Maddrax 457 - Christian Schwarz - E-Book

Maddrax 457 E-Book

Christian Schwarz

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Beschreibung

In Agatha wird Hordelab noch immer festgehalten. Seine Versuche, sich zu befreien, schlagen fehl, und die Zeit zerrinnt ihm zwischen den Fingern. Da kehren die beiden Daa'muren Grao'sil'aana und Gal'hal'ira von einer Reise im Auftrag der Agarther zurück. Und als sie dem inhaftierten Initiator begegnen, kommt es zu einer gegenseitigen Reaktion: Beide Seiten spüren, dass eine so enge wie rätselhafte Verbindung zwischen ihnen besteht. Grao und Ira müssen Hordelab unterstützen, ob sie nun wollen oder nicht...

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Seitenzahl: 143

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah …

Brüder im Genom

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Koveck und Néstor Taylor, Agentur Ortega

Autor: Christian Schwarz

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5107-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.

Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, auch „Friedenswahrer“ genannt. Sie entführen Spezies aus allen Teilen der Galaxis durch das Wurmloch, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. Matt und Aruula können ihnen entkommen und reisen von Mond zu Mond auf der Suche nach ihrer Gefährtin Xaana, die schon Monate zuvor durch das Wurmloch ging.

Mit Hilfe neuer Gefährten finden sie Xaana auf dem Dschungelmond Botan. Dessen Naturgeist ist krank, kann aber durch die die gottgleiche Rasse der Saven geheilt werden. Schließlich bekommen die Gefährten die Gelegenheit, die Initiatoren auf dem Mond Messis zu treffen, wo eine Avatar-Delegation – Roboter mit den Geistern der Friedenswahrer – sie erwartet. Durch Einmischung der Kontras, einer Guerillagruppe innerhalb der Initiatoren, stoßen sie auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Sie beobachten, wie man entführten Messisanern die Köpfe abtrennt! Aber dann werden sie ihrer Erinnerungen beraubt! So können ihnen die Initiatoren eine Offerte unterbreiten: einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umzusiedeln und so vor der Vernichtung zu bewahren. In Wahrheit sollen sie die Messisaner ersetzen.

Während Aruula und Xaana auf Novis bleiben, reisen Matt und der Initiator Hordelab zur Erde, um Peilsender an hochstehende Zivilisationen zu verteilen, mittels derer sie später geortet und per Wurmloch evakuiert werden sollen. Um Kontakt zu Techno-Enklaven aufzunehmen, lassen die Wissenschaftler vom Hort des Wissens einen Satelliten aufsteigen und empfangen erste Funkrufe. Matt, Xij und Tom machen sich mit dem Amphibienpanzer PROTO auf den Weg, derweil Hordelab nach Agartha springt, um die Transport-Plattform für das Wurmloch in Augenschein zu nehmen – und dort festgesetzt wird. Nach einer Rettungsmission in Griechenland treffen Matt & Co. auf die Enklave von Colonel Kormak, erkennen aber dessen Machtgier und setzen sich ab, ohne ihm einen Peilsender zu überlassen.

Inzwischen sind die Kontras aufgeflogen. Einer von ihnen, Starnpazz, der zuvor schon auf der Erde war und einen Deal mit den Marsianern zur Evakuierung der Menschen ausgehandelt hat, flieht nach Aquus, um einen Hydree zu holen. Denn nur mit dem lässt sich der Mars begrünen. Über den Umweg eines verbotenen Mondes gelangen er und der Hydree Wang’kul zum Wurmloch und werden zur Erde abgestrahlt …

Brüder im Genom

von Christian Schwarz

Vergangenheit (vor fünfzehn Monaten)

König Yönten Wangmo stand auf dem Balkon seines Palastes und schaute sinnend auf Agartha-Stadt hinunter. Das Erdbeben vergangene Nacht war stärker als die vorhergehenden gewesen. Felsbrocken waren von der Kavernendecke herabgestürzt und hatten beträchtliche Schäden verursacht. Wenn es jetzt schon so schlimm ist, was passiert erst, wenn der Mond die Erde trifft? Er seufzte schwer.

