Manhattan Love Dreams - Nathalie C. Kutscher - E-Book

Manhattan Love Dreams E-Book

Nathalie C. Kutscher

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Beschreibung

Pat und Charlotte gelten seit der High School als das perfekte Paar, und als sie verheiratet sind, wagen sie den großen Schritt. In New York wollen sie ihre Karriere starten und sich ihrer Kunst widmen: Er malt, sie ist Autorin. Von Anfang an fühlt sich Charly im Big Apple nicht wohl, hinzu kommt, dass Pats kometenhafter Aufstieg in der Kunstszene einen Keil zwischen die beiden treibt. Erfolglos und einsam muss sie zusehen, wie sich Pat mehr und mehr von ihr abwendet. Ihr einziger Lichtblick ist Alexander, der Ehemann von Pats Agentin Nicole.  Es steht viel auf dem Spiel und Charly muss sich entscheiden …

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Nathalie C. Kutscher

Manhattan Love Dreams

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Manhatten Love Dreams

Pat und Charlotte gelten seit der High School als das perfekte Paar und als sie verheiratet sind, wagen sie den großen Schritt. In New York wollen sie ihre Karriere starten und sich ihrer Kunst widmen: Er malt, sie ist Autorin. Von Anfang an fühlt sich Charly im Big Apple nicht wohl, hinzu kommt, dass Pats kometenhafter Aufstieg in der Kunstszene einen Keil zwischen die beiden treibt. Erfolglos und einsam muss sie zusehen, wie sich Pat mehr und mehr von ihr abwendet. Ihr einziger Lichtblick ist Alexander, der Ehemann von Pats Agentin Nicole. 

Es steht viel auf dem Spiel und Charly muss sich entscheiden …

 

Manhattan Love Dreams

Nathalie C. Kutscher

 

Copyright: © Nathalie C. Kutscher– publiziert von

telegonos-publishing 1. Auflage

Cover: © Kutscher-Design unter Verwendung einer Vorlage von Pixabay

www.telegonos.de (Haftungsausschluss und Verlagsadresse auf der website)

 

Kontakt zur Autorin:

http://www.telegonos.de/aboutNathalieKutscher.htm

https://nathaliekutscher.jimdo.com/

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Es ist etwas Schönes,

sein eigenes Bild im liebenden Auge zu erblicken!

Johann Wolfgang von Goethe

 

 

 

Kapitel 1

 

Schweigend starrte ich auf den Rücken meines Noch-Ehemannes und sah zu, wie er seine Sachen packte. Das war es also. Zehn Jahre Ehe einfach vorbei. Ich forschte in meinem Inneren, ob ich irgendein Gefühl verspürte. Trauer? Wut? Verlust? Nichts dergleichen. Es war Schuld. Tiefe, generationenüberschattende Schuld! Ich war schuld daran, dass unsere Beziehung in die Brüche ging. Das alles, woran ich die letzten Jahre geglaubt und er sich geborgen gefühlt hatte, war aus und vorbei. Wie ein Komet, der auf die Erde zuschießt und in der Atmosphäre verglüht. Genau an dem Tag, als ich ihm gestand, einen anderen zu lieben. Den Ehemann seiner Agentin, deren Ehe ich auch wie eine Horde einfallender Barbaren zerstört hatte.

Ich seufzte kaum hörbar, doch Pat hat es trotzdem mitbekommen.

„Geht es dir gut?“, fragte er mich anlächelnd.

Er lächelte! Warum war er nicht wütend auf mich? Das war er fast nie und das wiederum, machte mich wütend. Ich fühlte mich wie ein Miststück. Pat war immer gut zu mir gewesen, aber die Zeit war es nicht. New York hatte aus uns andere Menschen gemacht. Wir waren hineingeschlittert in eine Welt aus Geld und Karriere. Dabei fing alles so schön an. Wir verfolgten einen gemeinsamen Traum. Schon als Teenager wollten wir irgendwann in Manhattan leben. Damals, als wir – Zahnspangen tragend - in meinem Zimmer saßen und schreckliche Musik aus den Neunzigern hörten.

„Ja, mir geht es gut“, antwortete ich jetzt. „Kann ich dir noch irgendwie helfen?“

Pat stemmte Luft ausstoßend die Hände in die Hüften.

