Macht der Sehnsucht - Cheryl Biggs - E-Book

Macht der Sehnsucht E-Book

Cheryl Biggs

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Beschreibung

Im Widerstreit der Gefühle

Sieben Jahre ist es her, dass Travis Braggette Suzanne vor dem Altar stehengelassen hat. Doch als Suzanne ihn nun wiedersieht, erkennt sie, dass ihr Herz ihn nicht vergessen hat. Und auch Travis spürt, wie die alte Leidenschaft wieder in ihm erwacht.

Genau wie früher fühlen beide sich unwiderstehlich zueinander hingezogen, doch Suzanne hat Travis noch nicht verziehen - und Travis will sich noch immer nicht ein Leben lang an eine Frau binden ...

***

Ein historischer Liebesroman aus den Südstaaten der USA im 19. Jahrhundert. Jeder Roman der Südstaaten-Saga ist in sich abgeschlossen und erzählt von anderen Familienmitgliedern des Braggette-Clans - doch eines ist ihnen allen gemeinsam: Starke Schönheiten treffen auf verwegene Verführer, und ihre leidenschaftlichen Abenteuer lassen Ihr Herz höherschlagen!

Band 1: Glück deiner Liebe. * Band 2: Macht der Sehnsucht. * Band 3: Aufruhr der Herzen. * Band 4: Sturm der Gefühle.

Diese romantische Liebesgeschichte ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Die Macht der Sehnsucht" erschienen.

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Seitenzahl: 411

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

1

Virginia City, Nevada Frühjahr 1862

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Über dieses Buch

Sieben Jahre ist es her, dass Travis Braggette Suzanne vor dem Altar stehengelassen hat. Doch als Suzanne ihn nun wiedersieht, erkennt sie, dass ihr Herz ihn nicht vergessen hat. Und auch Travis spürt, wie die alte Leidenschaft wieder in ihm erwacht.

Genau wie früher fühlen beide sich unwiderstehlich zueinander hingezogen, doch Suzanne hat Travis noch nicht verziehen – und Travis will sich noch immer nicht ein Leben lang an eine Frau binden …

Ein historischer Liebesroman aus den Südstaaten der USA im 19. Jahrhundert. Jeder Roman der Südstaaten-Saga ist in sich abgeschlossen und erzählt von anderen Familienmitgliedern des Braggette-Clans – doch eines ist ihnen allen gemeinsam: Starke Schönheiten treffen auf verwegene Verführer, und ihre leidenschaftlichen Abenteuer lassen Ihr Herz höherschlagen!

Diese romantische Liebesgeschichte ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel »Die Macht der Sehnsucht« erschienen.

Über die Autorin

Cheryl Biggs liebt Cowboyserien und Western seit ihrer Kindheit. Die passionierte Reiterin lebt mit ihrem Mann, den fünf Katzen Dooby, Dusty, Dolly, Mikey und Lil’ Girl sowie mit Hund Lady am Fuß des Mount Diablo, Kalifornien.

Cheryl Biggs

Macht der Sehnsucht

Aus dem amerikanischen Englisch von Bettina Albrod

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1994 by Cheryl BiggsPublished by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY USATitel der amerikanischen Originalausgabe: Hearts Denied

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Titel der deutschen Erstausgabe: Die Macht der Sehnsucht

Covergestaltung: © Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung von Istock.com: Ifistand | hotdamnstock.com

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt

ISBN 978-3-7325-4559-9

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Dieses Buch ist meinen Eltern gewidmet, weil sie mich fast jeden Sommer meines Teenagerlebens in die alte Minenstadt Virginia City geschleppt haben und weil sie mich immer bei allem unterstützt haben, was ich getan habe oder tun wollte.

Und Philip Earl, Kurator der Nevada Historical Society, weil er mir so freundlich und geduldig dabei geholfen hat, Informationen über das Leben der Ritter zu suchen, sowie Lee Mortensen, Bibliothekarin der Nevada Historical Society, die ebenfalls geholfen hat.

Ich danke den Damen der Bibliothek von Carson City, Nevada, dafür, dass sie so hilfsbereit waren und alle Unterlagen schon bereitgelegt hatten, als ich erschien.

Ich danke den Bürgern von Virginia City – den früheren wie den gegenwärtigen –, weil sie so ein faszinierendes Stück Geschichte geschaffen und tradiert haben.

Und wie immer Dank an Jack, weil er mich zurückgenommen hat und die alte Dame auf dem Berg genauso genossen hat wie ich. Ich liebe dich.

1

Virginia City, NevadaFrühjahr 1862

»Ich habe es dir doch gesagt, Charlie, ich bin kein Vereinsmensch«, erklärte Travis. Er zog eine goldene Uhr aus der silberverbrämten Tasche seiner Weste, ließ den Deckel aufschnappen und betrachtete die römischen Ziffern, die auf das Zifferblatt gemalt waren.

»Richter Terry ist nicht allzu glücklich, dass du ...« Charles Mellroy sah sich nach beiden Seiten um, um sicherzustellen, dass sie nicht belauscht wurden, trank den Rest seines Whiskys aus und knallte das Glas auf den Tisch. »... dass du nach wie vor seine Einladungen ablehnst, am Ritter-Treffen teilzunehmen, Travis.«

»Dann sollte er vielleicht aufhören, mich immer zu fragen.« Travis ließ den Deckel der Taschenuhr zuschnappen und steckte sie wieder in die Westentasche. Dann zog er an den Aufschlägen seines schwarzen, eng geschnittenen Rockes, der sich zur Taille hin verjüngte, zupfte sich die weißen Manschetten zurecht und warf einen Blick in den großen, goldgerahmten Spiegel über der Bar. Er rückte seine schwarze Krawatte gerade und strich sich die schwarzen, welligen Haare glatt. Er war bereit. »Der Süden hat meine Unterstützung, Charlie, und David weiß das. Ich sehe die Dinge einfach nicht so wie er. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich treffe mich mit jemandem, der mit der Postkutsche kommt.«

Travis trat durch die Schwingtüren des Mountain Queen auf die überdachte Veranda hinaus. »Wo zum Teufel bleibt die Postkutsche?«

Er trat an den Rand des Bürgersteiges und sah die Straße hinunter, die zweite der beiden offiziellen Hauptstraßen von Virginia City. Es herrschte reger Betrieb, denn eine Schicht in den Minen war gerade zu Ende, und die Arbeiter schwärmten über die Straße und verteilten sich auf das Dutzend Saloons, die den engen Weg säumten. Andere, deren Arbeit erst begann, verließen die Frühstücks-Gaststätten und Pensionen und trotteten auf die Mineneingänge zu, deren Gänge direkt hinter den Häusern begannen, in denen sie wohnten. Lastpferde und Reittiere waren überall vor den Häusern festgebunden.

Ein Blitzen von Grün auf der gegenüberliegenden Seite weckte Travis’ Aufmerksamkeit. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als er die Frau aus dem Schatten des überhängenden Daches treten sah. In der Sonne nahmen das Smaragdgrün ihres Kleides und die schwarze Borte, mit der es verziert war, noch eine intensivere Farbe an. Die langen Strähnen ihres kastanienfarbenen Haares waren mit grünen und schwarzen Bändern durchflochten und fielen ihr in einer Kaskade von Locken auf die Schultern und den Rücken, so dass der Blick des Betrachters auf ihren gewagten Ausschnitt und die üppige Schwellung ihrer goldenen Brüste gelenkt wurde. Und genau das war auch Magnolias Absicht.

Sie warf ihm eine Kusshand zu und lachte. Der raue, tiefe Laut schwebte über den Lärm der Straße, der zur täglichen Routine gehörte, zu ihm herüber.

