Oklahoma Hearts - Nathalie C. Kutscher - E-Book

Oklahoma Hearts E-Book

Nathalie C. Kutscher

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Beschreibung

Die etwas pummelige Tierärztin Eve hat die Nase voll! Genug von ihrer ständig nörgelnden Schwester, genug von der Einsamkeit und vor allem genug von Männern. Da kommt ihr eine geerbte Rinderfarm in Oklahoma gerade recht. Eve beschließt, Chicago für eine Weile zu verlassen, um die Ranch gewinnbringend zu verkaufen, doch sie hat die Rechnung ohne die taffe Vorarbeiterin Bobby gemacht. Zwischen den Frauen entbrennt ein erbitterter Kampf um das Anwesen, doch Eve muss einsehen, dass sie in Oklahoma vielleicht mehr findet als nur das große Geld. Der ansässige Tierarzt Matt ist auf ihrer Seite und macht ihr auch noch schöne Augen, doch Bobby, die verhasste Rivalin, lässt Eve auch nicht völlig kalt.

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Nathalie C. Kutscher

Oklahoma Hearts

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Table of Contents

 

 

 

Oklahoma Hearts – Nathalie C. Kutscher

 

 

Die etwas pummelige und gemütliche Tierärztin Eve hat die Nase voll! Genug von ihrer ständig nörgelnden Schwester, genug von der Einsamkeit und vor allem genug von Männern. Da kommt ihr eine geerbte Rinderfarm in Oklahoma gerade recht. Eve beschließt, Chicago für eine Weile zu verlassen, um die Ranch gewinnbringend zu verkaufen, doch sie hat die Rechnung ohne die taffe Vorarbeiterin Bobby gemacht. Zwischen den Frauen entbrennt ein erbitterter Kampf um das Anwesen, doch Eve muss einsehen, dass sie in Oklahoma vielleicht mehr findet, als nur das große Geld. Der ansässige Tierarzt Matt ist auf ihrer Seite und macht ihr auch noch schöne Augen, doch Bobby, die verhasste Rivalin, lässt Eve auch nicht völlig kalt.

 

Copyright © 2018 Nathalie C. Kutscher – publiziert von telegonos-publishing

www.telegonos.de

(Haftungsausschluss und Verlagsadresse auf der website)

 

Cover: Kutscherdesign

 

 

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

 

Kontakt zur Autorin über die Verlagshomepage

 

 

 

Lost in Oklahoma

 

Kapitel 1

 

Es lief wie fast jeden Morgen ab. Eve war zu spät dran, kämpfte sich durch den Chicagoer Verkehr und verfluchte sich im Stillen, dass sie so eine Langschläferin war. Ihre linke Hand lag auf dem Steuer ihres pinkfarbenen Mini Coopers, in der Rechten hielt sie einen Donut mit Puderzucker, der bereits überall auf ihrem Shirt verteilt war.

»Stau, immer nur Stau«, meckerte Eve vor sich hin und biss in ihr Gebäck. »Ab morgen nehme ich die U-Bahn!« Auch dieses Selbstgespräch gehörte zum allmorgendlichen Ritual, denn sie würde im Leben nicht mit der U-Bahn fahren. Die Vorstellung, sich dicht an dicht mit fremden Menschen zu drängen, fand Eve zum Fürchten. Sie fühlte sich unter Menschen einfach nicht wohl. Als Tierärztin hatte sie es die meiste Zeit mit Vierbeinern zu tun und das war ihr wesentlich angenehmer, als sich mit Fremden zu unterhalten.

Ihr Mobiltelefon spielte Sweet Dreams von den Eurythmics. Eve stopfte sich eilig den restlichen Donut in den Mund und nahm da Gespräch an.

»Guten Morgen, Schwesterherz«, nuschelte sie, was mit einem empörten Quieken quittiert wurde.

»Du isst schon wieder einen Donut, stimmt’s?«, hörte sie die schrille Stimme ihrer Schwester Peyton.

