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Das Szenario, das Matt Drax und Aruula auf Binaar erwartet, ist atemberaubend - in zweierlei Hinsicht: Eine gigantische Maschinenstadt überzieht den gesamten Mond, und die Abgase, die sie in die Atmosphäre entlässt, machen einen längeren Aufenthalt an der Oberfläche unmöglich. Das Innere der Stadt ist bevölkert von Robotern, Androiden, Cyborgs - und lebenden Maschinen, die sich der menschlichen Logik entziehen. Hier den Smythe-Roboter zu finden, scheint ebenso unmöglich, wie auf Dauer zu überleben...
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Hilfreiche Links
Was bisher geschah …
Binaar
Leserseite
Die MADDRAX-Zeittafel
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: shutterstock/Angela Harburn
Autor: Oliver Fröhlich und Wolf Binder
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2483-9
www.bastei-entertainment.de
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Serie
Covermaler/in
Autoren:Oliver Fröhlich Wolf Binder
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ihre Achse verschiebt sich und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz retten ihn Barbaren, die ihn „Maddrax“ nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, auf einen von zwanzig Monden um einen Ringplaneten versetzt werden.
Sie finden sich auf dem Mond Terminus in der Stadt Toxx wieder, wo ein Psi-Feld alle Sprachen übersetzt – und sie gleichzeitig ihr früheres Leben vergessen lässt! Die Wurmloch-Anzüge schützen vor dieser Strahlung; das erfahren die beiden, als sie das Wolfsmädchen Kra’rarr treffen, das Xaanas Anzug besitzt. Xaana und der Roboter Jacob Smythe – Matts Erzfeind – gingen Monate vor ihnen durch das Wurmloch.
Immer wieder werden Bewohner von den „Friedenswahrern“, die in einem Turm im Zentrum der Millionenstadt residieren, abgeholt. Matt will mehr erfahren und ahnt nicht, dass sie von dem Religionsgründer „Hochwürden“ ausspioniert werden. Er hilft den Menschen mit einem „Zeitgift“, das extrem beschleunigt, einer Falle der Tauchergilde zu entkommen.
Bei einem unterirdischen Fluss geraten Matt und Aruula in einen Kerker, wo das mächtige Volk der Saven eingesperrt wurde. Sie selbst können entkommen, doch die Saven installieren unbemerkt ein Quantenbewusstsein in Aruula, das beim Kontakt mit den Friedenswahrern in Aktion treten soll. Als sie endlich in den Turm gelangen – wo sie alle Erinnerungen an die Erde verlieren – öffnet der „Schläfer“ in Aruula den Kerker der Saven. Danach schickt er die beiden zum Wassermond Aquus, wo sie sich mit dem Probanden Mi-Ruut zum Südpol aufmachen, zur Station der Friedenswahrer. Unterwegs treffen sie auf Hydree, eine Rasse, die es früher auf dem Mars gab und deren Nachkommen heute auf der Erde leben. Es handelt sich um einen Stamm, der das All durchreiste und hier eine Heimat fand. Die Fischwesen geben Matt und Aruula ihre Erinnerungen wieder, die von den Friedenswahrern nur blockiert wurden. Mit dem Hinweis auf eine Insel, wo sie neuen Proviant aufnehmen können, reist die Gruppe weiter. Dort aber, auf Assala, werden sie von einer magnetischen Anlage festgehalten, bevor sie sich befreien und mit einer Ladung Mintan, das sie von einer Gruppe Polatai „geerbt“ haben, weiterreisen. Am Südpol gelangen sie mit der Hilfe eines Hydree in den dortigen Transferturm – und erfahren, dass sie nicht zum Ringplaneten reisen können, wohl aber zum Mond Binaar, auf dem der Smythe-Roboter gelandet sein dürfte. Sie wagen den Transfer, und hinter ihnen sprengt der Hydree den Turm.
