Perry Rhodan 2959: Der Flügelschlag des Schmetterlings - Oliver Fröhlich - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2959: Der Flügelschlag des Schmetterlings E-Book und Hörbuch

Oliver Fröhlich

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Beschreibung

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben. Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Derzeit machen vor allem die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris von sich reden, einst ein von ES erwähltes und dann vertriebenes Volk. Dazu gesellen sich die Gemeni, die angeblich den Frieden in der Lokalen Gruppe im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen. Reginald Bull, Perry Rhodans Begleiter der ersten Stunde, ist in diesen gefährlichen Tagen auf die Erde zurückgekehrt und versucht der Menschheit beizustehen. Aber wo steckt der Gegner und wie kann er gegen ihn vorgehen? Womöglich ist es der Feind aus dem Inneren, der weitaus gefährlicher ist als jeder Invasor. Womöglich aber auch nicht – wie es sich verhält, zeigt beispielhaft DER FLÜGELSCHLAG DES SCHMETTERLINGS ...

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Zeit:3 Std. 53 min

Sprecher:Florian Seigerschmidt

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Nr. 2959

Der Flügelschlag

des Schmetterlings

Eine Invasion – die Xumushan erobern das Solsystem

Oliver Fröhlich

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Der Flügelschlag des Schmetterlings

Leserkontaktseite

Risszeichnung LFT-BOX der QUASAR-Klasse

Impressum

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Derzeit machen vor allem die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris von sich reden, einst ein von ES erwähltes und dann vertriebenes Volk. Dazu gesellen sich die Gemeni, die angeblich den Frieden in der Lokalen Gruppe im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen.

Reginald Bull, Perry Rhodans Begleiter der ersten Stunde, ist in diesen gefährlichen Tagen auf die Erde zurückgekehrt und versucht der Menschheit beizustehen. Aber wo steckt der Gegner und wie kann er gegen ihn vorgehen? Womöglich ist es der Feind aus dem Inneren, der weitaus gefährlicher ist als jeder Invasor. Womöglich aber auch nicht – wie es sich verhält, zeigt beispielhaft DER FLÜGELSCHLAG DES SCHMETTERLINGS ...

Die Hauptpersonen des Romans

Reginald Bull – Der Terraner gerät in ein Unwetter.

Adam von Aures – Der Adaurest entfacht einen Sturm.

Dario Bechtil – Der Mann mit dem Wetterblick erkennt Muster im Chaos.

Jano Vrinkstetter

Seht euch diese zerstörerische Kraft an. Nehmt keinen Anstoß an der rückständigen Technik und der altertümlichen Kleidung der Menschen, die das Holo zeigt. Die – wie ich gestehen muss: positronisch aufbereiteten – Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1960 alter Zeitrechnung.

Achtet stattdessen auf die Urgewalt, die der Hurrikan namens Donna entfacht. Auf die Bäume, die sich gegen den Sturm stemmen, die umherfliegenden Äste und Dachziegel, die zerschmetterten Häuser, die überfluteten Straßen.

Betrachtet das aufgepeitschte Meer und die Angst in den Gesichtern der Leute. Versucht, euch in sie hineinzuversetzen, ihre Panik zu erspüren.

Die Bilanz: fünfzig Tote in den damaligen Vereinigten Staaten von Amerika und ein für diese Zeit unvorstellbar hoher Schaden von über drei Milliarden US-Dollar.

Stellt euch die destruktive Gewalt vor, die durch die Städte fegte, das Leid, das anschließend herrschte.

Und dann macht euch bewusst, dass das alles über dreizehntausend Kilometer entfernt ausgelöst wurde. Von einem Schmetterling in Schanghai, der mit den Flügeln schlug.

(Professor Kark Jokelsen, Einführungsveranstaltung des Studiengangs »Klimaadaption und Entchaotisierung in der Meteorologie«)

Vorspiel

Die Ruhe vor dem Sturm

31. März 1552 NGZ

Jano Vrinkstetters Anwesenheit im Krankenzimmer des prominenten Patienten stellte einen Widerspruch in sich dar.

Technik ist Erlösung. So lautete die Erste Techno-Mahdische Losung. Und dennoch bestand sein Auftrag darin, trotz der Unzahl medizinischer Gerätschaften dem Mann im Krankenbett nicht von der Seite zu weichen, die Vitalwerte im Auge zu behalten und im Notfall sofort einzugreifen.