„Nein, ich glaube nicht. Die Möbelpacker müssten auch gleich hier sein. Die erledigen den Rest.“

Ich nickte. Wenn die Männer von der Umzugsfirma fertig waren, blieb nicht mehr viel in der Wohnung übrig. Mir war das egal, ich fand die Einrichtung schon immer furchtbar. Während ich, ein Mädchen vom Land, rustikale, gemütliche Möbel gemocht hatte, veränderte Pat seinen Geschmack zusehends. New York hatte ihn verändert! Die Wohnung glich einem Yuppietempel. Voller Chrom und Glas, mit Gemälden an den Wänden, die zwar von Pat stammten, aber nichts mehr mit seiner Malerei von früher zu tun hatten. Damals malte er fröhliche Bilder, immer schon abstrakt, aber es war noch etwas darauf erkennen. Jetzt sind sie düster, mit harten Pinselstrichen und nur ein Bekloppter hätte noch sagen können, was er darauf sieht. Und Nicole – Pats Agentin. Sie nennt es tiefgreifend. Emotional. Voller innerer Stärke. Männlich. Es hatte mich stets amüsiert, wenn sie während einer Vernissage irgendwelchen Kunstkennern, mit diesen Worten die Bilder meines Mannes anpries. Ich mochte Pats Kunst – damals. Heute weiß ich nicht mehr viel damit anzufangen. Ich hatte mich gefügt, was normalerweise nicht meine Art ist. Pat meinte einst, wir seien jetzt Großstadtmenschen, verdienten gutes Geld, hatten Freunde, die ebenfalls Geld besaßen und sollten uns anpassen. Diese Freunde waren eigentlich nur Pats Künstlerkollegen oder Agenten. Maler, Fotografen, Journalisten. Alle rissen sich um meinen Mann, der als der aufsteigende Stern in New York galt. Das verdankte er vor allem Nicole, die ihn puschte. Mich hingegen kannte damals niemand. Ich war nur die Ehefrau von Pat. Fragte mich jemand nach meinem Beruf, antwortete ich wahrheitsgetreu:

„Ich bin Autorin.“

Ob man denn schon etwas von mir gelesen hätte? Bei welchem Verlag ich denn wäre? Mir blieb dann nichts anderes übrig als zu gestehen, dass ich zwar etwas veröffentlicht hatte, dass Buch aber floppte. Ich hätte aber die Idee, von dem neuen, amerikanischen Roman, der nur darauf wartete, endlich geschrieben zu werden.  Mit solchen Aussagen war ich schnell wieder uninteressant und nur die Ehefrau von Pat. Fünf Jahre ging das so. Fünf Jahre, in denen ich versuchte, meinen Frieden mit dieser Stadt und seiner Karriere zu machen, ohne dabei selbst vorwärtszukommen. Fünf Jahre, in denen ich mit Schreibblockaden gestraft wurde und mich darum kümmerte, dass Pat seinen Traum leben konnte. Er besaß von uns das größere Talent. Man riss sich um ihn, jeder wollte Pat McKenzie in seiner Nähe wissen. Und alle bekamen einen Teil von ihm, ich jedoch sah meinen Mann kaum noch. Wenn wir gemeinsam auf irgendwelchen Partys eingeladen waren, stand ich meist abseits und beobachtete aus der Ferne, wie sich eine Menschentraube um Pat und Nicole versammelte. Wie ein Korb voller Früchte und mein Mann war der goldene Apfel mittendrin.

Nicole! Sie wurde der Stachel in meinem Fleisch, obwohl Pat mir nie einen Grund zur Eifersucht gab. Ich wusste damals, er würde mich nie betrügen und schon gar nicht mit Nicole, dennoch drängte sie sich nach und nach in unsere Ehe. Sie teilte mir mit, welche Termine Pat hatte, auf welche Partys oder Vernissagen er eingeladen war. Ich hatte mich gefügt. Was war mir auch anderes übrig geblieben? Wir lebten unser Leben auf der Überholspur, ständig in Bewegung. Wir waren Künstler, doch Patrick McKenzie war nicht mehr einfach nur ein Maler, er wurde zum Popstar. Er war der Pfau, der im bunten Gefieder alle Blicke auf sich zog. Ich hingegen stand im schäbigen Braun in seinem Schatten.

 

  „Wann ziehst du um?“, fragte Pat.

„Schon am Wochenende. Ich hoffe, du kommst zur Einweihungsparty.“

„Sicher. Ich muss das nur …“

„Mit Nicole abklären“, beendete ich seinen Satz und verdrehte reflexartig die Augen.