Binaar
von Oliver Fröhlich und Wolf Binder
Die riesige Kontrollstation stand so gut wie leer, und das kam Starnpazz sehr entgegen. Niemand – zumindest nicht aus der gleichen oder höheren Stufe – war anwesend, der ihn anglotzte, belächelte oder ihm mitleidige Blicke zuwarf, wie es in der letzten Zeit so häufig geschehen war. Nur zwei Arbeiter, Mitglieder der Gelbstufe, kümmerten sich im Maschinenbereich der großen Halle um die technische Wartung der Holowerfer und die Wurmlochortung. Doch wie es sich geziemte, wagten sie es nicht, einen Angehörigen der Rotstufe unaufgefordert anzusehen. Also stand ihm niemand bei seinem Vorhaben im Weg: der Suche nach den beiden Menschen Maddrax und Aruula.
Starnpazz saß im Sessel des Ersten Datenhüters, einfach deshalb, weil er als einziger anwesender Initiator in der Kontrollstation diese Rolle automatisch innehatte. Langsam kreiste der Sitz um die eigene Achse und ermöglichte ihm einen Überblick über die etwa hundert Holos, die den Sessel wie kleine Bildschirme umgaben. Enthielten sie nach Einschätzung des Zentralrechners wichtige Daten, schwebten sie auf Augenhöhe im Vordergrund. Unwichtigere Inhalte verschob die Rechnersteuerung selbsttätig nach oben oder hinten.
Zusammensetzung der Atmosphären auf den einzelnen Monden, Bevölkerungszahlen, Statistiken über Herkunft, Status und momentanen Aufenthaltsort aller Probanden, Gehirnwellenanalysen der nach Terminus zurückgeführten Resets, Energiestatus der Transfertürme, Daten der Initiatoren im Außeneinsatz – all das und noch viel mehr zeigten die Holoschirme an.
Momentaner Aufenthaltsort aller Probanden, dachte Starnpazz voller Grimm. Wenn es doch nur so wäre.
Er spürte, wie er innerlich verkrampfte.
Seine Gedanken schweiften in die Vergangenheit. Zurück zu dem Tag, als er seinen Dienst in der Kontrollstation mit Vennfalaxx abgeleistet hatte. Dem Tag, als die beiden Menschen Maddrax und Aruula durch ein Wurmloch auf Terminus angekommen waren.1
Von Anfang an hatten sie sich als widerspenstig erwiesen. Sogar ihre Ortungsmarkierungen hatten sie entfernt – oder richtiger: von einer Rebellengruppe entfernen lassen – und sich so dem geregelten Testverfahren und der Beobachtung entzogen.
Ihre Einstufung als „renitent“ hatte die Anlegung einer Akte bewirkt, und es war Starnpazz’ Aufgabe gewesen, sie mit allen verfügbaren Informationen zu füllen. So war ihm aufgefallen, dass schon einmal, einige Runden zuvor, ein Neuzugang der Spezies Mensch verzeichnet worden war, eine gewisse Xaana. Sie war als „potenziell“ klassifiziert und einer besonderen Beobachtung unterworfen worden. Laut den Unterlagen hatte sie Terminus und Aquus erfolgreich absolviert und befand sich momentan auf dem Mond Botan – wo allerdings der Kontakt zu ihr abgerissen war. Im ungünstigsten Fall war sie tot; bei den Gefahren auf dem Dschungelmond eine durchaus wahrscheinliche Annahme.
Ein weiterer Mensch – allerdings nur vom optischen Erscheinungsbild her – war kurze Zeit später Xaana nachgefolgt, aber bei ihm hatte es sich um einen Roboter gehandelt, daher war er direkt nach Binaar transferiert worden. Nichtorganische kamen als Probanden nicht in Frage.
Inzwischen waren auch Maddrax und Aruula „Potenzielle“, denn es hatte sich bestätigt, dass die Gehirnstruktur der Menschenjener der Initiatoren sehr ähnlich war und sie damit in die engere Auswahl für den Großen Plan kamen. Wenn sie sich nur nicht weiterhin jedem Zugriff entzogen hätten.
Und ausgerechnet ihm, Starnpazz, machte man das zum Vorwurf. Dabei wäre ihre Eignung ohne seine Recherche vermutlich gar nicht offenkundig geworden. Aber interessierte das jemanden aus den dunklen Stufen? Natürlich nicht!