Im Notfall ...

Also nur dann, wenn sich der Zustand des Patienten verschlechterte und zugleich der ebenfalls anwesende Medoroboter und die restlichen Maschinen ausfielen.

Oder mit einem einzigen griffigen Wort: nie.

Andererseits durften sie als Techno-Mahdisten keinerlei Risiko eingehen, was die Genesung des Mannes anging. Eine zu große Rolle spielte er in künftigen Plänen, welche auch immer das sein mochten. In dieser Hinsicht ließ man Vrinkstetter bisher im Dunkeln tappen.

Also fügte er sich widerwillig in das Schicksal namens Langeweile, akzeptierte, dass er sich als Aufpasser bewähren sollte, anstatt als Mediker bei der Erforschung der Biophore-Büchse mitzuwirken, und saß sich den Hintern platt. Seit über zwei Monaten. Inzwischen schrieb man den 31. März 1552 NGZ, und weiterhin war kein Durchbruch in Sicht.

Er seufzte und sah von dem Hololesegerät auf. Der Fachartikel über neue Methoden der Anregung von Stoffwechselvorgängen in den Perikaryen fesselte ihn nicht annähernd so sehr, wie er gehofft hatte. Mit einer flüchtigen Handbewegung desaktivierte er das hypothetische Gefasel und die dreidimensionale Darstellung einer Nervenzelle.

Nach einem raschen Blick auf die Vitalwerte des Patienten – unverändert, was sonst? – stand er auf. Er ging durch das Zimmer, das mit einem weichen Teppich, gemütlichen Sesseln und reichlich Grünpflanzen durchaus wohnlich eingerichtet war, obwohl es sich um einen hastig umgestalteten Raum im Laborkomplex handelte. Lediglich das Schwebebett mit dem blassen Mann, der Medoroboter und die Monitorgeräte erinnerten daran, dass sich Vrinkstetter keineswegs in der Luxussuite eines Hotels aufhielt, sondern in einer Forschungseinrichtung auf dem Saturnmond Titan.

Er trat ans Fenster und sah hinaus. Nicht ohne Neid betrachtete er das bunte Treiben, das im Zentrum von Los 107 herrschte. Zwischen den kreisförmig angeordneten Gebäudekomplexen schlenderten Wissenschaftler, Techniker, Biologen, Hyperphysiker, Transmitterexperten, Positroniker und was man sich sonst vorstellen konnte, durch den abwechslungsreichen Park mit Pflanzen aus allen Teilen der Galaxis, trafen sich auf den Außenterrassen des lichtdurchfluteten Gebäudes in der Parkmitte, diskutierten auf den Laufbändern zwischen den Komplexen ihre neueste Arbeit, ließen sich von Servorobotern eine leichte Mahlzeit oder ein Getränk bringen und genossen den intellektuellen Austausch mit Kollegen, ehe sie durch die Expressröhren an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten.

Sie alle waren Techno-Mahdisten wie Jano Vrinkstetter, schließlich handelte es sich bei Los 107 um eine öffentliche Logo-Oase des Techno-Mahdi. Im Gegensatz zu ihm kamen sie sich jedoch gewiss nicht so vor, als müssten sie sich unter Wert verkaufen.

Seine Forschung über die Auswirkungen hyperenergetischer Effekte auf das Nervensystem und die Möglichkeit, sie technisch zu dämpfen oder zu verstärken, hatte ihm vor einigen Jahren die Einladung beschert, sich dem Techno-Mahdi anzuschließen. Dass er in Veröffentlichungen und Vorträgen oft genug die Meinung vertreten hatte, die Menschheit müsste ein deutlich höheres Wissensniveau erreichen, wenn sie nicht zwischen den Mühlsteinen der Superintelligenzen zerrieben werden wollte, spielte dabei vermutlich ebenfalls eine große Rolle.

Ohne zu zögern, hatte er die Einladung angenommen, sämtliche Brücken hinter sich abgebrochen und sogar seine Lebensgefährtin nach einem heftigen Streit über diese – wie sie es nannte – völlig abgehobene Sekte zurückgelassen, um sich auf Titan ganz der Wissenschaft widmen zu können.

Der Wissenschaft! Nicht der Krankenpflege eines Komapatienten.