»Nein«, log Eve und schluckte den letzten Bissen schnell hinunter. »Ja, okay, aber es war nur einer.«

»Und was ist mit deiner Diät?«

»Scheiß auf Diät«, wetterte Eve los. »Zwanzig Pfund habe ich mir heruntergehungert für diesen Mistkerl, nur damit ich in das Hochzeitskleid passe. Und was ist passiert? Nun, ich muss dir wohl nicht erzählen, was passiert ist.«

»Michael war einfach ein Arsch und nur, weil er dich sitzenlassen hat, musst du dir nicht wieder Kummerspeck anfressen.«

»Tja, die schlanken Gene hast du geerbt«, gab Eve ironisch zurück und lenkte den Wagen geschickt mit einer Hand um die Ecke. »Ich habe eben breite und schwere Knochen.« Sehnsüchtig schielte sie auf den Kaffeebecher. Warum musste Peyton eigentlich immer morgens anrufen?

»Mir ist es doch egal, was du machst, Süße, solange du dich wohlfühlst.« Peyton seufzte. »Eigentlich rufe ich nur an, um dich an unseren Termin heute Mittag zu erinnern. Du hast doch dran gedacht, oder?«

Termin? Heute? Eve kramte in ihrem Gedächtnis.

»Du hast es vergessen, stimmt’s? Oh Eve, was ist nur los mit dir? Ich frage mich manchmal, wie du dein Studium geschafft hast.«

»Führ dich nicht immer wie Mum auf. Falls dir das entgangen sein sollte: Ich bin die Ältere«, gab Eve beleidigt zurück. »Also, was war das noch gleich für ein Termin?«

»Der Anwalt. Wegen des Testaments.«

»Ach ja, das Testament, von dem wir nicht wissen, von wem es ist. Komisch, oder? Sowohl Mum, als auch Dad waren Einzelkinder und soweit ich weiß, hatten sie keine reichen Verwandten. Es wird wahrscheinlich irgendein Schund sein, deswegen weiß ich nicht, ob ich dafür meine Mittagspause opfern soll.«

»Wir müssen aber beide kommen, das hat der Anwalt extra betont«, erwiderte Peyton im Schlaumeierton, was bei Eve reflexartiges Augenrollen verursachte. Warum war ihre Schwester eigentlich immer so eine Besserwisserin?

Seit dem Tod ihrer Eltern, die bei einem Bootsunfall ums Leben kamen, benahm sich Peyton, als müsse sie für Eve sorgen. Als sei ihre ältere Schwester nicht fähig, ihr Leben alleine zu gestalten. Gut, Eve war zuweilen etwas zerstreut und mit den Gedanken woanders, aber immerhin hatte sie es zu einer eigenen Praxis gebracht und diese lief sehr gut.

Sie parkte den Wagen in der Tiefgarage auf der gegenüberliegenden Seite ihrer Praxisräume und blickte auf die Uhr am Armaturenbrett. Kurz nach neun, das ging ja noch.

»Ich werde da sein«, versprach Eve. »Aber jetzt werde ich mich erst einmal um die Hoden von Kater Benny kümmern.«

Peyton lachte.

»Okay, dann wünsche ich dir viel Spaß mit den Hoden. Wir sehen uns später.«

Eve grinste, als sie das Handy in ihre Tasche gleiten ließ und mit ihrem Kaffee in der Hand das Parkhaus verließ.

 

»Dann ruh dich jetzt schön aus.« Eve hatte Kater Benny in einen Nebenraum gebracht, wo er seinen Narkoserausch ausschlafen konnte.

Das Wartezimmer war gut gefüllt. Eves Assistentin Lynn sah lächelnd von ihrem Computer auf, wartete auf Eves Zeichen und rief dann den ersten Patienten.

»Misses Poljachek, Sie können mit Oscar reingehen.«

Eine alte Dame, mit einem ebenso betagten Beagle trippelte an Lynn vorbei, hinein ins Sprechzimmer, wo sie Eve mit einem Redeschwall begrüßte. Die meisten von Eves Patienten waren Stammkunden, sie kannte all die Wehwechen ihres felligen Klientel und oft auch die Lebensgeschichten der Besitzer. So wie die von Misses Poljachek, die mindestens einmal die Woche mit Oskar vorbeischaute. Nach ein paar Streicheleinheiten und einer Vitaminspritze für den Senior, zog Misses Poljachek samt Oskar wieder von dannen. So plätscherte der Vormittag dahin. Keine schweren Fälle, nichts Ernstes, sodass Eve pünktlich in die Pause konnte.

