Lucy & Gabriel - Monica Murphy - E-Book

Lucy & Gabriel E-Book

Monica Murphy

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Beschreibung

Gabriel sitzt den Sommer über bei seiner verkorksten Familie fest und langweilt sich zu Tode. Er sucht nach einem Abenteuer und wird im gut aussehenden Mädchen von nebenan fündig. Sofort üben die beiden eine unwiderstehliche Anziehungskraft aufeinander aus. Bald verbringen sie jede Minute zusammen. Doch Lucy ist nicht, wofür Gabriel sie hält ...

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Seitenzahl: 493

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Das Buch

Gabriel sitzt den Sommer über bei seiner verkorksten Familie fest und langweilt sich zu Tode. Er sucht nach einem Abenteuer und wird im gut aussehenden Mädchen von nebenan fündig. Sofort üben die beiden eine unwiderstehliche Anziehungskraft aufeinander aus. Bald verbringen sie jede Minute zusammen. Der perfekte Sommerflirt! Doch Lucy ist nicht, wofür Gabriel sie hält. Sie lebt nicht nebenan – sie hütet nur das Haus, während die Besitzer eine Weltreise machen. Wenn Gabe glaubt, dass sie nur ein verwöhntes, reiches Mädchen ist, dann spielt sie eben mit. Nach diesem Sommer wird sie ihn sowieso nie wiedersehen …

Die Autorin

Die New York Times-, USA Today- und internationale Bestseller-Autorin Monica Murphy stammt aus Kalifornien. Sie lebt dort im Hügelvorland unterhalb Yosemites, zusammen mit Ehemann und Kindern. Sie ist ein absoluter Workaholic und liebt ihren Beruf. Wenn sie nicht gerade an ihren Texten arbeitet, liest sie oder verreist mit ihrer Familie.

Lieferbare Titel:

Total verliebt

Zweite Chancen

Verletzte Gefühle

Unendliche Liebe

Violet – So hot

Rose – So wild

Lily – So sexy

Fair Game – Jade & Shep

Monica Murphy

Roman

Aus dem Amerikanischen vonNicole Hölsken

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel In the Dark bei EverAfter Romance.Taschenbucherstausgabe 08/2017

Copyright © 2017 by Monica James

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81637 München

Redaktion: Anita Hirtreiter

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur München

unter Verwendung von Gettyimages/Fuse

Satz: Fotosatz Amann, Memmingen

ISBN 978-3-641-19587-8V001

www.heyne.de

Kapitel 1

Gabe

Ich hätte nie gedacht, dass ich mir das je eingestehen würde, aber ich bin Manns genug zu erkennen, dass … ich mich Hals über Kopf verliebt habe. Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Total hin und weg von einem Mädchen. Einem wunderschönen, erotischen Mädchen, das mich um den Verstand bringt und mich verdammt noch mal jedes Mal, wenn ich es sehe, fertigmacht.

Und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sie das schönste Mädchen ist, das ich je gesehen habe. Sie hat eine bronzefarbene Haut, und das Haar fällt ihr in weichen Wellen über den Rücken. Ihre Figur ist der Hammer, und ihre Kurven sind für Männerhände wie geschaffen. Für meine Hände. Sie ist eben total weiblich, mit ausladenden Hüften, schmaler Taille und vollen Brüsten, und die trägt sie dann auch noch in einem knappen Bikini zur Schau, den man echt verbieten sollte. Ich könnte sie den ganzen Tag lang anstarren.

Ich starre sie den ganzen Tag lang an.

Und mein Problem dabei?

Ich kenne noch nicht mal ihren Namen.

»Mein Gott, du perverser Spanner, beobachtest du sie schon wieder?«

Als ich die Quengelstimme meiner Schwester höre, drehe ich mich um und funkle sie wütend an. »Verpiss dich«, knurre ich und klinge dabei wie ein Zwölfjähriger. Das Gleiche habe ich mit zwölf nämlich auch schon immer gemacht. Damals war sie ein siebenjähriger Teufel, der sich immer in meine Angelegenheiten gemischt hat.

Bis heute hat sich das eigentlich nicht geändert. Außer, dass sie inzwischen ein achtzehnjähriger Teufel ist, der sich in alles einmischt.

»Echt jetzt! Sie wird noch die Polizei anrufen, wenn du damit nicht aufhörst.« Sie sitzt im Sessel neben mir, als hätte sie nicht Besseres zu tun. Und da wir in dieser Festung von einem Haus, das meine Eltern für den ganzen Sommer gemietet haben, festsitzen, hat sie wahrscheinlich wirklich nichts zu tun. Es ist ja nicht gerade so, als hätten wir in Santa Barbara Freunde. Okay, wir waren im Restaurant. Wir waren am Strand. Wir waren mit unseren Eltern im Country Club, wo ich mich mit einer heißen Braut unterhalten habe, nicht so heiß wie meine neue Liebe, aber doch ganz okay, bis mein Vater dazukam und mir die Tour vermasselte, indem er erklärte, wie müssten jetzt nach Hause fahren. Ich kam mir wie ein Loser vor, der noch bei Mami und Papi wohnt.

Für mein Selbstvertrauen ist mein Dad echt Gift.

Wir sind nun schon drei Wochen hier, und meine Schwester und ich drehen langsam durch.

»Vielleicht sollte ich einfach den Notruf wählen und deiner Glotzerei ein für alle Mal ein Ende bereiten«, sagt Sydney und verschränkt die Arme vor der Brust. Sie zieht einen Schmollmund, und ich kann es ihr nicht mal verübeln. Ich geh hier auch langsam die Wände hoch. Ich bin gerade dabei, mich in eine Frau zu verlieben, ohne auch nur den blassesten Schimmer zu haben, wer zum Teufel sie ist.

Ich dreh hier noch durch. Und das macht mich stocksauer.

»Willst du hier unbedingt die Bitch spielen, oder bist du das von Natur aus?«, schnauze ich sie an und sehe gerade noch ihren verletzten Gesichtsausdruck, bevor sie aufspringt und sich ohne ein weiteres Wort verpisst.

Seufzend wende ich mich wieder meiner neuen Liebe zu. Ich sitze auf dem Balkon auf der ersten Etage und schaue auf den Garten unseres Nachbarhauses. Dort lässt sich das Objekt meiner Begierde jeden Nachmittag am Pool nieder. Ihr üppiger Körper liegt ausgestreckt auf einer Sonnenliege, und sie trägt eine Sonnenbrille. Ungefähr alle zwanzig Minuten springt sie in den Pool, um sich abzukühlen. Danach trocknet sie sich nicht ab, sondern legt sich gleich wieder hin, meistens auf den Bauch. Wassertropfen glitzern auf ihrer Haut, ihr Hintern der absolut perfekt ist, wird von ihrer schwarzen Bikinihose kaum bedeckt, sodass er mich bis in meine perversesten Fantasien verfolgt.

Ja, okay, ich habe mir nachts schon oft einen runtergeholt und dabei an sie gedacht. Auch frühmorgens. Manchmal auch unter der Dusche. Das passiert eben, wenn ein gesunder Zwanzigjähriger zu lange mit seiner Familie irgendwo festsitzt. Er besorgt es sich selbst, statt die Eier zu haben und das Mädchen von nebenan anzusprechen und aufzureißen.

Was bin ich doch für ein Weichei geworden. Ich vermisse meine Freunde. Shep und Tristan würden so was nicht mitmachen. Sie würden mich auffordern, ein Mann zu sein. Sie würden mich ermutigen, sie anzusprechen. Ach verdammt, wahrscheinlich würden sie mich aus diesem Drecksloch zerren und mit nach Hause nehmen. Denn diese Villa Schrägstrich Sommerhaus ist verdammt noch mal alles andere als mein Zuhause.

Wie auf Knopfdruck setzt »mein Mädchen« seine Sonnenbrille ab und steht auf. Sie zupft an ihrer Bikinihose herum, als ob sie ihren Hintern ganz damit bedecken wollte, was natürlich nicht gelingt. Ihre Pobacken sind deutlich darunter zu sehen, und mein Schwanz zuckt wie immer verräterisch.

Wahrscheinlich ist sie nur auf der Welt, um mich zu quälen.

Sie geht zum Beckenrand, wippt mit den Zehen und reckt die Arme über den Kopf. Das ist ihr kleines Ritual bei jeder Pool-Pause. Sie geht in Startposition. Wartet noch einen Moment. Ihr Brustkorb hebt sich beim Ein- und Ausatmen, sodass ich ihre vollen Brüste bewundern kann. Dann springt sie mit einem perfekten Kopfsprung in den Pool. Das Wasser spritzt kaum auf, und ich beobachte mit trockenem Mund, wie sie durch das klare Wasser gleitet, erst am anderen Ende des Pools wieder auftaucht und mit beiden Händen ihr Haar glättet. Auch aus der Entfernung kann ich die kleinen Wassertropfen auf ihren dichten Wimpern sehen, wenn sie blinzelt. Dann fährt sie mit der Zunge über ihre Lippen, und ich verkneife mir ein Stöhnen.