„Was soll das, Charly?“

„Schon gut, es tut mir leid.“ Entschuldigend hob ich die Hände.

„Einen letzten Kaffee?“, fragte er und ging in die Küche, ohne meine Antwort abzuwarten. Er kennt mich genau, weiß um meine Kaffeeleidenschaft und dass ich meine Mutter für eine Tasse Kaffee verkauft hätte.

Vielleicht war das der Grund gewesen. Vermutlich kannten wir uns einfach zu gut. In unserer Ehe gab es keine Überraschungen mehr, wir waren ein eingespieltes Team.

Seit der Highschool waren wir ein Paar. Niemand hatte je daran gezweifelt, dass wir eines Tages heirateten. Das taten wir, sobald wir den Collegeabschluss in der Tasche hatten. Ganz alleine, in einer kleinen Kapelle in Maryland. Es war der schönste Tag meines Lebens und ich hätte nie gedacht, dass sich an unserer Liebe jemals etwas ändern würde. Ich liebe Pat auch heute noch – auf eine andere Art. Er ist mein bester Freund, das war er schon immer. Ich liebe ihn dafür, dass er mir nichts nachträgt, mir keine Vorwürfe macht. Wahrscheinlich hatte er es schon länger kommen sehen. Vielleicht hatte er sich von Zeit zu Zeit genauso eingesperrt gefühlt, wie ich.

„Ich werde dir meine neue Adresse aufs Mobiltelefon schicken“, sagte ich, als ich neben ihm an unserer Küchentheke saß. Flink tippte ich auf dem Handy herum und sein Telefon vibrierte fast augenblicklich.

„Warum hast du sie nicht einfach auf einen Zettel geschrieben?“

„Weil du immer alles verbummelst.“ Ich verstrubbelte sein gelocktes Haar. „Spätestens dann, wenn du vergisst, den Zettel aus der Hose zu nehmen, und Nicole sie wäscht.“ Ich stockte und legte den Kopf schief. „Wäscht Nicole überhaupt deine Hosen oder ist das nicht New York Style?“

„Sie bringt die Sachen in die Reinigung.“ Pat sah mich finster an.

„Natürlich.“ Ich streckte ihm die Zunge heraus.

Nicole kochte nicht, wusch keine Wäsche, putzte ihr sündhaft teures Upper East Side Apartment nicht und geht nicht einmal selbst mit ihrem rattengroßen Hund spazieren. Wenn ich an die arrogante Freundin meines Noch-Ehemannes dachte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Sicher, sie ist hübsch. Wahrscheinlich kein Gottes Geschenk, sondern eher das Werk eines begabten Chirurgen, aber durchaus ansehnlich. Alles an ihr ist perfekt. Von der Frisur bis zu den makellosen Füßen. Ich muss gestehen, ich habe bei noch keinem anderen Menschen solche schönen Füße gesehen. Ich hätte ein ganzes Buch darüber schreiben können: Die Füße der Nicole B.

Ich kicherte und Pat sah mich amüsiert an.

„Kopfkino?“, fragte er schlicht. Er kannte mich. Ein Autor lebt von der Welt in seinem Kopf und den Dingen, die sich darin abspielen, auch wenn der Rest der Menschheit dies nicht nachvollziehen kann. Pat kannte diese Angewohnheit von mir.