„Wenn du sie so hoch einschätzt, hättest du sie nie aus den Augen lassen dürfen“, musste er sich von den anderen Initiatoren immer wieder anhören.
Oder: „Sollten sie nicht mehr auftauchen oder sich später als Fehlschläge erweisen, wirst du dafür die Verantwortung übernehmen müssen. Eine Abstufung ist das Mindeste, was du zu erwarten hättest.“
Mit viel Pech würden sie ihn sogar in die Gelbstufe verbannen. Dann müsste er künftig Holowerfer und Reinigungsroboter warten, so wie die Arbeiter in der Kontrollstation. Was für eine schauderhafte Aussicht.
Dass Maddrax und Aruula den Aufzeichnungen zufolge die Befreiung der Saven auf Terminus verschuldet hatten, machte es auch nicht besser. Noch so eine Sache, die viele Initiatoren Starnpazz anlasteten.
Kein Wunder also, dass sie ihn bei den Besprechungen und Strategieplanungen zur Bewältigung der Saven-Krise nicht dabei haben wollten. Wenn sie aber dachten, dass sie ihn damit trafen, irrten sie sich gewaltig. Denn während sich im Augenblick alle die Köpfe heiß redeten, hatte Starnpazz das Kontrollzentrum für sich allein. Nun ja, wenn man von den unwürdigen Gelbstufern absah.
Er war umso dankbarer für die Ruhe, seit die Reset Kra’rarr, die als eine von zwölf Konditionierten zu den Monden mit atembarer Atmosphäre geschickt worden waren, auf Aquus eine Spur von Maddrax und Aruula entdeckt hatte. Also widmete er sich besonders den Hologrammen, die Daten des Wassermonds lieferten.
Starnpazz griff in das Steuerholo und filterte die Anzeige. Erst einmal weg mit allen Informationen über die anderen Monde. Doch selbst von Aquus blieben unübersichtlich viele Displayfelder übrig: Statistiken über die Mintan-Produktion, Grafiken der Meeresströmungen, Aufstellungen über den Tidenhub der Landmassen, Protokolle der Polatai über den Krieg gegen die Hydree … samt und sonders unwichtiges Zeug.
Ein Holo mit dem Vermerk „zu prüfen“ drängte sich in den Vordergrund, doch auf den ersten Blick erkannte Starnpazz nicht, warum der Zentralrechner es als wichtig erachtete. Es handelte sich um ein belangloses Transferprotokoll einer Warenlieferung von Aquus nach Binaar.
Er wollte es gerade wegwischen, da bemerkte er die hervorgehobenen Daten: das prozentuale Verhältnis von Mintan-Barren zu biologischem und restlichem Material.
Starnpazz tippte die Anzeige an. Sofort öffnete sich in einem untergeordneten Holo eine Aufstellung der auf dem Wassermond verladenen Waren. Die Lieferung bestand zu 79,3 Prozent aus Mintan-Barren, 18,9 Prozent aus organischer Ware und 1,8 Prozent sonstigem Material, wie beispielsweise den Transportbehältern.
Oder besser: Sie hätte daraus bestehen sollen. Das tatsächliche Verhältnis sah anders aus. Auf die Barren entfielen 78,1 Prozent, das organische Material umfasste 20 Prozent und das sonstige kam auf 1,9 Prozent.
Wie war das möglich? Ein Fehler bei der Verladung? Nein, so etwas war bisher nie vorgekommen.
Er überprüfte die Gesamtmasse der Lieferung. Auch sie wich von den erwarteten Zahlen ab.
Endlich begriff Starnpazz. Um sicherzugehen, verglich er die Abweichung mit den wenigen Daten, die die Initiatoren über Maddrax und Aruula besaßen. Und tatsächlich: Das Mehr entsprach ungefähr der Masse der vermissten Probanden. Es stimmte nicht ganz überein, war aber nahe genug dran, als dass es sich um Zufall handeln könnte.