Fuck, sie ist einfach megageil. Ich beuge mich weiter übers Geländer, und das von der Sonne heiß gewordene Metall versengt meine nackte Brust, sodass mir ein leichter Aufschrei rausrutscht.

Bei dem Geräusch wirbelt sie herum, und ich bleibe regungslos stehen und bete, dass sie mich nicht bemerkt hat.

Oder eigentlich bete ich darum, dass sie mich bemerkt hat.

Sie dreht sich im Wasser langsam im Kreis und schaut sich aufmerksam um. Ich schlucke schwer und lehne mich zurück. Zum Glück guckt sie nicht hoch. Trotzdem bin ich ganz scharf darauf, dass sie mich endlich sieht. Ach, keine Ahnung, was ich eigentlich will!

Und wenn Sydney recht hat und die Kleine mich für einen perversen Spanner hält? Eigentlich bin ich das ja auch, sosehr ich mich auch schäme, es zuzugeben. Normalerweise bin ich kein Gaffer. Wenn mir ein Mädchen gefällt, dann spreche ich sie einfach an und rede mit ihr. Lerne sie kennen. Schlepp sie ab. So ticke ich eben. Immer schon. Mit Verlieben oder Daten hab ich nichts am Hut. Am Ende krieg ich dann womöglich doch nicht die, die ich will. Warum sich also anstrengen?

Sie hebt den Kopf, und unsere Blicke treffen sich. Ich sitze wie versteinert da, schaue in ihre dunklen braunen Augen, und mir bleibt die Spucke weg.

Sekunden, die mir wie Minuten vorkommen, vergehen, und wir starren uns immer noch an. Meine Haut kribbelt. Das Blut fließt mir heiß durch die Adern, und mir dröhnt der Kopf. Ich erwarte jeden Moment, dass sie mich gleich wütend anfunkelt, mich anschreit oder mir sagt, ich solle mich verpissen.

Aber dann verzieht sie die Lippen zu einem sinnlichen Lächeln, bei dem ein Grübchen auf ihrer rechten Wange erscheint. Dann legt sie sich auf den Rücken und stößt sich mit den Füßen ab. Ihr Busen ragt übers Wasser, das sanft an ihrer Haut leckt.

Verdammt noch mal, sie ist echt die heißeste Braut, die ich je gesehen habe.

Ohne groß nachzudenken, stehe ich auf und mustere sie noch einmal intensiv, bevor ich runtergehe.

Jetzt hol ich mir, was ich will.

Sie.

Lucy

Er starrt mich schon seit Wochen an. Dieser hübsche reiche weiße Typ kennt wirklich keine Scham, wenn er mich jeden Nachmittag beim Schwimmen beobachtet. Letzte Woche habe ich eine kleine Show für ihn abgezogen. Hab mich in meinem knappsten Bikini auf dem Liegestuhl herumgefläzt. Den würde ich eigentlich nie in der Öffentlichkeit anziehen, aber solange nur er zusieht was soll’s?

Bei den heißen Blicken, die er mir nachmittags zuwirft, läuft es mir jedes Mal eiskalt den Rücken runter. Ich bin total süchtig danach.

Mama würde sich total aufregen, wenn sie wüsste, dass ich mich so zur Schau stelle. Sie würde mir ein Handtuch zuwerfen. Oder gleich einen Bademantel. Oder sogar eine Decke. Sie würde in ihrer »Darüber diskutiere ich mit dir nicht«-Stimme, die sie so gut draufhat, verlangen, dass ich mich anziehe. Sie bevorzugt sowieso Badeanzüge. Und am liebsten wäre ihr, ich wäre immer voll angezogen.

Meine Mutter ist etwas überbesorgt. Ich bin ihr einziges Kind, das sie mit sechzehn Jahren zur Welt gebracht hat. Nachdem der Typ, der sie geschwängert hatte, sie sitzen gelassen hatte, hat sie mich allein großgezogen. Wir haben eine sehr enge Beziehung zueinander. Manchmal zu eng. Meistens kommt sie mir mehr wie eine Freundin vor, doch dann passiert wieder mal irgendwas, und sie schnauzt mich an und wird zur geifernden Affenmutter, was mich einerseits zwar stolz macht, mir andererseits aber auch total peinlich ist.

Ich liebe sie über alles, brauche allerdings auch meine Unabhängigkeit. Als sich diese Gelegenheit ergab, musste ich sie einfach beim Schopf packen. Obwohl meine Mutter dagegen war. Den Sommer in diesem tollen Haus verbringen zu dürfen und so zu tun, als sei es meins, gibt mir ein ganz neues Gefühl von Freiheit.

Ich schaue verstohlen nach oben und bin merkwürdig enttäuscht, dass Mr. GQ nicht mehr auf dem Balkon ist. Also schwimme ich Bahnen, und zwar so schnell ich kann, weil ich abnehmen muss. Meine Kurven sind einfach … zu kurvig. Manchmal bringen sie mich in Schwierigkeiten, denn mir ist es meist peinlich, wenn jemand sie anstarrt.

Aber nicht bei Mr. GQ. Ich mag es, wie er mich angafft. Und er sieht so verdammt gut aus. Seine ganze Familie sieht echt gut aus, fast unnormal gut. Als wären sie einem dieser eleganten und todlangweiligen Hochglanzmagazine entsprungen, die hier überall rumliegen. Ein ganzer Haufen davon steckte in einem Korb neben einem dick gepolsterten Sessel in dem makellosen Wohnzimmer, und ich habe sie durchgeblättert und fand sie schräg, aber faszinierend. All diese aufgemotzten, reichen Leute mit ihrem Glitzerschmuck, den teuren Klamotten und dem aufgesetzten Lachen, während sie sich entweder an ihrem Glas oder aneinander festhalten.

Ich sehne mich nach so einem Leben, aber gleichzeitig verachte ich es auch.

Nach zehn Bahnen habe ich keine Puste mehr, bleibe am flachen Ende stehen und halte mich am Rand fest, um Atem zu schöpfen, während die Sonne meine Schultern wärmt. Das Wasser ist kalt, und ich erschauere und presse die Stirn gegen den Beckenrand. Ich schließe die Augen und konzentriere mich darauf, tief ein- und auszuatmen, damit mein Herz sich wieder einkriegt.

Ich muss wirklich mehr Sport treiben. Ich bin echt nicht in Form.

»Alles klar?«

Eine tiefe, männliche Stimme schreckt mich auf, und ich stoße mich vom Beckenrand ab, sodass Wasser aufspritzt und ich bis zur Mitte des Pools gleite. Da entdecke ich Mr. GQ auf der anderen Seite des Zauns, der die beiden Grundstücke unserer Häuser voneinander trennt.

Okay, es ist nicht wirklich mein Haus, aber für diesen Sommer stelle ich mir das einfach vor.

»Äh, klar, alles in Ordnung.« Ich versuche, gerade zu stehen, doch meine Zehen berühren kaum den Boden. Ich behaupte immer, 1,55 groß zu sein, was allerdings gelogen ist. Ich bin kaum größer als 1,50. Bei der Größe und der Figur sehe ich meist fett aus. Pummelig.

Ätzend. Total ätzend.

Er legt seine Arme auf den niedrigen Zaun und sieht in der Sonne, die ihn in goldenes Licht taucht, ebenso lässig wie göttlich aus. Nun bin ich dran mit Anstarren, hingerissen und fasziniert, und es raubt mir fast den Atem, dass er mir so nahe ist. Bisher hab ich nie allzu lange hingesehen, weil ich Angst hatte, dass er vielleicht merkt, wie ich ihn mustere. Diesen Part wollte ich nämlich ihm überlassen, aber jetzt kann ich mich kaum sattsehen.

Er sieht noch toller aus, als ich dachte. Obwohl toll nicht das richtige Wort ist. Eher gut aussehend. Markant. Sein Kinn ist kantig, seine Nase gerade, seine Wangenknochen ausgeprägt, und seine Lippen im Gegensatz dazu voll und weich. Seine Augenfarbe kann ich nicht erkennen, weil er immer noch zu weit weg ist, aber ich stelle mir vor, dass sie hellblau oder sogar grün sind.

Er sieht wahnsinnig heiß aus, fast wie ein Model. Bei seinem Anblick kriege ich beinah Magenschmerzen.

»Schwimmst du Bahnen?«, fragt er, obwohl das doch klar ist.

Ich nicke und streiche mir übers Haar, um es zu glätten. Ich fühle mich unsicher. Ich sehe bestimmt fürchterlich aus und er wie eine makellose Statue. Er trägt kein T-Shirt, seine Schultern sind breit, seine Haut glatt, sein Oberköper durchtrainiert, obwohl ich seine Bauchmuskeln wegen des Zauns nicht sehen kann.

Sein Blick ruht eine Weile auf meinem Busen, und ich würde ihn am liebsten verstecken. Ich lasse meine Arme wieder sinken und bin froh darüber, von der Hüfte an im Wasser zu stehen. »Normalerweise schwimmst du nachmittags keine Bahnen«, sagt er.

