Made with Love - Kuss für Kuss ins Glück - Nicole Michaels - E-Book

Made with Love - Kuss für Kuss ins Glück E-Book

Nicole Michaels

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Beschreibung

Zweite Chance für die Liebe

Lindsey Morales ist ein Deko-Genie und kann aus so ziemlich allem etwas Wunderschönes zaubern - ihr eigenes Liebesleben aufzumotzen ist jedoch eine ganz andere Sache. Gemeinsam mit zwei Freundinnen betreibt sie einen beliebten Lifestyle-Blog. Als sie ihrer Freundin Anne dabei hilft, ein altes Farmhaus zu renovieren, holt ihre Vergangenheit sie ein - in Gestalt von Derek Walsh, der ihr einst das Herz gebrochen hat und nun als Architekt mit im Boot ist. All ihre Versuche, ihm aus dem Weg zu gehen, scheitern, denn Derek ist fest entschlossen, seinen Fehler von damals wiedergutzumachen und Lindsay davon zu überzeugen, dass man auch die Liebe in neuem Glanz erstrahlen lassen kann.

"Kuss für Kuss ins Glück ist die perfekte Second-Chance-Romance" Heroes and Heartbreakers

Band 3 der Made-with-Love-Reihe



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Seitenzahl: 406

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmung1234567891011121314151617181920212223242526EpilogDanksagungDie AutorinDie Romane von Nicole Michaels bei LYXImpressum

NICOLE MICHAELS

Made with Love

Kuss für Kuss ins Glück

Ins Deutsche übertragen von Stephanie Pannen

Zu diesem Buch

Eine zweite Chance für die Liebe

Lindsey Morales ist ein Deko-Genie und kann aus so ziemlich allem etwas Wunderschönes zaubern – ihr eigenes Liebesleben aufzumotzen ist jedoch eine ganz andere Sache. Als sie ihrer Freundin Anne dabei hilft, ein altes Farmhaus zu renovieren, holt ihre Vergangenheit sie ein – in Gestalt von Derek Walsh, der ihr einst das Herz gebrochen hat und nun als Architekt mit im Boot ist. All ihre Versuche, ihm aus dem Weg zu gehen, scheitern, denn Derek ist fest entschlossen, seinen Fehler von damals wiedergutzumachen und Lindsay davon zu überzeugen, dass auch die Liebe in neuem Glanz erstrahlen kann.

Für meine Schwester Lauren, die zu der wunderschönen und inspirierenden Heldin ihrer eigenen Geschichte geworden ist.

1

Es war schlimm genug, am Valentinstag Single zu sein, aber Lindsey Morales war außerdem allein und arbeitete. Natürlich aus freien Stücken. Die Arbeit war schon immer ihre Fluchtmöglichkeit vor den Belastungen des Lebens gewesen. Zu denen gehörte, dass sie völlig pleite war und heute keine herzförmigen Süßigkeiten, Karten voll bedeutungslosem Blödsinn oder überteuerte Blumen bekommen hatte. Wie jedes Jahr. Aber das war schon in Ordnung. Süßigkeiten gingen direkt auf die Hüfte, bedeutungsloser Blödsinn war, na ja, bedeutungslos, und Blumen verwelkten. Kein Grund, in Selbstmitleid zu ertrinken. Überhaupt nicht.

Lindsey seufzte und starrte durch ihre Windschutzscheibe auf das hellgelbe Jahrhundertwende-Bauernhaus, das sie renovieren sollte. Die Scheinwerfer ihres Geländewagens drangen durch die Dunkelheit und beleuchteten die umlaufende Veranda, die gerade erneuert wurde. Die Arbeit ging gut voran. Sie hatte die Handwerker ausdrücklich angewiesen, sie originalgetreu wiederherzustellen, und glücklicherweise hatten sie sich daran gehalten. Aber irgendwie … fehlte noch etwas. Vielleicht eine Schaukel. Oder zwei Schaukelstühle. Sie würde das ihrer Freundin Anne vorschlagen, denn die würde am Ende in dem Haus leben.

Was für ein hinreißendes Haus würde sie haben. Die Gegend war ruhig und wunderschön. Auch wenn es jetzt dunkel war, Lindsey war schon so oft bei Tag hier gewesen, dass ihr die malerische Landschaft lebhaft vor Augen stand. Die große Scheune hinter dem Haus, das weite Feld, die Baumreihe am Rand des riesigen Grundstücks. Es würde sicher herrlich sein, jeden Morgen umgeben von dieser Schönheit und Beschaulichkeit aufzuwachen.

Lindsey schaltete den Motor aus, nahm ihre Tasche mit Wohnzeitschriften, ihren Laptop und die kleine Kühltasche, die sie sich gepackt hatte, und stieg aus dem Wagen.

Der Februarwind war brutal und brannte auf ihren Wangen, als sie die Verandastufen hinaufstieg. Die Wettervorhersage am Morgen hatte eine aufziehende Kaltfront erwähnt, und das konnte Schnee bedeuten – nicht gerade ihr Favorit. Es war noch nicht mal achtzehn Uhr, und doch war es schon stockdunkel. Glücklicherweise hatte der Handwerker, der als Letztes hier gearbeitet hatte, das Verandalicht angelassen. Lindsey stellte ihre Kühltasche ab, um den Schlüssel aus der Hosentasche zu holen und die Haustür aufzuschließen.

Sie betrat das Haus und atmete tief den Geruch von Farbe und Kiefernholz ein, dann trug sie ihre restlichen Sachen hinein, bevor sie die Tür vor der bitteren Kälte schloss. Ihr letzter Besuch war fast eine Woche her, und sie war gespannt, was sich seitdem getan hatte.

Sie schaltete das Licht im Flur an und sah sich erfreut um. Es war spektakulär. Die Treppe war nun mit dem Geländer versehen, das Anne und sie ausgesucht hatten, und der große Kronleuchter im Eingangsbereich – voller Swarovski-Kristalle, die sie umfunktioniert hatte – funkelte. Obwohl Lindsey den Bauleiter des Projekts verabscheute, musste sie zugeben, dass er wusste, was er tat. Oder zumindest hatte er gute Handwerker beauftragt. Es fiel ihr schwer, dem Mann so viel Anerkennung zu zollen, auch wenn sie angebracht war.

Es war nicht so, dass Lindsey generell Probleme mit Bauleitern hatte. Nur mit diesem. Derek Walsh und sie hatten eine schwierige Vergangenheit, die sie am liebsten vergessen würde. Das war leichter gesagt als getan, aber es half schon, sein Gesicht nicht zu sehen. Das war auch der Grund, warum sie sich am Valentinsabend in die Arbeit stürzte.

Während sie hier in Jeans und altem T-Shirt stand, um sich die Hände schmutzig zu machen, umwarb er wahrscheinlich gerade eine arglose Frau mit einem schicken Abendessen und Blumen. Mit Sicherheit hatte er sich richtig schick angezogen – nicht schwer für einen reichen Mann, der unverschämt attraktiv war. Sie konnte ihn sich genau vorstellen in seiner Anzughose, die seinen Hintern umschmeichelte, und in dem maßgeschneiderten Jackett, das seinen muskulösen Oberkörper betonte. Wahrscheinlich brauchte er gar keine kitschigen Grußkarten, Pralinen oder überteuerten Sträuße. Es würde ihm nicht schwerfallen, eine Frau zu sich nach Hause zu locken.

Lindsey kannte seine Masche nur zu gut, und jetzt, wo er geschieden war, setzte er sie wahrscheinlich wieder ein. Männer wie Derek waren genau der Grund, warum Lindsey lieber arbeitete, statt auszugehen.