Travis lachte leise und winkte zurück. Magnolia Rochelles Saloon, das Silver Lady, lag seinem Mountain Queen direkt gegenüber und hatte sich als seine größte Konkurrenz erwiesen, aber dennoch hatten Travis und Magnolia es geschafft, Freunde zu bleiben ... Gute Freunde. Er lächelte. Sehr gute Freunde. Es half, dass sie beide aus New Orleans stammten, dass ihre Sympathien in dem Krieg, der das Land teilte, auf derselben Seite lagen und dass Magnolia, trotz der Tatsache, dass sie vier oder fünf Jahre älter war als Travis, einen der schönsten Körper in der Stadt hatte.

»Na, mon cher«, rief Magnolia ihm zu, »wo ist nun dieser kleine Singvogel, den du importierst, um mein Silver Lady überflüssig zu machen?«

Travis zuckte die Achseln. »Die Postkutsche hat Verspätung.« Wieder sah er die Straße hinunter. In der Ferne war eine Staubwolke zu erkennen, die über der Kurve schwebte, die in die Stadt hineinführte. Travis’ Lächeln wurde breiter, und er setzte hinzu: »Aber ich glaube, da kommt sie endlich.«

Magnolia folgte seinem Blick. »Nun, mon cher, wenn du merkst, dass dein kleiner Kanarienvogel seine Meinung geändert hat und woanders hingeflogen ist, dann kannst du ja noch einmal über meinen Vorschlag nachdenken, ja?« Sie lächelte ihn verführerisch an.

Travis lachte. »Wir sind beide zu dickköpfig und hartnäckig, um jemals Partner werden zu können, Magnolia.«

»Ah, ein Jammer«, Magnolia seufzte, »aber wer weiß, was die Zukunft noch bringt, nicht wahr, mon cher?«

Am Ende der Straße kam die Postkutsche aus Sacramento in Sicht.

»Ich wette, dass Georgette Lindsay kommt, Magnolia, und dass sich heute Abend bei mir die Kunden drängen.«

Magnolia zog einen Schmollmund. »Dann werde ich allein sein.«

»Du wirst nie allein sein, Maggie«, sagte Travis. »Aber falls du dich heute Abend einsam fühlst«, er zwinkerte ihr zu, »oder an einem anderen Abend, dann weißt du ja, wo mein Zimmer ist.«

Sie lächelte ihn zweideutig an, und dann wandten sie sich beide der Postkutsche zu, die sich ratternd näherte.

Der Kutscher, ein schmieriger alter Mann in Lederhosen, thronte auf seinem Bock hoch über der Kutsche, die Lederzügel fest um die knotigen Finger gewickelt. Er trat mit einem Fuß auf die Bremse und zog hart die Zügel an. »Stillstehen, ihr knochenköpfigen Nichtsnutze!«, brüllte er den Pferden zu. Sein Fuß trat härter auf die Bremse, und sein Körper versteifte sich, als er sich über das Kutschendach zurücklehnte und die Zügel noch fester anzog. »Halt! Stopp! Anhalten!«

Sechs muskulöse Pferde, die schlanken, braunen Körper schweißbedeckt, warfen protestierend die Köpfe hoch, so dass ihre schwarzen Mähnen durch die Luft peitschten. Der Kutscher warf sein ganzes Gewicht in die Zügel, zog noch fester und bremste noch stärker. Die großen Räder der Kutsche quietschten, und die Pferde warfen wild die Köpfe hin und her. Dann schnaubten sie und kamen endlich zum Stehen. Die Kutsche schwankte in den Lederriemen, als die Räder zum Stillstand kamen.

Ein Beamter kam aus dem Büro neben dem Mountain Queen gelaufen und rief einen Gruß. Der Kutscher wickelte die Zügel um den Handgriff, sprang vom Bock und trat an die Tür der Kutsche.

Travis trat breit lächelnd einen Schritt vor. Vor ein paar Monaten hatte er einen Vertrag abgeschlossen, dass Georgette Lindsay im Mountain Queen auftreten würde. Obwohl er sie nie kennen gelernt oder persönlich gesehen hatte, war er zuversichtlich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Bekannte hatten sie Travis empfohlen; sie hatten ihren Auftritt in San Francisco und Denver gesehen. Als ihr Manager sich bei Travis gemeldet und gesagt hatte, sie sei an einem Auftritt in Virginia City auf dem Weg nach Norden interessiert, war er nur zu froh gewesen, dass sie bei ihm Station machen würde. Travis machte sich große Hoffnungen, dass ihr Auftritt ihm einen Gutteil des Geldes einbringen würde, das, wie sein Bruder Trace geschrieben hatte, von den Konföderierten so dringend gebraucht wurde.

»Viel Glück, mon cher«, rief Magnolia ihm zu.

Travis winkte ihr zu, aber seine Aufmerksamkeit war auf die Postkutsche gerichtet, deren Tür sich gerade öffnete. Die Hand des Kutschers lag auf der Klinke, und darüber, im Fenster, war eine zierliche Damenhand in braunem Leder zu sehen, das die Finger frei ließ.

Vor Monaten hatte Travis ein Plakat von Georgette Lindsay gesehen, als er in San Francisco war, und er hatte sie nicht nur sehr schön, sondern auch verwirrend vertraut gefunden. Aber er wusste, dass die Plakate nie sehr genau waren, und hatte deshalb das Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben, verworfen.

Die Kutsche schaukelte sacht, als sie einen zierlichen Fuß, der nur einen Moment lang unter der spitzenbesetzten Krinoline und dem Überkleid aus kakaofarbener Seide zu sehen war, auf den Tritt der Kutsche setzte und hervorkam. Unter einem kleinen Strohhut, der mit gelben und braunen Federn besetzt war, fielen ihre dunklen Locken in einem dicken Strang über eine ihrer Schultern. Als die Sonne auf ihre Haare fiel, blitzten rot-goldene Lichter darin auf.

Travis erhaschte einen Blick auf ihr Profil und erkannte sofort, dass die Plakate, die er gesehen hatte, ihr nicht gerecht wurden. Ihre Wangenknochen waren exquisit und anmutig geschwungen, die Nase klein, aber aristokratisch, und die cremefarbene Haut, die in reizvollem Kontrast zu den dunklen Locken stand, erinnerte ihn an eine Gardenie, wundervoll weiß mit einem winzigen Hauch von Gold darin.

Travis blieb auf dem Bürgersteig über ihr stehen und beugte sich hinab, um ihr die Hand zu reichen. Dichte, dunkle Wimpern hoben sich flatternd, als sie ihn ansah.

»Oh, danke, Travis«, sagte sie.

Travis erstarrte. Er spürte, wie ihre Finger sich sacht auf seinen Arm legten, hörte ihre sanfte, melodische Stimme und war sich vage des Jasminduftes bewusst, der sie umgab. Seine Stimme versagte, gelähmt durch Schock und Unglauben, während sein Blick ihren traf, mitternachtsgrau und himmelblau; eine Flut von Erinnerungen brach über ihn herein.

Es war sieben Jahre her, seit er Suzanne Forteaux zuletzt gesehen hatte, seit er sich geweigert hatte, sie zu heiraten, und New Orleans verlassen hatte.

Er spürte, wie sein Körper sich versteifte und jeder Muskel und jede Zelle sich anspannten. Er sah ihr tief in die blauen Augen. Sie lächelte, und Travis riss sich mit einem Ruck aus seinen Gedanken.

Das war nicht Suzanne. Etwas an der Frau erinnerte ihn nur an sie. Das war es, ihre Augen. Dieses klare, leuchtende Blau. Er lächelte das schöne Wesen an, das da aus der Kutsche stieg ... Georgette Lindsay.