Ich dachte nicht weiter an Nicole, sondern schlürfte meinen Kaffee. Die Steingutbecher gehörten mir. Ich erstand sie auf dem Flohmarkt, entsetzt darüber, wie jemand solche Kunstwerke für ein paar Dollar verscherbelte. Pat nannte sie Kitsch. Das sind sie vielleicht auch, aber die bunte Lasur, mit der die Becher bemalt sind, hoben morgens augenblicklich meine Stimmung. Sie passten so gar nicht in die verchromte Küche, mit schwarzen Lacktüren und Hightech – Schnickschnack. Mit dem Induktionsherd konnte ich mich nie anfreunden. Ja, man könnte sogar sagen, ich verabscheute dieses Ding. Er hatte schon so einige Fußtritte von mir einstecken müssen, weil er nie das machte, was ich wollte. Wie vermisste ich den alten Gasherd meiner Mutter. Aufdrehen, Feuer dranhalten, fertig. Für unseren neumodischen Herd reichte mein Collegeabschluss bei weitem nicht aus. Wir besaßen auch einen extra Kühlschrank für Wein. Den Sinn davon verstehe ich bis heute nicht. Meine Eltern lagerten ihren Wein  im Keller, aber in einer New Yorker Stadtwohnung besitzt man keinen anständigen Keller. Nur Verschläge, in denen es Ratten gibt. Dort konnte Pat seine Weine nicht lagern. Ja, richtig. Es waren Pats Weine. Früher tranken wir zünftiges Bier und ich habe mit dieser Tradition nicht gebrochen. Aber je mehr Pat New York wurde, desto mehr veränderten sich seine Gewohnheiten. Ich habe nichts gegen einen schönen, trockenen Rotwein, aber brauchten wir dafür direkt einen eigenen Kühlschrank? In meinem neuen Haus gab es so einen unnötigen Kram nicht mehr. Über ein bekanntes Internetverkaufsportal erstand ich einen originalen fünfziger Jahre Kühlschrank, wie ihn meine Großeltern besaßen. Das bauchige Goldstück befand sich nicht im besten Zustand, aber ich hatte einen Autolackierer ausfindig gemacht, der mir den Kühlschrank neu lackierte. Feuerrot. Das schöne Teil sollte der Eycatcher meiner, gemütlichen Küche werden.

Das Haus, welches etwas außerhalb von Jersey liegt, kaufte ich vom Erlös meines letzten Buches. Ich hatte es auf einer Fahrt aufs Land gesehen und mich sofort verliebt. Das lag ein halbes Jahr zurück und es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Ich hatte mir so gewünscht, Pat und ich würden in diesem heruntergekommenen Häuschen, mit der verwitterten Veranda leben, statt in unserer Manhattaner Stadtwohnung.

Ich sah meinen Mann über den Rand des Bechers hinweg an. Es fühlte sich alles so normal an. Pat und ich saßen gemeinsam in der Küche, tranken Kaffee und scherzten miteinander. Erneut fragte ich mich, wieso wir uns so entfremdet hatten? Bevor ich einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, schellte es an der Türe. Ich zuckte zusammen. Jetzt war es endgültig! Mit Pats hässlichen Möbeln, verschwand auch ein Teil von ihm und plötzlich spürte ich, wie Unbehagen in mir aufstieg.

„Dann wollen wir mal“, sagte er, sich vom Hocker schwingend.

„Ja, dann wollen wir mal“, wiederholte ich leise und blinzelte eine Träne fort.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

Zehn Jahre zuvor

 

Das Radio spielte Country Roads von John Denver, welches ich lauthals und in einer völlig falschen Tonlage mitschmetterte. Pat saß am Steuer unseres deutschen VW Käfers und schüttelte lachend den Kopf.

„Ich liebe dich, Charly, aber bitte hör auf zu singen.“

Ich grinste ihn an. Singen gehörte nicht zu meinen Stärken, dennoch tat ich es liebend gern, und zwar laut. Sehr laut und immer falsch. Wir befanden auf dem Weg nach New York. In unsere Zukunft. Den Wagen hatte Pat einem Studenten auf dem College abgekauft und ihn liebevoll restauriert. Quietschgelb leuchtete der Käfer in der Sonne, als wolle er mit ihr konkurrieren, während wir auf dem Highway fuhren und Maryland verließen. Verliebt kraulte ich Pats Nacken. Wir waren seit einem halben Jahr verheiratet und ich konnte es immer noch kaum glauben. Er war meine große Liebe. Wir lernten uns auf der High School kennen und verstanden uns auf Anhieb. Womöglich lag es daran, dass wir beide empfindsame Künstlerseelen besaßen. Pat war keine Sportskanone, begeisterte sich nicht für Football und dergleichen. Kurz gesagt, er gehörte nicht zu den coolen Jungs. Ebenso wie ich nicht zu den coolen Mädchen zählte. Ich wuchs auf einer Farm auf und verbrachte meine Freizeit lieber in der Natur oder mit einem Buch, als in der Shoppingmall den neusten Trends hinterherzujagen. Ich schrieb für die Schülerzeitung und dort lernte ich Pat kennen, der für die Zeitung Comics zeichnete. Als Erstes fielen mir seine großen, braunen Augen auf, die mich an eine Portion Haselnüsse erinnerten, welche meine Mutter für ihre berühmten Haselnussbrownies verwendete. Ich mochte seine Ernsthaftigkeit, seinen tiefgründigen Sinn für Humor. Pat war schon immer reifer als andere Jungs in seinem Alter. Wir konnten uns über alles unterhalten und es dauerte nicht lange, da verliebten wir uns. Es verging kaum eine Minute, in der wir nicht zusammen waren. Wir brauchten keine anderen Menschen, wir hatten uns. Es bedurfte oft keiner Worte, denn wir verstanden uns auch so. Wie genoss ich die Tage, an denen wir gemeinsam am Ufer des Sees saßen, der hinter unserer Farm lag. Pat zeichnete und ich schrieb. Still und in völliger Harmonie. Wir schufen unsere eigene kleine Welt. Ich hätte nie gedacht, dass sich daran etwas änderte. Und mir wäre auch nie der Gedanke gekommen, unsere Beziehung als langweilig zu betrachten. Sie war solide, auf Fels gebaut. Es gab keine Höhen und Tiefen, keinerlei Überraschungen. Pat und ich kannten uns in-und auswendig. Genau das, gab mir Sicherheit. Ich hätte es nie anders gewollt. Wir kamen beide aus intakten Familien, eine Seltenheit in der heutigen Zeit. Unserer beider Eltern hatten sich bereits auf der High School kennengelernt, waren nie aus Maryland herausgekommen. Die Familie war das größte Gut und das Pat und ich jetzt nach New York zogen, war ein weltbewegendes Ereignis in unserer Heimatstadt, und würde sicher noch lange für Gesprächsstoff sorgen.