»Ich wollte meine Routine mal verändern.« Gerade hat er ganz offen zugegeben, dass er weiß, was ich nachmittags mache, aber das sage ich nicht.

»Bist du nur den Sommer über hier?«, fragt er.

»Jep.« Ich räuspere mich. Ich muss versuchen, mich gewählt auszudrücken. Hier wohnen nur die Reichen mit Klasse, und die sagen nicht »Jep« oder »Äh«, wenn sie eigentlich »Ja« sagen wollen. Meine Mom hätte mir dafür eine Kopfnuss gegeben. »Und du?«

Er nickt, richtet sich auf und nimmt die Arme vom Zaun. »Wir sollten mal zusammen abhängen«, sagt er lässig. Zu lässig. Sein Blick ist intensiv, sein Körper angespannt, und ich frage mich, ob er … vielleicht nervös ist.

Unmöglich. Ich meine, sieh ihn dir doch an! Er sieht wie ein Model auf einem Hochglanzmagazin aus … Mr. GQ. Warum um alles in der Welt sollte er nervös sein, wenn er mit mir redet?

Mein Herz schlägt schneller. Ob er mich nach einem Date fragt? Bestimmt nicht. Er will sicher nur einfach mit mir quatschen. »Klar«, sage ich mit einem Schulterzucken. Als ob das keine große Sache sei. Okay, der am besten aussehende Junge, den ich kenne, will mit mir abhängen. Damit komm ich klar. »Aber stellt man sich nicht einander vor, bevor man zusammen abhängt?«

Er grinst verhalten. »Der Punkt geht an dich. Wie heißt du denn?«

Ich recke das Kinn. »Ich habe zuerst gefragt.«

Sein Lächeln wird breiter. »Hast du nicht.«

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Diesen Blick habe ich mir von meiner Mutter abgeguckt und beherrsche ihn perfekt. Ich habe schon eine Menge Jungs damit verscheucht, aber Mr. GQ zuckt nicht mal mit der Wimper. »Sag mir deinen, und ich sag dir meinen.«

»Gabe«, sagt er, ohne zu zögern.

»Ist das die Kurzform von Gabriel?« Er nickt. »Ich bin Lucy.«

»Lucy.« Er sagt meinen Namen, als lasse er ihn sich auf der Zunge zergehen, und seine Stimme klingt dabei tief und bedächtig. Ich erschauere. »Nett, dich kennenzulernen, Lucy.«

»Schön, auch dich kennenzulernen, Gabriel.« Ich lasse unwillkürlich das r rollen, und er zieht die Augenbrauen hoch, sagt aber nichts.

Ich bin so dämlich. Ich sollte mich wie ein weißes Mädchen benehmen. Wie ein anständiges, höfliches weißes Mädchen, das sich gut ausdrücken kann, in einer Villa wohnt und keinerlei Sorgen hat.

Mit anderen Worten: Ich sollte mich anders verhalten als sonst.

»Was machst du heute Abend?«, fragt er mich.

Ach, weißt du. Ich sitze in diesem riesigen Haus ganz allein herum, schaue mir Schrottsendungen an und langweile mich zu Tode.

Na, das sag ich besser nicht, sonst hält er mich für einen totalen Loser.

»Nichts Besonderes.« Ich neige den Kopf. »Warum? Willst du was zusammen machen?«

Er lächelt und zeigt dabei seine perfekten Zähne, was mir so sehr die Kehle zuschnürt, dass ich fast ersticke. Wie soll ich bloß mit diesem Typen abhängen, wenn ich schon von seinem Lächeln halb in Ohnmacht falle? Keine Ahnung, wie ich das durchstehen soll.

»Ja, klar. Ich hab auch nichts vor.« Er sieht sich nach seinem Haus um, dann schaut er mich wieder an. »Und ich muss hier dringend mal raus.«

»Weg von deiner Familie?« Als sein Lächeln verblasst, sage ich: »Du scheinst viel Zeit mit ihr zu verbringen.«

Gabe verzieht das Gesicht. Ein unglaublich süßes Gesicht. »Die machen mich echt wahnsinnig.«

»Kapiert«, sage ich leise, obwohl ich eigentlich gar nichts kapiere. Ich habe keine richtige Familie. Nur meine Mutter.

»Echt?« Seine Stimme klingt hoffnungsvoll, und ich nicke. Er wirkt erleichtert. »Kann ich um neun oder zehn Uhr vorbeikommen?«

»Oh.« Meine Füße stoßen gegen den Beckenboden. »Du willst bei mir rumhängen?«

»Na ja, schon. Da will ich jedenfalls echt nicht noch mehr Zeit verbringen.« Er deutet mit dem Finger auf sein Haus. Seine Miene wird weicher. Wahrscheinlich hat er die Panik in meinem Gesicht bemerkt. Ich meine, er verliert wirklich keine Zeit. Ich weiß, dass er nur abhängen will … aber was hat er dann vor? Mit mir rummachen?

Ich hoffe nicht. Ich kenne ihn ja nicht mal. Okay, er ist heiß, zweifellos. Doch ich habe keinen Sex beim ersten Date.

Ich habe nie Sex.

»Hey, wenn du etwas anderes vorhast oder einfach keinen Bock hast, kein Problem.« Gabe lächelt, weicht langsam vom Zaun zurück und macht eine abwehrende Handbewegung. Ich frage mich, ob er meine Angst bemerkt. »Ich habe mir nichts Böses dabei gedacht.«

Okay, ich mache mich gerade lächerlich. Was will der Typ nur von mir? Er ist einfach toll. Er kann jede haben, die er will. Er will nur seiner Familie entfliehen. Ich kann ihn verstehen. Es muss anstrengend sein, sich immer gut zu benehmen.

»Ach, das ist es nicht. Ich habe heute Abend nichts vor«, gebe ich zu, und er bleibt wieder stehen. »Du kannst ruhig vorbeikommen«, höre ich mich mit leiser Stimme sagen. In meinem Kopf dreht sich alles. Was mache ich jetzt bloß? Was soll ich ihm sagen, wenn er vorbeikommt und überall Fotos von einer perfekten weißen Familie sieht, auf denen ich nirgendwo zu sehen bin? Dass ich adoptiert bin, und sie sich meinetwegen schämen?

Also bitte. Du hast dir das Haus den Sommer über gemietet. Du bist so eine reiche Bitch, dass du am liebsten allein Urlaub machst.

Das klingt lächerlich. Welche Einundzwanzigjährige will schon allein Urlaub machen? Ich muss die Fotos wegräumen. Gott sei Dank hängen keine an den Wänden. Ich kann sie einfach … in einer Schublade verstecken und so tun, als wohnte ich dort. Ich muss mir nur noch eine Ausrede ausdenken, warum ich in diesem riesigen Haus ganz allein wohne, aber darüber mache ich mir später Gedanken.

»Bist du sicher?«, fragt er vorsichtig.

»Ja, klar. Sagen wir um neun?« Ich lächle ihn an und versuche die Schmetterlinge in meinem Bauch zu ignorieren. »Komm nicht zu spät.«

Kapitel 2

Lucy

Ich renne durchs Haus und entferne alle persönlichen Gegenstände der Familie, die dieses Ungetüm aus Chrom und Glas sonst bewohnt. Was nicht fest verschraubt ist, verschwindet in einer Kiste aus der Garage, die ich im Flurschrank verstaue.

Glücklicherweise gibt es im Untergeschoss nicht viele Fotos von der Familie im Wohnzimmer. Und nichts ist fest angeschraubt. Glück gehabt!

Um acht Uhr ruft meine Mutter an, aber ich ignoriere sie. Fünf Minuten später klingelt das Telefon wieder. Und noch einmal nach weiteren fünf Minuten. Um Viertel nach acht nehme ich endlich den Hörer ab.

»Ich bin beschäftigt«, sage ich als Erstes. Ich wühle mich gerade durch meine Klamotten, die ich fürs Housesitting mitgebracht habe, um etwas zu finden, um Mr. GQ zu beeindrucken.

Aber ich habe nichts, das ihn umhauen könnte. Meine Klamotten sind billig und meist ziemlich langweilig.

»Du kannst gar nicht zu beschäftigt sein, um mit mir zu reden«, sagt sie streng. Oder vielmehr stocksauer. Meine Mutter hat mich mit eiserner Hand erzogen, und ich ließ es mir gefallen. »Ich habe nichts von dir gehört.«

Ich verdrehe die Augen. »Wir haben doch erst vor zwei Tagen miteinander gesprochen. Und gestern Morgen habe ich dir eine Nachricht geschickt.«

Sie schnaubt verächtlich, wie es so ihre Art ist. »Du meldest dich bitte jeden Tag bei mir, mija. So wie wir es vereinbart haben.«

Ich verdrehe die Augen noch mal. Sie behandelt mich wie ein Kind statt wie eine verdammte erwachsene Frau, was ich nun einmal mit einundzwanzig bin. »Tut mir leid, Mama.«

»Hm, höre ich da etwa Sarkasmus in deiner Stimme? Ich weiß, dass du es für unnötig hältst, dich regelmäßig bei mir zu melden, aber du bist ganz allein in dieser Gegend und zum ersten Mal von zu Hause weg.« Sie schnieft zur Sicherheit ein bisschen, als ob sie gleich losheulen müsste.