Sie hob mit der einen Hand den violetten Saum ihres Reisekleides und ließ die andere in seinem Griff, als sie auf den Bürgersteig trat. »Travis?«, sagte sie noch einmal, als er nicht antwortete. Ihre Augen funkelten so blau wie der Nachmittagshimmel.

Er verließ sich auf seine Selbstbeherrschung, die so sehr ein Teil von ihm war, und zwang sich zu einer Gelassenheit, die ihm in Wahrheit äußerst fern lag. »Verzeihung, ich habe für einen Moment geglaubt, Sie wären jemand anderes, ich meine ...« Er schüttelte den Kopf und verneigte sich leicht, ehe er ihre Hand zu einem eleganten Kuss an die Lippen hob. »Es tut mir leid. Lassen Sie mich neu anfangen. Willkommen in Virginia City, Miss Lindsay.«

Eine Spur Belustigung und Befriedigung funkelte in ihren Augen, und als hätte sie gewusst, was er gedacht hatte, sagte sie: »Du hattest recht, Travis.«

Er runzelte die Stirn. Sie nannte ihn hartnäckig Travis. Sie wusste, wer er war, aber wie war das möglich? Sie hatten einander noch nie kennen gelernt. Er suchte nach einer Antwort und fand keine außer der, dass sie für seinen Saloon singen würde und mit ihm an der Postkutsche verabredet war. Und doch war sie so sicher. Seine Augen verdunkelten sich vor Verwirrung. Was hatte sie da gesagt, dass er recht hatte ... sie konnte nicht wissen, was er gedacht hatte.

Sie lächelte.

Travis sah sie für einen langen Moment nur an, einen Moment, in dem es um sie herum sehr lebendig zuging, als der Kutscher einen gemurmelten Fluch ausstieß, während er ihr Gepäck und das der anderen Reisenden ablud.

Es konnte nicht sein. Nein. Das war unmöglich. Und doch stand sie da vor ihm, die Hand noch immer vertraut in seine gelegt. Und endlich begriff er, dass das, was sie gesagt hatte, stimmte, sein erster Eindruck war richtig gewesen. »Suzanne?«

Sie nickte. »Ja, Travis, Suzanne.«

»Suzanne Forteaux? Aus New Orleans?«

Sie lächelte und nickte wieder. »Ja. Suzanne Forteaux aus New Orleans.« Dann seufzte sie übertrieben und legte eine Hand auf ihr Herz. »Das Mädchen, das du vor so vielen Jahren zurückgelassen hast.« Sie kicherte fröhlich.

Travis schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube es nicht. Was? Ich meine, wie ...?« Er wappnete sich gegen die Flut von Emotionen, die bei ihrem Anblick in ihm hochgeschossen waren. Sie war eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hatte ... Und trotz ihres Lächelns und Lachens musste sie ihn aus tiefstem Herzen verabscheuen. Er konnte ihr keinen Vorwurf daraus machen. Sie hatte gute Gründe dafür. Sehr gute Gründe. »Was machst du hier, Suzanne?«, brachte Travis hervor. »Ich meine hier, in Virginia City? Was machst du hier?«

2

Suzanne lächelte süß und sah ihn unter dunklen Wimpern hervor an. »Nun, Travis, du hast doch mit meinem Manager Kontakt aufgenommen, damit ich in deinem Saloon, Mountain Queen, auftrete. Weißt du nicht mehr?«

Ihre Worte trafen ihn wie eine Kanonenkugel, die ihm auf den Kopf fiel. Ungläubig starrte er sie an. »Kontakt aufgenommen?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid, Suzanne, aber da muss ein Missverständnis vorliegen. Ich habe Georgette Lindsay verpflichtet, damit sie im Mountain Queen auftritt.«

Suzanne lachte hell und melodisch. »Aber Travis, ich bin Georgette Lindsay.«

Er spürte, wie ihm der Mund vor Überraschung aufstand. Er hatte sie seit sieben Jahren nicht gesehen, und jetzt verstand er, warum ihm ihr Plakat so vertraut vorgekommen war, auch wenn sie nicht mehr die schüchterne Sechzehnjährige war, als die er sie zuletzt gesehen hatte. Suzanne Forteaux war erwachsen geworden – und atemberaubend schön.

Einen kurzen Moment lang erlaubte Travis sich, wieder an den Sommer 1855 zu denken. Sein Vater Thomas Braggette hatte dafür gesorgt, dass ein Gerücht in der Stadt die Runde machte, ein übles Gerücht, das besagte, dass Travis Suzanne Forteaux verführt hätte und sie nun mit seinem Kind schwanger wäre. Travis hatte vor Wut gerast, als er den Klatsch hörte. Er hatte seinen Vater verflucht, der nur gelacht und dann verlangt hatte, dass Travis das einzige Ehrenhafte tun und das Mädchen heiraten solle. Suzanne war zufällig die einzige Tochter des reichsten Mannes in New Orleans, der Thomas Braggettes politische Ambitionen angemessen hätte unterstützen können. Es war keine Überraschung gewesen, dass die Frau, die Travis damals geliebt hatte und hatte heiraten wollen, ihn daraufhin zurückwies. Travis widersetzte sich seinem Vater und weigerte sich, Suzanne zu heiraten, denn er wusste, dass sie, wenn sie schwanger war, es nicht von ihm war. Aber Thomas Braggette war ein dickköpfiger Mann und verfolgte seine Pläne weiter.

Also hatte Travis am Hochzeitstag das einzige getan, was ihm einfiel: er war weggerannt. Er hatte die Shadows-Noir-Plantage verlassen, seiner Familie den Rücken gekehrt und Suzanne vor dem Altar versetzt.

»Um Himmels willen, Travis«, sagte Suzanne, löste ihre Hand aus seinem Griff und legte sie auf seinen Arm. Sie kicherte, und ihre Augen funkelten vor Vergnügen. »Mach den Mund zu, ehe eine Fliege hineinfliegt.«

Der Kutscher berührte grüßend seinen Hut. »Da steht Ihr Gepäck, Ma’am.«

»Danke.«

Travis warf dem Kutscher eine Münze zu.

Der alte Mann nickte dankend und ging in Richtung Büro, während Suzanne sich wieder Travis zuwandte. »So, bringst du mich zum Hotel, oder muss ich den Weg selber finden?«

»Suzzzzzanne.«

Die Stimme, die eher nach dem Gejammer eines liebeskranken Kojoten klang, weckte ihrer beider Aufmerksamkeit. Travis sah zur Postkutsche zurück. Ein kleiner, dicker Mann mit rundem Bauch und den zierlichsten kleinen Händen, die Travis je gesehen hatte, stieg aus der Postkutsche. Sein grauer Nadelstreifenanzug war leicht zerknautscht, und der steife Kragen seines Oberhemdes sah aus, als würde er ihn gleich erdrosseln. Der schwarze Hut saß ein wenig schief auf seinem Kopf, und die Brille auf seiner spitzen Nase war mit Staub bedeckt.

»Oh, Clarence.« Suzanne sah Travis verschmitzt an. »Es tut mir leid, Travis, in der Überraschung, dich wiederzusehen, habe ich ...« Sie zuckte die Achseln. »... meine Manieren ganz vergessen. Travis, das ist Clarence Lonchet, mein Manager.«

Travis streckte die Hand aus. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Lonchet. Ich bin Travis Braggette.«

»Clarence«, unterbrach Suzanne ihn eilig, »hilf Addie, ehe sie hinfällt.«

Der kleine Mann runzelte die Stirn bei dieser Bitte, wandte sich aber zur Kutsche zurück und ergriff den Arm einer Frau, die versuchte, aus der Kutsche auf den Bürgersteig zu treten.

