Maddrax 402 - Ansgar Back - E-Book

Maddrax 402 E-Book

Ansgar Back

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Beschreibung

Unverhofft erhalten Matt und Aruula einen Hinweis auf Xaanas Verbleib: Sie soll sich in einem Bergwerk am Stadtrand befinden, wo Forscher auf der Suche nach einem reichen Wissensschatz sind: die Aufzeichnungen verschiedener Spezies über ihre Heimatwelten, die sie in Toxx längst vergessen haben. Doch dabei hat man tief unter der Erde etwas geweckt, das sich nun gegen die Forscher wendet. Matt und Aruula wagen sich unter Tage, nicht ahnend, was sie dort wirklich erwartet ...

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EPUB

Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

Cover

Impressum

Hilfreiche Links

Kaverne der vergessenen Bücher

Leserseite

Cartoon

Zeittafel

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Néstor Taylor/Bassols

Autor: Ansgar Back

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1299-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

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Serie

Covermaler/in

Autor/in

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ die Erde – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer, der Daa’muren. Die Erdachse verschiebt sich und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 gerät. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn „Maddrax“ nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn so fremde Erde. Bis sie beide durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN gebildet hat, auf eine fremde Welt versetzt werden: auf einen von zwanzig Monden um einen Ringplaneten.

Sie finden sich auf dem Mond Terminus wieder. Matts Laserpistole ist fort, ebenso Aruulas Schwert. Wer hat sie hierher gebracht, zu welchem Zweck? Und sind auch Xaana und Jacob Smythe, Matts Erzfeind, die zuvor durch das Wurmloch gingen, hier gelandet? Sie machen sich auf zu einer Stadt am Horizont – und werden in einem Waldgebiet von bizarren Fremdwesen überfallen. Sie entfernen ihnen Plättchen von den Fingernägeln, mit denen die „Friedenswahrer“, die Herren der Stadt Toxx, alle Neuankömmlinge markieren, um sie zu überwachen. Kaum überqueren sie die Stadtgrenze, können sie die Fremden verstehen: Über Toxx liegt ein Strahlungsfeld, das alle Sprachen übersetzt – und gleichzeitig dafür sorgt, dass man sein früheres Leben vergisst! Dass die Schutzanzüge, die sie vor den Auswirkungen des Wurmlochs bewahrt haben, sie auch vor dieser Strahlung schützen, erfahren die beiden, als sie eine „Wolfsfrau“ treffen: Kra’rarr, die Xaanas Anzug besitzt. Die Tochter von Matts Freundin Xij war also tatsächlich hier.

Die Leute, die Matt und Aruula überfallen haben, entpuppen sich als Rebellen, die den technisch hochstehenden Herren möglichst viele Neuzugänge entziehen. Denn obwohl in Toxx Frieden herrscht, sind deren Methoden unmenschlich: Immer wieder werden Leute abgeholt und kehren mit gelöschten Persönlichkeiten zurück.

Matt will mehr über diese Herren erfahren, die in einem himmelhohen Turm im Zentrum der 10-Millionen-Stadt residieren sollen. Doch da heben die Friedenswahrer das Rebellennest aus. Matt und Aruula können sich retten und sind vorerst auf sich allein gestellt. Später treffen sie auf den Rebellenchef Barr, der ebenfalls entkam und ihnen eröffnet, dass ihre Anzüge an die Tauchergilde verkauft wurden. Nachdem ein Einbruch in deren Gildenhaus scheitert, leihen sie sich von Kra’rarr Xaanas Anzug – wobei Aruula einen neugeborenen Schnurrer von der Wolfsfrau adoptiert – und holen sich ihre eigenen bei einem Tauchgang zurück. Dabei werden sie von einem Spion in Diensten einer grauen Eminenz namens „Hochwürden“ beobachtet. Der Religionsgründer will die beiden unterstützen, solange sie die Friedenswahrer von seinen eigenen Aktivitäten ablenken. So hat der Spion Kra’rarr auch das Neugeborene untergeschoben – mit einem implantierten Chip, den alles aufnimmt, was Matt und Aruula tun und reden …

Kaverne der vergessenen Bücher

von Ansgar Back

Mit einem Schrei wehrte Kyra den Angriff ab. Ihr Gegenüber krachte gegen die Hauswand. Sofort setzte sie mit einem Tritt nach, als unvermittelt der zweite Gegner auftauchte und ihr hart in die Rippen schlug.