Sie schlüpfte aus dem weißen Kittel, band sich den blonden Pferdeschwanz neu und verabschiedete sich von Lynn, die wie üblich in der Praxis blieb und mit ihrem Freund, der nur zwei Geschäfte weiter arbeitete, eine Pizza vertilgte.

»In spätestens zwei Stunden bin ich wieder da«, sagte Eve beim Verlassen der Praxis. »Vielleicht komme ich als Millionärin zurück. In dem Fall musst du dir einen neuen Job suchen.«

»Als wenn du deine Arbeit aufgeben würdest«, lachte Lynn, zum Abschied winkend.

Nein, das würde Eve sicherlich nicht, dafür liebte sie ihren Beruf viel zu sehr. Außerdem hatte sie die kleine Praxis vom Erbe ihrer Eltern erworben, es hing also mehr als nur ihr Herzblut daran. In jedem Instrument steckte ein Teil ihrer Familie. Sie hatte sich in den vergangenen Tagen das Hirn zermartert, wer ihr und Peyton nun etwas hinterlassen hatte. So weit sie wusste, lebten all ihre Verwandten noch. Aber eine weitere Finanzspritze wäre nicht das Schlechteste, dann könnte sich Eve vielleicht endlich ein eigenes Röntgengerät leisten und müsste ihre Patienten für derartige Untersuchungen nicht an die Tierklinik verweisen.

Als sie vor der Anwaltskanzlei parkte, wartete Peyton schon ungeduldig. Sicher, sie hätte auch laufen können, so weit war ihre Praxis nicht entfernt, aber Eve gehörte nicht unbedingt zu den Frischluftfanatikern und benutzte auch für kleinste Strecken das Auto. Dass Peyton ihr immer wieder in den Ohren lag, sie solle sich mehr bewegen, überhörte sie mittlerweile geflissentlich. Sie war schon immer das Pummelchen gewesen und daran würde sich wohl auch nichts mehr ändern. Doch störte Eve das auch nicht wirklich. Das Thema Männer hatte sie sowieso abgehakt, sie fand einfach nicht Mister Right. Entweder lag es an ihr, dass ihr schon nach wenigen Wochen die Lust verging oder die Männer ließen sie sitzen, weil Eve außer ihrer Arbeit, Schnulzenfilme und Bücher nicht sonderlich viele Interessen hatte. So wie ihr Verlobter Michael, der sie kurz vor der Hochzeit verlassen hatte, weil er festgestellte, dass sie gar nicht zusammenpassten.

Ungeduldig tippte Peyton auf ihre Armbanduhr, als Eve auf sie zuging, die nur entschuldigend die Arme hob.

»Ernsthaft, Eve? Für zwei Blocks? Davon wird so ein Auto auch nicht besser und gut für die Umwelt ist es auch nicht.«

»Seit wann interessierst du dich für die Umwelt?«

»Seit ich einen Ökologiekurs in der Abendschule besuche«, gab Peyton zurück und zog ihre Schwester hinter sich her, die verwundert die Stirn runzelte.

»Du arbeitest in einer Modeboutique. Hab ich was verpasst? Nein, warte, sag’s nicht. Schon wieder ein neuer Typ?«

Peyton hielt an und verdrehte schwärmerisch die Augen.

»Ich glaube, der könnte es sein. Sein Name ist Kevin und ich habe ihn vor drei Wochen im Bio-Supermarkt kennengelernt. Wir griffen zeitgleich nach derselben Paprika. Er unterrichtet an der Abendschule, ist Veganer und hat die schönsten braunen Augen, die du dir vorstellen kannst.« Sie seufzte. »Ich habe Mister Right getroffen, Eve.«

»Das wievielte Mal in diesem Jahr?«, gab Eve sarkastisch zurück. Peyton war in Bezug auf Männer so sprunghaft wie ein Floh in einem Tierhaushalt.

»Wenn man’s weiß, dann weiß man es eben«, erwiderte Peyton beleidigt und betrat das Gebäude.