»Oh, Mr. Lonchet, ich scheine meine ...« Sie glitt mit dem Absatz vom Tritt der Kutsche ab und verfing sich in ihren Röcken. Haltsuchend klammerte sie sich an den Rahmen der Tür.

»Um Himmels willen, Addie!«, quietschte Lonchet. Er hob den Arm und wehrte ihr sich blähendes Cape ab.

Travis trat vor, um der Frau zu helfen, als ihr Gewicht und ein Ruck von der Hand des Managers sie vorwärts schleuderten. Ihre freie Hand fuhr auf der Suche nach etwas, woran sie sich festhalten konnte, durch die Luft, und ein Ausdruck von Panik breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

»Addie!«, keuchte Suzanne.

Travis griff nach Addies Arm, erwischte eine Handvoll Stoff und riss sie hoch. Dadurch fand sich Clarence plötzlich im Weg einer fliegenden Frau. Mit einem Fluch quittierte er die Stoffbahnen in seinem Gesicht und den Tritt, der ihn an der Schulter traf. Sein Hut flog davon, als er mit dem Hintern auf der Straße landete.

Suzanne blickte die Frau besorgt an. »Bist du in Ordnung?«

Addie strich ihre Röcke glatt, zupfte an ihren Ballonärmeln und griff sich an die Stirn, um eine Locke zurückzustecken, die unter einer prüden grauen Haube hervorgeglitten war. Sie lächelte strahlend, als sie Suzanne antwortete, hielt den Blick aber dabei auf Travis geheftet. »Ja, Miss Suzanne, mir geht es gut, dank dieses Gentlemans.«

»Von allen schwerfälligen ...« Clarence erhob sich mit wutverzerrtem Gesicht.

»Travis, das ist mein Mädchen und meine persönliche Assistentin Adelina Hays«, stellte Suzanne vor. »Addie, das ist Mr. Travis Braggette, der Besitzer des Mountain Queen.«

Keiner achtete auf Clarence.

»Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Miss Hays.«

»Oh«, flötete Addie, »nennen Sie mich doch Addie, Mr. Braggette. Jeder tut das.« Sie streckte ihm die Hand hin.

Travis ergriff sie, hob sie an die Lippen und küsste sie. »Sehr erfreut, Addie.«

»Ohhh!« Sie flatterte mit den Wimpern und sah aus, als wollte sie gleich in seinen Armen ohnmächtig werden.

»Erfreut? Ha!«, stieß Clarence hervor. Er klopfte sich seine Kleidung ab, so dass eine kleine Staubwolke aufstieg, und starrte Travis an. »Sie haben in Ihren Telegrammen nicht erwähnt, Mr. Braggette, dass Virginia City ganz oben auf einem Berg liegt. Oder dass hier knietief Schnee liegt, obwohl es fast Frühling ist. Oder dass die Postkutsche so ... so antiquiert ist.«

»Clarence!«, wies ihn Suzanne zurecht. »So schlimm war es gar nicht.«

»Also wirklich, Suzanne, die Kutsche war nicht einmal gefedert, um Himmels willen.« Er setzte die Brille ab und zog ein Taschentuch hervor, schüttelte es dramatisch aus und begann, die Gläser heftig damit zu bearbeiten. »Wir konnten uns nicht mal vor dem Wind schützen. Wir können nur von Glück sagen, dass es nicht geschneit hat, sonst wären wir jetzt durchnässt.« Er schüttelte sich vor Widerwillen. »Die Sitze! Es gab fast keine Polster. Und der Kutscher hat die ganze Strecke über fürchterlich geflucht und mit den Zügeln geschnalzt, damit die Pferde schneller laufen und ...«

»Ich hatte den Eindruck, Mr. Lonchet, dass Georgette, ich meine Suzanne, schon auf einer Reihe von Bühnen im Westen aufgetreten ist«, unterbrach ihn Travis.

»Das ist sie auch, aber nichts davon ...« Clarence fuhr mit der Hand durch die Luft und deutete auf die Stadt, »war so abgelegen wie diese hier. Ich meine, hier ist man mitten im Niemandsland und ...«

»Clarence!«, warf Suzanne ein.

Travis bemühte sich um Beherrschung. Immerhin war Lonchet derjenige gewesen, der ihn angesprochen hatte, damit Georgette in Virginia City auftreten konnte, nicht andersherum. »Virginia City liegt nur fünfzehn Meilen von Kansas City entfernt, Mr. Lonchet. Das ist nicht so weit.«

»Nun, mir kam es aber weiter vor. Die Bergstraße hier hoch ist fürchterlich, einfach fürchterlich. Ich habe jeden Moment damit gerechnet, dass wir über den Rand fahren und zur Hölle ...«

»Clarence!«, unterbrach ihn Suzanne erneut, und ihre Stimme klang schärfer.

»Wir sind in Kalifornien aufgetreten. Und in Texas. Und sogar in Arizona, aber noch nie mussten wir ...« Er riss sich den Hut vom Kopf und enthüllte eine Glatze, die so glatt und rosa war wie ein Babypopo und von ein paar Büscheln hellbraunen Haares umstanden war. Missbilligend verzog er die Lippen und fing an, an seinem Hut herumzuputzen. »Oh, sehen Sie sich das an. Er ist ruiniert. Ruiniert!«

»Clarence!«, wies ihn Suzanne ein letztes Mal zurecht.

Aber er machte weiter und achtete nicht auf ihre Ermahnungen. »Ich fühle mich, als hätte ich mich im Dreck gewälzt. Sehen Sie sich nur meine Kleider an. Sehen Sie sich das an. All der Dreck und Matsch, den die Räder hochgeschleudert haben, keine Lüftung und ...«

»Ich bin sicher, dass sie dir im Hotel gerne ein Bad machen«, beschwichtigte ihn Suzanne.

»Das sollten sie auch bei den Zimmerpreisen«, schniefte Clarence. »Ich hätte darauf bestehen sollen, dass Sie die Unterkunft übernehmen, Mr. Braggette.« Er setzte sich den Hut wieder auf den Kopf.

Addie verdrehte die Augen.

Travis spürte, wie seine leise Wut zu kochen begann wie ein Kessel Suppe, den man auf dem Feuer vergessen hat. Er hatte sich sofort eine Meinung über Suzannes Manager gebildet, und es war keine gute. Die Stimme des Mannes war ein ärgerliches Schniefen durch verstopfte Nasenlöcher, und seine Einstellung ließ einiges zu wünschen übrig.

»Wenn Suzannes Auftritt so gut ist, wie man mich hat glauben lassen, Mr. Lonchet«, sagte Travis steif, »und die Einnahmen bringt, die ich erwarte, werde ich für ihr Hotelzimmer gerne aufkommen. Und für das von Miss Hays natürlich. Sie können gerne in einem der Räume über dem Saloon unterkommen.«

Clarence warf Travis einen Blick zu. »Über dem Saloon?« Er hob die Brauen. »Ich soll in einem Zimmer über dem Saloon unterkommen? Ich würde doch sagen, nein.«

Travis zuckte die Achseln. »Wie Sie wollen.« Er wandte sich an Suzanne und reichte ihr seinen Arm. »Ich schickte jemanden, der dein Gepäck holt. Kann ich dich jetzt zum Hotel bringen?«

»Bitte.«

Er bot Addie den anderen Arm. »Miss Hays?«

»Oh, Mr. Braggette, wie freundlich«, stieß sie hervor und warf Clarence Lonchet einen überlegenen Blick zu.

Das Quartett machte sich auf den Weg zum Union Belle. Travis ging zwischen Suzanne und Addie, und Clarence trottete hinter ihnen her und fluchte leise.

