Spiel der Liebe - Cheryl Biggs - E-Book

Spiel der Liebe E-Book

Cheryl Biggs

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Beschreibung

Große Gefühle vor der farbenprächtigen Kulisse der US-Südstaaten im 19. Jahrhundert

Rache! Dieser glühende Wunsch hat Blackjack Reid Sinclairte nach Natchez getrieben: Der Tod seiner Verlobten soll nicht ungesühnt bleiben. Cord Rydelle soll dafür büßen. Doch Reids bitteren Gefühle wandeln sich, als er Samantha begegnet - der Frau, die Cords Geliebte sein soll!

Mit aller Macht kämpft er gegen sein Verlangen an, doch vergebens. Samantha ist nicht nur die beste Kartenspielerin am Mississippi - sie ist auch fest entschlossen, um Reids Liebe zu pokern. So beginnt das wichtigste Spiel ihres Lebens ...

***

Diese romantische Liebesgeschichte ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Geraubtes Herz" erschienen.

Ebenfalls von Cheryl Biggs lieferbar: Versuchung der Leidenschaft * Die Südstaaten-Saga: Band 1: Glück deiner Liebe. * Band 2: Macht der Sehnsucht. * Band 3: Aufruhr der Herzen. * Band 4: Sturm der Gefühle.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 416

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Prolog

Natchez, Mississippi, 1850

1

Natchez, Mississippi, 1858

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Epilog

Über dieses Buch

Rache! Dieser glühende Wunsch hat Blackjack Reid Sinclaire nach Natchez getrieben: Der Tod seiner Verlobten soll nicht ungesühnt bleiben. Cord Rydelle soll dafür büßen. Doch Reids bitteren Gefühle wandeln sich, als er Samantha begegnet – der Frau, die Cords Geliebte sein soll!

Mit aller Macht kämpft er gegen sein Verlangen an, doch vergebens. Samantha ist nicht nur die beste Kartenspielerin am Mississippi – sie ist auch fest entschlossen, um Reids Liebe zu pokern. So beginnt das wichtigste Spiel ihres Lebens …

Diese romantische Liebesgeschichte ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel »Geraubtes Herz« erschienen.

Über die Autorin

Cheryl Biggs liebt Cowboyserien und Western seit ihrer Kindheit. Die passionierte Reiterin lebt mit ihrem Mann, den fünf Katzen Dooby, Dusty, Dolly, Mikey und Lil’ Girl sowie mit Hund Lady am Fuß des Mount Diablo, Kalifornien.

Cheryl Biggs

Spiel der Liebe

Aus dem amerikanischen Englisch von Britta Evert

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1999 by Cheryl BiggsPublished by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY USATitel der amerikanischen Originalausgabe: Blackjack’s Lady

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Titel der deutschen Erstausgabe: Geraubtes Herz

Covergestaltung: © Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung von istockphoto: Beka_C | hotdamnstock.com

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt

ISBN 978-3-7325-4562-9

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Prolog

Natchez, Mississippi, 1850

»Du hast keine Wahl, Chérie.«

Er fixierte sie mit seinen katzenartigen Augen, und ein eiskalter Schauer überlief sie, eine langsame, qualvolle Empfindung, wie eine Vorahnung des Todes, der sie erwartete, wenn sie seiner Forderung nachgab. Elyse rang um Atem und riss sich so abrupt von ihm los, dass sie ein wenig ins Taumeln geriet. Gleich darauf fand sie ihr Gleichgewicht wieder und hielt seinem arroganten Blick mit hocherhobenem Haupt stand.

»Sie haben meinen Vater getötet«, sagte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Ich würde nicht im Traum daran denken, Ihre Frau zu werden!«

Seine nahezu perfekt geschwungenen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, aber es war ebenso bar jeder Wärme wie das Funkeln in seinen dunklen tiefbraunen Augen und das Angebot, das er so hochmütig gemacht hatte, in der Gewissheit, sie würde es annehmen. »Ha! Dein Vater war ein Narr!«

Tränen stiegen ihr in die Augen. »Er war ein guter Mensch. Er war –«

»Ein Narr«, fiel Valic Gerard ihr schneidend ins Wort. »Und ich verliere allmählich die Geduld.« Er schlenderte durch das großzügige Studierzimmer, das ihre Mutter nur wenige Monate vor ihrem Tod liebevoll in unterschiedlichen Schattierungen von Burgunderrot und Elfenbein gestaltet hatte. Elyse lief es allein bei dem Gedanken, dass dieser Mann hier in ihrem Zuhause, in diesem Zimmer war, eiskalt über den Rücken. Valic klappte die kunstvoll geschnitzte Schatulle aus Zitronenholz auf, die auf dem Schreibtisch ihres Vaters stand, und wählte eine der kurzen Zigarren, die darin lagen. Er drehte den straff gerollten Stumpen zwischen Daumen und Zeigefinger, um seine Qualität zu prüfen, hielt ihn kurz unter die Nase und steckte ihn dann, sichtlich zufrieden, in seine Jackentasche.

Elyse verspürte den Impuls, sich auf ihn zu stürzen und den Stumpen aus seiner Tasche zu reißen. Stattdessen blieb sie regungslos stehen und wünschte ihn insgeheim zum Teufel.

Das Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel, schimmerte auf Valics dichtem schwarzem Haar, vermochte aber nicht, dem Mann selbst auch nur einen Funken Wärme oder Licht zu verleihen.

Es erschütterte Elyse, dass das Herz eines einzelnen Menschen so viel Gier und Grausamkeit beherbergen konnte. Sie hatte geglaubt, auf seine Forderung eingehen zu können, aber wie konnte sie sich für den Rest ihres Lebens an einen Mann binden, der nichts anderes als ein Mörder war, sei es auch, um ihre Familie zu retten? Er hatte ihren Vater getötet, aber erst nachdem er ihn ruiniert und ihm nichts als seine Ehre gelassen hatte. Diese Ehre zu verteidigen hatte ihren Vater das Leben gekostet. Den Beaumonts war nichts geblieben; ihr Land, ihr Heim und fast alle ihre Möbel gehörten jetzt dem Mann, der vor ihr stand, und nun bot er ihr einen Ausweg an, eine Möglichkeit, sich selbst, ihr Heim und ihre Familie zu retten. Übelkeit stieg in ihr auf. Er bot ihr einen Ausweg, aber dieser Weg war unvorstellbar ... und sie konnte ihn nicht beschreiten.

Lieber würde sie auf der Straße leben, als auf seinen Vorschlag einzugehen.

Er sah zu ihr, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und sein Blick fing ihren ein. In seinen Augen lag Spott. »Wie gesagt, Elyse, du hast wirklich keine Wahl.«

Sie straffte die Schultern und starrte ihn finster an. Nein. Sie würde sich nicht ausliefern. Nicht diesem Mann. »Ich glaube doch, Mr. Gerard«, sagte sie, überrascht, wie ruhig ihre Stimme klang, obwohl sie vor Nervosität zitterte – und vor Angst, ihr Stolz könnte sie in den sicheren Untergang führen. »Und meine Alternative bedeutet, Sie nicht zu heiraten.«

1

Natchez, Mississippi, 1858

Die Herausforderung war bekannt gegeben.

Das Warten war vorbei.

Es war fast soweit.

Samantha sah sich in dem lang gestreckten, schmalen Raum um. Er war überfüllt, aber nicht jeder der Gäste im Silver Goose Saloon war wegen der Pokerspiele gekommen, die in einer Stunde beginnen sollten. Viele von ihnen wollten nur zuschauen und vielleicht die eine oder andere Wette auf denjenigen machen, der es bis in die Schlussrunde schaffte und schließlich siegte, oder auf den, der als Erster ausschied.