Na klar.

»Das ist eine bewachte Wohnanlage«, betone ich. »Voller reicher Leute, die sich keinen Deut um mich scheren.« Was auch stimmt, mit Ausnahme des Jungen von nebenan, der mich beobachtet hat.

»Wenn dich einer mal genau ansieht, dann schert der sich ganz sicher um dich!« Sie kann Gedanken lesen. »Mein hübsches Mädchen ist ganz allein, und niemand kann es beschützen. Ich kenne diese Typen. Ich habe schon oft genug für reiche Leute gearbeitet, um zu wissen, wie die sich benehmen. Genau wie ihre Väter, die auch alle nichts taugen!«

Ich muss an meinen Mr. GQ denken. Den würde Mama sicher auch für so einen perversen Tunichtgut halten. Aber er war nett. Verdammt attraktiv. Und ich fand es toll, wie er mich ansah. Meiner Mutter hätte es allerdings nicht so sehr gefallen.

»Ich flirte nicht mit reichen Jungs«, versichere ich ihr, was nicht ganz falsch ist, denn er hat mit mir geflirtet. »Tagsüber bleibe ich in der Nähe des Hauses, schwimme, sonne mich und lese.« Und ziehe für den Nachbarsjungen eine kleine Show ab.

»Klingt langweilig.«

»Du hast doch gerade gesagt, dass ich auf mich aufpassen soll«, betone ich. »Ich gehe nicht viel aus und begebe mich nicht in Gefahr. Wenn ich da nicht auf Nummer sicher gehe!«

»Also, sicher und langweilig sind zwei Paar Schuhe, Lucy. Und bei dir ist es eindeutig Letzteres.« Sie hält lange genug inne, damit ich mich über ihre Worte ärgern kann, ehe sie fortfährt. »Du solltest mal zum Strand gehen! Einen Kunstkurs belegen! Gibt es denn keine Sommerkurse an der Universität?«

»Mama!« Ich würge sie ab und schaue auf die Uhr. Ich muss Schluss machen und überlegen, was ich anziehe, bevor mein Date aufkreuzt. »Ich will den Sommer über freihaben, weißt du noch? Und ich verdiene gerade viel Geld, sodass ich erst einmal versorgt bin, wenn die Uni im Herbst wieder anfängt.«

Ab dem nächsten Semester bin ich dann auf mich gestellt. Nach drei Jahren College in der Nähe unseres Wohnortes wechsle ich jetzt an die Santa Augustina State University. Zwei oder drei Jahr noch, dann habe ich meinen Bachelor und finde hoffentlich einen guten Job.

Ich habe einige Stipendien bekommen und etwas Geld gespart. Ich möchte kein Studentendarlehen in Anspruch nehmen, aber vielleicht brauche ich das doch. Deshalb arbeite ich nun als Housesitterin. Dafür kriege ich wahnsinnig viel Geld und muss kaum was tun.

Mama seufzt. »Es gefällt mir einfach nicht, dass du so weit weg bist. Es macht mir Angst.«

»Und aus Angst sagst du dann widersprüchliche Dinge«, füge ich hinzu. »Ich muss jetzt los. Ich rufe dich morgen an, okay?«

»Wo gehst du denn um diese Uhrzeit noch hin?«, fragt mich meine Mutter mit schriller Stimme.

»Es ist nicht mal neun, und ich gehe nirgendwohin.« Oh Scheiße, ich kann ihr ja schlecht sagen, dass ich Gabe erwarte. »Gleich kommt noch wer vorbei.« Oh nein, nun habe ich zumindest verraten, dass ich Besuch kriege.

»Wer ist es denn? Gerade hast du doch noch gesagt, dass du die ganze Zeit allein zu Hause hockst.«

»Hm, sie heißt … Gabby.« Ach Mensch! Jetzt belüge ich meine Mutter auch noch. Und nenne ihn Gabby, wie lächerlich. »Sie verbringt den Sommer nebenan mit ihrer Familie.«

»Und wie alt ist dieses reiche Mädchen? Lass dich bloß nicht runtermachen, mija.« Sie meint es gut mit ihren Ratschlägen, aber trotzdem tut es weh. Ich finde eigentlich nicht, dass alle nur die Nase über uns rümpfen. Doch wenn sie so was sagt, dann schwups! fühle ich mich gleich mies und irgendwie unsicher.

Ätzend.

»Sie ist ungefähr so alt wie ich.« Ich habe keine Ahnung, wie alt Mr. GQ ist. Wahrscheinlich auch Anfang zwanzig. »Und sie ist echt nett. Sie wird mich schon nicht wie eine Hausangestellte oder so was behandeln, Mama.«

»Gut, wenn sie nämlich herausfindet, dass du eine bist …«

»Ich bin keine Hausangestellte, Mama. Ich passe nur auf das Haus auf. Das ist ein großer Unterschied«, sage ich mit gepresster Stimme. Ich finde es ätzend, wenn sie mich kleinmacht. Wenn sie sich selbst kleinmacht. »Mama, wir müssen uns wegen unserer Jobs nicht schämen. Du arbeitest hart. Das ist keine Schande.«

»Nur für dich arbeite ich so viel. Alles, was ich in meinen beiden Jobs verdiene, jeden Cent, lege ich für dich zur Seite, Luciana.« Okay, jetzt hat sie auch noch meinen vollen Namen ausgesprochen, nur damit ich mich schuldig fühle.

Und es hat funktioniert, wie immer.

»Ich weiß, Mama.« Meine Kehle schnürt sich zu, und ich muss mich räuspern. »Ich rufe dich morgen an«, sage ich und lege auf, bevor sie mich noch weitere zwanzig Minuten vollquatscht. Ich darf keine Zeit verlieren.

Ich muss mich für einen Jungen in Schale werfen. Und habe keine Ahnung, was ich anziehen soll.

Gabe

Ich klingle. Lehne mich praktisch gegen den Knopf, und es hört gar nicht auf zu klingeln, melodisch wie so ein verdammtes Glockenspiel. Ich gluckse vor mich hin, schiebe die Hände in den Bund meiner Badehose und lege den Kopf in den Nacken, um das Vordach zu betrachten.

Aber davon wird mir schwindelig, also lasse ich es wieder.

Sie macht nicht auf, und ich frage mich, ob sie sauer ist, weil ich zu spät dran bin. Aber auch sonst kommt keiner an die Tür, obwohl es in einem Haus dieser Größe doch bestimmt ein bis fünf Bedienstete gibt. Ich trete näher an die durchsichtige Glastür heran, drinnen bewegt sich allerdings nichts.

Ich bin total enttäuscht. Das schönste Mädchen der Welt mit dem heißesten Arsch, den ich noch nie begrapschen durfte, serviert mich ab? No fucking way! Sie war mein einziger Lichtblick bei diesem beschissenen Abendessen im Country Club, vor dem ich mich einfach nicht drücken konnte. Mom war von einer dieser reichen Bitches eingeladen worden, die sie am Strand kennengelernt hatte, und ehe ich michs versah, mussten wir alle mitgehen.

Da war noch ein Mädchen. Etwa in meinem Alter mit toller blonder Mähne, Selbstbräuner-Haut und schönen blauen Augen. Die Tochter dieser neuen »Freundin« meiner Mutter. Ich musste neben ihr sitzen, Small Talk machen und so tun, als sei ich an ihr interessiert.

Aber ich konnte nur an Lucy denken. An die hübsche kleine Lucy mit dem Bikini, der ihr Fahrgestell kaum bedeckte, und dem hinreißenden Lächeln, das mich blendete. Und dann ihre süße, freche Art. Sie ist der Hammer.

Ich fahre mir mit einer Hand durchs Gesicht, stemme sie in die Hüften und überlege, was ich tun soll. Ich weiß, dass ich viel zu spät dran bin, obwohl sie mich ausdrücklich gebeten hat, pünktlich zu sein. Sie ist wahrscheinlich angepisst, aber verdammt, was sollte ich denn machen? Ich habe ja noch nicht einmal ihre Handynummer.

Das muss ich ändern. Sofort.

Als Klingeln nichts nützt, klopfe ich an die Tür. Soll heißen, ich hämmere unaufhörlich dagegen. Ich bin nervig. Und angetrunken. Okay, vielleicht nur beschwipst. Aber alles ganz harmlos. Ich brauchte ein paar Bier und ein paar Tequila-Shots, um dieses Scheiß-Abendessen durchzustehen. Und jetzt will ich Lucy sehen. Ich will sie unbedingt treffen und mich bei ihr entschuldigen. Ich will es wiedergutmachen, egal wie.