Manchmal konnte Eve es kaum fassen, dass sie miteinander verwandt waren. Schon vom Aussehen unterschieden sie sich. Während die neunundzwanzigjährige Eve schon immer mit ihrem Gewicht zu kämpfen hatte und zeitlebens etwas mollig war, kam ihre drei Jahre jüngere Schwester gertenschlank daher. Beide hatten sie blonde Haare, doch Peyton bevorzugte einen modischen Langbob, während Eve ihre lange, zum Teil etwas chaotisch anmutende, Pracht liebte. Peyton hielt ein Studium nicht für nötig, auch wenn sie ihr Talent vergeudete, wie Eve fand. Ihre Schwester konnte wunderbar nähen und entwarf den Großteil ihrer Kleidung selbst. Doch anstelle eines Designstudiums wollte sie lieber Geld verdienen. Peyton war ein Hans-Dampf in allen Gassen, ließ keine Party aus, war selbstbewusst und stur. Eve hingegen bevorzugte Abende in ihrer gemütlichen Wohnung, ein selbstgekochtes Essen, ein gutes Buch und Schokolade. Wenn sie mal ausging, dann war das schon fast unter Zwang. Sie hatte nie viel Wert auf ihr Äußeres gelegt, ließ sich schon als Kind einschüchtern und versuchte immer, es allen recht zu machen. Trotz der Unterschiede hielten die beiden Schwestern zusammen und waren nach dem Tod ihrer Eltern noch mehr zusammengewachsen. Die gute schwesterliche Beziehung beruhte aber in der Hauptsache darauf, dass Eve meist den unteren Weg ging und sich kaum gegen Peyton wehrte.

»Dein Shirt ist bekleckert«, meckerte Peyton, als sie vor der Tür der Kanzlei standen. »Hier, bind dir das um, das sollte den Fleck kaschieren.« Sie nahm ihren seidenen Schal ab und band ihn Eve um den Hals. Noch auf ein prüfender Blick auf die Frisur ihrer Schwester, bevor sie anklopfte und die beiden in das Büro traten.

 

Eve sah Peyton sprachlos an, als der Anwalt das Testament vorgelesen hatte.

»Unser Vater hat nie etwas von einem Halbbruder erwähnt«, sagte sie nach einigen Sekunden. »Und Sie sind ganz sicher, dass das Testament wirklich uns gilt?«

Der Anwalt nickte und schob das Schreiben über den Tisch.

»Der Bruder Ihres Vaters hatte keine eigene Familie, nur diese Farm. Ein Teil des Landes geht an eine Roberta Hale, aber mit dem Rest können Sie verfahren, wie Sie wollen. Die Farm hat in den letzten Jahren gute Gewinne erzielt, wenn ich mir den Rat erlauben darf: Verkaufen Sie und machen Sie sich von dem Geld ein schönes Leben. Es sei denn, Sie möchten nach Oklahoma ziehen und fortan eine Rinderfarm bewirtschaften.«

»Sehen wir so aus, als würden wir das wollen?«, warf Peyton ein. »Was macht ein Verkauf für einen Sinn, wenn es nicht das ganze Land ist?«

»Sie könnten Miss Hale von einer Auszahlung überzeugen«, gab der Anwalt zu Bedenken. »Es macht für diese Leute wesentlich mehr Sinn, denn ich bin mir sicher, dass sie ihre Jobs behalten wollen. Wenn Sie möchten, beauftrage ich jemanden in Ihrem Namen, der die Sache für Sie regelt. Ich schätze mal, keine von Ihnen beiden hat Erfahrung vom Wert einer Rinderfarm und deren Verkauf?« Er rückte seine Brille zurecht, lehnte sich im Stuhl zurück und faltete die Hände über dem Bauch zusammen.

Die Schwestern wechselten einen Blick.

»Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie das arrangieren könnten«, antwortete Eve, als sie sicher war, dass Peyton derselben Meinung war.

»Gut.« Der Anwalt beugte sich vor und notierte sich etwas auf einem Zettel. »Wenn alles über die Bühne gegangen ist, sind Sie gemachte Frauen, meine Damen.«

Peyton rieb sich die Hände und grinste Eve an, doch die dachte nur an das Röntgengerät, welches sie sich endlich leisten konnte. Vielleicht könnte sie sogar die Praxis vergrößern und noch jemanden einstellen. Mit dem Gewinn der Ranch in Aussicht, würde sich einiges zum Positiven ändern.