Ihr Blick schweifte über die Menge, und sie erkannte einige der Spieler wieder, die ihre Herausforderung angenommen hatten: Diamond Dan, Loco Bob, Foxe Brannigan, Jeffers Montayne. Das waren nur einige wenige. Auch andere waren da. Viele andere. Manche Spieler erkannte sie an einem besonderen Hut, dem Anzug, der Krawattennadel oder dem allgemeinen Auftreten; manche waren ihr gänzlich unbekannt. Aber darauf kam es nicht an – sie waren da. Ihre Herausforderung hatte sie alle angelockt, wie sie es sich erhofft hatte, aus den schicken Kasinos in New Orleans, den stickigen Hinterzimmern Bostons, den Salons von New York, von den Dampfern, die die Flüsse befuhren, und aus den rauen Saloons westlich des Mississippi.

Aber die Aussicht auf einen Pot von einer Million Dollar war schließlich ein starker Anreiz. Zu stark für die meisten Berufsspieler, um widerstehen zu können.

Der verschwenderisch ausgestattete Silver Goose Saloon war buchstäblich ein Meer von Menschen, alle männlichen Geschlechts, abgesehen von Samantha und den drei Mädchen, die für sie arbeiteten.

»Hab’ in meinem ganzen Leben noch nie so viele attraktive Männer auf einem Haufen gesehen«, sagte Daisy, während sie sich an die Theke durchkämpfte, und zwinkerte Samantha zu. Sie schnappte sich eine Flasche Whiskey und zwei Schnapsgläser, warf schwungvoll ihre langen blonden Locken zurück und rauschte durch den Raum, um die Getränke zu servieren.

Samantha lachte leise. Daisys Bemerkung traf zu. Jeder, der heute Abend den Weg in den Saloon gefunden hatte, schien seinen besten Anzug zu tragen, aber die Berufsspieler mit ihrer eleganten Kleidung stachen alle anderen aus. Ihre Anzüge waren maßgeschneidert, ihre Rüschenhemden aus feinster Seide, die Knöpfe an ihren Jacken und Westen aus massivem Silber oder Gold oder mit Diamanten besetzt, genauso wie die Ringe an ihren Fingern, die Manschettenknöpfe an ihren Handgelenken und die Uhren in ihren Westentaschen.

Die drei Kronleuchter aus Messing und Kristall, die im Silver Goose von der Decke hingen, und die dazu passenden Wandleuchten waren wie die zwei goldgerahmten Spiegel hinter der langen Mahagonitheke auf Hochglanz poliert worden.

Samantha hörte das Klick-klick-klick des Glücksrads, als es sich drehte und sein Lederriemen die vorbeiwirbelnden Messingspeichen traf. Sie drehte sich um und beobachtete durch den Rauchschleier, der im Raum hing, wie die Umdrehungen des Rads langsamer wurden. Schließlich blieb es stehen, und John, einer ihrer Kartengeber beim Faro, jetzt aber für das Glücksrad zuständig, rief die Gewinnzahlen auf, wobei er bei einem der Männer an dem hufeisenförmigen Tisch einen freudigen Juchzer hervorrief.

Samantha wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den anderen Männern zu, die sich im Saloon drängten. Die Berufsspieler waren gekommen, um ihre Herausforderung anzunehmen, und sie konnte fast wieder das altvertraute Prickeln der Erregung spüren, wenn sie daran dachte, wieder die Spielkarten in der Hand zu halten und einen Gegner zu bluffen. Zusammen mit diesem Gefühl stiegen Erinnerungen auf, schmerzliche Erinnerungen, von denen sie nichts wissen wollte. Sie kämpfte gegen sie an, verdrängte sie in die unerforschten Tiefen einer Vergangenheit, der sie nur selten gestattete, wieder lebendig zu werden.

»Du spielst falsch!«

Samantha sah erschrocken auf.

»Nein, Sir«, sagte sie ruhig. »Das tue ich nicht.«

»Keine Frau versteht so viel von Karten«, sagte der Mann verächtlich. »Eine Hure schon gar nicht.«

Sie sprang auf, als diese hässliche Anschuldigung fiel, und holte mit der Hand aus, um ihm ins Gesicht zu schlagen.

Der Mann zog eine Waffe.

Cord, der an der Theke stand, hatte seine bereits gezogen.

Schüsse fielen, und der Mann, der eben noch gegenüber von Samantha gesessen hatte, fiel mit dem Gesicht vornüber auf den Tisch.

Samantha schob die Erinnerung beiseite. Damals hatte sie zum letzten Mal Karten in der Hand gehalten, zum letzten Mal ein Spiel gemacht.

Aber das würde sich jetzt ändern.

Valic Gerard mochte vielleicht den Eindruck haben, dass sie auf seine erpresserischen Forderungen einging, aber Samantha wusste, dass sie in den nächsten Tagen irgendwie einen Weg finden würde, ihn zu besiegen ... Und diesmal würde sie dafür sorgen, dass es ihm leidtat, erneut mit Elyse Samantha Beaumont die Klingen gekreuzt zu haben.

Der Geruch von Whiskey, Tabak und Rasierwasser, einige billig, andere teuer, erfüllte den Raum, und all das vermischte sich mit der Ausdünstung des Flusses, die alles in Under-the-Hill zu durchdringen schien. Das Ergebnis war ein nahezu überwältigendes Aroma, charakteristisch für diesen Teil der Stadt und einzigartig. Oder vielleicht nur einzigartig für sie. Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass es ein Geruch war, der keinem anderen glich, den sie kannte, ein Geruch, für den sie keine Vorliebe entwickelt, sondern an den sie sich notgedrungen gewöhnt hatte.

Samantha lächelte. Der Zeitpunkt, mit den Pokerrunden zu beginnen, rückte näher. Sie waren gekommen, um die Herausforderung anzunehmen; jeder hatte ein nicht rückzahlbares Startgeld von fünfundzwanzigtausend Dollar gezahlt, und es gab keinen Grund, sie länger warten zu lassen.

Sie drehte sich um, um den Raum nach Cord abzusuchen, und entdeckte ihn schließlich am anderen Ende des Saloons, wo er sich mit Foxe Brannigan unterhielt. Er lachte gerade herzhaft über etwas, das Foxe gesagt hatte. Cords dunkles Haar winkte im Kerzenlicht fast blauschwarz, und das Grau an seinen Schläfen ähnelte einen Moment lang silbernen Schwingen. Samantha fing seinen Blick ein und winkte.

Er nickte und begann, sich einen Weg durch die Menge zu ihr zu bahnen.

Samantha ließ eine Hand auf ihr Kleid sinken und strich abwesend mit den Fingern über die dunkelblaue Satinrüsche auf dem blassblauen Abendkleid, das sie für diesen Abend gewählt hatte, ein Kleid, das ihr mit den tiefblauen Verzierungen und den Volants in der Farbe ihrer Augen besonders gut stand.

Sie wandte sich ein wenig um, als Cord näher kam, und spürte, wie sich das Strumpfband an ihrem rechten Oberschenkel leicht spannte und sie an den Dolch erinnerte, der dort gut verborgen unter Satin und Spitzen steckte. Es gab selten Ärger im Silver Goose, vor allem, seit sie Jake eingestellt hatte, um dafür zu sorgen, dass es auch so blieb. Ihr Blick flog zu dem riesigen irischen Hafenarbeiter, der am anderen Ende der Theke stand. Sein rotes Haar leuchtete wie eine Flamme über seinem gewaltigen Körper, und er schien alle Anwesenden mindestens um Haupteslänge zu überragen. Seine Schultern waren ausladend wie ein Bergmassiv und seine Fäuste wie zwei Dampfhämmer.