Jano Vrinkstetter wandte sich vom Fenster ab und ging zurück ans Schwebebett. Er sah auf den Mann hinab, betrachtete seine bleiche Haut und ließ den Blick über die Infusionsschläuche gleiten, durch die fortwährend Nährstoffe in den Körper flossen. Wenn er es nicht besser wüsste und die Holoanzeige über dem Kopfende des Betts nicht das Gegenteil bewiese, hätte man den regungslosen Patienten durchaus für tot halten können.

»Ich muss gestehen, dass ich mir das anders vorgestellt habe«, raunte er seinem Schützling zu. Vor Wochen hatte er sich angewöhnt, mit dem Mann zu reden. Zumindest klang das seriöser und medizinisch vertretbarer als die Wahrheit: Er führte Selbstgespräche!

»Endlich lerne ich dich kennen und bekomme sogar die Gelegenheit, in der Biophore-Forschung mitzuarbeiten. Und was passiert stattdessen? Du brichst einfach zusammen und degradierst mich damit von einem hoffnungsvollen, talentierten Mediker zu einem unterbeschäftigten Aufpasser. Wie konntest du mir das nur antun, Perry Rhodan?«

*

»Er hat es ja nicht absichtlich getan«, erklang eine Stimme hinter ihm.

Vrinkstetter fuhr herum. In der Tür stand Adam von Aures, daneben ein Mann mit braunen Locken. Mit verschränkten Armen und lässig überkreuzten Beinen lehnte der zweite entspannt am Türrahmen. Inmitten seines Dreitagebarts kräuselte sich ein gut gelauntes Lächeln. Die Augen vermittelten den Eindruck einer gewissen Schalkhaftigkeit.

»Habt ihr ... etwa alles gehört?«, fragte Jano.

Adam nickte.

Jano wurde heiß. »Es war nicht so gemeint. Ich denke nur ...«

»Du hast es durchaus so gemeint«, unterbrach ihn Adam. »Und es spricht für dich und deine Ziele, dass du dir unterbeschäftigt vorkommst. Allerdings schätzt du deine Aufgabe falsch ein. Bitte versteh sie nicht als Degradierung, sondern als das, was sie wirklich ist: ein Zeichen meines uneingeschränkten Vertrauens in dich. Denn du wirst während der nächsten Stunden in diesen Räumlichkeiten Dinge hören und erblicken, die nicht für jedermanns Ohren und Augen bestimmt sind.« Adam nickte in Richtung seines Begleiters. »Ich möchte dir Colin Heyday vorstellen. Er kommt eigens von Neo-Ganymed, um unseren Gast zu sehen.«

»Herzlich willkommen auf Titan«, sagte Vrinkstetter. Er hatte bereits einiges vom Chefwissenschaftler des Kepler-Komplexes in Galileo City gehört.

Wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was Adam über ihn erzählte, war er ein Verrückter im positivsten Sinne. Ein smarter Typ, der wie besessen an seinem Projekt arbeitete, und das nicht nur, weil er davon überzeugt war, sondern weil er es liebte. Weil er darin aufging wie ein Kind, das unablässig am Modell eines Raumers bastelte – oder das ausheckte, welchen Streich es dem Nachbarn als Nächstes spielen könnte.

Etwas, das Vrinkstetter nun, da er Heydays lausbubenhaftes Lächeln sah, vorbehaltlos glaubte.

Der Besucher trat an die Schwebeliege. »Wie geht es ihm?«

Verunsichert sah Vrinkstetter zu Adam.

»Du kannst ihm ruhig alles sagen«, ermunterte der ihn. »Ich kenne Colin seit vielen Jahren. Mit der Arbeit an unserem gemeinsamen Projekt, das bald in eine entscheidende Phase treten wird, haben wir begonnen, lange bevor ich auf diese Version von Perry Rhodan gestoßen bin und sie aus der Enklave von Wanderer geholt habe.«

»Er sieht wirklich aus wie der echte, wie unser Rhodan«, stellte Heyday mit kindlichem Staunen fest. »Ein wenig älter, aber sonst ...« Grinsend schüttelte er den Kopf. »Verblüffend. Also, wie geht es ihm?«