Und das würde sie sich so lange einreden, bis sie es selbst glaubte.

Mit einem letzten Blick auf den Eingangsbereich ging sie durch den Flur zur Küche. Sie blieb stehen und spähte ins Wohnzimmer. Es war dunkel, aber vom Flur drang genug Licht hinein, um den Fortschritt erkennen zu lassen. Der alte zottelige Teppichboden war fort, und das zum Vorschein gekommene Parkett war bereits abgeschliffen und wartete darauf, gebeizt zu werden. Der große Marmorkamin wirkte geradezu majestätisch. Ihn mochten Lindsey und Anne an dem Haus am liebsten. Ein Original, das Lindsey mit Haftnotizen beklebt hatte, auf denen NICHT BERÜHREN stand.

Auf anderen Stücken hatte sie ähnliche Notizen hinterlassen. Auf den Bücherregalen im oberen Flur, den originalen Schiebetüren, die zum Esszimmer führten, den Hängeschränken in der Küche und natürlich allen Dekorelementen und Beschlägen.

Das Haus war über hundert Jahre alt, was es unglaublich besonders und einzigartig machte. Nicht, dass es keine anderen alten Häuser gab, aber Gebäude aus dieser Epoche waren keine vorgefertigte moderne Massenware. Sie waren mit harter Arbeit, Liebe und Detailfreude erbaut worden. Voller Schätze, die es zu erhalten lohnte.

Lindsey war sich ziemlich sicher, dass Derek diese Anschauung nicht teilte. Solch ein Projekt war für den erfolgreichen Architekten nicht die Regel. Normalerweise baute er schicke Bürogebäude mit viel Glas und Metall. Langweilig. Jedes Mal, wenn sie zum Haus zurückkam, befürchtete sie, dass er der Entfernung eines alten Schätzchens zugestimmt hatte, und ihre Haftnotizen sollten ihn daran erinnern, dass er unter Beobachtung stand.

Die Abmachung zwischen ihnen beiden und ihren Freunden Anne und Mike war eindeutig gewesen. Derek würde als genereller Bauleiter die Grundarbeiten durchführen: Statik, elektrische Installationen, Rohrleitungen und so weiter. Er war verantwortlich für das Versetzen einiger Wände und sollte alles sicher, effizient und stabil machen. Die Handwerker, die er angeheuert hatte, führten die notwendigen Arbeiten aus, dann würde Lindsey kommen und alles schön machen.

Normalerweise würden ihre beiden Gewerke Hand in Hand gehen und viel Diskussion und Ideenfindung beinhalten, um auf einen gemeinsamen Renovierungsplan zu kommen. Doch dieses Arrangement war für Lindsey alles andere als ideal, da sie es vorzog, seine Stimme bis an ihr Lebensende nicht mehr zu hören. Bis jetzt schienen die Haftnotizen und kurzen E-Mails das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Das freute sie. Nicht nur, weil sie ihren Willen bekam, sondern auch, weil sie diesem Mann dadurch aus dem Weg gehen konnte.

Lindsey betrat die Küche, schaltete das Licht an und musste grinsen. Die unteren Schränke waren neu und maßgefertigt. Sie warteten noch darauf, lackiert und gebeizt zu werden. Aber die Hängeschränke waren das absolute Highlight des Raums. Es handelte sich um die ursprünglichen Schränke, und die weiße Farbe war genau richtig gealtert, um eine hübsche Patina zu bilden. Das war der Look, wegen dem die Leute Pinterest durchkämmten, um zu erfahren, wie sie ihre Flohmarktfunde genauso hinbekamen. Sie wusste es zu schätzen, denn sie machte das ja auch. Verkaufte sogar solche Teile. Aber diese Hängeschränke waren echt, und sie liebte sie. Der Kontrast zwischen den Originalen und den neuen Schränken darunter würde fabelhaft wirken, besonders nachdem sie die Bläschenglastüren wieder eingesetzt hatte. Sie konnte sich schon gut vorstellen, wie Anne sie mit schönem Geschirr und Gläsern füllen würde.

Lindsey ließ ihre Hand über das aufgeraute Holz gleiten und dachte daran, welche wunderbaren Momente diese Schränke schon gesehen hatten, die Vorbereitungen von Weihnachtsfestmahlen, Frühstücken an ersten Schultagen, sicherlich auch Tage voller Traurigkeit und Verzweiflung. Das liebte sie so an alten Dingen: ihre Geschichten. Zu wissen, dass sie von vielen Generationen genutzt worden waren und ihren Besitzern gut gedient hatten, machte es für Lindsey zu einem Vergnügen, ihnen ein neues Leben zu geben. Eine zweite Chance. Eine leichte Lasur würde das Holz schützen und zum Glänzen bringen und hoffentlich hundert weitere Jahre überdauern lassen.

Ihr Blick fiel auf eine große Plastiktüte auf der Arbeitsfläche. Sie griff danach und las den Notizzettel, der darauf klebte. NICHT WEGWERFEN!!!

Es war einer von ihren, und in der Tüte befanden sich die originalen Schrankbeschläge. Darunter stand in pedantischer eckiger Handschrift, die sie nur allzu gut kannte: ES IST SEXY, WENN DU SO HERRISCH BIST.

Lindsey schnappte empört nach Luft. Das war ein weiterer Grund, warum sie Derek aus dem Weg ging. Es war zwar gut acht Jahre her, seit sie in ihn verliebt gewesen war. Aber so ungern sie es zugab, sie war gegen seinen Charme nicht gefeit. Dieser Charme war mächtig. Gefährlich.

Vorsichtig legte Lindsey den Beutel wieder auf die Arbeitsfläche und nahm sich einen Moment Zeit, um sich zu sammeln. Er spielte nur mit ihr, und sie sollte sich nicht davon ablenken lassen. Es war an der Zeit, ein paar Dinge zu erledigen. Sie stellte ihre Kühltasche auf die Kochinsel, die momentan aus zwei Sägeböcken und einer großen Sperrholzplatte bestand. Das war eine weitere Überraschung, auf die sie sich freute, denn sie hatte große Pläne, um Anne mit einer maßgeschneiderten Kochinsel zu überraschen.

Lindsey öffnete die Kühltasche und holte das kleine Festmahl heraus, das sie für sich vorbereitet hatte: Hummus und Karotten, ein Croissant mit Geflügelsalat, Erdnussbutterkekse und drei Flaschen Weizenbier mit Himbeergeschmack. Auch wenn sie am Valentinsabend allein war, konnte sie sich doch selbst verwöhnen. Während sie an einer Karotte kaute, arrangierte sie den Rest nach ihrem Geschmack.

Dann steckte sie Kopfhörer in ihr Handy, öffnete das erste Bier und lud ihre liebste Aerosmith-Playlist. Heute war sie gekommen, um genau Maß zu nehmen. Dinge wie Fliesen, Beize, Farbe und Vorhänge mussten bestellt werden.

Eines der aufregendsten Dinge an der Renovierung war es, den Verlauf auf dem Lifestyle-Blog von Lindsey und ihren beiden besten Freundinnen festzuhalten. »Mein perfektes kleines Leben« war ursprünglich von Anne, der zukünftigen Hausbesitzerin, gegründet worden. Als Nächstes war Callie dazugestoßen. Ihr gehörte eine bezaubernde, sehr erfolgreiche Konditorei in der Stadt. Vor fast zwei Jahren hatten die beiden Lindsey eingeladen, Gastbeiträge über Upcycling und Hausverschönerungen zu schreiben. Sie liebte diese Arbeit, und in den vergangenen Jahren war der Blog wahnsinnig beliebt geworden. Ihre treuen Leser verfolgten gespannt »Annes Traumhaus-Renovierung«.