 

„Ich bin so aufgeregt“, sagte ich, während ich das Fenster hinunterkurbelte und den Fahrtwind auf meinem Gesicht genoss. „Unsere erste gemeinsame Wohnung. Das wird einfach nur super.“

„Na ja, Wohnung ist relativ“, antwortete Pat. „Es ist ein Anfang und da sie möbliert ist, sparen wir Geld.“

Pat hatte sich im Vorfeld um eine Bleibe in New York gekümmert, als er sich wegen eines Vorstellungsgespräches in der Stadt aufhielt. Für mich war es das erste Mal, dass ich Großstadtluft schnuppern würde und ich war so nervös, dass ich alle halbe Stunde zum Klo musste. Bisher hatten wir bei meinen Eltern gewohnt und ich fand das Leben gar nicht übel. Aber mir war klar, dass Pat mit seiner Kunst in Maryland versauern würde und ich wollte ihn in allen Belangen unterstützen. Selbst wenn das neue Apartment nur eine Absteige war, ich würde es lieben, weil es uns gehörte. Ich könnte an meinem Roman schreiben, während Pat seine Bilder malte und berühmt wurde. Für mich gab es keinen Zweifel, dass wir es schafften. Seit ich Pat kannte, redete er davon, eines Tages nach Manhattan zu ziehen und in die Fußstapfen berühmter Maler zu treten. Ich würde für einen großen Verlag schreiben und Bestsellerautorin werden. Ja, so sah unsere Vorstellung von der Zukunft aus. Rosarot, voller Geigen leuchtete sie vor unseren Augen. Schließlich hatten es schon ganz andere geschafft, in New York reich zu werden. Wir waren zweiundzwanzig und lebten in einer Traumblase.

 

Ich war eingenickt, doch Pat weckte mich, als die Skyline in Sichtweite kam.

„Wach auf, Schlafmütze. So einen Anblick bekommt man nicht alle Tage.“

Blinzelnd setzte ich meine Sonnenbrille auf. Es war früher Nachmittag und die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Pat hielt am Straßenrand an und ich stieg aus. Wow! Schon von weitem sah New York fantastisch aus. Pat trat neben mich, seine Arme um meinen Körper schlingend.

„Denkst du, wir werden uns dort wohlfühlen?“, fragte ich leise.

Ich war den Anblick grüner Wiesen und Felder gewöhnt. Wenn ich aus dem Zimmerfenster meines Elternhauses schaute, sah ich Pferdekoppeln, Bäume und den See. Auch wenn ich so aufgewachsen war, freute ich mich jeden Tag über den Ausblick. Es war diese friedliche Stille, die ich zum Leben, Atmen und Schreiben brauchte.