Samantha seufzte. Normalerweise trug sie keine Waffe mehr ... nicht seit jener Nacht ... es sei denn, sie verließ das Haus, aber im Moment lagen die Dinge anders. Der Hauptgewinn für die Schlussrunde im Pokern, eine Million Dollar, befand sich im Safe, und im Saloon waren mehrere Dutzend Spieler, denen es einfallen könnte, aufeinander zu schießen, statt Poker zu spielen. Und selbst wenn das nicht eintraf und sie sich alle wie die Gentlemen benahmen, die sie zu sein vorgaben, lungerten andere herum, die nicht ganz so ehrenhaft waren. Eine Million Dollar stellte für jeden Mann eine große Versuchung dar. Einen Moment lang kehrte die Erinnerung an Dante Fournier zurück. Er hatte sie mit seinen liebenswürdigen Redensarten und leidenschaftlichen Küssen im Sturm erobert, und während sie den Kopf voller alberner Träume hatte, hatte er sich darangemacht, ihr jeden Penny zu stehlen, den sie besaß, um dann prompt von der Bildfläche zu verschwinden.

Das war eine Erfahrung, aus der sie gelernt hatte. Sie hob eine Hand und strich sich eine rötlich schimmernde dunkelbraune Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Noch ein paar Spieler mehr, Miss Sam, und die Tische sind voll.«

Samantha drehte sich zu ihrem Barkeeper um. »Ich glaube, die besten sind schon hier, Curly.«

Er lächelte. Sein kahler Schädel schimmerte rosig im Kerzenlicht. »Ja, außer Studs Harriman und Forest McLean. Hätte gern gesehen, wie Sie gegen Rubies Bigelow antreten, aber ich schätze, das werden wir nicht mehr erleben. Ich habe gehört, er hat sich vor einer Weile in San Antone umlegen lassen.«

Sie nickte und warf einen Blick auf die große Standuhr in der Nähe des Flurs, der in den hinteren Teil des Gebäudes führte, wo sich ihr Büro befand. »Wie auch immer, ob voll oder nicht, in einer Dreiviertelstunde geben wir den Start für die Spielrunden bekannt.« Der Pot von einer Million Dollar sollte durch das Geld aufgestockt werden, das während der Spielrunden an den Tischen verloren wurde, aber zwei Spieler weniger, als sie erwartet hatte, könnte bedeuten, fünfzigtausend Dollar von ihrem eigenen Geld beizusteuern. Ein Risiko. Wenn sie verlor ... Samantha dachte den Gedanken nicht zu Ende. Sie würde nicht verlieren. Sie hatte noch nie verloren – aus diesem Grund waren sie alle gekommen, um sich der Herausforderung zu stellen. Sie hatte noch nie ein Pokerspiel verloren. Eine Runde, ja, ein Spiel, nein. Und jeder von ihnen wollte derjenige sein, der ihr diesen Titel abnahm. Die Million war wichtig, ja, atemberaubend, aber sie wusste, sie zu schlagen, war für die meisten der Hauptgrund gewesen zu kommen. Samantha fühlte, wie das Risiko dieser Herausforderung einen Funken von Tollkühnheit in ihr entzündete und immer heller und stärker werden ließ. Sie hatte noch nie verloren, und sie würde auch diesmal nicht verlieren.

Fast niemand hier wusste es, aber es würde das wichtigste Spiel in ihrem Leben sein.

Ihr Blick wanderte durch den Raum, bis er auf den Mann fiel, der sie gezwungen hatte, alles zu riskieren und die Herausforderung auszusprechen. Sie wusste, dass Funken von Abscheu in ihren Augen sprühten, ebenso wie Abscheu ihr Herz erfüllte, und sie ertappte sich dabei, die Beherrschung nur deshalb nicht zu verlieren, weil sie ihren Blick weiterwandern ließ, in der Hoffnung, niemand hätte etwas bemerkt. Und wenn es das letzte war, was sie tat, sie würde Valic Gerard ruinieren.

Sie trat einen Schritt von der Theke weg, um sich wie vereinbart mit Cord an der Treppe zu treffen und dort bekannt zu geben, dass die Spiele demnächst anfangen würden.

In diesem Moment wurde die Schwingtür des Saloons aufgestoßen, wobei ihr roter Anstrich das Licht eines Kronleuchters auffing und einen flüchtigen, leuchtenden Widerschein warf. Aber es war nicht nur das Aufschwingen der Tür oder das kurze Aufblitzen von Rot, was Samanthas Aufmerksamkeit erregte, es war der Mann, der über die Schwelle in den Saloon trat. Sie kannte fast jeden Spieler entlang des Mississippi, wenn nicht dem Namen nach, dann dem Aussehen und seinem Ruf nach. Aber dieser Mann war ihr fremd, das stand fest.

Er strahlte Selbstbewusstsein aus, ohne arrogant zu wirken.

Samantha musterte ihn, als er in der Tür stand und gleichgültig den Raum begutachtete, im Hintergrund fahles Mondlicht. Er trug einen Western-Hut und hatte die breite Krempe tief ins Gesicht gezogen, so dass seine Augen im Halbdunkel blieben.

Samantha wünschte, sie könnte sein Gesicht sehen.

Unvermittelt, als hätte er ihre Gedanken gehört, fegte er den Hut vom Kopf.

Sein Haar schimmerte dunkel und golden im weichen Licht der Kerzen.

Irgendetwas an ihm fesselte Samantha sofort, eine Andeutung von Kraft und Entschiedenheit in seiner Haltung, ein Anflug von Zielstrebigkeit in seinem täuschend trägen und beiläufigen Auftreten.

Seine Schultern waren breit und steckten in einem schwarzen Cut, der sich zu einer schmalen Taille verengte und dann den Blick auf lange, schlanke Beine in engen Hosen freigab, die mit Stegen unter den Stiefeln festgehalten wurden.

Ihr Blick kehrte zu seinem Gesicht zurück, als er auf sie zukam, und Samantha fühlte, wie sie eine unerklärliche und unerwartete Woge von Hitze durchflutete, als ihre Augen sich begegneten.

Sie versuchte, den Blick abzuwenden, konnte es aber nicht. Dunkle Augen – eine satte, warme Mischung aus Tiefbraun und Zimt, mit goldenen Fünkchen gesprenkelt – hielten sie in Bann.

Auf seinem Gesicht zeichneten sich widersprüchliche Wesenszüge ab. Die dunklen Augen lagen tief unter einer breiten Stirn und schön geschnittenen Brauen. Die Andeutung eines Lächelns spielte plötzlich um den Winkel seiner sinnlichen Lippen und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die feine, fast unsichtbare Narbe, die sich über die linke Seite seines Mundes zog.

Sie fragte sich, ob es ein Messer gewesen war, ein Degen, oder nur ein Unfall in seiner Kindheit, der dieses markante, anziehende Gesicht entstellt hatte.

Das Lächeln milderte augenblicklich die Linien um seinen Mund, während die Narbe den Eindruck zerstörte, dass es sich bei diesem fast edel zu nennenden Gesicht um das Meisterwerk eines Bildhauers, nicht um ein menschliches Wesen handelte.

Samantha riss sich zusammen und zwang sich, in eine andere Richtung zu schauen.

»Je hübscher ein Mann, desto gefährlicher.«

Der Ausspruch, den sie so oft von ihrer Mutter gehört hatte, als sie heranwuchs, ging ihr durch den Kopf. Wenn sie nur vor ein paar Jahren auf diese Worte gehört hätte, dann hätte sie die Katastrophe ihres Lebens vermeiden können, das wusste Samantha jetzt. Leider hatte sie auf die harte Tour lernen müssen, wie zutreffend die Warnung ihrer Mutter gewesen war. Valic Gerard und Dante Fournier waren beide atemberaubend gutaussehende Männer, und jeder von ihnen hatte sie auf seine Weise an den Bettelstab gebracht, am Boden zerstört und in ihr nur noch den Wunsch hinterlassen, sie zu töten.