Travis warf Suzanne einen Seitenblick zu. Es war ein Schock gewesen, ihr nach all den Jahren plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Und ein noch größerer Schock zu entdecken, dass sie die Frau war, die er angeheuert hatte, damit sie im Mountain Queen auftrat. Er sah an Addie vorbei ins Schaufenster des Ladens, an dem sie gerade vorübergingen. Er fing Suzannes Spiegelbild auf. Sie hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem sechzehnjährigen Mädchen, an das er sich erinnerte und das er an einem fernen Frühlingstag vor dem Altar der St.-Louis-Kathedrale hatte stehen lassen. Ein Stich der alten Schuld traf ihn, und er kämpfte dagegen an.

Suzanne Forteaux war eindeutig erwachsen geworden: atemberaubend weiblich und verführerisch, voller Grazie und Anmut. Sein Blick glitt über sie und registrierte die dünne Seide, die unter ihren Brüsten begann und bis zum Halsansatz hochgezogen war, wo ein braunes Band die Falten gefällig bündelte, sah die Kameenbrosche, den Schwung ihrer Brüste und die enge Kurve ihrer Taille. Unter die Falten ihres weiten Rockes konnte er nicht sehen, aber seine Phantasie gaukelte ihm sanft geschwungene Hüften und lange schlanke Beine vor.

Dann wurde das Fenster zur Holzwand. Travis wandte den Kopf und entdeckte, dass er fast vom Bürgersteig fiel, der hier zu Ende war. Er sprach ein stummes Stoßgebet, dass er nicht gefallen war, half Suzanne und Addie die Stufen hinunter und führte die Damen über die staubige Straße zum Union Belle Hotel.

»Allmächtiger, Travis, wo bekommen Sie so hübsche junge Dinger her?«, rief Mavis Beale aus.

Travis lächelte die Frau des Hotelbesitzers an, die etwa dreihundert Pfund schwer war. »Mrs. Beale, das ist ...« Er warf Suzanne einen schnellen Blick zu. »Miss Georgette Lindsay. Sie ist gekommen, um im Mountain Queen zu singen.«

Mavis kniff leicht die Augen zusammen. »Singen, ja?«

»Und das ist ihr Mädchen, Miss Addie Hays.«

Mavis nahm zwei Schlüssel von der Wand hinter sich und führte die beiden Frauen auf eine Treppe zu. »Wo sind ihre Sachen, Travis?«, rief sie ihm über die Schulter zu.

»Hank bringt sie rüber.«

»Freddie, hol mir heißes Wasser für die Damen, damit sie baden können.«

»Ja, Ma’am«, erklang eine junge Stimme aus dem Flur hinter der Rezeption.

»Und beeil dich.«

»Ja, Ma’am.«

»Mrs. Beale«, rief Travis hinter ihr her. »Mr. Lonchet, der Manager von Miss Lindsay, braucht auch noch ein Zimmer.«

»Gut, geben Sie ihm einen Schlüssel«, erklang es von oben.

Travis lachte auf und ging um den Tisch herum.

»Aber ich will auch ein Bad«, jammerte Clarence, den Blick auf Mrs. Beale gerichtet, wie sie die Stufen erklomm.

Travis warf ihm einen Schlüssel zu. »Ich bin sicher, dass er nach einiger Zeit auch Ihnen eins bringt, Lonchet.«

Clarence beeilte sich, den Schlüssel zu fangen, und verlor dabei wieder seinen Hut. Er rollte über den Boden, prallte gegen das Feuergitter und blieb dann liegen. »Sehen Sie, was Sie getan haben«, schimpfte er und beeilte sich, ihn aufzuheben. Er bürstete die Asche ab und musterte Travis wütend. »Nennt diese ... diese Kuh von Frau das etwa Service?«

Travis’ Belustigung schwand auf der Stelle. Seine Augen wurden schmal, und er biss wütend die Zähne zusammen. »Mavis Beale ist eine gute Frau, Lonchet, und hier sehr beliebt. Vergessen Sie das besser nicht, und passen Sie auf, wie Sie sie nennen. Wenn Ihnen der Service hier nicht gefällt, können Sie ja ins Queen kommen und sich selber bedienen.«

Clarence stülpte sich den Hut auf und drehte sich um, um davonzustolzieren, aber dann blieb er plötzlich stehen und sah Travis an. Seine Mimik drückte tiefes Bedauern aus. »Es tut mir leid, Mr. Braggette«, sagte er und überraschte Travis damit, »Sie haben recht. Ich war unhöflich. Schrecklich unhöflich.«

Travis erwiderte den Blick nur, nicht bereit, dem Mann wirklich zu verzeihen.

»Ich gebe zu, dass es meine Idee war, dass Georgette hier auftritt, also darf ich mich jetzt nicht beklagen. Bitte akzeptieren Sie meine Entschuldigung.« Er lächelte. »Ich denke, die Fahrt hierher hat furchtbar an meinen Nerven gezerrt.«

Vor der offenen Tür des Hotels stand Magnolia Rochelle und beobachtete, wie Suzanne Forteaux die enge Treppe emporstieg. Magnolia runzelte leicht die Stirn, und eine Hand, die in den Falten ihres grünen Kleides verborgen war, war zur Faust geballt. »Nun, mein kleiner Singvogel«, flüsterte sie, »jetzt bleibt abzuwarten, ob Ihr Bruder Ihnen wirklich wichtiger ist als Travis Braggette.«

3

Suzanne ließ sich in einen Brokatsessel vor dem Kamin sinken. Nachdem sie sich auf der Fahrt halb totgefroren hatte und die Zähne hatte zusammenbeißen müssen, damit sie nicht klapperten, war die Hitze des Feuers jetzt eine unbeschreibliche Wonne. Schnell band sie sich die Schuhe auf und zog sie aus, um ihre Füße auf die Bronzereling zu legen. Sie wackelte mit den Zehen und lächelte geduldig zu dem fortwährenden Geschwätz von Mavis Beale. Die Frau machte sich eifrig im Zimmer zu schaffen, zog die Vorhänge auf, schüttelte Kissen auf und öffnete die Türen des riesigen Kleiderschrankes.

»Oh, Sie werden das Mountain Queen jeden Abend füllen, Miss Lindsay, ja, das werden Sie«, sagte Mavis. Sie schlug die weiße Baumwolldecke des Bettes zurück und steckte sie fest. »Es gibt nicht allzu viele Damen hier in Virginia City, das kann ich Ihnen sagen. Eine auf hundert Männer, denke ich. Und alle werden sie ein Auge auf Sie werfen wollen und diese süße Stimme von Ihnen hören wollen. Ja, Ma’am.« Sie drehte sich um und lächelte. »Die Männer, meine ich.«

Sonnenlicht strömte durch das Fenster neben Mrs. Beale und erhellte ihr grau durchsetztes rotes Haar, so dass es wie eine Explosion aus Feuer und Eis um ihr rundes Gesicht herum wirkte. Mavis strich sich mit der plumpen Hand ein paar Strähnen aus dem Gesicht und versuchte, sie in den Knoten hoch auf ihrem Kopf zu stecken, aber sie kamen sofort wieder heraus, wobei ihre Farbe die vielen Sommersprossen auf ihren Wangen betonte. Haselnussbraune Augen funkelten vor Interesse und Neugier.

Suzanne lächelte, sagte aber nichts. Sie war zu müde, und ihr war immer noch zu kalt.