»Cryin’« dröhnte aus dem Kopfhörer, während sie ihr Bandmaß herauszog. Sie mochte das Ding nicht, denn es steckte in einer hässlichen Metallhülle und war unhandlich. Leider hatte sie momentan nichts Besseres zur Hand. Es war klein genug, um es in der Handtasche zu transportieren, aber sobald Lindsey es sich finanziell gestatten konnte, würde sie in gute Werkzeuge investieren.

Lindsey machte sich an die Arbeit und konzentrierte sich darauf, die Abstände zwischen den unteren und oberen Schränken auszumessen. Schöne Glasfliesen wären gut. Oder vielleicht abgeschrägte Subway-Fliesen. Sie lächelte, als sie sich all die Möglichkeiten vorstellte. Das war es, was ihr Freude machte, etwas Altes und Abgenutztes wieder schön zu machen. Hoffentlich führte dieser Auftrag zu weiteren. Das Haus würde jedenfalls beeindruckend sein. Wenn sie schon nicht ihr eigenes Happyend bekam, konnte sie wenigstens zu dem ihrer Freunde beitragen.

Normalerweise lauerte Derek Walsh keinen unschuldigen Frauen auf, aber Lindsey Morales ließ ihm einfach keine andere Wahl. Während dieses Projekts hatte sie alles getan, um einer Begegnung mit ihm aus dem Weg zu gehen, mit Ausnahme einer einstweiligen Verfügung. Nach dem heutigen Abend würde das vielleicht ihr nächster Schritt sein, aber das war ein Risiko, das er einzugehen bereit war.

Er hatte sich für die Dauer der Renovierungsarbeiten in der Scheune auf dem Grundstück seines Kumpels Mike ein improvisiertes Büro eingerichtet. Heute war er länger geblieben und hatte sich mit Papierkram beschäftigt.

Und gewartet.

Leise zog er das Scheunentor zu und ging durch den Garten zum Vordereingang des Hauses. Vor einer halben Stunde hatte er Lindsey ankommen hören, und er fragte sich, was sie gerade tat. Fast sehnte er sich danach, ihr Gesicht zu sehen, aber viel wichtiger war, dass sie beide ein paar Dinge zu besprechen hatten. Zumindest er hatte ihr ein paar Dinge zu sagen. Dinge, die er sich vor acht Jahren nicht zu sagen getraut hatte. Und auch wenn er wusste, dass sie nicht zuhören wollen würde, hatte er die feste Absicht, ein langes Gespräch mit ihr zu führen. Das schuldeten sie einander.

Es überraschte ihn nicht, dass sie einen Feiertag – und einen Sonntagabend – gewählt hatte, um herzukommen und zu arbeiten. Sie nahm an, dass sie das Haus für sich hatte. Aber als Mike gar nicht so beiläufig erwähnt hatte, dass sie hier sein würde, hatte Derek plötzlich drei Gedanken gehabt. Erstens: Mike war ein wirklich guter Freund. Zweitens: Warum zum Teufel hatte eine umwerfende Frau wie Lindsey am Valentinsabend nichts vor? Drittens: Gott sei Dank hatte Lindsey am Valentinsabend nichts vor. Die Vorstellung, dass sie mit einem anderen Mann ausging … Derek war noch nicht bereit, darüber nachzudenken.

Vor seinen Schuhen landete eine Schneeflocke und leuchtete im Mondlicht, während er zur Haustür ging. Der Wind hatte in der letzten halben Stunde ganz schön aufgefrischt, und die Fliegengittertür schlug gegen seine Hand, als er den Schlüssel ins Schloss stecken wollte. Bei der geringsten Berührung öffnete sich die Haustür, und er runzelte die Stirn. Wieso schloss Lindsey nicht ab, wenn sie allein arbeitete? Schaute sie sich keine Nachrichten an? Oder Horrorfilme?

Er betrat den Empfangsbereich leise, weil er sie nicht erschrecken wollte, und fragte sich, ob er rufen sollte, doch bevor er sich seinen nächsten Schritt überlegen konnte, hörte er … Gesang.

Ein freudiges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er zuhörte. Lindsey war keine Nachtigall, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie es nicht darauf anlegte, schön zu klingen. Vielleicht schlummerte dahinter eine hübsche Stimme, aber da sang eine Frau, die sich allein wähnte und niemanden beeindrucken wollte. Er erkannte das Lied sofort, und es überraschte ihn ein wenig. Langsam ging er durch den Flur. Sie in der Nähe zu wissen versetzte seinen Körper in eine angenehme Spannung.

Das Erste, was er sah, als er in die Küche spähte, war ihr langer Pferdeschwanz. Es gefiel ihm, wie ihr braunes Haar ihrem Teint und ihren grünbraunen Augen schmeichelte. Jeder Zentimeter von ihr war ihm ins Gedächtnis eingebrannt. Das sprach nicht gerade für seine Exfrau, aber sie war eben nicht wie Lindsey. Keine war das.

Einen Moment lang stand er nur da und betrachtete sie. Das enge T-Shirt, ihren Hintern, der sich in ihrer Jeans bewegte, während sie sich über die Arbeitsfläche beugte, um die Wand auszumessen. Er sollte wegsehen, denn es war nicht hilfreich, sich daran zu erinnern, wie sehr er sie damals gewollt hatte. Wie wunderschön sie nackt aussah. Nachdem er ihr viele Jahre nachgetrauert hatte, war er schließlich zu dem Schluss gelangt, dass es wohl nicht hatte sein sollen. Aber verdammt noch mal, während er dort stand und sie betrachtete, konnte er nicht anders, als sich seine Hände auf ihrem Körper vorzustellen, das Gefühl, sie fest an sich zu drücken.

Derek biss die Zähne zusammen und zwang die unerwünschten Gedanken aus seinem Kopf. Er könnte von Glück reden, wenn Lindsey sein Freundschaftsangebot annehmen würde, an eine Berührung war gar nicht zu denken. Bis jetzt hatte sie ihm deutlich klargemacht, dass sie keinerlei Interesse daran hatte, mit ihm zu sprechen, aber dieses Ausweichen musste aufhören. Sie waren beide erwachsen. Ihre besten Freunde heirateten, also konnten sie ja wohl zumindest lernen, sich im gleichen Raum aufzuhalten.

Die Tatsache, dass er absichtlich mehr Zeit auf einer Baustelle verbrachte als nötig, war der erste Hinweis, dass er sie unbedingt sehen wollte. Leider war sie nie aufgetaucht, obwohl alle ästhetischen Details in ihren Aufgabenbereich fielen. Sie hatten sich ein paar kurz angebundene E-Mails geschickt, in denen es um ihre Entscheidungen zur Position von Steckdosen und Lampen gegangen war, aber das war die einzige Kommunikation gewesen. Das fand er völlig unzureichend. Und es musste heute Abend enden.

Derek biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen, während sie sich alle Mühe gab, Steven Tyler nachzuahmen, und eine weitere Zeile schmetterte. Sobald sie merkte, dass er ihr zusah, würde sie ihn dafür büßen lassen. Aber das ist es wert.

Er lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen, während ihr Summen in dem Raum hallte und in seinem Körper vibrierte. Lächelnd sah er sie etwas auf einen Haftzettel schreiben und ihn dann an die Wand kleben. Offensichtlich hatte sie an ihren kleinen Notizen genauso viel Freude wie er.

Seine Mitarbeiter hatten sich daran gewöhnt, die neongelben Zettel mit den sehr kurzen, sehr herrischen Instruktionen überall im Haus zu sehen. Sie benutzte viele Ausrufezeichen. »NICHT ÜBERMALEN!!!!!!« stand da oder »STECKDOSE HIERHER VERLEGEN!!!!«.