Ihr Blick fiel auf Valic Gerard, der an der Theke stand. Vor acht Jahren hatte sie ihn zum letzten Mal gesehen, und sie hatte gehofft, ihm nie wieder zu begegnen, aber offensichtlich war das Schicksal gegen sie. Eins hatte sie in dieser Zeit allerdings gelernt: Valic Gerard zu töten wäre eine zu leichte Strafe für das, was er ihr und wer weiß wie vielen anderen angetan hatte. Und jetzt war er wieder da und wollte mehr. Brennender Hass loderte in ihr auf. Valic Gerard zu ruinieren, ihm nichts zu lassen – das war es, was Valic am meisten weh tun würde, und das musste sie irgendwie schaffen. Es ihm heimzahlen. Ihn in dem Glauben lassen, er würde gewinnen, und dann einen Weg finden, ihn zu vernichten.

Was Dante betraf, war das Letzte, was sie über ihn gehört hatte, dass er vor einigen Jahren auf der Suche nach neuen Jagdgründen in den Westen gegangen war. Noch Monate danach hatte sie jeden Abend gebetet, es möge sich dabei um die ewigen Jagdgründe handeln, sei es durch einen Indianerpfeil oder das Seil des Henkers. Nicht unbedingt die milde Denkungsart, die ihre Mutter ihr beigebracht hatte, aber ihre Mutter lebte nicht mehr, und Samanthas Leben war weit entfernt von dem, was ihr und Sarah Jane Beaumont vorgeschwebt hatte.

Sie verdrängte die unerfreulichen Überlegungen. Ihre Probleme mit Dante lagen lange zurück, und es war ihr lieber, nicht mehr daran zu denken. Immerhin hatte diese Krise Cord in ihr Leben gebracht, und selbst wenn sie die Zeit zurückstellen und den Verlauf der Dinge ändern könnte, würde sie es nicht tun. Es sei denn, es gäbe eine Möglichkeit, Staunton Beaumonts sinnlosen Tod zu verhindern und dafür zu sorgen, dass ihr Dante Fournier oder Valic Gerard nie über den Weg liefen und Cord Rydelle trotzdem ein Teil ihres Lebens sein konnte.

Als hätte sie ihn mit ihren Gedanken gerufen, trat Cord zu ihr. »Wo zum Teufel kommt der denn her?«, murmelte er halblaut.

Samantha zuckte zusammen, als sie den wilden Unterton in seiner Stimme hörte, etwas, das ganz untypisch für ihn war. Sie musterte ihn scharf und bemerkte, dass seine dunkelblauen Augen auf den Fremden gerichtet waren, der auf sie zukam. »Ich weiß es nicht.« Sie betrachtete den Mann, der näher kam, sah dann wieder Cord an und runzelte die Stirn. »Warum? Kennst du ihn?«

Wieder überraschte er sie, als er nickte. Stählerne Härte zeichnete sich auf Cords Gesichtszügen ab, während ein Ausdruck, den sie nicht zu deuten vermochte, seine Augen zu verdunkeln schien. »Ich kannte ihn«, sagte Cord. »Ist lange her.«

Eine Mischung aus Neugier und Furcht erfüllte sie, rührte an ihr Herz, ihren Verstand und ließ einen kleinen Schauer über ihre Haut laufen. »Wer ... wer ist er?«

»Blackjack Reid Sinclaire.«

Sie hatte vermutet, dass der Mann ein Spieler war, auch wenn es dafür keine besonderen Hinweise gab. Spieler trugen gewöhnlich Anzüge aus schwarzem Tuch, aber das taten viele andere Männer auch. Die extravaganteren unter den Spielern trugen außerdem seidene Rüschenhemden, Brillantringe und Westen, deren Stoff mit Silberfäden durchwebt war oder aus auffallendem Brokat gefertigt waren. Einige von ihnen trugen sogar statt einer Uhrtasche große Silberringe um den Hals, an denen ihre Uhrketten hingen. Blackjack Reid Sinclaire trug einen schwarzen Anzug. Abgesehen davon und von seinem Namen verriet nichts an ihm seine Profession, es sei denn eine gewisse Ausstrahlung, die nur einem anderen Spieler auffallen würde. Sein Hemd hatte keine Rüschen; Knöpfe und Manschettenknöpfe waren aus reinem Silber, und er trug keinen Schmuck, abgesehen von der Uhr, die in seiner Westentasche ruhte und an einer schlichten Kette hing. Selbst der Schnitt seiner Kleidung war unauffällig, offenbar bewusst, zeugte aber dennoch von Qualität und hohen Kosten und einem Auge für Details.

Er hätte gut und gern als wohlhabender Großgrundbesitzer durchgehen können.

Samantha kehrte ihm den Rücken zu und sagte mit gesenkter Stimme, damit niemand sonst sie hören konnte, zu Cord: »Soll ich Jake anweisen, ihn an die Luft zu setzen?«

»Nein. Ich ...« Cord schaute an ihr vorbei und fluchte unterdrückt.

Samanthas Schultern versteiften sich augenblicklich. Sie drehte sich um, da sie es gewöhnlich für besser hielt, einem Feind von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, statt sich zurückzuziehen oder überrumpelt zu werden. Welchen Grund sie hatte, in ihm sofort einen Feind zu vermuten, wusste sie selbst nicht, außer vielleicht die Tatsache, dass Cord über seine Anwesenheit offensichtlich alles andere als erfreut war. Sie fragte sich, warum. Cord war normalerweise sehr umgänglich und freundlich zu jedermann, selbst zu Leuten, die Samantha lieber unverzüglich ihrer Wege geschickt hätte. Aber angesichts seines Verhaltens und des Aufflackerns von Unbehagen in seinen Augen wusste Samantha, dass er für Blackjack Reid Sinclaire keine freundlichen Gefühle hegte.

Sie spürte, wie Cord hinter ihr näher an sie heranrückte. Seine Hand legte sich auf ihren Rücken, eine kaum merkliche, aber ungewohnt besitzergreifende und schützende Geste. Es verstärkte ihre Unruhe und löste einen Anflug von Furcht in ihr aus. Wer war dieser Mann aus Cords Vergangenheit?

»Pass auf«, raunte Cord ihr leise zu. »Er ist gefährlich.«

Samantha wandte sich beunruhigt zu ihm um, aber es blieb keine Zeit, eine Erklärung für seine Worte zu verlangen.

»Cord.«

Samanthas Blick flog zu dem Mann zurück, der gerade vor ihnen stehen geblieben war. Obwohl er nur dies eine Wort gesprochen hatte, Cords Namen, spürte sie sofort die Feindseligkeit, die von ihm ausging. Seine Augen wirkten eisig vor Verachtung.

»Reid«, erwiderte Cord ruhig und reservierter, als sie ihn je gehört hatte.

»Ich habe gehört, du wärst hier«, sagte Reid.

»Ich habe gehört, du wärst in England.«

»War ich.« Reid lächelte, aber die scheinbar warme Geste änderte nichts an der versteinerten Maske, zu denen seine anziehenden Züge erstarrt waren.

»Ich habe auch gehört, dass du da drüben Ärger hattest.«

»Nichts, womit ich nicht fertig geworden wäre.«

»Wie immer«, sagte Cord.

Reid neigte leicht den Kopf, ein unverschämtes Lächeln auf den Lippen. »Fast immer. Wie wir beide wissen.«

»Nun, welchem Umstand verdanken wir dieses Vergnügen?«

Das aufsässige Lächeln verstärkte sich, und Samantha erschauerte unwillkürlich angesichts der Bösartigkeit, die einen Moment lang über sein Gesicht huschte.

Aber statt Cord zu antworten, heftete Reid seinen Blick auf sie. Plötzlich schien sein Lächeln von Herzen zu kommen, und sie beobachtete verwirrt und überrascht, wie sich die eisige Kälte in seinen Augen in eine Wärme verwandelte, die mit der Hitze eines schwülen Sommertags wetteifern konnte. Außerdem lag eine Einladung in den schwelenden Tiefen dieser dunklen Augen, aber es war eine Einladung, die ihr nicht willkommen war.