Kyra ging zu Boden. Ein schmerzhaftes Brennen jagte durch ihren Leib. Sie hob den Kopf, sah durch tränenverschleierte Augen ihre in Kutten gehüllten Todfeinde. „Jetzt, meine violette Taube, haben wir dich“, drang es dumpf unter der Kapuze des zweiten Angreifers hervor.

Kyra schnappte nach Luft. Jeder Atemzug fühlte sich in ihrer Brust an wie flüssiges Feuer.

Sie befand sich am Stadtrand von Toxx, einem Labyrinth aus lichtlosen Häusern, Gassen und Hinterhöfen, überdacht von grobporigen Fassaden und kruden Holzbalken. Nebel waberte durch die nächtlichen Gassen, in der Luft hing der Geruch von verfaulten Pflanzen. Hilfe konnte sie von niemandem erwarten.

Da war auch niemand. Niemand außer ihr und ihren Gegnern. Die Friedenswahrer mussten sie geschickt haben; wer sonst? Als Waffenhändlerin war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis man ein Auge auf Kyra geworfen hatte. Dass sie außerdem früher einmal zu Barrs Untergrund-Bewegung gehört hatte, wussten die Friedenswahrer wahrscheinlich nicht einmal. Da sie keine Markierung mehr trug, war sie von den Herren über Toxx nicht zu orten. Darum kamen sie auch nicht persönlich, um sie abzuholen und zu einer „Reset“ zu machen, sondern hatten ihre Schergen mit der Suche nach ihr beauftragt.

Mühsam rappelte Kyra sich auf. Spöttisch lachend ließ der Kerl sie gewähren. Ließ er sich Zeit, weil die Friedenswahrer schon unterwegs waren?

Kyra war in letzter Minute aus ihrem Unterschlupf geflohen, aber hier, am östlichen Stadtrand von Toxx, hatte man sie gestellt. Nun hieß es kämpfen. Kämpfen, wenn sie ihre Persönlichkeit und Erinnerungen behalten wollte!

Mit Schwung fuhr sie hoch und umklammerte den Arm des zweiten Angreifers. Ihre messerscharfen Fingernägel fetzten ihm die Kapuze nach hinten. Ein Schreck durchfuhr Kyra. Diese Kreatur war hässlicher als alles, was ihr in Toxx bisher über den Weg gelaufen war. Der Kopf sah aus, als bestünde er aus lauter braunen Beulen, die Haare wirkten wie dünne Zweige. Aus wulstigen Nasenlöchern schienen sich kleine Würmer zu ringeln. Die gelben Augen glichen denen eines Reptils, die Pupillen waren schwarz und in die Länge gezogen.

„Tzasch’a!“, stieß die Gestalt aus – offenbar ein Kampfruf, sonst hätte das Translatorfeld über Toxx das Wort übersetzt – und ließ sich mit ihrem ganzen Gewicht nach hinten fallen. Kyra wurde mitgerissen, fiel über den Gegner. Ihre linke Hand attackierte seine Kehle, mit der rechten zog sie das Kurzschwert, das sie verdeckt bei sich trug, unter ihrer Kleidung hervor. Aus den Augenwinkeln sah Kyra, wie der erste Angreifer sich halb benommen an der Hauswand hochrappelte.

Sie stach zu. Mühelos drang die Klinge in die Eingeweide des Angreifers. Warmes Blut ergoss sich über Kyras Hand. Sie keuchte, erhob sich und zog das Schwert ruckartig wieder heraus. Wenn er stirbt, locke ich die Friedenswahrer direkt hierher!, schoss es ihr durch den Kopf. Und dann gibt es kein Entkommen!