Er legte den Kopf schief und sah zur improvisierten Kochinsel. Sie hatte sich ein komplettes Abendessen mitgebracht. Inklusive Bier. Hm. War sie betrunken? Nein, sie wirkte nicht so. Nur vollkommen ahnungslos, dass sie nicht allein im Haus war. Das gefiel ihm nicht. Überhaupt nicht.

Irgendetwas hatte sich verändert, und er sah auf. Sie kehrte ihm immer noch den Rücken zu, doch sie stand da wie erstarrt. Da bemerkte er, dass ihn ihr Spiegelbild im Fenster über der Spüle anstarrte. Sie hatte ihn entdeckt.

Lindsey fuhr herum und riss sich die Kopfhörer aus den Ohren. »Was machst du denn hier?« Ihre Augen waren schreckgeweitet.

Es gab ein paar Möglichkeiten, die Situation zu gestalten, doch er entschied sich instinktiv für die Strategie, die sie wohl am wenigsten von ihm erwartete. Bevor er sprach, lächelte er. »Die Show genießen.«

Der böse Blick, den sie ihm zuwarf, schreckte ihn nicht ab. Er betrat die Küche. Die improvisierte Kücheninsel befand sich zwischen ihnen, und Lindsey wirkte wie ein ängstliches Tier auf der Suche nach einer Fluchtroute. Dann fasste sie sich plötzlich und verbarg ihre Emotionen. Was ihn aber am meisten irritierte, war die Tatsache, dass sie sich weigerte, ihm in die Augen zu sehen.

Lindsey räusperte sich und legte ihren Stift auf der Sperrholzplatte ab. »Wie lange stehst du schon da?«

Er zuckte mit den Schultern. Ihre Ablehnung ärgerte ihn. Und sie erinnerte ihn auch an ihre Sorglosigkeit. »Lange genug, um zu wissen, dass du jetzt tot sein könntest, wenn ich ein Frauenmörder wäre.«

»Wenn ich dich nach deiner Meinung dazu gefragt hätte, wüsste ich deine Besorgnis zu schätzen. Aber das ist nicht der Fall.«

Derek schnaubte leise. Er musste sich kurz sammeln, damit er nichts sagte, was sie in die Flucht schlagen würde. Er hatte bereits zugelassen, dass die Begegnung schlecht anfing. »Meinetwegen. Ich sage ja nur, dass du nächstes Mal besser die verdammte Tür abschließen solltest.«

»Meinetwegen, du hast es gesagt. Und du kannst sie jetzt gerne auf dem Weg nach draußen für mich abschließen.«

»Linds … bitte.« Die Verzweiflung in seiner Stimme schockierte ihn. Und er war nicht der Einzige. Lindsey ließ die Hände sinken, aber sie drehte sich nicht um. Einen Moment lang waren beide still und warteten darauf, dass der andere den nächsten Schritt machte.

»Ich muss arbeiten, Derek«, sagte sie schließlich.

Beim Klang seines Namens kniff er die Augen zusammen. Es war das erste Mal seit acht Jahren, dass er ihn aus ihrem Mund hörte. Wenn dabei nur nicht so viel Hass mitschwänge.

»Das sehe ich. Du misst den Fliesenspiegel aus?«, fragte er und trat näher.

»Offensichtlich.« Sie hob ihr billiges Metallbandmaß wieder an die Wand. An einer Stelle, wo es einen Knick bekommen hatte, beulte es sich. Derek zog sein Profibandmaß aus der Jackentasche, trat um die Kochinsel herum und legte es neben sie auf die Arbeitsfläche.

»Hier. Du kannst meins nehmen.«

»Nein, danke!« Sie sah nicht mal hin. Wieder lehnte sie sich vor und hielt ihr geknicktes Bandmaß mit beiden Händen an die Wand. Das Ding war eindeutig so billig oder alt, dass die Feststellfunktion nicht funktionierte. Genervt, wie sie war, ließ sie das Ende los, und das Band knickte wieder an der gleichen Stelle ein, bevor es sich in die Hülle zurückzog.

Derek nutzte die Gelegenheit, um sein eigenes Bandmaß näher an sie heranzurücken. »Sei nicht so stur und benutz dieses.«

Schnaubend warf sie das alte Blechgehäuse auf die Arbeitsfläche und nahm stattdessen seines. Das klobige Werkzeug sah in ihren kleinen Händen riesig aus.

»Ziemlich schwer«, sagte sie leise. »Keine Ahnung, ob das so viel besser ist.«

Fast hätte Derek mit den Augen gerollt. Sie war wild entschlossen, ihm zu widersprechen. »Glaub mir einfach, das ist es. Es hat zum Beispiel eine starke Feststellfunktion, also kannst du es auch gut einhändig benutzen. Behalte es! Ich hab in meinem Wagen noch mehr davon.«

»Natürlich. Wie sollte es anders sein!«, sagte sie voller Abscheu.

Unglaublich. »Jetzt wirfst du mir auch noch meine Werkzeugsammlung vor? Im Ernst?«

Er sah zu, wie sie das Werkzeug in ihren Händen drehte, das Gewicht spürte, das Maßband ein paar Zentimeter herauszog, um es sich anzusehen. Er würde alles dafür geben, um zu erfahren, was in ihrem Kopf vorging. Aber mehr als das wünschte er sich, dass sie ihm in die Augen schaute.

»Weißt du … wenn du mich einfach mal ansehen würdest, könnten wir uns richtig unterhalten.« Er bemühte sich, nicht verbittert zu klingen. Seine Verärgerung war das letzte, was sie verdient hatte. Das wusste er, aber ihre Weigerung, auch nur in seine Richtung zu schauen, machte ihn furchtbar sauer.

Als Reaktion spannte sie sich an, drehte aber den Kopf. Sie schaute auf den Boden zwischen ihnen, und er konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, einen Finger unter ihr Kinn zu legen und anzuheben. Wie sehr er ihre Augen vermisste! Das schönste Grünbraun, das er je gesehen hatte. Wie eine Mischung aus Gras, Honig und Schokolade.

Vorsichtig legte sie das Bandmaß ab und griff um die Kante der Arbeitsfläche, als ob sie den Halt bräuchte, um aufrecht stehen zu bleiben. Es tat ihm leid, dass ihr die Situation so unangenehm war. Er sah nur keine andere Möglichkeit mehr, sich dieser Frau zu nähern und ihr Vertrauen zu gewinnen. Aber vielleicht musste er einfach akzeptieren, dass sie das wahrscheinlich nie tun würde.

Wenn sie ihm nur in die Augen schauen und es ihn erklären ließe, würde sie erkennen, wie leid es ihm tat, dass er sie vor acht Jahren hatte gehen lassen. Allein der Gedanke an jene Nacht verursachte ihm Magenschmerzen. Seitdem war nicht ein Tag vergangen, an dem er nicht bereute, wie es zwischen ihnen geendet hatte.

Jahrelang hatte er keinen Kontakt zu ihr gesucht. Definitiv nicht, während er verheiratet gewesen war, denn er hatte sein Ehegelübde ernst genommen, aber auch nicht nach seiner Scheidung, weil er es nicht verdient hatte, Lindsey zu sehen. Aber nachdem das Schicksal sie beide nun wieder zusammengeführt hatte, sah er es als Geschenk an. Eine Chance, sein Fehlverhalten in den Augen dieser Frau wiedergutzumachen oder wenigstens ein Fünkchen Verständnis zu erwirken. Wenn sie ihm wenigstens das gewähren würde.