Ich kann alles Mögliche erzählen, warum ich hier zu spät aufkreuze …

Da öffnet sich die riesige Eingangstür, und mich empfängt eisige Stille. In dem riesigen Foyer sieht Lucy ziemlich klein aus, die Arme vor der Brust verschränkt, das Kinn trotzig gereckt. Ihre Haare fallen in schimmernden schwarzen Locken über ihre Schultern. Sie trägt ein knallrotes T-Shirt und kurze weiße Shorts.

Megakurze Shorts. Die ihre Oberschenkel zur Geltung bringen, die ich so gerne berühren möchte, während ich ihre Beine spreize …

Lass die dreckigen Gedanken, du perverses Arschloch! Konzentrier dich lieber!

»Du bist spät dran«, sagt sie und klingt enttäuscht.

Das ist schlimmer als wütend. Mit Wut kann ich umgehen. Da lass ich immer meinen Charme spielen. Aber mit Enttäuschung?

Damit ist es nicht ganz so leicht.

»Es tut mir leid, hm, ich musste meine Eltern zu einem Abendessen begleiten, und es hat länger gedauert als gedacht.« Ich streiche mir mit der Hand übers Kinn, und mir wird etwas schwindlig. Sicher von dem Bier und den zwei Tequila-Shots, die ich vorher getrunken habe. Blöd.

Richtig, richtig blöd.

Sie mustert mich von oben bis unten; ihr Blick wandert von meinem Brustkorb über meinen Bauch bis zu meinen Beinen. Meinen Beinen in Badehose. »Willst du schwimmen gehen?«

»Du hast doch sicher einen Whirlpool, oder?« Ich lächle sie an. Gewinnend. Sonst schmelzen die Mädels dabei immer dahin, aber dieses Mal scheint es nicht zu funktionieren. Ich hab’s vermasselt.

»Ja, schon«, sagt sie, und jetzt zögere ich nicht länger. Ich lasse ihr keine Gelegenheit, Nein zu sagen oder mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

Ich dränge mich an ihr vorbei. Erstaunt weicht sie zurück, und ich schließe die Tür hinter mir. Mit leisem Klicken fällt sie ins Schloss. Dann drehe ich mich um und lächle sie an, fahre mir mit den Fingern durchs Haar und schaue mich um. »Mensch, nach dem Abend wäre ein schönes langes Bad im Whirlpool einfach himmlisch.« Ganz zu schweigen von einem hübschen Mädchen, das dabei neben mir sitzt.

Das sage ich natürlich nicht. Sie wirft mir einen Blick zu, und ich weiß, dass ich es mir damit bei ihr verderben könnte.

»Du möchtest in den Whirlpool?« Sie blickt zwischen der Eingangstür und mir hin und her. »Äh, ich habe keinen Badeanzug an.«

»Dann hol dir doch einen.« Ich grinse sie an. »Es sei denn, du willst nackt reinsteigen.«

Entsetzt sieht sie mich an. »Wohl kaum.«

Mist.

Ich durchquere das Haus Richtung Garten, auf der Suche nach dem Whirlpool. Lucy folgt mir, und in dem sonst so stillen Haus sind nur ihre Flipflops zu hören. Ich frage mich, warum ein Mädchen in ihrem Alter in so einem riesigen, kalten Haus allein wohnt. Es muss ihren Eltern gehören, aber wo sind sie? Ich beobachte sie schon seit Tagen, außer ihr selbst habe ich allerdings noch niemanden gesehen.

»Möchtest du was trinken?«, fragt sie etwas atemlos.

Ich verlangsame meinen Schritt. Sie ist so viel kleiner als ich, dass sie wahrscheinlich fast rennen muss, um mit mir mitzuhalten. »Nein, danke.« Ich schaue sie über meine Schulter hinweg an. »Holst du jetzt deinen Badeanzug, oder was?«

Sie sieht mich an, als wir die Küche betreten. »Du bist ganz schön dominant.«

Ich glaube, das hat mir noch nie jemand gesagt. Ich bleibe neben der riesigen Kücheninsel stehen und drehe mich zu ihr um. »Diese Küche ist ja riesig. Kochst du gern?«

»Äh, …« Sie wirkt unsicher.

»Natürlich nicht. Ihr habt sicher einen Koch.« Ich sehe mich um. Die Küche ist makellos. Edelstahlarmaturen, Arbeitsplatten aus Marmor, alles riecht frisch und sauber. »Ist das Personal in Urlaub?«

Sie macht einen Schritt auf mich zu und hüllt mich in ihren Duft ein, der, verdammt, keine Ahnung einfach atemberaubend ist. »Lass uns nach draußen gehen«, schlägt sie lächelnd vor.

Ich gehe hinter ihr her und bewundere, wie sie in ihren weißen Shorts mit dem Hintern wackelt und mir über die Schulter hinweg einen vorsichtigen Blick zuwirft. Oh, sie ist so heiß. Hübsch. Sexy. Etwas schüchtern, worauf ich sonst nicht so stehe. Ich mag es, wenn Mädels fordernd sind und gerne flirten und kichern und albern sind. Ich mag auch keine zu klugen Mädchen, weil die direkt erkennen, dass ich ein Idiot bin, und meine Deckung auffliegt.

Also, ich bin nicht wirklich ein Idiot. Aber die Klugen durchschauen mich zu leicht. Sie merken sofort, dass ich im Leben nichts ernst nehme.

Ernsthaftigkeit kann ich mir nun mal nicht leisten.

Sie öffnet die große Verandatür, die in den Garten führt, und geht hinaus in die Nacht, verschwindet einen Augenblick lang in der dunklen Ecke der Terrasse. Ich will ihr gerade folgen, als der Whirlpool eingeschaltet wird: Das Wasser schäumt und blubbert und wird von innen angestrahlt, das Summen des Motors klingt beinahe beruhigend.

»Geh schon mal rein«, schlägt sie vor und schnappt sich ihren schwarzen Bikini von einer Wäschespinne in der Nähe des Whirlpools. »Ich ziehe mich nur eben um. Bin gleich zurück.«

Bevor ich antworten kann, verschwindet sie in eine kleine Kabine neben dem Pool und zieht die Tür fest hinter sich zu. Ich starre ihr hinterher und überlege, ob ich ihr folgen soll.

Ich wette, sie würde mich hochkant rauswerfen, wenn ich versuchen würde, die Tür aufzumachen, um einen Blick auf ihre nackte Haut zu werfen. Das kann ich also vergessen.

Ich ziehe mir mein T-Shirt über den Kopf und werfe es auf den Wäscheständer, von dem Lucy gerade ihren Bikini genommen hat. Ich streife meine Badeschuhe ab und steige in das heiße Wasser, das meine Knöchel und meine Waden umspült.

Oh Mann, tut das gut. Ich lasse mich ins Wasser gleiten, mache es mir auf der Bank bequem und strecke beide Arme links und rechts von mir aus. Ich lege den Kopf zurück und schaue in den Sternenhimmel.

Hoffnungsvolle, funkelnde Sterne, die sich fast über mich lustig zu machen scheinen, erinnern mich daran, wie sehr ich mir wünsche, selbst über meine Zukunft bestimmen zu dürfen. Aber daraus wird nichts, egal wie sehr ich es will. Ich werde tun müssen, was mein Vater von mir verlangt, ob ich es nun will oder nicht. Er hat getan, was sein Vater wollte, und mein Großvater hat getan, was sein Vater von ihm verlangt hat.

Das hat in der Familie Walker Tradition. Und ist ein Haufen Scheiße.

Ich höre eine Tür und drehe den Kopf, wobei ich ignoriere, dass mir davon ganz schwindelig wird. Lucy kommt auf mich zu, die Arme fast verlegen vor der Brust gekreuzt, was mich verwundert. Ist sie etwa unsicher? Sie, die sich jeden Tag am Pool rekelt und sich um nichts Sorgen machen muss? Was soll das?

Ich winke sie zu mir. »Komm her«, rufe ich.

Sie lächelt, geht auf die andere Seite des Whirlpools und steckt nur die Zehen ins Wasser. Zehen, deren Nägel leuchtend orange glänzen. Zehen, an denen ich saugen und lecken möchte …

»Das Wasser ist heiß«, sagt sie, aber das hält sie anscheinend nicht davon ab hineinzusteigen. Sie lässt sich hineingleiten, bis es ihr über die Schultern reicht. Die wenigen Zentimeter, die sie von mir entfernt sitzt, kommen mir wie Meter vor.