Ein Mord rief die Herren über Toxx umgehend auf den Plan. Man munkelte, dass sie das Erlöschen einer intelligenten Kreatur anpeilen konnten; meist dauerte es danach keine Zento1), bis ein Schatten vom Himmel herabstieß und den Mörder einkassierte. Die Strafe war immer dieselbe: Persönlichkeitslöschung.

Aber was soll’s – ich bin so und so erledigt, fuhr Kyra in Gedanken fort.

Doch noch war der Angreifer nicht tot. Er blickte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht an, sog schnaubend die Luft durch die breiten Nasenflügel ein und stieß sie rasselnd wieder aus. „Du bist erledigt, Violetta!“, stieß die Kreatur hervor, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.

Violetta. So wurde sie wegen ihrer Haut- und Haarfarbe genannt. Kyra gehörte zum Volk der Nemivara, zweibeinige Humanoiden mit langgezogenen Gliedmaßen und Schwimmhäuten zwischen Fingern und Zehen. Zudem hatten sie zwei Herzen und eine verkrüppelte Hand, die aus dem Steiß wuchs und von der niemand wusste, wozu sie vor Urzeiten gebraucht worden war.

Ein Rascheln ließ Kyra herumfahren. Die Kuttengestalt wollte sich nach vorne werfen, doch im selben Augenblick, da sie einen Schritt auf Kyra zumachte, brach sie zusammen und blieb reglos liegen.

Verdutzt starrte Kyra auf die Kreatur hinab. Was war passiert? Sie trat näher heran. Die Kapuze war verrutscht und gab einen Blick auf das Gesicht frei. Es unterschied sich erheblich von dem des ersten Angreifers, besaß kaum Konturen und glich eher dem einer Puppe.

Kyra stand über der lang hingestreckten Gestalt. Sollte sie dem reglosen Angreifer das Schwert in den Leib rammen? Nein. Kein weiteres Risiko eingehen. Sie musste weg von hier, bevor weitere Jäger oder gar die Friedenswahrer auftauchten.

Die Nemivara wollte herumfahren und fliehen, da wurde sie von der Finte des Puppengesichtigen überrascht. Plötzlich schwang der vermeintlich Bewusstlose die Beine herum und traf Kyra in die Kniekehlen. Sie schrie auf, sackte zusammen, und der Kuttenmann nutzte die Gelegenheit, auf die Beine zu kommen. Mit dem Handballen schlug er ihr gegen die Mundpartie. Schmerz fraß sich durch Kyras Oberkiefer und sie schmeckte Blut. Er trat ihr in den Bauch; Kyra fiel das Kurzschwert aus der Hand und klirrte über das Pflaster.

Der Angreifer wollte über sie kommen, doch der Zorn verlieh der Nemivara ungeahnte Kräfte. Sie packte seinen Kopf und stieß ihm einen Fingernagel ins rechte Auge. Die Gestalt schrie und schlug um sich, doch schon nach zwei weiteren Hieben Kyras erlosch seine Gegenwehr. Wimmernd sackte der Kapuzenmann auf die Knie.

Mit dem Schwertgriff schlug Kyra zu. Sie traf den Mann am Kinn, hörte Knochen brechen. Seine Augäpfel schoben sich nach oben und gaben das Weiße frei. Dann sackte er in sich zusammen.

Nichts wie weg!

Kyra ignorierte den Schmerz, den der Tritt verursacht hatte, und rannte los. Irgendwo hinter ihr wurde ein Fenster geöffnet und jemand schrie etwas. Nervös sah sie nach oben. War sie den Friedenswahrern entwischt?