»Ich hätte nie gedacht, dich wiederzusehen, Linds.« In seiner Stimme schwang zu viel Gefühl und Verlangen mit, und er wusste sofort, dass es ein Fehler gewesen war, den Gedanken laut auszusprechen. Sie schnappte zitternd nach Luft und begann an dem schwarz-roten Bandmaß auf der Arbeitsfläche herumzufummeln.

Verdammt! Er hatte seine Gefühle doch für sich behalten wollen. Der Plan war, nur zu reden, und nicht, sie zu verführen. Daraus würde nichts Gutes entstehen, und er wollte sie auf keinen Fall noch einmal verletzen.

»Ich hatte gehofft, dich niemals wiederzusehen.« Sie klang kühl.

Das tat weh, war aber nicht weiter überraschend. »Kann ich dir nicht verdenken«, sagte er.

»Und warum bist du dann hier?«, stieß sie hervor, ohne den Blick zu heben. »Es gibt keinen Grund, warum wir uns noch kennen sollten. Es ist nur ein dummer Zufall, dass sich unsere Freunde getroffen und ineinander verliebt haben. Du musst aufhören, mir nachzulaufen.«

Okay, jetzt, wo sie es erwähnte, fiel ihm auf, dass er sich diese Überfalltaktik offenbar zur Gewohnheit machte. Voriges Mal hatte er es irgendwie geschafft, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, und zwar in Annes Küche, im Beisein von Lindseys Freundinnen. Das war dumm gewesen, aber ihm war nichts eingefallen, wie er eine Begegnung sonst noch herbeiführen sollte. Damals hatte er gerade erst erfahren, dass sie über Freunde miteinander verbunden waren, und hatte verzweifelt versucht, ein Treffen zu erzwingen, um ihr alles zu erklären, damit sie verstand, wie leid es ihm tat. Um ihr zu sagen, dass er fast jeden Tag an sie denken musste, seit er vor acht Jahren Schluss gemacht hatte.

Und nachts kam sie in seinen Träumen vor.

Das durfte er natürlich nicht erwähnen, aber es würde vielleicht helfen, wenn sie wüsste, was er für sie empfunden hatte. Er hatte sie sehr geliebt, auch wenn er es damals nicht aussprechen konnte. Und er hatte nie aufgehört, etwas für sie zu empfinden. Sie sollte erfahren, dass alles echt gewesen war.

»Als Mike mir den Blog gezeigt hat und ich dein Gesicht gesehen habe …«, begann er mit gepresster Stimme. Jetzt wo sie so nah vor ihm stand, war er nicht sicher, wie er das alles in Worte fassen sollte. »Da hatte ich das Gefühl, nicht mehr atmen zu können.«

Für einen Moment flatterten ihre Augenlider, doch sie drehte sich schnell weg und entfernte sich ein paar Schritte. Sie nahm ihr Bier, trank aber nicht, sondern hielt die Flasche nur fest, als ob sie ihre Hände vom Zittern abhalten müsste. »Ich wünschte, du würdest so etwas nicht sagen.«

»Linds …«

»Nenn mich nicht Linds«, blaffte sie. »Nur meine Freunde nennen mich so. Wir sind keine Freunde.«

Derek spürte, wie sich sein Kiefer verkrampfte, und er bewegte ihn ein wenig, um ihn zu lockern, bevor er antwortete. »Wir waren mal mehr als Freunde.«

»Daran kann ich mich kaum erinnern«, sagte Lindsey. Sie wussten beide, dass diese Behauptung nicht stimmte, besonders angesichts ihrer offensichtlichen Reaktion auf seine Anwesenheit.

»Du bist eine sehr schlechte Lügnerin, Linds.« Er legte den Kopf auf die Seite und flehte sie stumm an aufzusehen. Dann tat sie es.

Er hatte mit Schmerz, sogar mit Hass gerechnet, stattdessen sah er kalten Abscheu in ihren Augen, und das war vernichtend. Jetzt, wo sie seinen Blick endlich erwiderte, hielt sie ihn gnadenlos fest, und sie starrten einander an, während sie sprach.

»Tja, dafür bist du ein sehr guter Lügner, und daran erinnere ich mich. Also sieh es mir bitte nach, dass ich nie wieder mit dir reden will.« Ihre Stimme klang fest, aber er war sich ziemlich sicher, dass der alte Schmerz direkt unter der Oberfläche lag. Dennoch sah sie nicht weg, und sosehr ihn ihre Worte auch verletzten, waren sie doch wahr. Sie hatte keine Ahnung, was für ein guter Lügner er wirklich gewesen war, und er verdiente ihre Wut voll und ganz. Aber als er den Schmerz in ihren Augen aufblitzen sah, konnte er es kaum ertragen.

Absichtlich langsam trat er zu ihr und stellte sich vor sie. Und dann konnte er nicht anders. Sanft legte er seinen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. Es war vielleicht unklug, aber es fühlte sich so verdammt richtig an. Sie schürzte die Lippen, wandte aber den Blick nicht ab. Ihre Pupillen waren erweitert, und ihr Gesichtsausdruck verriet widersprüchliche Emotionen.

»Ich möchte dich nicht aufregen, Lindsey.« Das war die Wahrheit. Also warum zum Teufel legte er sich so ins Zeug? Er wusste es doch besser. Und sie ebenfalls, denn sie wich schnell zurück.

»Dann fass mich nicht an!«

»Tut mir leid. Ich … das ist es, was ich eigentlich sagen will. Dass es mir leidtut.« Sicherheitshalber schob er die Hände in die Hosentaschen. »Ich will doch nur eine Chance, um dir nach all dieser Zeit zu beweisen, dass wir Freunde sein können.«

Lindsey schüttelte den Kopf, erst langsam, dann hektisch. »Nein. Nein, wir können keine Freunde sein. Außerdem kennst du mich überhaupt nicht mehr. Ich bin nicht mehr dieselbe, und du hast dich bestimmt auch verändert. Es ist acht Jahre her, das ist eine lange Zeit.«

»Offenbar nicht lang genug, damit du vergisst, wie sehr du mich hasst.«

Sie lachte bitter auf. »Da hast du recht. Ich bin nicht sicher, ob ich dir jemals vergeben kann, was du getan hast. Es gab keinen Grund, mich so zu verletzen, außer dass du ein egoistisches Arschloch bist. Also nein, wir können keine Freunde sein. Und jetzt hör bitte auf, denn du verschwendest deine Zeit.«

Derek atmete tief durch die Nase ein und dann gleich noch mal. Jeder Moment in der Gegenwart dieser Frau erinnerte ihn daran, wie schmerzhaft es gewesen war, sie gehen zu lassen. Er konnte immer noch den Schock und die Verzweiflung in ihren Augen sehen, als er ihr ins Gesicht log. Als er ihr sagte, er habe einen Fehler gemacht und sie könnten nicht zusammen sein. Weil er noch eine andere liebe. Oh Mann, wenn er daran zurückdachte, wurde er wütend auf sich.

Und wie er sich nach ihr verzehrt hatte, selbst während er auf die Geburt seines ersten Kindes wartete. Sein Leben war ein einziges Durcheinander gewesen, und nicht zuletzt durch seine eigene Schuld. Er war damals jung und dumm gewesen und hatte die Anerkennung von Leuten gesucht, die in seinem Leben eigentlich keine Rolle spielten. Wenn er sich nicht mal selbst verzieh, wie konnte er es dann von ihr erwarten? Sie hatte recht, er war ein Arschloch. Egoistisch? Darüber konnte man streiten. Damals war er überzeugt gewesen, das Richtige zu tun, so wie er es immer tat. Die Stimme in seinem Kopf war die seines Vaters gewesen. Sei kein Versager, sei ein Mann!