»Es geht ihm ...«, begann Jano Vrinkstetter. »Wie soll ich es ausdrücken, ohne in Klischees zu verfallen? Den Umständen entsprechend. Schon bei seiner Ankunft im Dezember war er angeschlagen. Wir – im Augenblick sollte ich wohl besser sagen: meine Kollegen – arbeiten an der Erforschung der Biophore, die ihm den Aufenthalt in diesem Universum auf unbegrenzte Zeit ermöglicht. Leider schreitet das nicht so schnell voran, wie wir gehofft haben.«

Während er vor sich hinschwätzte, fiel ihm ein, dass Heyday sicherlich das meiste bereits wusste. Dennoch konnte er sich im Redeschwall nicht bremsen. Es war, als hätte Adams Vertrauensbekenntnis eine Schleuse in ihm geöffnet. »Es ging ihm zusehends schlechter, er fiel mehrmals in Ohnmacht, bis wir keine andere Möglichkeit mehr sahen, als ihn ins künstliche Koma zu versetzen. Aber er genießt die bestmögliche medizinische Versorgung.

Sein Zustand ist stabil, also keineswegs besorgniserregend in dem Sinne, dass er sterben könnte. Zumindest nicht, solange wir ihn nicht aufwecken. Und das werden wir nicht tun, ehe wir gewährleisten können, dass er aus eigener Kraft wach bleibt.«

»Was für ein Pech«, sagte Heyday mit verschmitztem Lächeln. »Da stehe ich endlich neben einer lebenden Legende – oder immerhin neben einer anderen Ausgabe davon –, und dann kann ich mich nicht einmal mit ihm unterhalten.« Er wandte sich Adam zu. »Aber dafür hab ich ja dich. Verzögert sich durch seinen Zustand unsere Planung?«

»Absolut nicht. Ich bin zuversichtlich, dass er wieder fest auf den Beinen steht, wenn wir ihn brauchen. Nicht wahr, Jano?«

Vrinkstetter teilte diese Zuversicht keineswegs. Weil er aber weder wusste, wann, noch wozu sie Rhodan brauchten, sagte er nur: »Ich bin sicher, unsere Wissenschaftler tun ihr Bestes.«

»Da hörst du es«, ergriff Adam erneut das Wort. »Wie weit bist du mit deinen Vorbereitungen?«

»Ich bin zufrieden«, antwortete Heyday. »Sobald du den Startschuss gibst, kann es losgehen.«

Die Tür glitt zur Seite, und ein korpulenter, pausbäckiger Mann Anfang sechzig mit schwarzen Locken trat ein. Liliom Wolkenstein. Zwar kein Konstabler, der sich offen zum Techno-Mahdi bekannte und ihn in der Öffentlichkeit im angriffslustigen Streitgespräch vertrat, sondern ein Mitglied der Stillen Gesellschaft, dennoch ein hohes Tier. Einer aus der Führungsriege, wenn man in der dezentralisierten, schwer greifbaren Organisationsstruktur des Techno-Mahdi überhaupt davon sprechen mochte.

Wolkenstein war Transmittertechnologe in der Forschungsstation Los 107. Vor einiger Zeit hatte er die Transmitterweiche entwickelt, mit der sich ein Transmitter in einen anderen einwählen oder einfädeln konnte. Oder können sollte. Das System wies noch diese oder jene Macke auf. Das hinderte Wolkenstein jedoch keineswegs daran, stets fröhlich und mit einem Lied auf den Lippen aufzutreten.

Vrinkstetter mochte ihn nicht. Er hielt die allzeit gute Laune für aufgesetzt. Eine Fassade, unter der in Wirklichkeit Ehrgeiz und Skrupellosigkeit verborgen lagen. Vielleicht irrte er sich aber auch.

»Hallo zusammen«, sagte Liliom Wolkenstein. »Colin, schön dich zu sehen.«

Er schob sich zwischen die Anwesenden und drängte den Mediker dadurch in den Hintergrund. Dann umarmte er Heyday kurz und klopfte ihm auf den Rücken.

Zumindest in einer Hinsicht irre ich mich nicht, dachte Vrinkstetter. Ich kann ihn tatsächlich nicht leiden.