Gut gelaunt verließen die Schwestern die Kanzlei und da sie noch Zeit hatten, entschlossen sie sich, einen Happen zu essen.

»Schon komisch, dass Dad seinen Bruder nie erwähnt hat«, begann Eve das Gespräch, als sie in einem Café Platz genommen hatten. »Vor allem bedeutet das, dass Grandpa was mit einer anderen Frau hatte. Vielleicht wusste Dad gar nichts von einem Bruder.«

»Es wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben«, gab Peyton gleichmütig zurück und tippte auf ihrem Smartphone herum. »Ich habe gerade Kevin für heute Abend eingeladen, ich finde, unser Erbe ist ein Grund zu feiern. Möchtest du auch kommen? Ich koche was für uns und wir stoßen gemeinsam an. Bei der Gelegenheit kannst du ihn auch gleich kennenlernen.«

»Noch haben wir das Geld nicht«, warf Eve ein. »Und außerdem bin ich schon neugierig, was dahintersteckt.«

»Willst du etwa nach Oklahoma und es herausfinden?« Peyton sah ihre Schwester mit großen Augen an. »Es ist doch egal, wir werden bald reich sein. Mit dem Geld werde ich meine eigene Boutique eröffnen.«

»Mh«, machte Eve. »Ich will natürlich nicht nach Oklahoma, es interessiert mich nur. Warum wir? Ich meine, er hätte doch die gesamte Ranch unter seinen Arbeitern aufteilen können, oder? Woher wusste er überhaupt von uns?«

»Ach Eve, jetzt mach nicht alles kaputt.« Peyton schmollte. »Wenn du das Geld nicht möchtest, ich nehme es gern.« Sie grinste verschmitzt. »Du musst nur etwas sagen.«

»Von wegen.« Eve grinste ebenfalls. »Ich habe meine ganz eigenen Pläne mit dem Geld. Trotzdem würde ich zu gerne wissen, was dahintersteckt.« Sie seufzte. Diese Geschichte war genau nach ihrem Geschmack. Ein geheimnisvoller Bruder, der von der Familie verheimlicht wurde, der aber offensichtlich von der Existenz der Schwestern wusste. Eve besaß eine romantische Seele und vermutete eine tragische Liebesgeschichte hinter alledem.

Sie stellte sich ihren Großvater als jungen Soldaten vor. Ein Kriegsheimkehrer, der durch feindliches Indianerland die Heimkehr antrat, dabei verletzt und von einer hübschen Choctaw gesund gepflegt wurde. Natürlich verliebten sie sich und Blue Feather - so hieß die Indianerin - wurde schwanger. Ihr Stamm verbot die Verbindung zwischen den beiden Liebenden und Großvater Brian ging ohne sie fort.

Doch in der Realität lebten sie nicht mehr im 19. Jahrhundert und ihr Großvater war kein Soldat der Union gewesen. Vermutlich hatte er in seinem ganzen Leben auch noch keine Natives getroffen, denn er wurde in Chicago geboren und starb auch dort. Eve seufzte erneut, was Peyton aufmerken ließ.

»Wir können am Wochenende hinfliegen, wenn du möchtest. Ich sehe doch, dass die Neugierde dich umbringt.«

»Nein, nein«, wehrte Eve ab, ihren Teller entgegennehmend, den die Kellnerin ihr reichte. »Gibt es eigentlich irgendetwas Nennenswertes in Oklahoma?«

»Nicht, dass ich wüsste«, meinte Peyton und ließ ihr Telefon in die Tasche gleiten. »Jetzt lass uns essen, ich muss gleich wieder ins Geschäft.«

Während sie ihre Salate aßen, vergaßen sie das Thema Oklahoma und Eve lauschte geduldig den Lobeshymnen über Peytons neuste Errungenschaft - so wie sie das fast einmal im Monat tat. Als sie zurück in die Praxis fuhr, hatte sie den Namen von Mister Juli schon wieder vergessen, doch Eve nahm es gelassen. Im August würde Peyton ihr von einem neuen Kerl erzählen.