Sie hätte ihn zu einem besseren Mann gemacht, aber jetzt war es zu spät, die richtige Wahl zu treffen.

»Du hast recht. Ich habe alles kaputtgemacht, es war meine Schuld, und ich hasse mich dafür. Aber all die Jahre ohne dich waren vergeudete Lebenszeit. Da kann ich wohl ebenso gut noch ein paar weitere damit verschwenden, es bei dir wiedergutzumachen.«

Kurz schaute sie überrascht, aber er konnte sehen, wie sehr sie sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie war immer schon eine starke Persönlichkeit gewesen, aber jetzt war Härte dazugekommen. Dass er dazu beigetragen hatte, setzte ihm zu. Eine Frau – diese Frau – sollte Stärke durch die zuverlässige Unterstützung und Liebe eines Mannes finden. Nicht durch seinen Verrat. Gott, wie sehr er sich wünschte, er hätte dieser Mann für sie sein können.

Derek blickte lange in ihre Augen und suchte nach einem der Gefühle, die sie so angestrengt verbarg. Nach einem, das ihm Hoffnung geben konnte. Doch alles, was er sah, war Hass.

»Gute Nacht, Lindsey«, flüsterte er. Doch anstatt sich umzudrehen und zu gehen, strich er mit den Fingerknöcheln sanft über ihre Wange und schloss die Augen, während er in der Weichheit ihrer Haut schwelgte. Leise schnappte sie nach Luft.

Bevor sie auf die Idee käme, ihm eine Ohrfeige zu verpassen, trat er zurück und verließ die Küche. Während er durch den Flur ging, wurde er wütend und musste sich zurückhalten, um nicht irgendetwas auf den Boden zu werfen und sich abzureagieren. Er war wütend auf sich, weil er sie das erste Mal hatte gehen lassen. Sie war so wunderschön und stark gewesen. Aber er hätte nichts dagegen, wenn sie jetzt lange genug schwach würde, um ihm eine Chance zu geben.

Derek öffnete die Haustür, zog sie hinter sich zu und schloss sie ab. Fluchend ging er zu seinem Wagen, der im Schatten der Scheune wartete.

Sobald er eingestiegen war, startete er den Motor, schaltete die Heizung ein und fuhr dann die Auffahrt entlang. Dabei zwang er sich, das erleuchtete Küchenfenster zu ignorieren. Bevor er auf den Highway auffuhr, hielt er kurz am Straßenrand und atmete tief durch.

Was hatte er denn gedacht, was passieren würde? Er hätte charmant sein sollen. Nett. Vielleicht hätte er ihr ein Valentinsgeschenk mitbringen sollen.

Gott, nein! Das war alles dämlich. Es würde nicht leicht sein, Lindseys Vergebung zu erlangen, und das konnte er ihr nicht verdenken. Er hatte ihr sehr wehgetan. Und dabei selbst gelitten wie ein Hund. Die vergangenen Jahre waren ein einziges Desaster gewesen. Aber bei einer Sache irrte sie sich gewaltig. Er hatte für sein Verhalten einen guten Grund gehabt. Und der war sein Sohn. In dieser Hinsicht hatte er nichts zu bereuen. Tanner war sein Ein und Alles, und auch wenn er der einzigen Frau, die er je geliebt hatte, das Herz brechen musste, war das doch seine einzige Option gewesen. Damals jedenfalls. Und jetzt wollte er alles daransetzen, um ihr das zu erklären. Er wollte, dass sie seine Beweggründe verstand.

2

Lindsey hielt in der Einfahrt des Bauernhauses und stellte leicht überrascht fest, dass bereits einige Wagen dort standen, einschließlich eines vertrauten – und unwillkommenen – schwarzen Pick-ups. Verflixt! Sie hatte dieses Treffen absichtlich besonders früh angesetzt, weil sie gehofft hatte, auf diese Weise eine weitere Begegnung mit Derek zu vermeiden. Es war drei Tage her, seit er ungebeten in ihre ganz private Valentinsparty geplatzt war, und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten gut und gern drei Monate bis zur nächsten Begegnung verstreichen können. Doch offenbar hatte sie nicht so viel Glück.

Lindsey parkte neben einem schmutzigen Transporter und stieg aus. Das Lachen einer Frau schallte durch die kühle Morgenluft und löste bei Lindsey Selbstzweifel aus. Das musste Vanessa sein, die Journalistin, mit der sie sich hier treffen wollte. Und schon durch die Art des Lachens wusste sie, dass Vanessa sich mit Derek unterhielt.

Als sie um den schmutzigen Lieferwagen herumging, sah sie Derek an einer Ecke der Veranda lehnen und eine zierliche Blondine angrinsen. Sie trug eine hautenge Jeans, hohe Stiefel, eine kurze Lederjacke und ein hinreißendes gestricktes Stirnband. Es war so hinreißend, dass sich Lindsey am liebsten übergeben hätte, erst recht als sie an ihr eigenes Outfit dachte, eine schwarze Leggings, abgenutzte Cowboystiefel und einen übergroßen Pullover mit Fledermausärmeln.

Es spielte keine Rolle. Sie war nicht hier, um mit Derek zu flirten, so viel stand fest. Tatsächlich war sie nicht mal hier, um mit ihm zu reden. Lindsey nahm ihr ganzes Selbstvertrauen zusammen, trat zwischen die beiden und lächelte die Frau an.

»Guten Morgen, Sie müssen Vanessa sein.« Lindsey streckte ihr die Hand entgegen,

»Das bin ich«, sagte Vanessa freundlich, während sie ihr die Hand schüttelte. »Lindsey?«

Lindsey nickte und versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass Derek sie ansah. Sie würde ihn nicht beachten. Ihn nicht ansehen. Aber sie spürte seinen Blick bis in ihr Innerstes. So war es immer schon gewesen.

Früher im College während der gemeinsamen Unterrichtsstunden wusste sie genau, dass er jede ihrer Bewegungen verfolgte. Sie liebte sein geheimes Lächeln, wenn sich ihre Blicke trafen. Nachdem sie sich besser kennengelernt hatten, lag in seinem Lächeln plötzlich das Versprechen, sie zu küssen, sobald sie einen verlassenen Flur fanden. Manchmal deutete sein Lächeln auch an, dass er daran dachte, wie er sie am Abend zuvor berührt und die verborgenen Stellen ihres Körpers erforscht hatte. Damals genügte ein sehnsuchtsvoller Blick von Derek, um ihre Knie weich werden zu lassen.

»Derek hat mir gerade alles über Anne und Mike erzählt. Wie sie sich kennengelernt haben und wie Anne hier eine Geburtstagsparty ausgerichtet und sich in das Haus verliebt hat.« Vanessa legte eine Hand an die Brust und schaute schwärmerisch. »Es ist wirklich hinreißend.«

Innerlich begann Lindsey zu kochen. Sie spielte mit dem Gedanken, Derek mit Vanessas dämlichem Stirnband zu erwürgen, weil sie sich nämlich darauf gefreut hatte, die Geschichte von Anne und Mike zu erzählen. Das war ihr Zeitungsartikel. Na ja, ihrer, Annes und Callies. Aber auf keinen Fall Dereks.

Anne schrieb eine wöchentliche Kolumne für den Kansas City Star, und die Zeitung hatte angefragt, ob sie für den Freizeitteil einen vierteiligen Bericht über die Renovierung des alten Bauernhauses machen dürften. Das wäre für sie alle von Vorteil: für den Blog, für Annes Partyservice, Callies Konditorei, aber vor allem für Lindsey, weil ihr Raumausstattungsunternehmen noch nicht so richtig in Fahrt gekommen war. So wenig sogar, dass sie noch auf eine Mitbewohnerin angewiesen war, und sie hatte darauf gezählt, dass der Artikel für neue Aufträge sorgte. Wenn nicht bald etwas passierte, würde sie wieder kellnern müssen.