»Sind Sie auf der Bühne groß geworden, Miss Lindsay?« Mavis winkte ab, sobald die Worte über ihre Lippen gekommen waren. »Oh, kümmern Sie sich nicht um meine Unhöflichkeit. Es geht mich nichts an, wo Sie aufgewachsen sind.« Sie strebte der Tür zu, blieb aber stehen, als ihr Sohn mit zwei Eimern dampfend heißen Wassers hereinkam. »Oh, Freddie, du bist zurück, das ist gut.« Mavis sah zu, wie ihr Sohn das Wasser in die grüne Wanne goss, die auf einem Holzpodest in der Ecke des Zimmers stand.

Suzanne bedankte sich und hoffte, dass die zwei jetzt gehen würden. Sie war erschöpft und wollte sich nur noch im warmen Wasser entspannen und dann ausruhen.

»Nun, nach den ersten beiden Eimern und jetzt diesen zwei müsste es für ein Bad reichen«, erklärte Mavis. »Wir werden uns jetzt um den Herrn kümmern, der mit Ihnen gekommen ist.« Sie wandte sich an Freddie. »Welches Zimmer hat Travis ihm gegeben, Freddie?«

»Danke, Mrs. Beale«, sagte Suzanne noch einmal.

Mavis winkte ihr zu, als sie die Tür zuzog. »Oh, nennen Sie mich Mavis, Liebes. Das tun hier alle. Bei ›Mrs. Beale‹ muss ich immer denken, dass mir die Mutter meines William über die Schulter späht. Sie kicherte. »Und glauben Sie mir, das ist ein Anblick, auf den ich gut verzichten kann.«

Mavis Beales Gelächter hallte durch den Flur.

Suzanne seufzte, zog die Jacke ihres Reisekostüms aus und warf sie achtlos über die Lehne des Sessels. Sie war erschöpft und hatte keine Energie mehr zum Lächeln, wenn sie am liebsten nur geweint hätte oder vor Wut und Enttäuschung geschrien. Jeder Knochen tat ihr weh, jede Zelle ihres Gehirns wollte nur abschalten und sich vor der Welt in warmer Dunkelheit verstecken. Sie wollte nicht hier sein, nicht in Nevada, nicht in Virginia City und ganz sicher nicht in der Gesellschaft von Travis Braggette. Aber sie hatte keine Wahl. Wenn sie herausfinden wollte, was mit Brett passiert war, wo er war, musste sie das durchziehen.

Suzanne trat zu ihrem Gepäck, zog eine kleine Dose hervor und ging damit zu der Badewanne, die eher wie ein Waschzuber mit abgeflachten Enden aussah, um dem Wasser etwas von ihrem kostbaren Badesalz zuzusetzen. Dann verschloss sie die Dose wieder, beugte sich vor und rührte im Wasser. Sofort bildeten sich schneeweiße Blasen an der Oberfläche des Wassers.

Es klopfte.

»Was ist denn?«, entfuhr es Suzanne verärgert. Sie ging zur Tür und öffnete. »Oh, Addie, komm rein.«

»Ich wollte deine Sachen auspacken«, erklärte Addie und steuerte auf die Taschen auf dem Bett zu, die Travis’ Manager Hank Davis herübergebracht und dorthin gelegt hatte. »Es sei denn, du möchtest lieber, dass ich dir beim Baden helfe.«

»Nein, Addie, nicht nötig, danke.« Suzanne ging zum Fenster, schlug die Läden zurück und blickte auf die Straße hinunter. Es sah genauso aus wie in den anderen Minenstädten, die sie kannte. Vielleicht etwas voller, etwas weniger gepflegt, aber im Großen und Ganzen genauso. Viele Holzhäuser, ein bisschen Stein und Mörtel und in der Ferne ein Lager aus weißen Zelten. Sie tupften die Hügel des Berges, Sun Mountain, und zogen sich über die andere Seite des Tals, wie sie von der Kutsche aus gesehen hatte.

Sie sah zu Travis’ Saloon hinüber. Am Dach über dem Bürgersteig hing ein großes weißes Schild. Darauf stand in hellroten Buchstaben Mountain Queen. Ihr Blick ging zum Bürgersteig.

Travis Braggette lehnte an einer der Säulen, die das Dach stützten. Suzanne spürte, wie ihr die Kehle eng wurde. Er sah noch besser aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sein schwarzes Haar war zerzaust und etwas wirr und berührte fast seinen Kragen, zu dem die schwarzen Strähnen einen deutlichen Kontrast bildeten. Eine Locke fiel ihm in die Stirn. Suzanne lächelte. Einige Dinge änderten sich nie.

»Soll ich dir etwas Besonderes herauslegen?«, fragte Addie und unterbrach damit Suzannes Überlegungen.

»Vielleicht eines von den Seidenkleidern?«

Suzanne blickte über die Schulter. »Nein, Addie, einfach ein Tageskleid. Irgendeines.« Sie wandte sich wieder zum Fenster um. Er stand immer noch da. Sie beobachtete, wie er in die Innentasche seines Rockes griff und ein Zigarillo hervorzog. Er schnitt das eine Ende ab, zündete ein Streichholz an, bog die Hand schützend um die Flamme und hielt sie an das Zigarillo. Weißer Rauch ringelte sich zwischen seinen Fingern empor.

Das schwarze Jackett, das er trug, betonte seine breiten Schultern und verjüngte sich zu seiner schmalen Taille hin. Seine Hosen waren in die Stiefel gesteckt und umschlossen eng die muskulöse Länge seiner Schenkel. Travis war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte, breiter, dunkler und attraktiver. Seine Haut, die mit ihrem goldenen Schimmer immer schon das Erbe des kreolischen Blutes seiner Mutter verraten hatte, war jetzt ein tiefes Bronze, und sein Gesicht wirkte schmaler als früher.

Aber er war immer noch Travis, der Mann, der sie seit sieben Jahren in ihren Träumen verfolgte. Suzannes Herz klopfte schneller. Obwohl sie aus dieser Entfernung seine Gesichtszüge nicht erkennen konnte, hatten sie sich ihr schon lange unvergesslich eingeprägt, um heute Morgen bei ihrer Ankunft aufgefrischt zu werden. Seine Augen, diese schönen, grauen Augen, von denen sie einst gedacht hatte, sie könnte sich darin verlieren, verrieten eine neue Reife, die gerade Nase sprach noch immer von Stolz und Adel, der harte Kiefer verriet Eigenwilligkeit, die ihn immer in Schwierigkeiten gebracht hatte, und sein Mund ... Suzanne erinnerte sich plötzlich an das einzige Mal, dass Travis Braggette sie geküsst hatte. Sie war sechzehn gewesen, und ihr Vater hatte für sie arrangiert, dass sie Travis heiraten sollte. Das Arrangement war eine wundervolle und willkommene Überraschung für sie gewesen, aber zu ihrem Kummer musste sie später entdecken, dass es für Travis weder wundervoll noch willkommen war. Die ersten paar Wochen nach der Ankündigung war er nicht in ihre Nähe gekommen. Als er es schließlich tat, nahm er sie mit in den Garten, zog sie dort in seine Arme und küsste sie. Nachdem der erste Schock darüber abgeklungen war, entdecke Suzanne, dass sie seinen Kuss nicht nur genoss, sondern das Gefühl hatte, sie wäre gestorben und im Paradies.

Ungewollt lachte sie bitter auf, und schnell legte sich Suzanne die Hand vor den Mund und tat so, als hätte sie gerade gehustet, damit Addie nicht neugierig wurde.

Ihre Erinnerungen hielten an. Die Euphorie, die Travis’ Kuss in ihr geweckt hatte, war nur von kurzer Dauer gewesen. So plötzlich, wie er sie geküsst hatte, ließ er sie auch wieder los, machte auf dem Absatz kehrt und ging davon. Sie hatte den Hufschlag seines Pferdes in der Nachmittagssonne hallen hören, als er verschwand. Das war das letzte Mal, dass Suzanne Travis gesehen hatte ... bis heute.