Er nahm eine ihrer Hände in seine, und die Wärme seiner Finger, die Kraft, die sie in ihnen spürte, schloss sich wie eine in Samt gehüllte stählerne Klaue um ihre Hand. Gefährlich. Cords Worte hallten in ihrem Inneren wider, aber auch ohne seine Warnung hätte sie gewusst, dass Blackjack Reid Sinclaire ein Mann war, bei dem man auf der Hut sein musste.

Ihr Puls raste, als seine Hand ihre umschlossen hielt und seine Augen ihren Blick festhielten, als wollte er tief in ihre Gedanken eintauchen. Ihr Herz klopfte laut.

»Sie müssen Samantha sein.« Seine tiefe, schleppende Stimme streichelte sie, leise, langsam, schnell, erregend, fast wie das aufreizende Streichen einer Feder über zarte Haut. Er lächelte, während sein Daumen leicht über ihren Handrücken strich. »Und Sie sind noch viel schöner als in all den Gerüchten, die ich auf meiner Fahrt flussabwärts gehört habe.«

Sie starrte ihn an, stumm und wie gebannt.

Er hob ihre Hand, drehte sie um und presste seine Lippen in die Mitte der weichen Innenfläche. »Reid Sinclaire, zu Ihren Diensten.«

»Blackjack Reid Sinclaire«, fügte Cord schroff hinzu.

Winzige Fühler prickelnder Hitze jagten unter Reids Berührung Samanthas Arm hinauf. Sie entriss ihm abrupt ihre Hand, als sie sich erinnerte, dass sie schon einmal dieses plötzliche Prickeln der Erregung, diese spontane und unerklärliche Anziehungskraft erlebt hatte. Damals war sie jung und unerfahren gewesen und hatte sich Hals über Kopf von ihren Gefühlen mitreißen lassen. Aber ihrem Herzen zu folgen hatte schlimme Konsequenzen gehabt ... Konsequenzen, die sie nicht noch einmal erleiden wollte, schon gar nicht wegen eines Spielers, der nicht mehr als schmeichelnde Redensarten und ein verführerisches Lächeln zu bieten hatte.

»Sie weiß, wer du bist, Reid«, sagte Cord, diesmal mit unverhohlener Härte in der Stimme. »Und was du bist.«

Ein Funke von Übermut oder Bosheit, was von beidem, konnte Samantha nicht sagen, blitzte in Reids Augen auf, als er sich aufrichtete und Cord ansah.

Obwohl sie keine Miene verzog, war Samantha überrascht über die unmissverständliche Herausforderung, die sie aus Cords Worten heraushörte.

»Dann sind wohl keine Geheimnisse mehr offen, was, alter Freund?«, sagte Reid leise.

Samantha fröstelte förmlich angesichts des Hassgefühls, das sie in den dunklen Tiefen von Blackjack Reid Sinclaires Augen aufflammen sah, als er Cord ansah. Sie musste irgendetwas tun, ein Ende machen, bevor Worte nicht mehr ausreichten und die beiden sich buchstäblich an die Kehle gingen. Sie klappte den juwelenbesetzten Fächer auf, der an einem weichen Seidenband um ihr Handgelenk baumelte, und fächelte sich Luft zu. »Sind Sie hier, um die Herausforderung anzunehmen, Mr. Sinclaire?«, fragte sie, ihr Tonfall so kühl wie die leichte Brise, die vom Fluss heraufwehte und durch die Schwingtür des Saloons drang.

Sein Blick kehrte zu ihr zurück. »Eine Partie Poker mit der legendären Samantha«, sagte er nachdenklich und mit glatter Stimme. »Und ein Pot mit einer Million Dollar. Eindeutig eine Herausforderung, der kein Mann« – er machte eine Pause, und das Lächeln, das um seine Mundwinkel gespielt hatte, wurde zu einem zärtlichen Versprechen, einer Verheißung, einer Hoffnung – »widerstehen könnte.«

»Um gegen mich anzutreten«, sagte Samantha und hob herausfordernd ihr Kinn, »müssen Sie die anderen schlagen. Ich werde nur gegen vier von euch spielen ... die Besten.«

Er zog eine Augenbraue hoch, dann neigte Reid den Kopf in ihre Richtung. Verwegenheit leuchtete aus seinen dunklen Augen, und Arroganz, vielleicht auch unerschütterliches Selbstbewusstsein, schien aus seiner selbstgefälligen Haltung zu sprechen.

»Dann fange ich am besten gleich damit an«, sagte er leise, »der Beste zu sein.« Er griff in die Innentasche seiner Jacke und zog eine Brieftasche hervor. Er öffnete sie, entnahm ihr eine Handvoll Geldscheine und reichte sie ihr. »Fünfundzwanzigtausend Dollar«, sagte er. »Mein Startgeld.« Er gab ihr ein weiteres Bündel. »Und zwanzigtausend zum Spielen.«

Samantha gab das Geld dem Barkeeper, der es gegen ein Tablett mit Chips eintauschte, die sie extra für diese Pokerpartien hatte anfertigen lassen.

»Danke, Curly«, sagte Samantha. »Sowie du das Geld verwahrt hast, geben wir den Start bekannt.«

Er nickte und machte sich mit einem Navy Colt in der einen Hand und Reids Geld in der anderen auf den Weg ins Büro im hinteren Teil des Gebäudes, um Reids Startgeld zu dem Geld im Safe zu legen, das die anderen Spieler bereits eingezahlt hatten. Samantha reichte Reid die Chips. »Die sind für Sie«, sagte sie. »Chips im Wert von zwanzigtausend Dollar.«

Eine Bewegung an der Eingangstür des Saloons weckte ihre Aufmerksamkeit, und als Samantha hinschaute, entdeckte sie Studs Harriman und Forest McLean, die in der Tür standen und sich im Raum umsahen. Anscheinend würden sie doch noch alle Tische voll bekommen.

Reid sah zu Cord. »Bis später?«

Cord nickte kurz. »Bis später.«

Reid blickte wieder Samantha an. »Ich freue mich darauf, gegen Sie zu spielen, Samantha, und Ihnen vielleicht einen Drink auszugeben.« Mit einem leichten Neigen des Kopfes drehte er sich um und nahm an einem der Tische Platz.

»Er scheint ziemlich sicher zu sein, es bis zum Schluss zu schaffen, stimmt’s?«, sagte Samantha zu Cord.

»Mit gutem Grund.« Cord drehte sich zu dem Barkeeper um und bedeutete ihm, ihm einen Drink zu geben. »Er ist einer der Besten.«

»Ich habe noch nie von ihm gehört.«

Curly stellte ein Schnapsglas vor Cord, langte in ein verborgenes Fach unter der Theke und holte eine Flasche erstklassigen Whiskey aus dem Privatvorrat hervor. Er füllte das Glas und wollte die Flasche zurückstellen.

»Lass sie stehen«, knurrte Cord.

Samantha und Curly wechselten einen schnellen Blick. Cords selbstauferlegtes Limit war ein Drink pro Abend.

»Er war in den letzten Jahren in England«, sagte Cord, und Samantha sah wieder zu ihm. Er hielt das Glas hoch und musterte die bernsteinfarbene Flüssigkeit, die im Licht der Kronleuchter golden schimmerte. Er kippte den Whiskey in einem Zug hinunter, knallte das Glas auf die Theke und wandte seinen Blick Samantha zu. »Halt dich von Sinclaire fern, Sam.«

Sie runzelte die Stirn. Cord hatte bisher nie auch nur den Versuch gemacht, ihr zu sagen, was sie zu tun hatte. Und obwohl sie nicht die Absicht hatte, Blackjack Reid Sinclaire in die Nähe zu kommen, es sei denn für eine Partie Poker, falls er es bis zur Schlussrunde schaffte, riefen Cords Worte und sein düsterer Ton jetzt Neugier und einen Anflug von Trotz in ihr hervor. »Warum?«, fragte sie einfach.