Lindsey setzte ein Lächeln auf. »Wie nett von ihm. Es ist eine tolle Geschichte. Dann bleibt mir wohl nur noch, Sie durch das Haus zu führen.«

Lindsey wollte gerade die Tür öffnen, als sie hörte, wie Vanessa Derek ansprach. »Schließen Sie sich uns an?«

»Nein.« Lindsey drehte sich hastig um. Dabei wurde ihr klar, dass sie vielleicht ein wenig zu heftig reagierte. »Ich bin sicher, dass er viel zu viel zu tun hat. Und es ist einfacher, die Tour zu zweit zu machen.«

Zum ersten Mal an diesem Morgen sah Lindsey ihn richtig an. Das war ein schwerer Fehler. Alles an ihm verströmte Testosteron, von seinem verschossenen grauen T-Shirt über das dicke Flanellhemd bis zu den abgetragenen Jeans. Die Hemdsärmel waren bis zu den Ellbogen hochgekrempelt und entblößten muskulöse, mit feinen dunklen Härchen bedeckte Unterarme. Und weil er ein absoluter Mistkerl war, hatte er einen Werkzeuggürtel umgeschnallt, den sie auf keinen Fall noch mal ansehen durfte. Es war einfach zu viel.

Als sie ihm in die Augen blickte, wurde ihr klar, dass er ihre kleine Bestandsaufnahme genau bemerkt hatte. Er musterte sie, und sein Mund war leicht gekräuselt, wie um zu sagen: Ich hab dich erwischt.

Vor drei Tagen hatte sie sich standhaft geweigert, ihn anzusehen. Aus reinem Überlebenswillen. Er war einfach viel zu attraktiv, und in seinen Augen lagen wieder Versprechungen. Was für welche, wusste sie allerdings nicht. Er wollte, dass sie ihn anblickte, das spürte sie genau. Doch was immer Derek von ihr wollte, sie war sich nicht sicher, ob sie damit umgehen könnte.

Nach einem Moment der unangenehmen Stille stieß sich Derek vom Verandageländer ab und drehte sich schmunzelnd zu Vanessa um. Lindsey hätte am liebsten geschrien. »Lindsey hat recht. Es soll heute Abend heftig schneien, deshalb muss ich den Jungs helfen, ein paar Dinge fertigzubekommen. Es war mir ein Vergnügen, Vanessa.«

Lindsey wartete nicht ab, was Vanessa dazu sagte. Sie wollte das keine Sekunde länger mit ansehen, denn schon die bisherige Interaktion zwischen den beiden hatte ihren Blutdruck in die Höhe getrieben. Wie lange hatte er vor ihrer Ankunft mit Vanessa geflirtet? Hatten sie Nummern ausgetauscht? Sich verabredet? Hatte Derek ihr Komplimente gemacht? Passierte all das jetzt, nachdem sie davongestürmt war? Lindsey gingen hundert Szenarien durch den Kopf, und eines machte sie wütender als das andere.

Als sie im Hausflur stand, atmete sie tief durch. Wenn sie diesem Mann immer wieder begegnete, würde sie ihre Reaktionen in den Griff bekommen müssen. Es würde nicht funktionieren, wenn sie ständig eifersüchtig und wütend wirkte. So wollte sie gar nicht sein – und vor allem wollte sie ihm diese Befriedigung nicht verschaffen.

Bald würden sie beide zu einer Hochzeit gehen. Vielleicht kam er in Begleitung. Möglicherweise bat er Vanessa gerade, ihn zu begleiten. In dem Moment wurde Lindsey klar, dass sie sich daran gewöhnen musste, Derek zu sehen, und sie würde sich ebenfalls daran gewöhnen müssen, ihn mit anderen Frauen flirten zu sehen. Denn das tat er immer. Lindsey wünschte, es würde ihr nicht so viel ausmachen. Und warum tat es das überhaupt? Sie wollte nichts mit dem Mann zu tun haben, also konnte es ihr doch egal sein, ob er sich mit Vanessa verabredete.

»Wow!« Beim Klang von Vanessas Absätzen auf dem Parkett fuhr Lindsey aus ihren Gedanken hoch. »Dieser Mr Walsh sieht ja unverschämt gut aus. Haben Sie gesehen, wie ihm der Werkzeuggürtel an der Hüfte hängt?«

Lindsey, die immer noch mit dem Rücken zu Vanessa stand, verdrehte die Augen. »Ach du je. Ist mir gar nicht aufgefallen.«

»Sie müssen diesen Mann schleunigst aus seinem Elend erlösen. Ich wünschte, ich könnte das für Sie erledigen.«

Lindsey drehte sich langsam um und versuchte, nicht zu überrascht zu wirken. »Elend? Was meinen Sie?«

Vanessa grinste. »Oh bitte! Er ist vollkommen in Sie vernarrt. Zuerst dachte ich, er schwärmt so davon, wie talentiert Sie sind, weil er sich für Ihren großen Bruder hält. Aber sobald Sie in der Einfahrt hielten, hat er nur noch auf Sie geachtet. Und wie er Sie angesehen hat, als Sie näher kamen, das war eindeutig.«

Lindsey schnappte zitternd nach Luft und schüttelte den Kopf. Vanessa und sie hatten sich ein paar geschäftliche E-Mails geschrieben, mehr nicht. Sie kannten sich nicht gut. Sie waren keine Freunde. Aber plötzlich hatte Lindsey ein tiefes Verlangen danach, sie nach weiteren Details auszuquetschen, als ob sie in der Mädchentoilette der Highschool stünden.

Aber trotzdem, was für ein Arsch! Was fiel ihm ein, überhaupt Interesse an ihr zu zeigen? »Vielleicht kam es Ihnen so vor, aber zwischen uns ist nichts. Ehrlich, wir kommen nicht mal besonders gut miteinander aus.«

»Das ist nur sexuelle Spannung. Sie müssen sie aus der Welt schaffen. Unbedingt.« Vanessa lachte. »Aber genug davon. Das geht mich ja alles nichts an. Schauen wir uns das Haus an.«

»Ja«, sagte Lindsey. Widerwillig gestand sie sich ein, dass sie von Vanessas Bemerkungen Herzklopfen bekommen hatte. Dereks Aufmerksamkeit war das Letzte, was sie wollte. Das hatte sie alles schon hinter sich. Ihre körperliche Reaktion konnte nur eine motorische Erinnerung sein. Sie musste ihrem Körper zeigen, wer der Boss war.

Vanessa legte ihre Handtasche neben der Haustür ab und betrachtete den zweigeschossigen Flur. »Das ist hinreißend. Ich habe mir heute Morgen noch mal die Vorher-Fotos angesehen, die Matt im Dezember gemacht hat. Es ist erstaunlich, was Sie zuwege gebracht haben. Es ist Ihnen gelungen, das ursprüngliche Aussehen beizubehalten und wieder zum Strahlen zu bringen.«

Lindsey freute sich über das Kompliment, und ihre Anspannung der letzten zehn Minuten verflog. »Genau das war mein Ziel. Ich liebe alte Häuser. Ihren Charme, ihre Eigenarten, ihre Seele. Es macht mir Spaß, das perfekte Gleichgewicht zwischen Neu und Alt zu finden.«

Vanessa nickte und hob ihr Handy. »Übrigens nehme ich unser Gespräch auf. Bitte reden Sie weiter. Mir gefällt, was Sie erzählen.«

»Oh, okay«, sagte Lindsey. Das machte sie ein wenig nervös, aber sie wusste, dass es für den Artikel notwendig war.