Es gab keine andere Erklärung: Die Gesuchten hatten sich in die Warenlieferung eingeschmuggelt und waren mit ihr nach Binaar versetzt worden.
„Hab ich euch!“, rief er.
Die gelbstufigen Arbeiter verharrten kurz in ihren niederen Aufgaben, sahen zu ihm, schauten jedoch sofort verlegen wieder weg, als sie bemerkten, dass Starnpazz nicht mit ihnen gesprochen hatte.
Diesmal entkommt ihr mir nicht, dachte er.
Er öffnete die Speichersteuerung und reduzierte das Dringlichkeitslevel der Meldung manuell von „hoch“ auf „normal“. Damit sollte gewährleistet sein, dass kein anderer Initiator darauf aufmerksam wurde. Denn Maddrax und Aruula gehörten ihm. Ihm ganz allein.
Er sprang aus dem Sessel des Ersten Datenhüters, eilte durch die Hologramme und verließ die Kontrollstation. Der Gang hinter der Tür war leer. Offenbar hatten die werten Kollegen noch immer keine probate Lösung für die Saven-Krise gefunden. Sehr gut. Das gab ihm genügend Zeit, um zu tun, was getan werden musste.
Dennoch zwang sich Starnpazz zur Ruhe. Er wollte nicht, dass plötzlich doch jemand aus einer Tür oder einem Seitengang auftauchte und sich über seine Eile wunderte.
Nach einem – wie ihm schien – qualvoll langen Weg erreichte er endlich den IAS-Raum. Mit erzwungener Gelassenheit trat er durch die Tür. Als er vor sich nur die schummrig beleuchtete Steuerungshalle sah, verfiel er wieder in eine schnellere Gangart.
Der Boden wirkte, als bestünde er aus milchigen, versteinerten Schlieren. Immer wenn Starnpazz einen Fuß darauf setzte, überkam ihn für einen Augenblick die irrationale Befürchtung, er könne in einen Nebel stürzen. In akkuraten Reihen erhoben sich daraus die IAS-Podeste: kreisförmige, grün schimmernde Erhebungen, über denen wie schwerelos ein scheinbar wildes Durcheinander aus Manschetten, Kabeln und Energiesträngen schwebte. Die IAS-Anzüge.
Er rannte zu einem der Podeste, sah sich noch einmal um und stieg, als er niemanden entdeckte, hinauf. Sofort kam Leben in das Gewirr. Die Manschetten schlossen sich um Starnpazz’ Glieder, die Anschlüsse der Fernrezeptoren schmiegten sich an ihn, verbanden sich mit seinem Bewusstsein.
Der IAS-Raum erlosch.
Starnpazz reiste nach Binaar.
Die grelle Helligkeit ließ Matthew Drax beinahe vor Schmerz aufschreien. Er kniff die Lider zusammen. Tausende Nadeln bohrten sich in sein Gehirn.
Kurz fragte er sich, welcher Strahlung sich Aruula und er gerade aussetzten. Immerhin hatten sie die Schutzanzüge auf Aquus zurücklassen müssen. Doch bevor er sich Sorgen darüber machen konnte, dass sie den Transport nur als brabbelndes Gemüse überstanden, erloschen Licht und Schmerz.
Mit einem Mal überkam ihn das Gefühl geringfügig zunehmender Schwere, wie man es in einem nach oben startenden Aufzug verspürte. Offenbar war die Gravitation auf Binaar ein bisschen höher als auf dem Wassermond. Wenigstens das stellte also kein Problem dar.
Matt riskierte es, die Augen einen Spalt zu öffnen, und bemerkte, dass er sich getäuscht hatte: Der Ort, an den es sie verschlagen hatte, war noch immer beleuchtet, aber glücklicherweise nicht mehr mit der Strahlkraft Tausender Sonnen.
Die Transportbehälter aus einem bläulich schimmernden Kunststoff standen in der gleichen Ordnung wie bei ihrer Abreise von Aquus. Die Umgebung jedoch hatte sich verändert. Aruula und er waren in einer großen Halle gelandet. Die glatten Metallwände und die langgezogenen Leuchtröhren in der Decke erinnerten an ein Lager, wie es sie zu seiner Zeit auch auf der Erde gegeben hatte.
