller als je zuvor an diesem Tag. Eine miese Spelunke hätte vermutlich besser ins Klischee gepasst, aber da wir alle drei die deutliche Präsenz von zwei Hohedämonen spürten, schienen wir am Ziel zu sein. Damit hatte keiner von uns heute noch gerechnet, trotzdem nahmen wir das Geschenk dankbar an.
Wir suchten einen Parkplatz und machten uns dann auf den Weg zu der Bar. Lua hatte ich fest an meiner Hand, und ich betete inständig, dass ich sie heute ausreichend beschützen konnte. Eine weitere Verletzung würde ihr Körper nicht wegstecken.
Ich legte meinen Arm um sie und gab ihr einen letzten Kuss auf ihren Scheitel. Gott war für gewöhnlich nicht mein Ansprechpartner, dennoch bat ich ihn heute, auf dieses kleine Wesen aufzupassen. Ich hoffte, dass er etwas für sie übrighatte, schließlich spielte sie in seinem Team.
Als wir vor der Bar standen, atmete ich noch einmal tief durch. Ich war müde, die Wunde schmerzte und die stundenlange Irrfahrt hatte arg an meinen Nerven gezerrt. Ich hoffte sehnlichst, dass es heute Abend vorbei sein würde, dass wir dieses Mal Erfolg hatten.
Auf der anderen Seite schlich sich immer wieder ein bohrender Unglaube in meine Gedanken. So schnell war die Welt sicher nicht gerettet, oder? Es schien zu einfach.
Wir betraten die Bar und stellten uns an den Tresen. Kieron orderte zwei Bier und ein Glas Weißwein. Letzteres würde ich sicher nicht trinken, aber ein wenig authentisch musste das Ganze natürlich aussehen.
Die beiden Hohedämonen machten sich in dem Ambiente hier durchaus gut, auch wenn sie nur schwarze Jeans und ein schlichtes Shirt trugen. Ich selbst fand mich zwischen all den megagestylten Menschen in meiner engen Jeans und einem dunkelblauen Hoodie eher deplatziert, zumal ich vermutete, dass auch mein Gesicht und meine Frisur bei den diversen Nickerchen im Auto ziemlich gelitten hatten. Ich versuchte mich zu konzentrieren, schließlich war meine Optik heute eher zweitrangig.
Nach wie vor nahm ich zwei mächtige Präsenzen wahr. Lange nicht so stark wie die meiner Begleiter, aber eindeutig Hohedämonen. Kurz bildete ich mir sogar ein, Gorzata wiederzukennen, was vermutlich bloß ein Hirngespinst war. Selbst bei Caelum und Kieron hatte es mehrere Tage gedauert, bis ich sie einzig anhand der Präsenz voneinander unterscheiden konnte.
Ihre eigene Präsenz hatten die beiden so sehr runtergefahren, dass selbst ich sie nur dann wahrnahm, wenn ich mich sehr stark darauf konzentrierte. Abgesehen von den Hohedämonen spürte ich ein paar weitere schwache Präsenzen, die ich niederen Dämonen zuordnete, allerdings waren es nicht viele. Kein weiteres Nest, was in jeder Hinsicht eine gute Erkenntnis war.
Ich betrachtete meine Begleiter fragend. »Insgesamt fünf oder sechs?«
Sie nickten. Caelum zeigte es mir mit den Fingern an. Zwei Hohedämonen, vier niedere. Das schien mir machbar. Jetzt mussten wir bloß noch zu ihnen gelangen. Kieron nahm uns diese Hürde ab. Er lehnte sich über den Tresen zu dem Barkeeper.
»Ich bin auf der Suche nach, sagen wir mal, einem etwas anderen Kick. Hast du da was für mich?«, erkundigte er sich verschwörerisch.
Der Barkeeper scannte Kieron von oben bis unten und versuchte offensichtlich einzuschätzen, ob er ihm etwas anzubieten hatte. Ich selbst war völlig überfordert mit der Situation. Keine Ahnung, was dieser Kick sein sollte. Drogen? Frauen? Männer? Egal, Hauptsache der aufgepumpte, vollbärtige Hipster hinter der Theke verstand es.
Schließlich gab er Kieron mit einem Kopfnicken zu verstehen, ihm zu folgen. Er setzte sich in Bewegung und wir hängten uns dran, was Mister Fitnessstudio allerdings nicht gefiel.
»Nur du. Allein«, gab er Kieron mit zusammengekniffenen Augen zu verstehen.
Der grinste ihn in seiner unnachahmlichen Art an. »Hey, das macht allein keinen Spaß!«
Selbst ich spürte die Welle der Manipulation, die er dabei in Richtung Herkules schickte. Der wiederum plötzlich wissend nickte. »Wie recht du hast.«
Dann zwinkerte er uns zu, was irgendwie schräg war, und bedeutete auch uns, ihm zu folgen. Ich wurde nervös und ein wenig demütig. Inzwischen hoffte ich nur noch, dass ich den heutigen Abend zumindest kampflos beenden würde.
Neben der Theke öffnete sich ein Flur, von dem Türen mit der Aufschrift ›KÜHLKAMMER‹, ›LAGER‹ und ›PRIVAT abgingen. Ganz am Ende des Flures war eine unbeschriftete schwere Metalltür. Das verhieß in meinen Augen per se nichts Gutes. Bei schweren Metalltüren hatte ich stets das Gefühl, dass irgendjemand vor der Außenwelt verheimlichen wollte, was hinter dieser Tür geschah. Wenn das mal nicht passte.
Superman nickte uns ein letztes Mal zu und öffnete schließlich den schweren Riegel. In genau dem Moment verschwand Gorzatas Präsenz. Natürlich. Es fiel mir äußerst schwer, mein enttäuschtes Stöhnen zu unterdrücken.
Wir betraten den Raum dennoch und ich hörte, wie die schwere Tür hinter uns ins Schloss fiel. Vor uns präsentierte sich eine Art Lounge. Große, stylische Sofas waren in dem riesigen Raum verteilt. Es gab eine Bar, sehr schick und modern, und es lief irgendeine Musik, die andere sicher als chillig beschrieben hätten. Für mich war sie echt nervig. Abgesehen davon roch es nach Shishapfeifen.
All das nahm ich innerhalb weniger Sekunden wahr, ebenso wie einen Hohedämon, der genauso hip aussah wie die Menschen in diesem Etablissement. Neben ihm befanden sich in dem Raum noch zwei niedere Dämonen, die eindeutig Zwillingsbrüder der Orks aus New York hätten sein können, und zwei waschechte Teufel. Wäre ich nicht so angespannt gewesen, hätte ich laut gelacht.
Sie hatten eine ziemlich menschliche Gestalt mit leuchtend roter Haut, die man leider auch in Hülle und Fülle begutachten konnte. Viel verwirrender war allerdings ihr Kopf. Dunkle Augen, eine spitze Nase und ein ebenso spitzes Kinn, tiefe Stirnfalten und als Highlight: Hörner. Kleine, spitze Hörner, die sich aus der Stirn schälten. Teufel, wie aus dem Bilderbuch, fehlte bloß noch der Schwanz. Das tat er tatsächlich.
Ende der Leseprobe