„Ja, das werden wir“, gab Pat mit dem Brustton der Überzeugung zurück. „Wir schaffen das.“

Ich kuschelte mich näher an meinen Mann, was bei der Sommerhitze nicht unbedingt angenehm war. Wir waren schweißdurchtränkt und brauchten unbedingt eine Dusche. Doch Pat gab mir Halt und das Wissen, dass wir zusammen waren, ließ mich ruhiger werden.

„Du stinkst“, lachte ich und boxte ihn liebevoll. „Lass uns fahren, damit wir aus diesen Klamotten herauskommen.“

Noch lachte ich, als wir aber im New Yorker Verkehr festhingen, blieb es mir im Halse stecken. Nie zuvor hatte ich so viele Autos auf einen Haufen gesehen. Ich rutschte tiefer in meinen Sitz und verschränkte die Arme. Gebannt starrte ich auf die Menschenmassen, die in eiliger Betriebsamkeit über die Straßen hetzten. Panik stieg in mir auf und mein Brustkorb wurde eng. Wie sollte ich mich je in diesem Ameisenhaufen zurechtfinden?

Pat lenkte den Käfer durch die verstopften Straßen, bis er vor einem mehrstöckigen Gebäude aus der Jahrhundertwende zum Stehen kam. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und versuchte, an etwas Positives zu denken. Doch beim Anblick des hohen, grauen Hauses mit unzähligen Graffiti fiel mir das mehr als schwer. Die Fenster im Erdgeschoss waren mit Brettern vernagelt und an den übrigen hingen schäbige Gardinen oder das, was man mit viel gutem Willen als Gardinen bezeichnen würde.

„Wir sind da“, meinte Pat und atmete durch.

Er stieg aus, rannte um den Wagen herum und öffnete mir mit einer kleinen Verbeugung die Türe.

„Madame.“

Ich zwang mich zu einem Lächeln, doch ich merkte, dass es nur eine verrutschte Grimasse war. Ich hätte heulen können.

„Charly?“ Pats Gesicht drückte Besorgnis aus. „Was ist los?“

Ich schüttelte als Antwort den Kopf und blinzelte eine Träne weg.

„Ach, Charly.“ Pat half mir beim Aussteigen und nahm mich in den Arm. „Es ist nicht Maryland, aber du gewöhnst dich daran. Manhattan ist eine tolle Stadt. Du wirst sehen, es wird dir gefallen.“

Ich nickte und schluchzte an seiner Brust leise auf. Ich wollte mich nicht so benehmen, aber die Eindrücke waren so überwältigend, dass es mich aus den Schuhen haute. Der Lärm, das Gehupe der Autos, die Gerüche – dass alles prasselte wie Ziegelsteine auf mich ein. Erschlagen von den Empfindungen, die mir wie ein Betonpfeiler in den Kopf gehämmert wurden.

„Wir sind zusammen, alles andere zählt nicht“, meinte Pat und streichelte mir den Rücken. „Komm, lass uns reingehen.“

Ich hielt seine Hand umklammert, während er mich ins Hausinnere führte. Auch hier hatte der Zahn der Zeit genagt, wenngleich ich eine vage Vorstellung davon bekam, wie das Gebäude in seiner Blütezeit ausgesehen hatte.

„Das Haus wurde 1870 erbaut“, erklärte Pat, als wären wir auf einer Museumstour. „Die Bodenfliesen sind noch original und typisch für die Zeit. Der Stuck an der Decke wurde von einem polnischen Stuckateur hergestellt, der 1850 in Amerika einwanderte.“

„Woher weißt du das alles?“

„Ich wollte etwas über unser neues Zuhause in Erfahrung bringen. Es ist ein Gebäude mit Geschichte und wir werden jetzt ein Teil davon.“ Pats Augen glänzten aufgeregt.

Ich lächelte matt. Gemeinsam stiegen wir die abgetretene Treppe nach oben. Drei Stockwerke, die wir über knarrende Stufen erreichten und ich mir ernsthaft Sorgen machte, dass das alte Holz unter mir nachgab. Nach dem Aufstieg – der mir wie eine gefühlte Ewigkeit vorkam – ergriff Pat meine Hand und zog mich einen langen, dunklen Flur entlang. An einer schäbigen Tür, auf der die Zahl 25 prangte, blieb er stehen und schloss mit einem feierlichen Gesichtsausdruck auf.

„Eigentlich müsste ich dich jetzt über die Schwelle tragen, oder?“, grinste er. „Es ist schließlich unser erstes, eigenes Heim.“

„Dann mach es doch.“ Ich grinste zurück und zwinkerte ihm zu.