»Schön!« Ich mustere sie weiter. Unsicher zupft sie an ihrem Bikinioberteil herum, das kaum ihren Busen verdeckt. »Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Ich musste mit meinen Eltern und deren Freunden zu Abend essen.«

»Ist schon okay.« Sie zuckt mit den Schultern, als mache es ihr nichts mehr aus, was schon mal ein gutes Zeichen ist. Die meisten Mädchen wollen in so einem Fall meist, dass man um Gnade winselt oder den Lapsus irgendwie wiedergutmacht. Gewöhnlich mit einem teuren Geschenk oder einer weiteren Verabredung. »Wie war das Abendessen?«

Ich verziehe das Gesicht. »Schrecklich. Ich versteh mich nicht besonders gut mit meinen Eltern.«

»Meine Mutter macht mich oft auch wahnsinnig.«

»Genau. Bei mir sind es beide Elternteile.« Ich lehne den Kopf wieder an den Rand und beobachte die Sterne. »Meine Mutter ist penetrant. Wir sind mit dieser anderen Familie essen gegangen, die sie gerade erst kennengelernt hat. Sie haben eine Tochter, die ungefähr so alt ist wie ich.«

»Wie alt bist du denn?«, fragt Lucy.

»Einundzwanzig«, sage ich gen Himmel. »Meine Mutter wollte, dass ich mich mit dem Mädchen treffe.«

»Ach ja?« Sie klingt desinteressiert, und ich werfe ihr einen flüchtigen Blick zu. Sie beobachtet mich. Ich glaube, es gefällt ihr nicht, dass ich das gesagt habe. Das ist ein gutes Zeichen. Richtig gut. Es bedeutet nämlich, dass sie mich mag. Zumindest ein bisschen.

»Ja, ich tat also, als interessiere ich mich für sie, aber das tue ich gar nicht.« Ich schaue Lucy an, die mich anstarrt und etwas verwirrt aussieht. »Willst du wissen warum?«

»Warum?«

»Weil ich den ganzen Abend nur an …« Ich greife mit den Händen unter Wasser nach ihren weichen Waden und fahre mit den Fingern bis zu ihren Knöcheln runter, die ich leicht drücke … »dich denken konnte.«

Kapitel 3

Lucy

Seine langen Finger umschließen meinen Knöchel und ziehen mich gleichzeitig zu ihm hin, als er behauptet, den ganzen Abend nur an mich gedacht zu haben.

An mich. Er hat an mich gedacht.

Ich bin so geschockt, dass ich noch nicht einmal protestiere. Ich wäre fast mit dem Kopf untergetaucht, als er mich durch den Whirlpool zieht und ich in seinen Armen lande, sodass meine Arme ungewollt auf seinen landen. Ich sitze sozusagen rittlings auf ihm, seine Hände umschließen meine Taille und halten mich fest, sein Gesicht ist meinem ganz nah. Er lächelt mich an.

»Jetzt habe ich dich, wo ich dich haben wollte«, raunt er, und ich kann nur auf seine magischen Lippen starren. Sie sind wirklich magisch, so sanft und voll. Ich wette, er ist ein wahnsinnig guter Küsser. Nicht dass ich schon von vielen Jungs geküsst worden wäre. Ich habe durchaus schon mit ein paar Jungs rumgeknutscht, aber das ist lang her.

Zu lang, um ehrlich zu sein.

»Das war doch sicher alles nur ein Trick, um mich in deine Armen zu locken, oder?«, frage ich. Oder besser auf seinen Schoß. Ich weiß nicht wohin mit meinen Händen, also lege ich sie auf seine Schultern. Als ich seine Haut berühre, trifft es mich wie ein Blitz. Er ist warm und muskulös, seine Haut weich und feucht, und ich fahre mit meinen Händen über seine Schultern, bemerke, wie seine Augenlider schwer werden.

»Nein, das war kein Trick.« Er schüttelt bedächtig den Kopf, und seine Hände gleiten über meinen Rücken bis zum Bund meiner Bikinihose. Wahrscheinlich sehen meine Beine jetzt wie zwei fette Klumpen neben seinen Hüften aus. Und bestimmt habe ich Speckröllchen am Bauch, wenn ich so dasitze.

Doch er sieht mir nur ins Gesicht, vor allem auf meinen Mund. Er beachtet meine Beine und meinen Bauch gar nicht, und es sieht aus, als wolle er … mich küssen.

»Warum hast du es dann gesagt?«, frage ich und weiß eigentlich gar nicht, worauf ich hinauswill. Mein Gehirn funktioniert nicht mehr richtig in der Nähe von Mr. GQ. Wir haben uns noch nicht einmal richtig unterhalten, ich kenne ihn überhaupt nicht und sitze schon auf seinem Schoß. Mama würde mich als schamlos bezeichnen.

Vielleicht hätte sie damit sogar recht, aber das ist mir gerade egal.

»Du treibst mich schon seit Wochen zum Wahnsinn«, gesteht er und presst die Lippen auf meinen Hals.

Ich schließe die Augen. Oh Gott. Die Berührung seines Mundes ist federleicht, doch sie reicht aus: Eine siedend heiße Welle der Begierde erfasst meinen ganzen Körper. Seine Lippen sind feucht, sein Atem heiß, als er bedächtige, süße Küsse auf meine Haut niederregnen lässt. Ich klammere mich an ihn, meine Nägel vergraben sich in seinen harten Muskeln.

»W-was meinst du damit?« Meine Stimme zittert genau wie mein Körper. Seine Hände streicheln meinen Rücken, seine Finger spielen mit dem Verschluss meines Bikinioberteils, und es wäre ein absolut Leichtes für ihn, ihn zu öffnen.

Nicht, dass ich das will. Auf keinen Fall. Ich meine, ja, sein Mund auf meinem Hals und seine Hände auf meinem Körper sind einfach der Hammer, aber ich kenne den Typ ja gar nicht. Es geht mir alles zu schnell. Viiiiiel zu schnell.

Ich muss ihn bitten aufzuhören. Jetzt sofort.

»Gabe …« Mir stockt der Atem. Mit verhangenem Blick sieht er mich an, dann küsst er mich. Er beugt sich vor und lässt die Lippen auf den meinen ruhen, bringt mich zum Schweigen, sodass ich nicht anders kann, als seine Liebkosung zu erwidern. Ich kann ihm unmöglich widerstehen. Seine Lippen sind so weich, und er schmeckt so gut, wie ich es mir vorgestellt hatte. Nach Minze. Als hätte er kurz zuvor noch Kaugummi gekaut, aber ich schmecke auch ein wenig Alkohol. Tequila, wenn meine Geschmacksknospen gerade richtig funktionieren, was sie ganz bestimmt tun.

»Du hast es doch da am Pool auf mich abgesehen«, flüstert er. Sein heißer Atem lässt mich erschauern. »Mit deinem knappen Bikini hast du mich rasend gemacht. Ich habe mir mehr als einmal vorgestellt, ihn dir auszuziehen.«

»Wirklich?« Meine Stimme klingt atemlos. Ich bin atemlos. Seine Worte regen mein Kopfkino an. So was hätte ich mir sonst nie mit einem Fremden vorstellen können. One-Night-Stands sind nichts für mich. Außer Küssen und Fummeln ist bei mir nichts drin. Meine Mutter hat mir während der Schulzeit immer wieder eingetrichtert, dass ich auf keinen Fall schwanger werden durfte wie sie damals mit sechzehn, und hier hast du die Pille, Kind, und damit hat sie mir gehörig Angst eingejagt. Und wie.

Auf dem College musste ich rund um die Uhr arbeiten und konnte nur abends Vorlesungen belegen. Ich hatte keine Zeit für Dates. Das Thema Jungs gehörte der Vergangenheit an. Ich war so darauf getrimmt, meinen Abschluss zu machen und einen Platz an einer guten Universität zu ergattern, dass ich mich nicht von irgendwelchen Jungs abhalten ließ.

Mama hätte das auch gar nicht zugelassen.

Aber Mr. GQ Gabe ist verführerisch. Mehr als verführerisch, und ich schmiege mich an ihn und lasse zu, dass er mich immer wieder küsst. Seine Zunge neckt den Saum meiner Lippen, bevor sie in meinen Mund abtaucht.

Oh, zum Teufel, das kribbelt ja sogar in den Zehenspitzen.

»Ja, wirklich«, sagt er, löst sich von mir und mustert mich mit verhangenem Blick. Er wirkt … erschöpft. So wie ich. Schwindelig ist mir auch. Und ich habe vergessen, worüber wir gerade sprachen. »Ich habe von dir geträumt.«

»Hast du nicht«, entfährt es mir, und er gluckst leise vor sich hin.

»Habe ich doch.« Er grinst spitzbübisch. »Es waren schmutzige Träume, Lucy. Von tausend Varianten, dich zu ficken.«

Ich bin total geschockt. Ich spüre es zwischen den Beinen, wie einen Blitz, der meine Schenkel erzittern lässt. Ich sollte diese Unterhaltung jetzt beenden. Ich sollte, ich sollte, ich sollte. Ich spreche nicht mit einem Jungen über dessen schmutzige Fantasien, und schon gar nicht, wenn ich auf seinem Schoß sitze und er mich mit seinen Blicken fast verschlingt.

Natürlich hab ich so was noch nie erlebt. Ist alles komplettes Neuland für mich.