Sein Armbandkommunikator summte. Rabjam Yeshe war dran. „Mein König“, platzte es aus ihm heraus. „Ich muss dir unbedingt etwas zeigen. Möglicherweise gibt es doch noch Rettung für uns alle.“

Wangmo spürte das Adrenalin, das in seine Blutbahn ausgeschüttet wurde, als kurzen eisigen Schock. „Ich komme umgehend, Rabjam. Wo bist du?“

„Im Wissenschaftszentrum.“

„Gut. Ich bin in zehn Minuten bei dir.“ Grußlos schaltete Wangmo den Armbandkommunikator ab und verließ eilig seine Gemächer. Die letzten Wochen waren seine Schritte mitunter müde und ohne Energie gewesen, denn der Druck, der auf ihm lastete, wog schwer. Nun aber brachte die Hoffnung die alte Energie zurück. Kraftvoll und geschmeidig bewegte er sich. Mit dem Express-Aufzug fuhr er hinunter in die Wissenschaftssektion, die tief unter dem Palast in einer eigenen Felskaverne angesiedelt war. Dabei überschlugen sich seine Gedanken.

Als die agarthischen Astronomen vor über zehn Jahren festgestellt hatten, dass sich der Mond unaufhaltsam der Erde näherte und der bevorstehende Impakt eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes auslösen würde, hatte Wangmo seine Wissenschaftselite beauftragt, Wege zu suchen, das Überleben des agarthischen Volkes zu sichern. Seither forschte das „Team Impakt“, dem die hellsten Köpfe aller wichtigen Wissenschaftsdisziplinen angehörten und das von Rabjam Yeshe geführt wurde, hauptsächlich an einem Projekt …

Wangmo erreichte den Eingang zur Wissenschaftssektion. Per Retina-Scan identifizierte er sich. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Zischen. Er ging an einer langen Reihe von Labor- und Versuchsräumen entlang, die einsehbar hinter Glas lagen. Zwei Frauen mit Gesichtsmasken standen vor einer hochragenden Versuchsanordnung, zwischen deren Türmen Überschlagsblitze hin und her sprangen. Er registrierte es nur flüchtig. Auf der anderen Seite des langen schnurgeraden Korridors lagen die Energiekammern hinter mächtigen Sicherheitstüren.

Das Hauptprojekt, an dem sich „Team Impakt“ abarbeitete, war die Entwicklung eines gigantischen energetischen Schutzschirms, der die gewaltigen Kräfte des Einschlags abfangen sollte. Beim aktuellen Stand konnte Agartha aber nicht annähernd so viel Energie erzeugen, wie den Berechnungen zufolge benötigt wurde.

Weitere ernsthaft diskutierte Projekte waren schnell wieder ad acta gelegt worden, weil sie selbst für einen so hochentwickelten Stadtstaat pure Science Fiction waren – etwa die Suche nach einer Möglichkeit, den Mond so aus seiner Bahn zu drängen, damit er die Erde verfehlte.

Nicht mal ankratzen könnten wir ihn mit unserer Technik, dachte Wangmo verbittert. Der anfliegende Trabant machte der Menschheit erneut klar, wie klein und unbedeutend sie im kosmischen Geschehen doch war.

Wangmo erwartete, dass ihm Rabjam über die Ressourcen der von Hordelab erbeuteten Energiezelle berichten würde. Möglicherweise ist sie tatsächlich in der Lage, uns mit einem Schlag all unserer Sorgen zu entledigen.

Wangmo, der von den Passanten respektvoll gegrüßt wurde, betrat eines der Labore, durchquerte es und klopfte an eine unscheinbare Tür. Ohne eine Antwort abzuwarten, riss er sie auf und stürmte in einen großen Raum, der mit Maschinen vollgestopft war.

Rabjam Yeshe, ein großer sehniger Mann mit Vollbart und dünnem Haar, das er am Hinterkopf zu einem Zöpfchen zusammengebunden hatte, stand vor einer hell erleuchteten Reproduktionswand und betrachtete lange Reihen chemischer Formeln. Daneben sah Wangmo Aufnahmen von Gesteinsstrukturen. Yeshe, in ein gelbblaues, bis zum Boden fallendes Gewand gekleidet, drehte sich und schenkte Wangmo ein kurzes Lächeln.

Der hatte nicht vor, Höflichkeitsfloskeln auszutauschen. „Was hast du mir zu berichten, Rabjam?“

Yeshes Lächeln erlosch. Er räusperte sich. „Nun gut, unsere Zeit ist knapp bemessen, das sehe ich ein.“ Er zog etwas aus der Tasche, klemmte es zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt es dem König entgegen.