 

Kater Benny wurde am Abend von seinem aufgeregten Frauchen abgeholt und klagte laut maunzend sein Leid.

»Er hat alles gut überstanden,« sagte Eve. »Geben Sie ihm heute noch nicht so viel zu fressen, ab morgen wird er wieder der Alte sein. Na ja, nicht ganz.« Sie lachte. »Sie können vorne bei Lynn bezahlen.«

»Danke, Doktor Dearing.« Bobbys Dosenöffnerin strahlte und redete, beim Verlassen des Behandlungszimmers, leise auf den schwarzen Kater ein.

Eve desinfizierte den Behandlungstisch, wusch sich die Hände und setzte sich an den Computer. Sie hatte noch einige Berichte zu schreiben, bevor sie in den wohlverdienten Feierband durfte.

»Hast du noch was für mich zu tun oder kann ich mich verdrücken?« Lynn steckte den dunklen Wuschelkopf zur Türe rein.

»Nein, du kannst gehen«, antwortete Eve, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken.

»Und was ist mit dir? Willst du dein großes Erbe nicht ein bisschen feiern?« Lynn schob sich ganz ins Zimmer. Sie ahnte, dass ihre Chefin den Abend mal wieder alleine verbringen würde. Nicht einmal die Aussicht auf einen Haufen Geld konnte Eve dazu bewegen, ihre Wohlfühlzone zu verlassen und auszugehen. Sie hatte Lynn die Neuigkeiten zwischen Tür und Angel mitgeteilt, so beiläufig, als wäre es nicht die tollste Nachricht des Jahres. Lynn hätte am liebsten direkt eine Flasche Champagner geköpft, doch Eve hatte auf ihre ruhige Art erklärt, dass sie feiern würden, sobald die Farm verkauft sei.

»Ich habe noch zu tun«, antwortete Eve jetzt. »Außerdem habe ich dir schon gesagt, dass ich nichts überstürzen möchte.«

»Klar.« Lynn schüttelte den Kopf. »Trotzdem könnte ein bisschen Vorfreude nicht schaden.«

»Wolltest du nicht eigentlich gehen?« Eve sah nun doch von ihrer Arbeit auf, und Lynn hob entschuldigend die Hände.

»Schon gut. Ich weiß ja, wie du bist. Also dann bis morgen.«

Ich weiß ja, wie du bist? Eve verengte ärgerlich die Augen, als Lynn abgerauscht war. Wie war sie denn? Nur weil sie nicht direkt in hysterische Feierlaune verfiel, war sie doch keine Langweilerin. Ich bin einfach nur vorsichtig, dachte Eve. Vorsichtig und besonnen. Und auch ein kleines bisschen langweilig, gestand sie sich ein und seufzte. Vielleicht sollte sie wirklich mal aus ihren Gewohnheiten ausbrechen und etwas total Verrücktes anstellen. Aber was? Sie hatte ja schon Angst vor ihrem eigenen Schatten und niemanden außer Peyton, mit dem sie etwas anstellen könnte. Plötzlich wurde Eve bewusst, dass sie verdammt einsam war. Kein Mann, keine Familie und keine Freunde. Sie hatte es in neunundzwanzig Jahren geschafft, sich komplett von der Welt abzukapseln. Ihren Ex-Verlobten Michael hatte sie übers Internet kennengelernt. Die bunte virtuelle Welt war für Eve der einzige Ausflug zu neuen Gefilden. Im realen Leben hatte sie, bis auf die Jahre an der Uni, Chicago nie verlassen. Sie fragte sich bis heute, was Michael an ihr gefunden hatte, oder besser, was sie beide verband. Zuerst gab er sich als stillen Einzelgänger, schwärmte von einem Familienleben mit Kindern, nur um dann kurz vor der Hochzeit mit diesem Flittchen abzuhauen. Als Begründung gab er an, dass Eve zu wenig Temperament besäße und er nicht wüsste, ob er auf Dauer damit klarkam. Er hätte festgestellt, dass er doch etwas mehr vom Leben erwartete, als gemütliche Abende auf der Couch zu verbringen. Das war’s für Eve. Sie schwor, sich niemals wieder auf einen Mann einzulassen. Als Erstes hatte sie ihr Profil bei der Online-Singlebörse gelöscht und sich danach noch mehr zurückgezogen. Dieses Ereignis lag zwar schon Monate zurück, doch Eve verspürte noch immer kein Verlangen, sich etwas Neues zu suchen.