Im Dunkel der Gassen tauchte sie unter. Sich dicht an den Häuserwänden haltend, eilte sie durch die Randbezirke. Erst nach mehreren Zentos normalisierte sie ihren Gang. Schweiß stand auf ihrer Stirn, ihre beiden Herzen schlugen wild. Ein Bekannter, ein ehemaliger Angehöriger der Rebellengruppe, hatte Kyra mit Seweti-Beeren versorgt. Früher hatte sie die Beeren gegessen, um das Vergessen an ihr früheres Leben zu verzögern. Allmählich aber war sie süchtig danach geworden.

Mit der nötigen Portion Wut im Bauch und einem Kurzschwert unter dem Gewand war sie nun auf dem Weg zu ihrem Bruder. Kargus lebte mit einer verschworenen Gemeinschaft im alten Az’kAhl-Bergwerk am Rande von Toxx. Dort suchten sie nach den vergessenen Büchern. Sie hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, die Waffengeschäfte an den Nagel zu hängen und Kargus aufzusuchen. Vor allem seitdem die Sucht sie im Griff hielt. Bei Kargus gab es keine Seweti-Beeren, dort konnte sie dieser Versuchung nicht erliegen. Die Schergen der Friedenswahrer, die Flucht aus ihrem Unterschlupf und der Kampf – all das bekräftigte sie in ihrer Entscheidung.

Auch wenn sie die Geschichte um die Bücher, in denen das alte, vergessene Wissen der entführten Völker verzeichnet sein sollte, für ein Märchen hielt.

Kyra erreichte das Ende des Bezirks. Hier war kaum jemand zu sehen. Zwei Ghalmaschs, bucklige Kreaturen, wieselten auf der anderen Straßenseite über den Gehsteig. Sie unterhielten sich lautstark; offenbar waren sie auf dem Weg zur Arbeit. Für Kyra interessierten sie sich nicht.

Vorsichtig spähte sie um die Ecke. Die Luft war kühl. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Dunkelheit vollends wich.

Vor Kyra breiteten sich die kantigen und düsteren Umrisse der Häuser aus. Nur wenige Lichter brannten. Die hellen Wände schimmerten im Morgennebel wie fahles Gebein.

Kyra eilte weiter. Ein langgezogener Häuserbogen umarmte den kalkweißen Platz, auf dem der Mathara-Brunnen stand, ein riesenhaftes Gebilde aus Holzstangen, durchsetzt von Glasröhren, in denen bunte Leuchtfische schwammen. Am Ende des Bogens wich der Platz einigen Abschnitten aus Felsbrocken und Geröll. Steinerne Treppen führten von dort in die Innenstadt.

Dahinter lag ihr Ziel – das Nebelfeld! Dunst trieb von dem Acker in langen Schleiern hoch und waberte Richtung Stadt.

Kyra griff nach dem Amulett, das sie an einer Kette um den Hals trug. Es war ein Geschenk ihres Vaters gewesen, der vor vielen Jahren in den Minen von Esch’Na’Schad sein Leben verloren hatte. Ihre Mutter war an einer Virusinfektion gestorben, als sie und Kargus noch Kinder gewesen waren.

Die Nemivara dachte über ihr Vorhaben nach. Im Zusammenspiel mit dem Ringplaneten, den Monden und dem Nebel herrschte diffuse Helligkeit. Genügend Sicht war also gegeben. Wenn sie Az’kAhl erreichen wollte, musste sie durch das Nebelfeld. Davor schreckten viele der Bewohner zurück, aus Angst vor den Driscolls. Doch die Seweti-Beeren wirkten in Kyra und ersetzten das mulmige Gefühl durch Zorn.

Sei kein verdammter Feigling!, dachte sie. Der Nebel und die Dunkelheit schützen dich zusätzlich vor den Friedenswahrern. Wenn es hell ist, musst du das Feld durchquert haben!

Den Griff des Kurzschwerts unter ihrem Wams umklammert, hetzte sie weiter. Wie gerne hätte sie eine zusätzliche Waffe besessen, zum Beispiel einen Säbel wie jener, den sie Barr besorgt hatte.

Das Schwert muss reichen.

Sie beeilte sich. Unbehelligt gelangte sie aus der Stadt. Zunehmend spürte sie die Wirkung der Beeren. Ihr Blutdruck stieg. Das Blut rauschte in ihren Ohren und ihre Wangen glühten.