Es schlossen sich einige Minuten Small Talk an, dem er nur mäßig interessiert folgte. Hast du schon von den Pirinji-Würstchen im Restaurant gekostet? Die darfst du dir keinesfalls entgehen lassen. – Angeblich hat der TLD kürzlich eine der Logo-Oasen durchleuchtet. Nein, nicht Shonaar, sondern eine auf dem Mars, wenn ich richtig informiert bin. – Bevor du wieder abreist, solltest du dir unbedingt einen Saturnaufgang ansehen. Ein grandioses Spektakel! Und so weiter.

Erst als sich das Gespräch bedeutungsvolleren Themen zuwandte, kehrte Vrinkstetters Interesse zurück.

»Also?«, fragte Wolkenstein. »Wann kann der Zugriff auf das Solsystem beginnen?«

Adam schmunzelte und wies auf Heyday. »Colin hat mir versichert, dass es jederzeit losgehen kann.« Er legte Wolkenstein eine Hand auf die Schulter. »Übrigens auch dank dir, Liliom. Ich weiß nicht, wie wir ohne den Schutzmantel deiner Transmitterexperimente all die Treffen und die zahlreichen Transporte hätten verschleiern sollen. Dafür gebührt dir mein Dank.«

Wolkenstein winkte ab. »Das war eine Selbstverständlichkeit. Du weißt, dass die führenden Wissenschaftler des Techno-Mahdi hinter dir stehen.«

Nicht alle, ging es Vrinkstetter durch den Kopf. Er hatte durchaus kritische Stimmen vernommen, wenngleich diejenigen, die Adam nicht uneingeschränkt akzeptierten, trotzdem seine Kompetenz auf zahlreichen Gebieten anerkannten.

Zu Vrinkstetters Überraschung wandte sich Adam von Aures ihm zu. »Du hast dich als unterbeschäftigten Aufpasser bezeichnet.«

Der Mediker wollte zu einer Rechtfertigung ansetzen, doch Adam ließ ihn nicht zu Wort kommen.

»Ich gebe dir nun die Gelegenheit, diesem Schicksal zu entgehen. Wenn du magst, kannst du zur Biophore-Forschung zurückkehren. Bis wir Titan verlassen, werde ich Perry Rhodan wohl Gesellschaft leisten, sodass für seine Sicherheit gesorgt ist. Oder ...« Er legte eine dramaturgische Pause ein, die ihre Wirkung auf Vrinkstetter nicht verfehlte. »Oder du bleibst hier, entlastest mich dadurch, dass weiterhin du den Aufpasser spielst, und erlebst im Gegenzug dafür aus erster Hand mit, wie wir Geschichte schreiben.«

»Das ist ... ich ...«, stammelte der Mediker.

»Eines noch, bevor du dich entscheidest: Wenn du hierbleibst, wirst du diesen Raum aus Sicherheitsgründen nicht verlassen, bis ich es dir erlaube.«

So viel zum Thema Vertrauen, dachte Jano Vrinkstetter. Er musste zugeben, dass die Verlockung groß war, zu seiner normalen Arbeit zurückzukehren. Endlich wieder etwas zu tun zu bekommen, das darüber hinausging, auf ein Ereignis zu warten, das ohnehin nie eintrat. Und dennoch: Ihm bot sich die Gelegenheit, mehr – nein: alles! – über Adams Projekt zu erfahren.

Liliom Wolkensteins Frage ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Wann kann der Zugriff auf das Solsystem beginnen?

Er war sich nicht sicher, ob ihm das, was die Frage implizierte, behagte. Ob Adams Vorhaben nicht über das Ziel hinausschoss. Da er aber sowieso nichts daran ändern konnte, gab es nur einen Ort, an dem sich das schnellstmöglich herausfinden ließ. Perry Rhodans Krankenzimmer. Wenn er dafür erneut in die Rolle des untätigen Beobachters gedrängt wurde, war das eben der Preis, den er zahlen musste.

»Ich bleibe«, sagte er.