Als wenn er ihre gedankenvollen Blicke spüren würde, wandte Travis sich plötzlich um und blickte zum Hotel hinüber.

Ihr Herz blieb fast stehen, als Panik sie ergriff. Er wusste, warum sie hier war. Ihre Hände begannen zu zittern. Er konnte es nicht wissen, schrie ihr Verstand, er konnte nicht. Und doch ...

Es hatte den Anschein, als würde er ihr zunicken, auch wenn sie sich auf die Entfernung nicht sicher sein konnte. Suzanne sprang vom Fenster zurück und hinter die Vorhänge. Ganz ruhig, Suzanne, sagte sie sich. Du bist nur nervös. Er weiß gar nichts.

Travis sah noch eine Zeitlang zum zweiten Stock des Union Belle Hotel hoch, nachdem Suzanne vom Fenster weggegangen war. Seit er sie im Hotel zurückgelassen hatte, waren seine Gedanken in Aufruhr, sowohl wegen ihrer Anwesenheit in Virginia City als auch wegen der Art, wie sie ihn begrüßt hatte. Nichts davon machte Sinn. Nach dem, was er vor sieben Jahren getan hatte, hätte er einen Schwall wütender Beschimpfungen erwartet, einen Schlag ins Gesicht, feindselige Kälte oder einfach Wut. Was er dagegen nie erwartet hätte, waren Wärme, Freundlichkeit und Ansätze zum Flirten. Und doch war das die Art, wie sie sich verhalten hatte, und das verwirrte ihn zutiefst.

Warum? Diese Frage quälte ihn, und er wusste, dass er keine Ruhe finden würde, bis er dafür und für noch ein paar andere Dinge die Antwort wusste. Warum hasste sie ihn nicht? Warum sang sie? Warum war sie nach Virginia City gekommen? Warum hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie Georgette Lindsay war? Warum erlaubte ihr Vater, einer der bekanntesten und reichsten Männer in Louisiana, seiner einzigen Tochter, singend durch die Lande zu reisen und öffentlich aufzutreten? Travis nahm einen tiefen Zug aus dem Zigarillo und stieß den Rauch langsam wieder aus, um dann zuzusehen, wie er in der kühlen Morgenluft zerrann.

»Travis, mein Sohn, ich habe Sie gesucht«, sprach ihn plötzlich eine tiefe Stimme von hinten an. Eine Hand senkte sich auf seine Schulter.

Ärger blitzte in Travis dunklen Augen auf, aber er sagte nichts, als er sich Richter David Terry zuwandte.

Der Richter senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Charlie hat mir gesagt, dass Sie meine Einladung schon wieder abgelehnt haben.«

»Das hat Charlie Ihnen richtig gesagt, Richter. Ich habe kein Interesse daran, an Ihren Treffen teilzunehmen. Wahrscheinlich würde es uns beiden eine Menge Kummer ersparen, wenn Sie einfach aufhören würden, mich zu fragen.«

»Ja, ja, es ist ein wunderschöner Morgen«, rief der Richter plötzlich laut genug für jeden in der Nähe, um sie zu hören, um dann leise hinzuzufügen: »Sie sind ein Südstaatler, Travis, und der Süden braucht Ihre Unterstützung.«

Terry, ein untersetzter Mann, der ein paar Jahre älter war als Travis, umfasste die Aufschläge seines grauen Mantels und drückte die Brust heraus, was seinen mehr als eindrucksvollen Bauch ebenfalls mit nach vorne schob. »Ich weiß, dass unsere Bemühungen hier schon einmal fehlgeschlagen sind, Travis, aber wir haben einen neuen Plan. Sie könnten ein wichtiger Mann werden, nachdem ...«

Travis schüttelte den Kopf. »Nein, Richter, ich bin nicht interessiert. Der Süden hat meine Unterstützung, und das wissen Sie, nur eben nicht mehr durch die Ritter.«

David Terry strich sich durch den grau durchsetzten schwarzen Bart und sah Travis durchbohrend an. »Travis.« Er blickte sich nach allen Seiten um, um sicherzustellen, dass sie nicht belauscht wurden. »Sie sind nun eine ganze Weile Mitglied gewesen, und Sie wissen, was das KGG für gute Dinge für unseren Fall getan hat, und auch, was es noch tut.«

»Richter, ich will nicht ...«, warf Travis ein.

»Aber«, fuhr David Terry fort und schnitt Travis das Wort ab, während er sich erneut umsah, »es gibt zu viele Yankee-Sympathisanten in dieser Stadt. Wenn wir hier irgendetwas erreichen wollen, müssen wir zusammenhalten.«

Travis warf das Zigarillo fort und beobachtete, wie die Tabakrolle einen weiten Bogen durch die kalte Luft beschrieb, ehe sie mit einem leisen Zischen in einer Pfütze am Grunde des Pferdehalters verlöschte. »Danke für Ihre Sorge, Richter, wirklich, und für die Einladung, aber meine Antwort lautet nach wie vor nein.«

Das Lächeln auf Terrys Gesicht schwand. »Ihr Vater war ein gutes Mitglied, Travis, ein sehr gutes Mitglied. Ich bezweifle, dass er ihr Verhalten gutheißen würde ...«

Travis wandte sich erneut dem Richter zu, das Gesicht hart, die Augen blitzend und voller Zorn. »Mein Vater ist tot.«

»Ja, es tut mir leid. Ich meine ja nur, dass er ein guter Mann war. Loyal für den Süden, und als Mitglied des KGG –«

»Er war ein verdammter Hurensohn, Richter«, zischte Travis. »Und wer immer ihn getötet hat, hat der Welt damit einen großen Gefallen erwiesen.«

Travis stand neben den Schwingtüren, die in das Mountain Queen führten, einen Fuß im Stiefel auf die Bronzereling gestützt, die rund um den Mahagonitresen lief. Er stützte den rechten Arm auf die spiegelnde Oberfläche der Bar und sah zur Bühne am anderen Ende des Raumes hinüber. Die roten Samtvorhänge mit den goldenen Fransen waren immer noch zugezogen, und Hank, sein Manager, zündete gerade die Lampen an, die in regelmäßigen Abständen am Rande der Bühne angebracht waren. Vor der erhöhten Bühne stimmten die Musiker ihre Instrumente. Travis zuckte zusammen, als der Bogen über die Violine fuhr und ein schriller Ton das Geklimper des Klaviers übertönte.

»Klingt eher so, als würdest du einem Hündchen den Hals umdrehen als eine Violine stimmen«, rief jemand laut.

Travis lachte leise und musste innerlich zustimmen. Hoffentlich spielte der Mann besser auf dem Instrument, als er es stimmte. Nicht nur Georgette Lindsay trat zum ersten Mal hier auf, sondern auch die Musiker. Sie hatten zuletzt vor ein paar Wochen draußen vor Virginia City gespielt, als die ersten Schneeflocken fielen, und alle hatten sie geschworen, sich nicht wieder auf dem Sun Mountain einschneien zu lassen.

»Jed, gib mir was zu trinken«, rief Travis dem Barkeeper zu.

»Tarantelsaft oder den guten?«, fragte Jed. Er lächelte, und sein braunes Gesicht wurde weich, als er Travis betrachtete.

»Heb den Tarantelsaft für die Jungs auf«, sagte Travis, »sie scheinen ihn zu mögen. Wahrscheinlich gibt er ihnen die Extra-Energie für die Arbeit in den Minen.« Er lachte. »Ich werde mich dazu zwingen, den guten Stoff zu trinken.«

Jed nickte. Er griff nach Travis’ spezieller Whiskyflasche im Regal und goss ihm ein Glas ein.