Eine bizarre Landschaft erwartete die Nemivara. Sie bildete den Übergang vom Randbezirk zum Nebelfeld. Wind strich durch Gras, das sich mit blauem Sand abwechselte. Schroff stachen bizarre Kabuti-Felsen und gedrungene Bäume in die Höhe. Wolkenfetzen schoben sich über die Monde, gaben die blassen Himmelskörper aber sogleich wieder frei. Leuchtend blau neigte sich Aquus dem Horizont entgegen.

Kyras Atem flog, ihr Herz hämmerte gegen die Rippen. Ihre linke Gesichtshälfte fühlte sich an wie gelähmt, ihre Hände zitterten.

Diese verdammten Beeren!

Schritt für Schritt stapfte sie voran, das Kurzschwert fest umklammert. Ringsum herrschte Stille, nur der Morgenwind wisperte zwischen den Felsen. Die quarzähnlichen Kabuti-Steine sahen aus wie riesige Schwämme; in ihren Löchern lebte allerlei giftiges Getier.

Kyra hatte nicht vor, die Tiere in ihrer Ruhe zu stören. Sie wollte so schnell wie möglich das Nebelfeld durchqueren und Az’kAhl erreichen.

Die Bäume und Felsen wurden weniger, dafür verdichtete sich der Nebel. Weiße Schwaden stiegen vom Boden hoch wie Dampf aus einem Kessel. Sie hüllten alles in eine Wolke aus Dunst. In den frühen Morgenstunden, wenn er am dichtesten war, würde man kaum noch die Hand vor Augen sehen können.

Kyra bemerkte, wie sich der Boden veränderte. Gras und Sand wichen harter orangefarbener Erde. Knorrige Wurzeln tauchten aus dem Nebel auf, der Boden war von armdicken Pflanzentrieben durchsetzt. Ein leiser Geruch von Schimmel wehte heran.

Sie fragte sich, ob sie sich schon auf einem der Gemüsefelder befand. In und um Toxx existierten solche Felder zur Versorgung der Population. Sie wurden ausschließlich von der Pflanzergilde bewirtschaftet. Tagsüber, wenn der allgegenwärtige Nebel nur noch ein flüchtiges Gespinst war.

Lichtreflexe zuckten hier und da über letzte kleinere Kabutis. Kyra fühlte sich, als wandere sie durch ein kleines Sternenmeer.

Da gerieten plötzlich ballförmige Gebilde in ihr Sichtfeld. Verdutzt blieb Kyra stehen. Was waren das für seltsame Dinger? Überall lagen in Abständen große weiße Kugeln auf dem Feld. Davon hatte sie noch nie gehört. Waren das eine Art Kürbisse?

Misstrauisch näherte sich Kyra einem dieser Bälle. Die Gebilde waren ungefähr kniehoch, verkratert und mit wabernden Härchen übersät. Anscheinend wahllos verstreut lagen sie auf dem Acker.

Das müssen Pflanzen sein. Eine neuartige Sorte, die auf diesem Feld angebaut wird.

Vorsichtig streckte Kyra eine Hand danach aus. Die Härchen fühlten sich klebrig an. Sie rieb die Fingerkuppen aneinander. Klebrig – aber offenbar ungefährlich.

Trotzdem holte sie ihr Schwert hervor und hielt es zur Abwehr erhoben, als sie zwischen den Kugeln ihren Weg suchte.

Da stolperte sie unvermittelt über einen Stein. Kyra schrie auf und stürzte in die Nebelschwaden am Boden. Dabei kollidierte ihr Gesicht mit einer der Kugeln. Sie fühlte das klebrige Sekret auf ihrer Wange. Ekelhaft! Der Saft der Seweti-Beeren ließ sie aggressiver reagieren als gewöhnlich. Mit einem wütenden Fauchen sprang Kyra auf und rammte die Klinge in die Kugel.