Wangmo fühlte Ärger in sich aufsteigen, als er das bläulich leuchtende Ding sah. „Was ist das? Ein Datenkristall?“

„Ja, mein König. Um genau zu sein, ist es Speicherkristall 3487/1, der die Chronik des Jahres 2183 enthält.“ Yeshes Lächeln kehrte zurück. „Mir ist klar, dass du mit Neuigkeiten bezüglich der Energiezelle gerechnet hast, aber da muss ich dich enttäuschen. Die Experimente laufen noch. Die Zelle scheint Metalle und chemische Verbindungen zu enthalten, die es auf der Erde nicht gibt … nun ja, die wir zumindest nicht kennen. Aber …“

„Ja? Nun rede schon, Rabjam. Spann mich nicht auf die Folter.“ Wangmo kannte sich selbst nicht mehr; diese Ungeduld war ihm sonst völlig fremd.

Der Chefwissenschaftler trat an seinen Schreibtisch und legte den Kristall in die Mulde eines Wiedergabegeräts. Dann drückte er auf dem dazugehörigen Touchscreen herum. Die Bilder auf der Reproduktionswand verschwanden und wurden von computerschriftlichen Aufzeichnungen abgelöst. Sie enthielten chronologisch aufgezeichnete Ereignisse. Wangmo runzelte die Stirn, als er las:

3487-1/39: Die starken tektonischen Verschiebungen der indischen und eurasischen Platte, die als Spätfolge des Kometeneinschlags von 2012 gedeutet werden müssen, lösten zu Anfang des Jahres in Teilen des Himalaja schwere Erdbeben aus. Da auch das Königreich Agartha in der gefährdeten Zone liegt, befahl König Dechen Kalon die Ausrüstung einer Expedition, die Evakuierungsräume für unser Volk suchen sollte. Tatsächlich stieß die Expedition unter den Öden Bereichen im Sektor 17 in einer Tiefe von rund fünf Kilometern auf ausgedehnte Höhlen und Kavernen, in denen man die allermeisten Agarther hätte unterbringen können (die genaue Lage wird in Kristall 3487/3 beschrieben). Untersuchungen ergaben, dass diese Bereiche durch einen über zwei Kilometer dicken Gesteinsmantel aus Tonalit sehr stabil sind. Aufgrund einiger Probleme (siehe Kristall 3487/2) wurde der geplante Ausbau der Evakuierungsräume nicht weiter verfolgt. Auch weil die aktuellen seismologischen Messungen ergeben, dass die tektonischen Verschiebungen aufgehört haben.

„Hm.“ Wangmo rieb sich nachdenklich das glattrasierte Kinn. „Das klingt zumindest interessant.“

„Ich habe selbstverständlich sofort Probebohrungen im Sektor 17 der Öden Bereiche machen lassen, weil Tiefenscans wegen der hohen Gesteinsdichte nicht möglich sind“, fuhr Rabjam fort. „Tatsächlich stießen wir im nordwestlichen Abschnitt von Sektor 17 in rund einem Kilometer Tiefe auf Tonalit. Das ist der eindeutige Beleg für die Authentizität der Aufzeichnung; auch die Tiefenangaben stimmen.“ Yeshe fixierte Wangmo kurz, als wolle er dessen Laune ausloten. „Erst mit diesem Ergebnis habe ich es gewagt, dich zu informieren, mein König.“

Wangmo nickte. „Tonalit ist genauso vulkanisches Hartgestein wie der umliegende Granit, nicht?“

„Ja. Tonalite treten zumeist neben Granit auf. Ich will dich nicht damit langweilen, wie sie entstanden sein könnten, sicher ist aber, dass diese Tonalit-Formation härter als der umliegende Granit ist.“

„Dann könnte sie extremen Beben also tatsächlich standhalten?“

„Das wissen wir erst, wenn wir das Gebiet untersucht haben und die Statik der Höhlen kennen.“

„Aber was ist mit diesen Problemen, von denen im Jahresbericht die Rede ist?“

Das Lächeln des Chefwissenschaftlers wirkte irgendwie verunglückt. „Nun, das weiß ich leider auch nicht. Trotz intensiver Fahndung konnten wir Kristall 3487/2 bisher nicht finden. Dasselbe gilt auch für Kristall 3487/3. Allerdings nehme ich an, dass sie thermischer Art waren. Immerhin sind die Temperaturen in dieser Tiefe enorm.“

„Was heißt das genau?“

„Zwischen achtzig und hundert Grad. Aber mit der heutigen Technik dürfte das kein Problem mehr sein. Wir können selbst weitläufige Kavernen dauerhaft herunterkühlen. Unsere Aggregate sind um ein Hundertfaches leistungsfähiger als zur damaligen Zeit.“

„Gute Arbeit, Rabjam“, sagte Wangmo kurzentschlossen. „Wir sollten uns auf jeden Fall um diese Sache kümmern. Rüste eine Expedition aus, die die Tonalit-Kavernen untersucht. Und ich habe auch schon eine Idee, wer diese Expedition anführen wird.“