Seine blauen Augen wurden hart, als sie auf Reid Sinclaire ruhten, der an einem der Tische auf der anderen Seite des Raums saß. »Weil er verheiratet ist«, sagte Cord, indem er sich wieder zu ihr umwandte. »Weil er skrupellos ist. Und weil er steckbrieflich wegen Mordes gesucht wird.«

2

Reid legte seine Chips auf den Tisch und musterte flüchtig die Männer, die schon dort saßen, seine Gegenspieler an diesem Abend. Er kannte keinen von ihnen. Aber das war ohne Bedeutung. Nicht sie waren es, denen im Augenblick sein Interesse oder seine Aufmerksamkeit galt. Samantha war anders als die Frauen, die er kannte, die sich ihren Lebensunterhalt in Saloons oder am Spieltisch verdienten. Wie schön sie auch sein mochten, es war immer etwas Verlebtes an ihnen, als hätte das Leben sie aufgebraucht. Diesen Eindruck hatte er bei Samantha nicht. Ihre Schönheit übertraf alle Beschreibungen, die er gehört hatte, und auch das Bild, das er sich von ihr gemacht hatte, und sie strahlte eine Verletzlichkeit und Unschuld aus, die ihn überrascht und einen Moment lang verunsichert hatten. Aber ihre Schönheit und alle anderen Qualitäten, die sie möglicherweise besaß, würden das, was er vorhatte, nur noch angenehmer machen. Reid nickte den anderen Männern am Tisch zu und lächelte in sich hinein, als er aus den Augenwinkeln einen Blick auf Samantha warf.

Es war nicht schwer, sie in der Menge auszumachen. Sie war wie ein schillernder Farbfleck in einem ansonsten eintönigen Meer von Menschen, und die anderen, die sich in dem langen, schmalen Raum drängten, schienen fast zu einem verwaschenen Grau zu verschwimmen, wenn sie sich strahlend und betörend unter ihnen bewegte. Reid drehte sich um, um sie offen anzuschauen. Das tiefe Dekolleté ihres blauen Abendkleids mit einem Besatz üppiger Spitzen betonte eine zarte und doch sehr verlockende Büste und schmiegte sich sanft an cremige elfenbeinfarbene Schultern, bei denen es ihm in den Fingern kribbelte, sie zu liebkosen. Sein Blick wanderte weiter nach unten. Ihre Taille war schmal, und trotz der Samtschärpe war Reid überzeugt, sie mühelos mit seinen Händen umspannen zu können. Ihre Beine mussten lang und wunderschön geformt sein, das wusste er instinktiv, obwohl sie sich unter einer wogenden Masse von Satin und Unterröcken vor seinen Blicken verbargen.

Er fragte sich, was für ein Gefühl es wohl wäre, seine Hände in dieser üppigen Mähne dunkelroten Haars zu vergraben, ihren Körper eng an seinen zu pressen und die Leidenschaft in ihren Augen erwachen zu sehen.

»Wollen Sie Ihren Einsatz machen, Sinclaire?«, fragte einer der anderen Spieler brüsk und unterbrach Reids anerkennende Begutachtung Samanthas.

Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit dem Spiel zuzuwenden, und warf dem Mann, der gesprochen hatte, einen scharfen Blick zu, bevor er mehrere Fünfzig-Dollar-Chips in die Mitte des Tischs schob. Reid runzelte die Stirn. »Haben Sie es eilig zu verlieren, Freund?«

»Nein, zu gewinnen, Freund«, gab der Mann zurück, wobei er eine höhnische Betonung auf das letzte Wort legte.

Sein Gesicht war Reid nicht vertraut, wohl aber sein Name. Er trieb sich schon lange in den Spielkasinos und auf den Flussdampfern herum, lange, bevor Reid nach England gegangen war, lange, bevor er selbst überhaupt zu spielen begonnen hatte. Aber »Spieler« war nur eins der Wörter, die Reid als Beschreibung für Valic Gerard gehört hatte. Betrüger, Schwindler, Hochstapler, Dieb und Mörder lauteten die anderen Bezeichnungen. Reid legte seine Karten auf den Tisch und starrte den Mann an. Sein Gesicht war wie sein Körper schlank und straff, seine Nase lang und gerade; in seinen Augen lag ein hinterhältiges Glitzern, und die Linien seiner Lippen verrieten, selbst wenn sie zu einem Lächeln verzogen waren, einen Hang zur Grausamkeit.

Aber vielleicht sah er all das nur in Gerards Gesicht, weil er es zu sehen erwartete. »Will sehen«, sagte Reid. Er beobachtete kurz jeden der Männer, als sie ihre Karten ansahen, dann wanderte sein Blick zu Samantha zurück. Sie stand immer noch an der Theke und sprach gerade mit einem Riesen von Mann, dessen ungebändigter Haarschopf so rot war wie ein Büschel Karotten und dessen gewaltige, muskelbepackte Schultern an ein Miniaturgebirge erinnerten.

Reid beachtete den Mann nicht weiter, sondern konzentrierte sich auf Samantha. Er spürte die erregende Wärme, die sich in seinem Inneren ausbreitete. Sich an Cord zu rächen würde sich als weit erfreulicher erweisen, als er erwartet hatte. Rache ist süß, dachte er bei sich. Köstlich und süß.

Als hätte sie seinen Blick gespürt, drehte sich Samantha um. Ihr Blick traf auf seinen, hart, direkt und herausfordernd, aber Reid hielt ihm stand. Befangenheit oder gar Subtilität waren Dinge, die für ihn kaum existierten. Stattdessen betrachtete er sie, lange und ausgiebig, registrierte den anmutigen Bogen der kastanienbraunen Brauen über leicht schrägen Augen, den kessen Schwung ihrer Stupsnase, die ihrem Gesicht entweder einen Ausdruck unschuldiger Keckheit oder hochmütiger und bewusster Arroganz verlieh. Ihr Haar fiel in wogenden Kaskaden über ihre Schultern, tiefbraun, mit seidigen roten Strähnchen durchsetzt, schimmernd und dicht. Aber es waren ihre Augen, die immer wieder seinen Blick auf sie lenkten, porzellanblaue Tiefen, umgeben von einem dunklen schwarzen Kreis und mit silbernen Reflexen gesprenkelt. Sie erinnerten ihn an ein Sommergewitter – an einen ruhigen Nachmittagshimmel, blau und wolkenlos, an dem unvermittelt die Schwärze von Donner und Regen aufzog und grelle Blitze zuckten.

Er sah, wie sich ihr Blick schließlich von ihm löste und kurz auf Valic Gerard ruhte. Es überraschte ihn, als er abgrundtiefen Abscheu in ihren Augen aufblitzen sah.

Der Hass, den er flüchtig über Samanthas Gesicht huschen sah, als sie Gerard anstarrte, war so intensiv, dass es Reid beunruhigte und stutzig werden ließ. Aber so schnell wie der Ausdruck auf ihrem Gesicht erschienen war, verschwand er wieder, und Reid war sich nicht sicher, ob er überhaupt vorhanden gewesen war.

»Nehmen Sie den verdammten Pot, Sinclaire«, unterbrach Gerard seine Überlegungen, »und mischen Sie.«

Er zwang sich, sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Ja, er würde seine Rache an Cord Rydelle mit Sicherheit genießen, aber wenn er sich nicht langsam über das Spiel Gedanken machte statt über Samantha, würde er nicht lang genug bleiben, um seine Pläne in die Tat umzusetzen. Reid sah zu Foxe Brannigan, der rechts von ihm saß, und sein Lächeln wurde breiter. »Wie ich höre, sind Sie einer der Besten in der Gegend, Brannigan.«

Foxe verzog seine Lippen unter dem dunklen, akkurat gestutzten Schnurrbart zu einem Grinsen, und seine Augen glitzerten belustigt. »Kommt drauf an, was Sie meinen, Sinclaire.« Er sah in Samanthas Richtung.