»Du hast eine Stelle ausgelassen, als du deinen Kopf poliert hast«, sagte Travis. Er nahm einen Schluck und genoss die Wärme der goldbraunen Flüssigkeit, als sie sich aromatisch in seinem Inneren ausbreitete und ihn wärmte.

Jed warf einen Blick in den Spiegel. »Verdammt, Sie haben recht, Boss.« Er zog ein Handtuch aus dem Band um seine Mitte, spuckte darauf und rieb sich über die Glatze, ehe er sich wieder Travis zuwandte. »Wie ist das, Boss? Besser so?«

Travis lächelte. »Der perfekte Schimmer, Jed.«

Hank, der Manager des Saloons, trat zu Travis. Sein weißes Hemd spannte sich eng um enorme, muskulöse Schultern, und sein roter Bart bildete einen starken Kontrast zu seinem tiefbraunen Gesicht. »Heute Abend sind alle Tische besetzt, und der Whisky fließt in Strömen. Jetzt fehlt uns nur noch der kleine Singvogel, den Sie eingeflogen haben.« Er grinste und drehte sich um, um eine weitere Gruppe Minenarbeiter zu beobachten, die gerade den Saloon betrat. »Maggie wird heute ein leeres Haus haben, Boss, von den meisten anderen Saloons in der Stadt ganz zu schweigen.«

Travis ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Hank hatte Recht. Die Tische waren alle besetzt. Es gab kaum noch Stehplätze, und noch immer drängten die Männer in den Saloon. Die Bartender, Serviererinnen und Croupiers würden heute ihren Lohn verdienen.

Das Mountain Queen war einer der elegantesten Saloons auf dem Berg, und das war genau das, was Travis gewollt hatte. Rote Samtvorhänge, die zu dem auf der Bühne passten, säumten die hohen Fenster zur Straße hin, französische Tapeten bedeckten die Wände, der Boden bestand aus polierten Eichendielen, die Möbel waren aus geschnitztem Kirschbaum und die Stühle mit reichem Brokat gepolstert.

Eine der Kellnerinnen lächelte ihn an. Travis lächelte zurück. Ihr blaues Satinkleid war tief ausgeschnitten und zeigte den Brustansatz und viel nackte Schulter, aber es war ein ästhetischer Anblick, kein vulgärer. Anders als in anderen Saloons waren die Kellnerinnen bei Travis genau das. Kellnerinnen. Wenn ein Mann eine Hure wollte, gab es genug andere Häuser, wo er sie finden konnte. Er konnte zu Nellie Sayes Haus gehen oder auf die andere Seite zu Maggies Silver Lady wechseln. Im Mountain Queen aber gab es nur guten Whisky, ehrliche Spieler an gut geführten Tischen, hübsche Kellnerinnen – Travis runzelte die Stirn – ... und Georgette Lindsay, einigen wenigen auch unter dem Namen Suzanne Forteaux bekannt.

Das brachte seine Gedanken zurück zu Suzanne.

Er bemerkte, wie sich der Bühnenvorhang bewegte, als jemand von der anderen Seite gegen den Stoff stieß. Erwartungsvolle Rufe erklangen von den Minenarbeitern. Travis zog seine Uhr hervor und ließ den Deckel aufschnappen. Es war noch nicht ganz so weit.

Warum war die Tochter eines der bekanntesten und einflussreichsten Männer New Orleans eine Sängerin, die von Stadt zu Stadt und von Lager zu Lager reiste? Travis hob sein Glas, legte den Kopf zurück und trank den Rest des Whiskys aus. Suzanne Forteaux. Er hatte in den vergangenen Jahren nicht viel an sie gedacht, außer dann und wann mit einem schuldbewussten Gefühl im ersten Jahr, nachdem er New Orleans verlassen hatte. Er sah wieder zur Bühne hin, plötzlich ungeduldig, dass die roten Samtvorhänge sich teilten und er sie endlich wieder sah.

Vielleicht hatte er einen Fehler gemacht. Aber woher hätte er wissen sollen, dass Suzanne zu so einer Schönheit heranreifen würde? Er spürte, wie sich tief in ihm Verlangen regte. Travis wandte sich wieder zur Bar um und signalisierte Jed, dass er sein Glas nachfüllen sollte. Nein, es war kein Fehler gewesen. Er war kein Mann, der heiratete.

In dem Moment begann die Musik, und alle Spieler, Minenarbeiter, Geschäftsmänner und Gäste im Haus verstummten, die Würfel, Karten und Gläser ruhten, und alle Köpfe wandte sich erwartungsvoll der Bühne zu.

Die roten Vorhänge teilten sich in schwingenden Falten, und Suzanne Forteaux trat auf die Bühne hinaus.

»Mann, was für eine Schönheit, Boss«, sagte Jed hinter ihm, die Stimme voller Ehrfurcht.

Travis nickte, aber sein Blick hing an Suzanne. Sie war ganz in Weiß gekleidet. Ihr Kleid war aus Seide mit vollen, voluminösen Röcken, das Oberteil eng anliegend und gewagt tief ausgeschnitten. In den Saum waren kleine Perlen eingenäht, die das Licht aus den Lampen und den großen Kronleuchtern im Saal tausendfach brachen und reflektierten und bei jeder ihrer Bewegungen verführerisch schimmerten. Üppige weiße Ärmel waren mit Seide und Perlen durchsetzt und verstärkten den Effekt noch. Ihre dunklen Locken waren hoch auf dem Kopf aufgesteckt und fielen ihr auf einer Seite auf die Schulter. Hinter einem Ohr steckten ein paar weiße Federn, die mit einer Diamantnadel im Haar festgehalten wurden.

Die Minenarbeiter, die sich im Mountain Queen drängten, wurden wild, ehe sie überhaupt ihr erstes Lied beendet hatte. Sie jubelten, klatschten und sangen mit. Sie hämmerten mit den Fäusten auf die Tische, jubelten und zogen sie mit den Blicken aus.

Nein, dachte Travis wieder. Er hatte vor sieben Jahren keinen Fehler gemacht. Ehe war nichts für ihn. Damals nicht und ganz bestimmt nicht heute. Zum Teufel, vielleicht hatte er ja ihnen beiden einen Gefallen getan. Aber das Vergnügen, sie in seinem Bett zu haben ... nun, das stand auf einem anderen Blatt. Dafür war es nicht zu spät ... wenn die Dame wollte.

»Sei still, Clarence«, fauchte Suzanne, ärgerlicher als am Anfang seiner Tirade. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sie niemals jemanden so unfreundlich angesprochen. Sie warf den Federschmuck auf einen kleinen Tisch an der Wand des Umkleideraumes. Er prallte mit einem lauten Klicken an den Spiegel dahinter. »Ich mache es so, wie du gesagt hast, nicht wahr? Also sei still und hör auf, mich zu bedrängen.«

»Aber er bedeutet dir noch immer etwas, nicht wahr, Suzanne?«, beharrte Clarence, und seine weinerliche Stimme kratzte an ihren ohnehin strapazierten Nerven. »Ich erkenne es doch. Er ist wichtig für dich, nicht wahr?«

Sie fuhr herum und funkelte ihn wütend an. »Natürlich ist er das! Der Mann hat mich vor allen Freunden und meiner Familie am Altar der St.-Louis-Kathedrale stehen lassen. Ich war für Monate der größte Witz der Stadt. Also bedeutet er mir natürlich noch etwas. Um Himmels willen, Clarence, ich liebe ihn. Was bedeutet es schon, dass ich wie eine Närrin dastand? Oder dass mich hinterher kein Mann mehr zweimal angesehen hat?«

Clarence besaß die Grazie, bei ihrem Ausbruch beschämt dreinzublicken.