Vanessa ging weiter und strich mit einer Hand über die Wandvertäfelung. »Einfach bezaubernd. Welche Farbe bekommen die Böden?«

Der kleine Anstoß genügte, und Lindsey erzählte jedes kleinste Detail ihrer Planung. Sie führte Vanessa durch das Wohnzimmer, die Küche und das gesamte obere Stockwerk. Dabei schilderte sie detailliert ihre Pläne für die Hängeschränke in der Küche, die Kochinsel und die Kamineinfassung, die sie aus Altholz zu bauen gedachte. Sie beantwortete Fragen über Anne und Mike, und ihr wurde klar, dass Derek ihre Geschichte wirklich nur gestreift hatte. So konnte Lindsey von Mikes Heiratsantrag erzählen, von Annes Blog und ihrem Konzept, das ganze Grundstück für ihren Partyservice zu nutzen.

Als sie wieder in der Küche standen, schaute Vanessa durch ein Fenster auf das gerade brachliegende Weizenfeld.

»Es ist so wunderschön hier. Das ganze Anwesen hat eine sehr romantische Atmosphäre. Ich freue mich schon darauf, den Gestaltungsprozess mit den Artikeln zu begleiten.«

»Wir sind ebenfalls sehr aufgeregt«, sagte Lindsey. »Genau wie unsere Leser. Viele Einrichtungsentscheidungen haben wir von ihnen abhängig gemacht. Wir haben sie über den Feinschliff abstimmen lassen, wie zum Beispiel die Farbe der Dachziegel.«

»Also, ich denke, das wird für die Zeitung wirklich eine beliebte Reihe. Die Geschichte gibt so viele tolle Aspekte her. Das Haus, die Hochzeit, die Beziehungen. Und es überschneidet sich alles mit Annes Kolumnen, in denen sie davon erzählt, wie das alles zur Hochzeit passt. Die Leute lieben sie und ihren Blog. Ich kann es kaum erwarten.«

Lindsey lächelte aufgeregt, weil das Projekt für sie alle so viel Potenzial barg.

»Matt schaut heute Nachmittag bei Anne vorbei, um sie mit Mike zusammen zu fotografieren. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich ihn danach noch hier vorbeischicke, damit er ein paar Bilder vom Haus macht? Die Leser sind erpicht darauf, die Entwicklung in jedem Stadium zu sehen.«

»Großartig. Und natürlich kann er vorbeikommen. Ich bin sicher, dass die Jungs noch da sein werden und die Haustür unverschlossen ist.«

Lindsey und Vanessa plauderten noch ein paar Minuten auf der Veranda, bis die Journalistin schließlich in ihr Auto stieg und davonfuhr. Lindsey, die mit der Hausbesichtigung und Vanessas Plänen für die Artikelreihe sehr zufrieden war, ging zu ihrem eigenen Wagen zurück.

Sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie sah, dass Derek dort auf sie wartete. Er lehnte an der Fahrertür und tippte eine Nachricht auf seinem Handy. Als er ihre Schritte auf dem Schotter hörte, richtete er sich auf und drehte sich zu ihr um. Und da war es wieder, dieses motorische Gedächtnis: Jede Faser ihres Körpers schien sich nervös anzuspannen. Ihr Körper war ein Verräter.

»Hey«, sagte er und schob sein Handy in die Tasche.

»Ich muss los.« Lindsey griff um ihn herum nach der Tür ihres Geländewagens.

»Warte kurz, Linds!« Er griff nach ihrem Arm, aber sie zog ihn zurück und blickte Derek an.

»Welchen Teil von ›Lass mich in Ruhe!‹ hast du nicht verstanden?«

Er grinste. »Glaub mir, ich habe die Botschaft laut und klar vernommen. Wie ist es gelaufen?« Er verschränkte die Arme vor der Brust, was seinen Bizeps zur Geltung brachte. Sie weigerte sich, ihn zu beachten. Stattdessen seufzte sie dramatisch und verschränkte ebenfalls die Arme.

»Prima. Warum?«

Er seufzte ebenfalls und sah ihr in die Augen. »Na ja, vielleicht weil es auch mein Projekt ist und es mich interessiert, wie es in der Lokalpresse präsentiert wird.«

»Tja, es war wohl nicht schwer für dich, Vanessa zu bezirzen, also brauchst du dir wohl keine Sorgen zu machen.« Einen Moment lang standen sie in gleicher Pose voreinander und starrten sich an. Dann hoben sich langsam Dereks Mundwinkel, bis er sich sichtlich zurückhielt, um nicht breit zu grinsen. Er räusperte sich, bevor er sprach.

»Ich habe Vanessa also bezirzt, ja? Tut mir leid, ist mir gar nicht aufgefallen.« Derek schmunzelte. Lindseys Blick wurde feindselig. Sie konnte nicht anders. Wie konnte er nur so herumwitzeln, wenn sie eindeutig wütend war? »Meine Güte, das war doch nur ein Scherz. Mach dich mal locker!«

»Das werde ich. Sobald du mir aus dem Weg gegangen bist.«

Derek rückte näher an den Türgriff, um sie am Einsteigen zu hindern. Jetzt konnte sie ihn nur noch beiseitestoßen, was ihr körperlich jedoch nicht möglich war. Bevor sie darauf bestehen konnte, dass er sich wegbewegte, wurde sein Blick ganz warm und ernst.

»Tut mir leid wegen neulich.«

Sie sah zu ihm auf, blieb aber still. In Wahrheit wusste sie nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie war wegen so vieler Dinge immer noch wütend auf ihn. Was Derek anging, war sie innerlich so durcheinander, dass sie sich nicht mehr sicher war, was sie fühlte. Auf jeden Fall eine Menge Wut und Traurigkeit. Aber auch ein wenig Neugier. Und vielleicht einen Hauch von Lust. Gerade genug, damit sie auf sich selbst wütend war. Schließlich zuckte sie zur Antwort nur kurz mit den Schultern.

»Ich hätte dich nicht so überfallen sollen.« Derek strich sich mit einer Hand über den Nacken. »Ich … ich wollte einfach nur eine Gelegenheit, mit dir zu sprechen. Ohne Wut oder Groll zwischen uns.«

»Tja, nur damit du es weißt, es geht nicht immer nur um dich und das, was du willst. Du wirst warten müssen, bis ich so weit bin.«

Er kniff ein wenig die Augen zusammen. Nachdenklich, als hätte er die Möglichkeit, dass sie grundsätzlich bereit war, sich eines Tages mit ihm zu versöhnen, gar nicht in Betracht gezogen. Schließlich nickte er und trat von ihrem Auto weg. Lindsey öffnete die Tür und holte ihre Schlüssel heraus.

Der Kies knirschte unter Dereks Stiefeln, als er davonging, und Lindseys Herz begann wild zu schlagen. Jedes Mal, wenn sie sich trennten, verspürte sie einen Anflug von Panik. Ziemlich dumm, da sie ihn ja ständig aufforderte zu verschwinden. Sie drehte sich um und wollte ihn plötzlich unbedingt aufhalten. Ihn ein letztes Mal ansehen.

»Derek.«

Sofort drehte er sich um und machte einen Schritt auf sie zu. Nur einen. Sein Blick war wachsam. Sanft. Viel zu anziehend und hoffnungsvoll. Warum musste er immer wieder drängen?

»Dir sollte aber auch klar sein, dass ich vielleicht niemals so weit sein werde.«

Seine Mundwinkel hoben sich, bevor er leise erwiderte: »Dann habe ich wohl alle Hände voll zu tun, oder?«

Damit ließ er sie allein.