Ein reißendes Geräusch folgte, dann zischte es, als würde irgendwo Luft entweichen.

Etwas Feuchtes spritzte gegen Kyras Kehle.

Und es brannte höllisch!

Gellend schrie die Nemivara auf. Ihre freie Hand zuckte zum Hals. Der Schmerz fühlte sich an wie weißglühende Nadeln, die unentwegt auf sie einstachen.

Im Affekt holte sie mit dem Schwert aus und spaltete die Kugel in der Mitte. Das Ding klappte auseinander, fauliger Geruch strömte Kyra entgegen. Ungläubig wankte sie einen Schritt zurück und starrte auf das Innere der Kugel.

In einem verflochtenen, runzligen Gespinst lag ein Skelett! Es sah unfertig aus, wie eine Mischung aus Humanoide und Tier. Das Geflecht erinnerte an ein Netz aus weißen Haaren, das man zusätzlich mit Mehl bestreut hatte.

Kyra war, als explodiere eine Sonne in ihrem Kopf. Sie schnappte nach Luft, röchelte und ließ das Schwert fallen. Die säureartige Flüssigkeit fraß sich durch ihren Hals, der Gestank von verschmortem Fleisch drang in ihre Nase.

Die Nemivara sackte auf die Knie. Die Luft wurde ihr knapp, Schwärze umwaberte ihr Blickfeld wie dunkler Nebel. In ihrem Kopf ertönte ein Rauschen, als befände sie sich unter Wasser. Speichelblasen bildeten sich in ihrem Mundwinkel und zerplatzten.

Mit letzter Kraft kämpfte sie sich hoch, stapfte mühsam vorwärts, schnappte panisch nach Luft.

Abermals knickten ihr die Beine weg, dann schlug sie seitlich auf den Boden. Kyra fühlte ihre Beine unkontrolliert zucken, die rechte Ferse hämmerte arrhythmisch auf den Grund. In ihrem Oberkörper breitete sich Kälte aus, die sich bis zum Kopf hochzog.

Dann wich der letzte Funke Leben aus ihr …

Der Tag brach an und tauchte die Straßen in honigfarbenes Licht. Matt und Aruula schritten zügig aus. Sie trugen ihre Anzüge samt Helm, wurden aber trotzdem kaum beachtet, was Matt erleichtert zur Kenntnis nahm. Sicher lag es an der Vielfalt der Spezies, die hier in Toxx lebten; da brauchte es mehr als ein ungewöhnliches Outfit, um wirklich aufzufallen.

Sie waren unterwegs zum „Babel-Turm“, wie Matt das wendeltreppenförmige Monstrum im Zentrum von Toxx nannte. Barr, der seine Untergrund-Organisation wieder aufbauen wollte, war nicht mitgekommen. Wenn er weiterhin den Neuankömmlingen helfen wollte, musste er am Stadtrand bleiben.

Aruula öffnete ihren Helm. Offenbar wollte sie etwas von Matt. Er tat es ihr nach. „Hast du das Geld gut verstaut?“, fragte sie und streichelte über den Kopf des Schnurrers, der auf ihrer Schulter saß und neugierig durch die Gegend spähte.

Matt klopfte auf seine Brust. „Hier in der Tasche.“ Barr hatte ihnen Ringwedler-Schuppen mitgegeben, damit sie nicht mittellos waren. Diese Chitinplättchen stammten von einem vor vielen tausend Jahren ausgestorbenen Tier. Die Struktur war praktisch nicht zu fälschen.

„Wir werden sparsam damit umgehen müssen“, fuhr Aruula fort.

Matt nickte. „Jedenfalls lasse ich mich auf keine Obligate in Wirtshäusern mehr ein“, sagte er eingedenk der Spülarbeiten, die er hatte leisten müssen.2) Ihm schmerzten jetzt noch die Arme.

Aruula blickte sich mit hochgezogener Braue um. „Im Moment haben wir andere Probleme.“

„Wie meinst du das?“

„Uns folgt jemand.“