»Hör zu.« Ich nehme meine Hände von seinen Schultern und lasse meine Finger über seine steinharten Brustmuskeln wandern. Es überrascht mich, wie gut sich seine Haut unter meinen Händen anfühlt und dass meine Berührung ihm ein genüssliches, volltönendes Brummen entlockt. Verdammt. Ich muss mich konzentrieren. »Hm, ich glaube, wir müssen es etwas langsamer angehen …«

»Kein Problem«, sagt er sofort, aber seine Lippen sind meinen schon wieder gefährlich nah. »Nur noch ein Kuss, Lucy. Bitte.«

Er hört sich so süß an, wenn er bettelt. Seine Zunge fährt über meine Unterlippe, dann nimmt er sie zwischen seine Lippen und saugt daran. Oh nein. Ich falle zusammen wie ein Kartenhaus und neige den Kopf, als seine Hand meine Wange umfängt, seine Finger warm auf meiner Haut, seine Lippen heiß auf meinem Mund.

Dieser Kuss ist noch besser als der vorherige. Intensiv und heiß. Ich ertrinke. Seine Hand umfasst jetzt meinen Hinterkopf. Er zieht mich dichter zu sich heran, und ich lasse ihn gewähren, genieße das Gefühl seiner Finger in meinem Haar, seiner Zunge tief in mir, seiner anderen Hand auf meiner Hüfte unter der Bikinihose. Mir stockt der Atem. Seine Berührung schockiert mich.

Und noch schockierter bin ich darüber, wie sehr es mir gefällt.

Ich löse mich von ihm, und er lässt mich frei, sein Atem immer noch heiß auf meinen Lippen. Ich fahre mit dem Finger an seiner Unterlippe entlang, den Blick unverwandt auf diesen vollen Mund gerichtet, und sein Atem geht langsamer. Die Hand in meinem Haar wird schwer. So schwer, dass sie sich wie ein totes Gewicht auf meinem Hinterkopf anfühlt, und ich stoße einen leichten Schrei aus, als sein Kopf fast auf meinen fällt.

»Hey«, protestiere ich, aber er bewegt sich nicht. Ich neige den Kopf zur Seite, und seine Hand fällt mit einem lauten Platschen ins Wasser. Ich löse mich aus seinem Griff und sehe, dass er die Augen geschlossen hat und sein Mund offen steht.

Er schläft.

Er schläft, verdammt noch mal.

Ungläubig betrachte ich sein schönes Gesicht. Echt jetzt? Er schläft ein, während er mich küsst? Küsse ich so schlecht? Langweilt ihn das? Ich fasse es einfach nicht. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll. Ich kann ihn schließlich nicht einfach da sitzen lassen, womöglich würde er dann ertrinken.

Ich bin stocksauer. Sicher, er ist echt gut aussehend und küsst wie ein Gott. Und mit seinen Händen ist er auch ziemlich geschickt, aber hallo!

Trotzdem ist er eingeschlafen. So einen Bullshit hab ich echt noch nicht erlebt.

Ich beschließe, meinem Instinkt zu folgen. Also löse ich mich von ihm, kaue auf meiner Unterlippe herum, hebe die Hand und …

… haue ihm so fest ich kann eine runter.

Gabe

Was zum Teufel ist denn hier los?

Ich höre ein platschendes Geräusch und setze mich schnell hin. Lucy fällt von meinem Schoß runter und ins Wasser, wobei sie ganz untertaucht. Entsetzt beobachte ich, wie sie prustend wieder auftaucht. Wasser rinnt über ihr Gesicht, und sie schiebt sich das Haar aus den Augen.

Meine Wange tut höllisch weh. Ich berühre sie mit der Hand, leider zu fest, sodass ich das Gesicht vor Schmerz verziehe. Was zum Teufel ist passiert? Gerade habe ich sie noch geküsst. Sie berührt. Mich so daran erfreut. Sie hat mitgemacht. Ich mag die leichten Laute, die sie von sich gibt, wie ihr Körper sich an mich schmiegt, als ob sie mehr wolle, aber dann …

Bin ich irgendwie, keine Ahnung, abgedriftet? Jetzt funkelt sie mich jedenfalls an, als ob sie mich hasst wie die Pest. Und mein Gesicht fühlt sich an, als hätte mir ein Schwergewicht einen Kinnhaken verpasst.

»Hast du mich gerade geschlagen?«, frage ich sie ungläubig.

Der vernichtende Blick, den sie mir zuwirft, ist Antwort genug.

»Warum?« Bin ich zu weit gegangen? Ich habe versucht, so anständig wie möglich zu sein, aber Scheiße, mir brummt immer noch der Schädel. Und ich bin so müde. Das warme Wasser und der Alkohol machen mich irgendwie fertig. Nichts gegen die heiße Braut auf meinem Schoß, doch am liebsten würde ich jetzt schlafen …

»Du. Bist. Eingeschlafen.« Sie betont jedes einzelne Wort. Mist, sie ist stinksauer. Ich verstehe auch warum, kann mich allerdings nicht richtig konzentrieren.

»Kann nicht sein.« Ich setze mich gerade hin und streiche mir das nasse Haar aus der Stirn. Ich fasse es nicht. Ich habe sie gerade noch geküsst. Und heiß war es auch. Meine Hände ertasteten gerade noch ihren wunderschönen Körper, und der Kuss wurde gerade richtig gefährlich. Daran erinnere ich mich noch. Ich erinnere mich an alles …

Bis auf etwas … War ihr Kuss so gut, dass er mich umgehauen hat?

»Und ob das sein kann«, antwortet sie und steigt wie eine Göttin aus dem Wasser. Wassertropfen laufen in Zickzacklinien ihren Körper hinab, und ich möchte am liebsten jeden einzelnen ablecken. »Du solltest jetzt besser gehen.«

Ungläubig sehe ich zu, wie sie aus dem Whirlpool steigt, kann den Blick nicht von ihrem Hintern abwenden, der immer höher steigt, den ich streicheln und kneten und in den ich hineinbeißen möchte. Herrgott, was macht diese Frau nur mit mir?

»Warte mal einen Augenblick.« Ich springe sozusagen aus dem Whirlpool, renne hinter ihr her und bin total verblüfft, als sie sich umdreht und mir ein Handtuch in die Hand drückt. »Ich kann während dieses Kusses nicht eingeschlafen sein. Es hat mir viel zu viel Spaß gemacht.«

Ich könnte schwören, dass sie ganz rot wird, ansonsten allerdings nicht reagiert. Sie ist echt angepisst. »Bist du aber.« Sie rubbelt sich das Haar trocken und schlingt das türkisfarbene Handtuch fest um ihren Körper. Einen Körper, den ich so gern an allen möglichen Stellen berühren würde, doch dann würde sie mir die Finger abhacken. »Ich weiß, dass ich langweilig bin, aber dass es so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht. Tut mir leid, dich enttäuscht zu haben.«

»Aber was sagst du denn da? Ich finde dich nicht langweilig.« Ich schaue ihr hinterher, wie sie zu der Kabine geht, das Handtuch achtlos zu Boden wirft. Ich mustere ihren Po, ihre Beine, rüttele mich selbst im Geiste wach, um ihr nachzulaufen. »Du bist das Gegenteil von langweilig.«

Sie dreht sich um, bevor sie die Tür öffnet, und legt den Kopf in den Nacken, damit sie mich besser anschauen kann. Sie ist so klein. Aber dieser kleine Körper hat es so was von in sich, dass es mir schon wieder in den Fingern juckt. »Warum bist du dann eingeschlafen?«

»Ich kann gar nicht richtig glauben, dass mir das passiert ist …« Ich verstumme. Sie sieht aus, als wolle sie mir gleich an die Gurgel gehen. »Na gut«, stammele ich und suche verzweifelt nach Gründen. »Zu viel Bier, zu viele Tequila-Shots, der heiße Whirlpool, all das hat mich fertiggemacht, schätze ich.«

Lucy mustert mich, die dunklen Augen verengt, die Lippen geschürzt. Lippen, die ich noch vor wenigen Minuten so gern geküsst habe. Ich kann ehrlich nicht verstehen, wie ich einschlafen konnte. Wer tut so etwas?

Du, du Arschloch.

»Das ist die dämlichste Ausrede, die ich je gehört habe.« Sie dreht sich um, reißt die Kabinentür auf und verschwindet darin. Ich folge ihr auf dem Fuß und schaue hilflos zu, wie sie ihr rotes T-Shirt wieder überstreift, die weißen Shorts jedoch nicht. Ich bin megaenttäuscht, dass ich ihre perfekten Titten jetzt nicht mehr sehen kann. Und noch enttäuschter bin ich, dass ich sie noch nicht mal angefasst habe.

»Das ist die einzige Erklärung, die ich habe«, sage ich wahrheitsgemäß. Wie lange habe ich wohl geschlafen? Eine Minute? Zwei? Drei? Das kann sie mir doch verzeihen, oder nicht? Die Chemie zwischen uns hat so gut gestimmt. Dieser Kuss war einfach … wow, genauso gigantisch wie ihr Körper, der meinem so nah war. Ich will ihn riechen, schmecken, ihn erkunden. Schließlich habe ich diesen Sommer sowieso nichts anderes zu tun.