»Die Karten, mein Freund«, sagte Reid. »Die Karten.« Er nahm den Satz, den der Kartengeber ihm reichte, mischte sie, breitete sie auf dem Tisch aus, fing sie mit einer Hand wieder ein und mischte sie noch einmal.

Foxe lachte. »Dann haben Sie richtig gehört, schätze ich.«

Reid lächelte wissend. »Wir werden sehen.« Er legte den Pack Karten vor Dancing Jack Dillon, der links von ihm saß. Die Narbe, die sich wie eine weiße Schlange über sein gebräuntes Gesicht wand, trat im flackernden Kerzenlicht der Wandleuchten grotesk hervor.

Reid fragte sich, ob der Mann seinen Namen trug, weil er gern tanzte, wie er einmal gerüchteweise gehört hatte, aber die falsche Frau sitzengelassen hatte, oder weil der Texaner ein Tänzchen vor ein paar Kugeln aufgeführt hatte, um seine Haut zu retten, und dabei übersehen hatte, dass einer seiner Angreifer keine Pistole, sondern ein Messer in der Hand hielt – ein weiteres Gerücht, das Reid zu Ohren gekommen war. Er musterte den Mann und beschloss, ihn nicht danach zu fragen. Dancing Jack Dillon sah so aus, als wäre er besser im Umgang mit der Waffe, die er in einem Holster am Schenkel trug, als mit einem Blatt Karten, und Reid hatte nicht das Gefühl, dass es ein guter Tag zum Sterben war.

Jack hob ab und gab die Karten Reid zurück, der sie dem Kartengeber des Hauses reichte und beobachtete, wie er rasch noch einmal mischte und dann an jeden Mann fünf austeilte.

Reid griff nach seinem Blatt, hielt es in der einen Handfläche und breitete es mit einer leichten Bewegung des Daumens aus. Die oberste Karte war die Herz-Königin. Bevor er die restlichen anschauen konnte, erregte ein Aufblitzen von Dunkelblau seine Aufmerksamkeit. Er blickte auf. Samantha ging gerade an ihrem Tisch vorbei. Herz-Königin. Er lächelte, ohne die Lippen zu verziehen. Aber nicht mehr Herz, Süße! Der zynische Gedanke rief eine Erinnerung wach, die er nicht an die Oberfläche dringen lassen wollte. Nein. Mein Herz ganz bestimmt nicht.

Die Spiele zogen sich weitere vier Stunden hin.

»Letzte Runde, Gentlemen«, gab Curly bekannt.

Diejenigen, die nur zugeschaut hatten, gingen an die Bar oder schnappten sich einen der frei gewordenen Stühle der Spieler, die sich an einem Ende der Theke zusammengefunden hatten. Gläser wurden auf Tische und Theke geknallt, und Flaschen klirrten, während hastig Drinks eingeschenkt und gekippt wurden.

Cord ging die Treppe am hinteren Ende des Raums hinauf und bat um Ruhe. »Die Spiele der ersten Nacht sind vorbei«, verkündete er laut. »Zwei Spieler sind ausgeschieden: Loco Bob Tomkins und Seth Fitzroy.«

Laute Hochrufe erfüllten den Raum, begleitet von den Flüchen der beiden genannten Männer.

Wieder bat Cord mit erhobener Hand um Ruhe.

Reid beobachtete, wie sich Samantha neben den Spindelpfosten am Fuß der Treppe stellte. Verlangen stieg in ihm auf, und das Blut schoss heiß durch seine Adern. Er lächelte, als er daran dachte, wie gut er seine Rache gegen Cord geplant hatte, und sein Verlangen steigerte sich. Verdammt, er war wirklich noch nie einer Frau begegnet, die er so sehr begehrt hatte.

»Schluss für heute Abend, Gentlemen«, rief Cord. Seine tiefe Baritonstimme dröhnte durch den Raum. »Die Spiele gehen morgen Abend weiter, zur selben Zeit, am selben Ort.«

Geraune erhob sich, als Cord es ablehnte, weitere Drinks auszuschenken. Flaschen wurden hastig geleert, und die drei Frauen, die für Samantha arbeiteten, fingen an, leere Gläser abzuräumen. Die Männer strebten gutgelaunt der Tür zu. Sie stellten jetzt schon Überlegungen an, wer am nächsten Abend aussteigen würde.

»He, Cord, warum spielst du eigentlich nicht?«, rief einer der Männer über die Schulter zurück, als er die Tür aufstieß.

Cord schüttelte nur den Kopf und winkte ab. Dann ging er zu einem von Samanthas Mädchen, um ihr etwas zu sagen.

Reid stand am Ende der Theke, gleich bei der Tür. Er trat an die Wand zurück, in den Schatten einer großen, schön geschnitzten Anrichte, die als Getränkeschrank diente. Er war für jeden sichtbar, der von der Straße hereinschaute oder zur Tür hinausging, nicht aber für diejenigen, die im Saloon blieben.

Er lehnte sich an die Wand und nippte an dem Bourbon, den er in der Hand hielt, und erweckte bei jedem, der zufällig in seine Richtung sah, den Eindruck, dass er lediglich sein letztes Glas leerte.

Der Raum warf ein Spiegelbild auf die Scheiben der hohen Fenster, die zur Straße gingen, und das verschaffte ihm einen guten Überblick auf alles, was im Saloon vorging.

Innerhalb weniger Minuten hatte der letzte Gast das Lokal verlassen. Kurz darauf hörte Reid, wie Samantha dem Barkeeper gute Nacht sagte, als er durch eine Hintertür hinausging. Reid runzelte die Stirn. Im Saloon war es still, aber er hatte weder Cord gehen sehen noch das rothaarige Mammut, das Samantha Jake nannte. Vielleicht nahmen sie noch einen letzten Drink. Reid beugte sich vor und spähte um die Ecke der Anrichte.

Plötzlich tauchte der Riese hinter der Theke auf. Reid fiel beinahe das Herz in die Hosen, und er zog sich hastig zurück. Ein paar Sekunden später, als er wieder ruhig atmen konnte, riskierte er noch einmal einen Blick.

Jake ging den Flur hinunter, der in den rückwärtigen Teil des Gebäudes führte. Er betrat eines der Zimmer, brummelte »Gute Nacht« und knallte die Tür hinter sich zu.

Cord ging gerade die Treppe hinauf. Auf halbem Weg blieb er stehen und drehte sich zu Samantha um, die an der Theke stand.

Reid verzog sich wieder in den Schatten.

»Jake geht schon zu Bett?«, fragte Cord.

»Ja. Er hat heute Nachmittag eine Weile auf den Docks gearbeitet; sie brauchten bei einem der Boote Hilfe. Ich glaube, er ist völlig erledigt.«

»Der Safe ist verschlossen, Schatz?«

»Alles in Ordnung.«

»Was ist mit den Türen?«

»Darum kümmere ich mich noch. Geh ruhig schon zu Bett. Ich mache hier unten dicht und komme dann gleich nach.«

Reid hörte schwere Schritte auf den Stufen. Einen Moment später wagte er wieder einen Blick hinter der Anrichte hervor und sah Cord durch eine der Türen im Obergeschoß verschwinden.

Er beobachtete, wie Samantha mit einem langen Stab hin und her ging, um die Kerzen auf einem der Kronleuchter zu löschen. Als alle erloschen waren, ging sie zum nächsten weiter. Innerhalb weniger Minuten war sie fertig, und der Raum wurde nur noch von dem schwachen Schimmer der beiden Wandleuchten und dem blassen Mondlicht erhellt, das durch die beiden straßenseitigen Fenster fiel.