»Ausgezeichnet. Also, Jano, was hältst du von der Liga Freier Galaktiker?«

Für einen Augenblick fühlte sich Vrinkstetter überfahren. Was sollte die Frage? Wollte Adam ihn prüfen? »Die LFG ist unsere Heimat. Ein selbstsicherer Sternenstaat«, begann er. Im nächsten Moment beschloss er, die Zögerlichkeit über Bord zu werfen. Seine Auffassung war ohnehin weitläufig bekannt. »Zu selbstsicher, um genau zu sein. Zu selbstgefällig.«

»Du nimmst mir die Worte aus dem Mund, mein Freund. Doch lasst uns eine tiefe Wahrheit nie vergessen, die unsere geschätzte Techno-Mahdistin Truc Moretti mit ihrem Gespür für eingängige Sinnsprüche so treffend auf den Punkt gebracht hat: Jeden Tag fällt im Universum ein Imperium – und jedes Imperium wird eines Tages fallen.«

Vrinkstetter konnte nicht anders, als zu nicken. Er hatte Truc Moretti kürzlich kennengelernt und einige Worte mit ihr gewechselt. Die jugendlich wirkende Terranerin hatte ihn vom ersten Augenblick an fasziniert. Nicht wegen ihrer knabenhaft schlanken Figur oder den dunklen Augen und Brauen, die ihr aufgrund des deutlichen Gegensatzes zu der hellen Haut eine ungewöhnliche Tiefe und Ernsthaftigkeit verliehen, sondern wegen ihres messerscharfen Verstands.

Die Sechzigjährige hatte über den Abzug der Superintelligenz ES gesprochen und über die Gefahr, in den Fokus einer anderen zu geraten. »Doch wie lässt sich das verhindern?«

Truc Moretti hatte tiefgründig gelächelt, mit dem Zeigefinger der rechten Hand nachdenklich auf den rotgoldenen Ring geklopft, der den kleinen und den Ringfinger der Linken verband, und gesagt: »Den klugen Menschen, mein lieber Jano, erkennt man daran, dass er die richtigen Antworten gibt. Den weisen jedoch daran, dass er die richtigen Fragen stellt.«

Vrinkstetter schüttelte die Erinnerung an Truc Moretti ab. »So ist es«, bestätigte er Adams letzten Satz.

Adam drehte sich zu Colin Heyday und Liliom Wolkenstein um. »Und darum ...«, sagte er und holte tief Luft, »... lassen wir die Invasion jetzt beginnen!«

Unwetterfront (1)

Nacht des 1. auf den 2. April 1552 NGZ

Der Himmel über Terrania brannte.

Wenn Reginald Bull aus den Fenstern des Einmanngleiters sah, entdeckte er rings um sich nichts als dichte, für Blicke undurchdringliche Wolken. Immer wieder flammten gelbliche und rötliche Lichtinseln in ihnen auf. Blitze eines Gewitters – und schlimmer: Explosionen eines einseitigen Gefechts und Reflexionen der Brände und des Chaos, das unter der Wolkendecke tobte.

Am liebsten hätte er die Augen geschlossen und so die Hölle aus seiner Wahrnehmung ausgeschlossen, die innerhalb von zwei Tagen erst schleichend, doch bald mit Urgewalt über Terra hereingebrochen war. Nur ging das nicht, denn er flog notgedrungen manuell. Durch eine dräuende Masse aus Dunst und Blitzen mit einer Sichtweite, die kaum über die Abgrenzungen des Gleiters hinausreichte.

Du musst den Verstand verloren haben, Reginald, alter Junge.

Noch nicht ganz, dachte er. Aber es könnte passieren, wenn ich nicht bald erfahre, ob Shinae, Toio und Icho Tolot noch leben.

Trotzdem, vielleicht hätte er besser auf Hekéner Sharoun hören und einen schweren Kampfgleiter mit einem Trupp gut ausgebildeter Männer und Frauen benutzen sollen, statt sich allein in eine waffen- und vor allem schutzlose Nussschale zu setzen.

Sharouns Worte, nachdem er sich Bulls Plan angehört hatte: Du musst den Verstand verloren haben.

Noch deutlich hallte die kurze Auseinandersetzung in Reginalds Ohren nach.

»Wenn du in einem Kriegsgebiet unbemerkt von A nach B kommen willst, wie würdest du das bewerkstelligen, Hekéner? Mit einem dröhnenden, weithin auffälligen Panzer oder eher mit einem Fahrrad?«

»Wenn ich bei A halbwegs sicher wäre, würde ich gar nicht erst nach B wollen.«

»Sehr hilfreich, danke schön. Versteh doch, ich muss abwägen zwischen Sicherheit und Unauffälligkeit. Da wir nicht einmal genau wissen, welchen Schutz mir ein Kampfgleiter dort draußen böte ...«

»Dort draußen?«