Gegenwart

Hordelab lag auf dem Bett und starrte trübsinnig auf den Monitor. Die bunten bewegten Bilder, die dort liefen, verschafften ihm wenigstens ein kleines bisschen Abwechslung in seiner Monotonie, auch wenn er nicht viel mit ihnen anfangen konnte. Sie zeigten Menschen, die allerlei seltsame Dinge taten. Sie rannten um die Wette oder stellten sich auf den Kopf. Anscheinend amüsierte das die Agarther, auch wenn sich dem Initiator nicht im Ansatz erschloss, warum das so sein könnte.

Das wusste er von Jamyang, dem geschwätzigsten der drei Wächter, die ihn abwechselnd mit Nahrung versorgten. Ebenso, dass die Agarther das Abspielgerät „Funkbildbetrachter“ nannten und diese Art der Unterhaltung als „Shows“ bezeichneten. Wirkliches Interesse zeigte Hordelab immer nur dann, wenn Nachrichten über den sich nähernden Mond auf dem Monitor erschienen. Der Erdtrabant schien weltweit immer größere Katastrophen auszulösen.

Ich muss hier unbedingt raus!

Aber das war leichter gesagt als getan. Seine Zelle, die Jamyang als „Gästezimmer“ bezeichnete, durfte Hordelab nach wie vor nicht verlassen. Diese missliche Lage hatte er dem Kontra Starnpazz zu verdanken, der die Agarther mit Falschinformationen bezüglich der Sprungfeldplattform versorgt hatte. Seine Gedanken schweiften weg von der Show und hin zu seinem verräterischen Artgenossen, der den Agarthern weisgemacht hatte, mit der Sprungfeldplattform könne man den Mond wieder auf seine ursprüngliche Bahn zurückschieben.

Vom wahren Zweck der Sprungfeldplattform, der Evakuierung der Menschheit ins Ringplanetensystem, hatte Starnpazz kein Wort verlauten lassen.

Zum wiederholten Mal stieg Wut in Hordelab hoch. Weil König Wangmo Starnpazz anscheinend mehr traute als ihm, saß er nun hier fest. So lange, bis das „Missverständnis“ aufgeklärt war. Das aber würde niemals passieren, weil Hordelab selbst Starnpazz auf dem Mond Messis außer Gefecht gesetzt hatte. Der schmorte dort längst im Gefängnis …

… und teilt somit mein Schicksal, auch wenn es ihm auf Messis sicher deutlich schlechter ergeht als mir hier …

Hordelab stand auf und ging ein paar Mal in seiner durchaus geräumigen Zelle auf und ab. Bewegung war ein gutes Mittel gegen die Wut. Er warf einen flüchtigen Blick durch das verglaste Fenster, das ihm ein hübsches Panorama auf die Palastgärten und das dahinterliegende Agartha-Stadt bot, vor allem auf die Wohnblocks, die sich verschachtelt bis in schwindelerregende Höhen an einer Felswand hochzogen.

Plötzlich fing das Funkbild an zu flimmern. Schwarze Streifen zogen von oben nach unten. Gleichzeitig begann die Erde leicht zu beben. Hordelab erstarrte. Diese leichten Beben gehörten zwar fast schon zum Alltag, trotzdem wusste man nie, ob es dieses Mal stärker ausfallen würde. Aber das Schütteln ebbte wieder ab. Erleichtert entspannte er sich.

Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Der Initiator starrte auf die vergitterte Zellentür, hinter der sich ein trübe beleuchteter Gang erstreckte. Jamyang stand am Gitter und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, die er selbst als „Grinsen“ bezeichnete.

„Hallo Hordelab“, sagte der baumlange Kerl mit den kurzgeschorenen grauen Haaren, dem kantigen Kinn und dem grauen Vollbart. Seine Augen funkelten. „Hab mal wieder Dienst.“

„Ich freue mich, Jamyang“, erwiderte der Initiator. „Das verschafft mir etwas Abwechslung, denn die Gespräche mit dir sind immer sehr interessant.“

Jamyang hielt sich mit beiden Fäusten am Gitter fest und grinste erneut. „Findest du?“

„Ja. Ich lerne eine Menge dabei.“ Hordelab starrte ihn an. „Aber deine Schicht beginnt doch erst in vier oder fünf Stunden, wenn mich mein Zeitgefühl nicht vollkommen im Stich lässt.“