Überall im Raum hingen Schatten und verwandelten harmlose Winkel in gespenstische schwarze Höhlen, Tische in kauernde Ungeheuer, die darauf lauerten, sich auf ein argloses Opfer zu stürzen, den riesigen Spiegel hinter der Bar in eine silbrige Landschaft voller geheimnisvoller Gestalten und Formen.

Es war eine Szenerie, die er gut kannte, da er einen Großteil seines Erwachsenendaseins in Spielkasinos, Saloons und Wettbüros verbracht hatte. Einige waren elegant gewesen, andere kaum mehr als baufällige Löcher, aber letzten Endes waren sie alle gleich.

Samantha ging an Reid vorbei zur Eingangstür, ohne ihn zu bemerken. Sie klappte eine hohe Doppeltür aus Zypressenholz vor der roten Schwingtür zu und schob den schweren Riegel aus schwarzem Gusseisen vor.

Reid stellte sein Glas auf die Theke und trat lautlos aus dem Schatten.

Samantha, die plötzlich spürte, dass jemand hinter ihr war, fuhr herum.

Reid lächelte. Endlich allein.

3

Samanthas Hand flog an ihren Mund, und sie keuchte, als plötzlich die dunkle Silhouette eines Mannes vor ihr stand. Er wollte sie ausrauben! Sie fühlte, wie ihr Herz in der Brust hämmerte, während ihre Kehle vor Angst wie zugeschnürt war und sie keinen Laut herausbrachte. Ihr fiel die Waffe ein, die sich in den weiten Röcken ihres Kleids verbarg. Ihre Hand fuhr nach unten.

»Ich wollte Sie nicht erschrecken.«

Sie erkannte seine Stimme sofort, auch wenn sie nicht wusste, warum. Er war ein Fremder, ein Verbrecher und steckbrieflich gesuchter Mörder. Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben, aber noch während sie sich das sagte, stellte sie fest, dass es gelogen war. Irgendetwas an ihm fesselte sie, zog sie zu ihm hin. Sie hatte es in dem Moment gespürt, als er den Silver Goose Saloon betrat. Es war dieselbe spontane Anziehungskraft, die Dante Fournier auf den ersten Blick auf sie ausgeübt hatte, und genau aus diesem Grund hatte sie sich von Anfang an verzweifelt dagegen gewehrt, noch vor Cords Warnung, wer und was Blackjack Reid Sinclaire war.

Die Angst, die sein unerwartetes Auftauchen ausgelöst hatte, verschwand ebenso schnell, wie sie gekommen war, aber statt sich zu beruhigen, stieg heißer, flammender Zorn in ihr auf, der sie nahezu überwältigte. »Was wollen Sie hier?«, fuhr sie ihn an. Ihre Empörung half ihr, sich kerzengerade zu halten und die Schultern zu straffen.

»Sie sehen. Mit Ihnen reden«, sagte Reid mit einer tiefen, trägen Stimme, die ihre Nerven zu berühren und zu besänftigen schien. »Allein.«

Er lächelte, und Samantha spürte, wie ihr Zorn unerklärlicherweise nachließ. Sie rieb eine feuchte Handfläche an ihrem Rock. Ihr war heiß, und das mit schwerer Spitze besetzte Kleid schien in dem stickigen Raum auf einmal unerträglich eng zu sein. Mit ihrem Hals war alles in Ordnung, und trotzdem hatte sie das Gefühl, als bekäme sie keine Luft mehr, als würde irgendjemand oder etwas ihr die Kehle zudrücken und sie am Atmen hindern. »Wir haben für heute Nacht geschlossen, Mr. Sinclaire«, sagte sie, indem sie ihren Zorn neu aufleben ließ. Dieses Gefühl gab ihr Kraft und stellte eine dringend erforderliche Barriere zwischen ihnen dar. »Ich bin sicher, Sie haben die Ankündigung gehört.«

Plötzlich war er ganz nah bei ihr, verdammt nah, ohne ihren Zorn zu beachten. Sein warmer Atem strich über die verirrten Haarsträhnen, die sich an ihren Schläfen kräuselten. »Hab’ ich.«

»Die Pokerrunden werden morgen fortgesetzt«, sagte sie eisig und versuchte, nicht auf ihr rasendes Herzklopfen zu achten. »Wenn Sie mit mir reden wollen, werden Sie morgen Gelegenheit dazu haben.«

»Bis morgen ist es noch lange hin, und wie ich bereits sagte, ich wollte Sie allein sehen.«

Er hatte das Aufblitzen von Zorn in ihren Augen gesehen und in ihrer Stimme gehört, und doch spürte er, dass sich noch etwas anderes hinter Samanthas kühler Fassade verbarg, das er nicht erwartet hatte; aber ob es Furcht oder nur Unsicherheit war, hätte er nicht sagen können. Er wusste nur, dass es da war, dass es ihn fesselte und dass es das Letzte war, was er bei ihr vermutet hätte.

Aber das änderte nichts an seinen Plänen. Sie könnte schreien, das wusste er, und damit Cord Rydelle aufscheuchen. Und vielleicht auch dieses gigantische rothaarige Urvieh, aber aus irgendeinem Grund wusste er, dass sie es nicht tun würde. Er sah es in ihren Augen, an der Art, wie sie die Schultern straffte, an ihrer aufrechten Haltung. Sie war stolz. Vielleicht zu stolz. Sie würde versuchen, sich selbst zu verteidigen, falls es nötig war, und erst im äußersten Notfall um Hilfe rufen. Er streckte die Hände nach ihr aus.

Samantha trat einen Schritt zurück, um seiner Berührung auszuweichen.

Reid lächelte und kam näher. Jetzt war die Distanz zwischen ihnen noch geringer als zuvor.

Der Duft von Jasmin streifte ihn. Er sog ihn tief ein, kostete ihn genießerisch aus und wusste instinktiv, dass er in Zukunft bei diesem Duft immer an sie denken würde.

Wieder trat sie einen Schritt zurück. Weiter ging es nicht. In ihrem Rücken war die Tür und hinderte sie daran, noch einen Schritt zu machen; vor ihr stand Reid, stumm, auf seinen Lippen die spöttische Einladung, in seine Arme zu kommen.

Er lächelte. »Haben Sie Angst vor mir, Samantha?«

Alles in ihr sträubte sich gegen diese Unterstellung. »Nein!«, fuhr sie ihn an. Sie hielt seinem Blick unverwandt stand, in der Hoffnung, nichts von dem wilden Aufruhr in ihrem Inneren preiszugeben. Was war es nur an diesem Mann, das in ihr den Wunsch erweckte, ihm ins Gesicht zu schlagen ... und ihn zu küssen?

»Sie haben den ganzen Abend an diesen Augenblick gedacht, genau wie ich«, sagte er leise. »Sie und ich allein.«

Samantha schüttelte heftig den Kopf. »Nein, das ist nicht wahr!«

Er schien ihre Worte abzuwägen, und dann lächelte er, ein hintergründiges Lächeln, das genauso sinnlich war wie seine gesenkte Stimme. »Machen Sie sich ruhig selbst etwas vor, Samantha, wenn es sein muss, aber nicht mir.« Er streckte die Arme aus und zog sie an sich. »Ihre Augen strafen Sie Lügen.«

Mit der instinktiven Panik eines Vogels, der plötzlich erkennt, dass er zum Beutetier geworden ist, wurde Samantha bewusst, dass sie ihn wegstoßen und davonrennen sollte, aus seiner Nähe fliehen sollte, so schnell sie konnte, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Er war genauso gefährlich, wie Cord behauptet hatte, nein, noch gefährlicher.