Matt lauschte. Machten sich bereits irgendwelche Roboter oder Maschinen daran, die Lieferung abzutransportieren? Nein, noch waren er und Aruula unter sich.
Nichts deutete darauf hin, dass sie tatsächlich einen Techno-Mond erreicht hatten. In der Luft hing der Geruch nach Meeresfrüchten und Algen.
„Willkommen auf dem Fischmarkt von Binaar“, sagte Matt.
Er sah zu seiner Begleiterin, die sofort in Kampfstellung gegangen war, jederzeit bereit, den Säbel aus dem Stoffgürtel ihres Gewands zu ziehen. Doch als sie erkannte, dass keine Feinde auf sie einstürmten, entspannte sie sich.
„Wo ist der Schnurrer?“, fragte Matt.
Sie deutete auf eine Reihe der gestapelten Behälter. Dazwischen schlich das katzengroße Tier umher, schnüffelte an einer Kiste, kratzte an einer anderen, eilte zur nächsten. Der fischige Geruch schien seinen Appetit angeregt zu haben.
„Ich konnte ihn nicht mehr halten“, sagte Aruula. „Er hat offenbar Hunger.“ Sie zwängte sich zwischen den Behältern hindurch, um ihren kleinen Gefährten einzufangen, doch der Schnurrer huschte immer wieder davon.
Matt arbeitete sich an einer Reihe von Kisten bis zur Wand vor und verschaffte sich einen Überblick. Die Halle maß mindestens zweihundert Meter. Am entfernten Ende entdeckte er ein zwanzig oder dreißig Meter breites Tor. Der einzige Ausgang, wie er nach einer Hallendurchquerung feststellte.
Er kam an einem offenen Behälter vorbei, in dem Mintan-Barren glänzten. Matt musste nicht lange überlegen. Wenn diese handgroßen Dinger nach Binaar exportiert wurden, besaßen sie gewiss einen Wert und ließen sich womöglich als Zahlungsmittel einsetzen. Also steckte er zwei Barren ein: einen für Aruula, einen für sich selbst.
Gerne hätte er noch ein paar mehr stibitzt, aber das Metall war einfach zu schwer, um es in der Leinenkleidung herumzutragen – zumindest wenn man keinen Wert darauf legte, plötzlich ohne Hose dazustehen.
Er schaute sich um, konnte die Kriegerin aber zwischen den Behältern nicht entdecken. Ein Stück weiter hinten hörte er das leise Kratzen des Schnurrers.
„Aruula? Ich habe uns …“
Ein schleifendes Geräusch brachte ihn zum Verstummen. Er fuhr herum.
Das Tor glitt langsam in die Höhe. In dem immer größer werdenden Spalt zwischen Boden und Torkante waren bereits Beinansätze zu erkennen.
Hektisch sah Matt sich um, hetzte tiefer in die Halle hinein und ging hinter einem Behälterstapel in Deckung. Er konnte nur hoffen, dass Aruula das Gleiche tat.
Er wartete ein paar Sekunden, bis die Laute des sich öffnenden Tores verstummt waren, dann lugte er um den Stapel.
Hatte er sich eben noch darüber gewundert, dass nichts in der Lagerhalle an einen Techno-Mond erinnerte, bekam er nun eine geballte Dosis davon.
Fünf Wesen traten ein, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Gemein war ihnen nur, dass sie alle ein mal mehr, mal weniger technisches Äußeres aufwiesen.
Ganz links ging ein gut zwei Meter großer … ja, was? Matt hätte ihn als Roboter mit humanoider Form bezeichnet, wenn die nackten, muskulös wirkenden Arme nicht ausgesehen hätten, als bestünden sie aus Fleisch und Blut. Der Leib hingegen schimmerte genauso metallisch wie der Kopf, in dem drei nebeneinanderliegende Augen wie Kameraobjektive nach vorne und zurück surrten. Ein Cyborg?