„Tut es nicht, Hordelab. Aber Tendzins Frau ist schwer erkrankt und so habe ich den Rest seiner Schicht übernommen. Bei mir ist das egal, ich hab niemanden zuhause, der auf mich wartet. Und soll ich dir mal was verraten, Hordelab? Ich fühle mich hier an meinem Arbeitsplatz und überhaupt bei der Garde viel wohler als zuhause. Eigentlich sind die Garde und die Wachstation hier eher mein Zuhause, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Ja, ich glaube schon. Schließlich bewegt sich mein Intelligenzparameter im mittleren oberen Drittel.“

„Echt jetzt? Dann bist du also so was wie ’ne Intelligenzbestie?“

„Was ist eine Intelligenzbestie?“

Jamyang winkte ab. „Ach, vergiss es. Ich kann dir übrigens sagen, dass die beiden Daa’muren, auf die du so scharf bist, immer noch nicht zurück sind. Angeblich sollen sie Materialien für den Prallfeldgenerator …“

„Das ist eine von Starnpazz völlig willkürlich gewählte Falschbezeichnung der Sprungfeldplattform!“, unterbrach ihn Hordelab.

Jamyang rollte mit den Augen. „Ja, ich weiß. Das hast du mir ja oft genug unter die Nase gerieben. Aber vielleicht brauchen wir das Zeug, das sie besorgen sollen, gar nicht mehr.“

„Und warum nicht?“

Jamyangs Stimme wurde leiser und er beugte den Kopf nach vorne, als er erwiderte: „Bevor Starnpazz mit diesem Generator um die Ecke kam, haben unsere Wissenschaftler an einem Energieschirm gearbeitet, um Agartha vor dem einschlagenden Mond zu schützen. Das hatte sich mit dem Generator erledigt. Nun aber, seit unser König dir und Starnpazz nicht mehr traut, will man die Forschung an dem Schirm wiederaufnehmen.“

„Aber ich sage die Wahrheit!“, brauste Hordelab auf und machte zwei Schritte auf den Wächter zu. Der ließ das Gitter los und trat einen Schritt zurück.

„Ich glaub dir ja, Hordelab. Aber darauf kommt’s nicht an, selbst wenn mich einer fragen würde. Weißt du, ich hab ’ne Schwester bei den Wissenschaftlern. Die sagt, dass die Forschung am Schirm wegen deiner Energiezelle wieder aufgenommen würde.“

Hordelab erschrak. „Wie meinst du das?“

„Na wie wohl? Die experimentieren mit deiner Energiezelle und glauben, dass da genug Energie drinsteckt, um den Schirm zu betreiben.“

Ich muss hier raus, durchfuhr es Hordelab. Wenn die Agarther die Energiezelle entladen, ist die Sprungfeldplattform nutzlos – und der ganze Große Plan gefährdet …

Unrast machte sich in Hordelab breit. Tendzins Frau kam ihm in den Sinn. Die Menschen waren hilfsbereit, wenn sie glaubten, dass es einem der Ihren schlecht erging. Tendzin verzichtete auf seinen Dienst, um seiner Frau zu helfen, Jamyang wiederum half Tendzin aus der Klemme. Und Maddrax half ohnehin jedem in Not, ob es nun Sinn machte oder nicht. Diesen Wesenszug der Menschen würde Hordelab nie verstehen. Es war wie eine Art Zwangshandlung.

Aber ich kann versuchen, das auszunutzen …

„Ich habe Hunger, Jamyang“, sagte er. „Kannst du mir etwas zu essen besorgen?“

„Aber natürlich, Hordelab.“ Er grinste. „Auch wenn noch keine Essenszeit ist, Tendzin hat seine Ration stehenlassen. Ich kann dir also Lammkeule, Buttertee und Hirsebrei anbieten.“

„Das ist gut.“

Jamyang verschwand und erschien kurz darauf wieder mit einem Tablett, auf dem eine dampfende Schüssel und eine Tasse standen. Der Wächter schob das Tablett durch die kleine Öffnung am unteren Ende der Gittertür. Der Initiator bedankte sich, nahm das Tablett und setzte sich an den Tisch. Mit dem Löffel schaufelte er den Hirsebrei in sich hinein, spülte mit Buttertee nach und widmete sich dann der Lammkeule, deren Geschmack ihm ebenfalls fremd war. Als er den Knochen in der Keule bemerkte, modifizierte er seinen Plan.

Plötzlich versteifte sich Hordelab. Er stöhnte und riss die Augen weit auf. Dann griff er sich mit beiden Händen an den Hals und begann zu gurgeln. Dabei ließ er sich vom Stuhl fallen.