Das ließ Pat sich nicht zweimal sagen. Er packte mich, stieß mit dem Fuß die Türe auf und trat ein.

„Voilà.“ Er stellte mich wieder auf den Boden.

Ich schluckte und mahnte mich erneut, an etwas Positives zu denken. In meiner Fantasie blühte um mich herum eine Blumenwiese, es duftete nach Zitronen und frischen Erdbeeren mit Schlagsahne. Ohne die rosarote Brille jedoch waren die Wände schlecht tapeziert und wohl in den letzten zwanzig Jahren nicht gestrichen worden. Anstatt nach Erdbeeren roch es verdächtig nach Mottenkugeln und altem Staub. Die Klimaanlage am Fenster surrte ununterbrochen, an der Decke hing nur eine einzelne Glühbirne. Das Apartment war möbliert, doch ich wusste schon jetzt, dass ich mich nie und nimmer in dieses Bett legen würde.

„Mit ein bisschen Farbe und hübscher Deko kann man es sich richtig gemütlich machen“, meinte Pat zuversichtlich.

Ich blickte meinen Mann skeptisch an. Standen wir im selben Raum? Sahen seine Augen denn nicht dasselbe wie meine? Es war eine Bruchbude und alle Farbe dieser Welt könnte daran nichts ändern. Vielleicht befand er sich auf einem LSD-Trip und flog mit bunten Elefanten um die Wette. Unwillkürlich musste ich kichern, bis ich mich vor Lachen kaum noch halten konnte. Ich kreuzte meine Beine, denn sonst hätte ich mir in die Hosen gemacht. Ich stand sicher unter Schock, anders war dieser hysterische Lachanfall nicht zu erklären.

„Was ist los?“, fragte Pat entgeistert.

Unfähig zu antworten, rang ich glucksend nach Luft und wischte mir die Tränen von den Wangen.

„Schatz, das kann unmöglich dein Ernst sein“, japste ich, als ich mich etwas beruhigt hatte. „Wir sollten schleunigst unsere Tetanusimpfung auffrischen, bevor wir hier auch nur einen Tag verbringen. Am besten lassen wir uns direkt gegen alles impfen. Hepatitis, Malaria und was es sonst noch alles gibt.“

„Gegen Malaria wird man nicht geimpft“, gab Pat beleidigt zurück. „Man bekommt Tabletten.“ Diese Information war im Moment alles andere als hilfreich, aber ich merkte, dass ich ihn verletzt hatte.

Versöhnlich streichelte ich seinen Arm und warf ihm einen Hundeblick zu. Das zog meistens, wenn wir uns gestritten hatten. Pat konnte mir nie lange böse sein. Doch jetzt war es anders.

„Es ist nicht das Ritz, das ist mir schon klar. Aber man kann etwas daraus machen. Außerdem ist es nur vorübergehend“, sagte er, meine Hand wegschüttelnd. „Etwas Besseres gab es leider nicht in unserer Preisklasse.“

„Es tut mir leid.“ Ich seufzte. „Es ist nur so … so … erdrückend. Und schmutzig.“ Ich sah zu der ehemals weißen Küchenzeile und zog die Nase kraus. Schmutzig traf es nicht annähernd. „Okay, wir sollten einkaufen gehen“, gab ich nach. „Putzmittel, Farbe und auf jeden Fall neue Matratzen. Da die Miete schon bezahlt ist, müssen wir das Beste daraus machen.“

 

Obwohl ich total erschöpft war, fand ich in der Nacht keinen Schlaf. Es stimmt, was man über New York sagt. Diese Stadt schläft nie. Alle paar Minuten heulten Sirenen auf. Ob es Polizei, Krankenwagen oder Feuerwehr war, vermochte ich nicht zu sagen, aber sie raubten mir fast den Verstand. Noch immer schoben sich Autos durch die Straßen, begleitet von lautem Gehupe und schreienden Menschen. Irgendwo klirrte Glas, Hunde bellten um die Wette. Das unermüdliche Surren der Klimaanlage untermalte die nächtliche Melodie mit einer gewissen Konstanz. Ich strampelte meine Bettdecke weg, nur um sie wenig später wieder über meinen Körper zu ziehen. Drehte mich nach rechts, dann nach links. Beobachte Pat, wie er friedlich schnarchte und schmatzte. In meiner Verzweiflung begann ich die vorbeifahrenden Autos zu zählen, gleichzeitig starrte ich in die Dunkelheit und stellte mir vor, ich läge am Ufer unseres Sees. Gerade als ich wegdämmerte, lief ein laut streitendes Paar am Haus vorbei. Sofort war ich wieder hellwach. Es war zwei Uhr morgens, das verrieten mir die Leuchtziffern des Weckers.