Daneben stolzierte eine weitere grob menschliche Kreatur. Sie trug keine Kleidung. Ihre Oberfläche war durchsichtig, sodass Matt in dem Körper maschinelle Teile wie Kolben, Kabel, Metallgelenke und Federn entdeckte, in die sich jedoch auch biologische Komponenten mischten. In Bauchhöhe pumpte ein Gewebeklumpen, der verdächtig an ein Herz erinnerte.
Der Dritte besaß statt Beinen eine leuchtende kristalline Scheibe, die ein paar Zentimeter über dem Boden schwebte.
Einer sah aus wie eine flirrende, dreigeteilte rote Kugel, die links und rechts aus stillstehenden Kappen und einem ringförmigen Laufteil in der Mitte bestand. Aus den Kappen ragten je sechs tentakelförmige Arme hervor.
Der Letzte im Bunde war ein von schwarzen Haaren übersäter Fettwanst, aus dessen voluminösem Bauch fünf oder sechs Schläuche wuchsen, die in seinem mächtigen Hals und den Schläfen mündeten.
Matt musste zugeben, dass er nicht mit einer solchen Vielfalt unter den Maschinenwesen gerechnet hatte. Eine kurzsichtige Annahme, wie er nun erkannte. Ob sie alle unterschiedlichen Spezies angehörten oder nur individuelle Ausprägungen der gleichen Rasse darstellten?
Du kannst sie ja fragen, dachte er.
Jenseits des Tors entdeckte Matt einen weitläufigen Platz, auf dem mächtige Röhren in einer nicht erkennbaren Ordnung verliefen. Senkrecht, waagrecht, kreuz und quer. An manchen waren Paneele mit blinkenden Lichtern angebracht. Im Zentrum stand eine baumgroße Spirale, durch deren durchsichtige Windungen pure Energie zu fließen schien. Eines war klar: Die Lagerhalle befand sich nicht im Freien, sondern war Teil eines größeren Gebäudes.
Und nun? Sollte er wirklich aus dem Versteck heraustreten, sich zu erkennen geben und darauf hoffen, dass die Wesen ihm und Aruula nicht feindlich gesinnt waren? Früher oder später würden sich Begegnungen mit den Bewohnern von Binaar ohnehin nicht vermeiden lassen. Warum also nicht gleich?
Er wandte den Blick von den Techno-Kreaturen ab, um nach Aruula zu suchen. Da entdeckte er aus dem Augenwinkel hinter den Cybers, wie er sie für sich nannte, drei golden flirrende Energiesäulen.
Verdammt! Das waren Friedenswahrer in ihren energetischen Schutzfeldern!
Und das konnte nur eines bedeuten: Sie waren aufgeflogen!
Aruula bückte sich nach dem Schnurrer, der vor einer Kiste hockte, merkwürdig gurrende Laute von sich gab und die Behälterwand ableckte. Wahrscheinlich war beim Verladen des Fischs und der Algen etwas wohlschmeckende Flüssigkeit daran herabgeperlt.
Sie wollte ihn gerade packen, da hörte sie das Geräusch des sich öffnenden Tors. Auch der Schnurrer spitzte die Ohren und huschte davon.
Die Kriegerin zögerte nicht: Sie versteckte sich hinter einer erbärmlich stinkenden Kiste und spähte durch eine Lücke zwischen den Behältern Richtung Tor.
Sie konnte nicht viel erkennen, aber dass hinter den sonderbaren Tekknik-Wesen drei golden flirrende Säulen auftauchten, alarmierte sie. Hatten die Friedenswahrer ihren Transfer nach Binaar bemerkt und wollten sie in Empfang nehmen?
Wo steckte Maddrax?
Sie zog sich ein Stück zurück und schaute auf der anderen Seite der Kiste vorbei. Dort! Zwei Reihen vor ihr kauerte er hinter einem größeren Behälter. Er sah sich hastig um. Vermutlich suchte er nach ihr.
Die Tekkno-Kreaturen näherten sich den ersten Kisten – und machten sich daran, sie aus der Halle zu schaffen.