Sie ist die perfekte Ablenkung.

»Na ja, jedenfalls war es schrecklich.« Sie reckt das Kinn, schnieft und sieht dabei aus wie die hochmütige Prinzessin, die sie sicher auch ist. »Ich möchte, dass du gehst. Der heutige Abend war für mich peinlich genug.«

Ah, ich habe ihren Stolz verletzt. Ginge mir ja genauso, wenn ein Mädchen einschliefe, während ich es gerade küsse. Aber wenn sie etwas betrunken gewesen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich drüber gelacht und es ganz süß gefunden.

Aber Lucy hält mich nicht für süß. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es vermasselt habe.

Und zwar so was von.

»Lass es mich wiedergutmachen«, versuche ich es ein letztes Mal. Sie tritt näher an mich heran, und ihre Hand berührt meine Brust. Hoffnung keimt in mir auf, aber dann stößt sie mich heftig von sich, und ich stolpere rückwärts aus der Umkleidekabine.

Verdammt, hat die Kraft!

»Nein«, sagt sie und zieht die Tür dabei zu.

»Ich führe dich morgen aus, ins Restaurant, ins Kino, wohin du willst.« Verdammt, ich würde sogar für sie kochen, doch die einzigen Rezepte, die ich beherrsche, sind überbackenes Käsesandwich und Käse-Tortillas, was ungefähr das Gleiche ist.

Sie schüttelt sehr energisch den Kopf. »Nein, danke.«

»Dann lass uns doch morgen gemeinsam zum Strand gehen. Uns sonnen und uns in die Wellen schmeißen.« Was für eine kitschige Scheiße. Ich komme mir vor wie ein Arschloch, das um Gnade bettelt. Oh, verdammt! Ich habe noch nie um etwas gebettelt. Jedenfalls nicht bei Mädels. Hatte ich nie nötig.

»Ich glaube kaum.« Hat sie gezögert? Nee, hat sie nicht. Die ist hart wie Stein und hat dabei einen so sinnlichen Körper, dass mir schon vom Hinsehen ganz schwindelig wird.

Ich räuspere mich und unternehme noch einen Versuch. »Lucy …«

Sie deutet auf die Haustür. Ich sollte mich also jetzt schleunigst vom Acker machen. »Bis dann mal, Gabe.«

Ich nicke kurz, und mit buchstäblich eingezogenem Schwanz ziehe ich wie ein geprügelter Hund ab.

Kapitel 4

Gabe

»Du hast was getan?« Shep lacht sich kaputt.

Dieser Wichser.

Ich lasse den Kopf hängen, presse die Lippen aufeinander und würde am liebsten auflegen. Wie konnte ich nur so blöd sein, meinem besten Freund zu erzählen, was gestern Abend passiert ist? Eigentlich war mir doch von vornherein klar, dass ich für alle Zeiten erledigt war, wenn Shep und Tristan davon hörten.

Und doch schütte ich ihm in puncto Lucy jetzt mein Herz aus.

»Hast schon richtig verstanden«, knurre ich ins Telefon und komme mir wie ein Arschloch vor. Obwohl ja eigentlich Shep das Arschloch ist. »Ja, du hast bei Jade doch auch jede Menge Mist gebaut, also hör auf, mich zu piesacken.«

»Schon, aber ich bin nicht mittendrin eingepennt«, betont Shep und kann sich das Lachen nicht verkneifen. »Das ist einfach so geil. Du kannst froh sein, dass sie dir nur ins Gesicht geschlagen hat. Sie hätte dir in die Eier treten sollen.«

»Gott sei Dank hat sie das gelassen«, murmle ich und reibe mir das Kinn. Ich liege im Bett, es ist fast Mittag, und ich bin noch nicht einmal aufgestanden. Wozu auch? Der gestrige Abend war eine herbe Enttäuschung. Lucy hasst mich, ich habe fürchterlich geschlafen und tierisches Kopfdröhnen vom Kater.

Mit anderen Worten: Ich fühle mich wie ein Stück Scheiße.

»Such dir einfach ’ne Neue«, schlägt Shep vergnügt vor und klingt sorglos wie immer. Er hat leicht reden. Er schläft gerade mit der heißesten Rothaarigen, die ich je gesehen habe, die seine Scheiße auch noch toleriert. Und Shep macht eine Menge Scheiße.

Außerdem ist er total verrückt nach Jade und sie nach ihm. Irre. Ich hätte nie geglaubt, dass der obercoole Shep, dieses Tier, sich in ein Mädchen verknallt und ihm so lange hinterherläuft, bis er es rumgekriegt hat.

»Ja, du hast wahrscheinlich recht«, sage ich unwillig, obwohl ich kein Wort davon ernst meine. Verdammt, ich fahre immer noch total auf sie ab. Wenn irgendein anderes Mädchen mir eine runtergehauen hätte, dann hätte ich mich gleich verpisst. So eine Scheiße kann doch eigentlich keiner brauchen, oder?

Jade hat Shep auch mal eine runtergehauen, und er ist ihr weiter wie ein Dackel hinterhergelaufen. Vielleicht haben wir ja beide eine perverse Ader und interessieren uns nur für Mädels, die uns schlagen.

Der Gedanke macht mich ganz nervös.

»Wie läuft’s denn sonst so? Hast du schon die Nase voll?«, fragt Shep.

»Das hatte ich schon, als ich hier ankam.« Familienurlaube sind das Schlimmste überhaupt. Wir müssen alle parieren, auch wenn wir nicht wollen. Sydney hat vor ein paar Jahren versucht, dem zu entkommen, indem sie an einem Cheerleader-Camp teilnahm. Sie durfte.

Aber ratet mal, wer im darauffolgenden Jahr auf das Camp verzichten musste? Für einen beschissenen Familienurlaub in Paris.

Okay, ich klinge wie ein verwöhntes Kind, das sich über einen Urlaub in Paris aufregt, aber ich war achtzehn und Sydney fünfzehn, und wir fanden es ätzend. Ständig unter der Fuchtel unserer Eltern konnten wir uns keine Sekunde amüsieren. Obwohl ich mich einmal verdrückt habe und mir von der Französin, die ich in einem Café kennengelernt habe, einen auf der Toilette habe blasen lassen.

Ja, das sind schöne Erinnerungen. Irgendwie. Ich stelle mir vor, wie Lucy vor mir kniet, die Hände am Bund meiner Shorts, kurz bevor sie diese herunterzieht und mein harter Schwanz ihr direkt in den Mund springt …

»Geh an den Strand. Guck dir die heißen Mädels an«, schlägt Shep vor und reißt mich damit aus meinen schmutzigen Fantasien. »Such dir eine hübsche Braut, flirte mit ihr und schlag dir die Tussi aus dem Kopf. So toll kann sie nicht gewesen sein, wenn du eingepennt bist. Mitten im Kuss.«

Ich zucke zusammen. Lucy ist durchaus hübsch. Und cool scheint sie auch zu sein. Ich kenne sie noch nicht allzu gut, doch ich hatte das Gefühl, dass da etwas hätte laufen können. Und bei diesem heißen Kuss hätte es sogar was Größeres sein können.

Aber es sollte wohl nicht sein.

»Ja, ich gehe zum Strand«, antworte ich, weil Shep das wohl hören will. »Und such mir ’nen heißen Feger.«

»Du findest schon wen. Ich meine, du bist immerhin Gabe Walker, Mann. Du brauchst doch eine Braut nur anzusehen, und schon fängt sie an zu zittern und wird rot«, sagt Shep ermutigend.

»Ich glaube, du verwechselst mich mit dir selbst.« Eigentlich braucht nämlich Shep die Mädels nur anzusehen, damit sie ausrasten. Und Tristan wollen sie festnageln, weil er immer so launisch und knurrig ist.

Ich? Ich habe keine Probleme mit Mädchen, aber ich bin nicht wie meine Kumpels. Und jetzt befürchte ich insgeheim, ein Loser zu sein, weil ich verdammt noch mal eingeschlafen bin, während ich eine heiße Braut geküsst habe.

Ich fasse es immer noch nicht.

»Amüsier dich. Und mach dir wegen der Kleinen keinen Kopf. Andere Mütter haben auch schöne Töchter.« Shep senkt die Stimme. »Verdammt, ich hoffe, Jade hat das gerade nicht gehört. Muss jetzt Schluss machen. Bis bald, G.« Er legt auf, bevor ich noch was sagen kann.

Ich kann mich nicht für immer im Bett verkriechen, also stehe ich auf und gehe ins Bad, hole mir einen runter und schlurfe dann nach unten. Meine Schwester sitzt an der Küchentheke und isst Kartoffelchips, die sie in eine dickflüssige Ranchsoße tunkt.

»Soll das dein Frühstück sein?«, frage ich sie und schnappe ihr einen Kartoffelchip aus der Hand, dippe ihn in die Soße und werfe ihn mir in den Mund.