„Schlaf jetzt, Charly“, murmelte ich. „Schlaf einfach ein. Los, schlaf jetzt ein, verdammt noch mal!“

Missmutig beobachtete ich die blinkenden Doppelpunkte zwischen den Ziffern, bis mir letztendlich gegen drei Uhr die Augen zufielen.

 

„Guten Morgen, Schlafmütze.“

Ich blinzelte und stöhnte auf. Pat stand mit einem breiten Grinsen und einer Tasse Kaffee in der Hand neben mir.

„Lass mich“, erwiderte ich matt und drehte mich um. „Ich habe die halbe Nacht nicht geschlafen.“

„Es ist bereits acht Uhr, du Morgenmuffel. Wir haben heute viel vor.“ Pat hielt mir die Tasse vor die Nase.

„Ich hasse dich“, meinte ich wenig überzeugend. Pat wusste ganz genau, welche Wirkung frischer Kaffee auf mich ausübte.

„Das weiß ich doch“, antwortete er scherzhaft und zog mir die Decke weg. „Wenn du nicht aufstehst, falle ich über dich her und dann wird dein Kaffee kalt.“

Ich lachte leise.

„Du drohst mir mit kaltem Kaffee und Sex am frühen Morgen? Mit ungeputzten Zähnen? Ich weiß gerade nicht, was ich schlimmer finde.“

Gähnend setzte ich mich auf und wuschelte mir durch die schulterlangen, brünetten Haare. Pat reichte mir den Kaffeebecher, den ich dankend entgegennahm. Außerhalb unserer Wohnung tobte schon wieder das volle Leben.

„Ob ich je wieder schlafen kann? Dieser Lärm ist furchtbar. Das ging die ganze Nacht so.“

„Ich habe nichts gehört“, entgegnete Pat.

„Nein, natürlich nicht. Du hast geschnarcht.“ Ich schnitt ihm eine Grimasse. „Dann wollen wir uns heute dem Projekt Wohnungsverschönerung widmen.“

Wir hatten am Nachmittag zuvor noch Farbe und Putzzeug besorgt, mit dem ich der schmuddeligen Bleibe zu Leibe rückte. Ich schrubbte die Küche, bis mir die Finger schmerzten, aber der Aufwand lohnte sich. Unter einer vergilbten Schicht kamen tatsächlich weiße Möbel zum Vorschein. Stolz stemmte ich die Hände in die Hüften und grinste Pat, der eine Wand strich, zufrieden an. Auch seine Arbeit machte Fortschritte. Wir hatten uns für einen frischen Grünton entschieden, der den Raum direkt freundlicher erscheinen ließ. Außerdem erinnerte mich das Grün an die Weiden unserer Farm. Nach weiteren zwei Stunden blitzte auch das Bad und die Fußböden, und das Apartment sah nicht mehr ganz so schäbig aus. Pat hatte recht behalten. Es würde unser gemütliches Heim werden. Dafür liebte ich ihn. Er besaß eine wahre Künstlerseele. Erschuf aus einer weißen Leinwand ein Meisterwerk. Genauso war die Wohnung für ihn eine weiße Leinwand. Er sah auf den ersten Blick, dass sie mit etwas Arbeit schön wurde.

Gegen Nachmittag besorgte Pat etwas zu essen, während ich unsere Habseligkeiten aus den Kartons packte. Es war nicht viel, weil in dem Käfer nicht genug Platz war, aber für den Anfang reichte es. Den Rest wollten wir beim nächsten Besuch in Maryland mitnehmen. Zumindest hatte ich meine Töpfe, sodass ich uns in den nächsten Tagen ordentliche Hausmannskost zubereiten konnte.

Ich liebte es, zu essen. Deftig und schmackhaft, so, wie ich es gewohnt war. Pat mochte meine Küche und meinte oft scherzhaft, dass ich ihn mästen wollte. Das Schmorbraten und Kartoffelbrei in unserem Leben kaum noch eine Rolle spielen würden, ahnte ich bis dato nicht.