Die Grübeleien über ihr Männer-Dilemma brachten Eve wie immer dazu, nach einem Schokoriegel zu greifen. Das war ihr Leben! Die Arbeit in der Praxis, Schokolade und vor Schmalz triefende Liebesfilme. Eve wandte sich wieder ihrem PC zu. Sie war sogar so armeselig, dass sie die Quartalsabrechnungen selber machte, anstatt Lynn damit zu beauftragen, denn das gehörte eigentlich zu ihrem Job. Aber Eve wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass auch Lynns Liebesleben zu kurz kam. Vielleicht, wenn sie nur fest daran glaubte, würde auch sie ihren Traumprinzen in schillernder Rüstung finden.

 

Es war bereits dunkel, als Eve mit ihrer Arbeit fertig wurde. Sich reckend, gähnte sie herzhaft und rieb sich die müden Augen, die nach der eintönigen Tätigkeit am Computer brannten. Ihr Rücken schmerzte und alles, was sie jetzt ersehnte, war ein heißes Bad und die Lasagne, die noch vom Vortag im Kühlschrank stand. Manchmal war die Arbeit für einen alleine zu viel und Eve musste sich etwas für die Zukunft überlegen. Entweder spannte sie Lynn mehr ein, oder aber sie suchte nach einer Aushilfe, die ihr wenigstens den lästigen Bürokram abnehmen konnte. Das Geld aus dem Erbe käme da gerade recht.

Nachdem Eve das Licht gelöscht und die Praxis abgeschlossen hatte, lief sie eilig ins Parkhaus. Sie hasste es, sich in der Dunkelheit im Freien aufzuhalten, weswegen sie stets Pfefferspray zur Hand hatte. Als junges Mädchen war sie einmal überfallen worden und man hatte ihr die Handtasche gestohlen. Seitdem erschreckte Eve sich vor ihrem eigenen Schatten. Erst als sie sicher in ihrem Wagen saß, atmete sie erleichtert auf und machte sich schleunigst auf den Weg nach Hause.

Sobald sie in ihrer Wohnung angekommen war, verriegelte sie die Türe und sicherte diese zusätzlich mit einem Riegelschloss. Danach schaltete sie alle Lampen an, zog die mintgrünen Vorhänge zu und ließ sich erschöpft auf das Sofa fallen. Die Wohnung war sehr feminin eingerichtet, mit viel Schnörkelkram, weißen Möbeln und pastellfarbenen Accessoires. Pinkfarbene Kissen machten aus dem Sofa eine kuschelige Wohlfühllandschaft, Lampen mit Perlenschirmen sorgten für gemütliches Licht. Eve fühlte sich rundherum wohl. Hätte sie einen Mann, sähe die Wohnung wahrscheinlich nicht so mädchenhaft aus, diese Tatsache wertete sie als Pluspunkt für ihr Singledasein. Doch an manchen Abenden fehlte etwas. Da sie in der Praxis ziemlich eingespannt war, besaß sie nicht mal ein Haustier und dass, obwohl sie doch ihre Berufung im Wohl der Tiere gefunden hatte. Außerdem ... mit einem Hund müsste sie spazierengehen, das bedeutete Bewegung und davon war Eve so gar kein Fan.

»Vielleicht solltest du doch mal etwas ändern«, murmelte sie vor sich hin, während sie ihre Schuhe von den Füßen streifte und nach der Fernbedienung griff. »Aber nicht unbedingt jetzt!« Eve gähnte, klemmte sich ein Kissen in den Nacken und ließ sich vom Fernsehprogramm berieseln.

 

 

Kapitel 2

 

Eve erwachte am nächsten Morgen mit den schlimmsten Kopf-und Nackenschmerzen ihres Lebens. Ihr Mund war so trocken, dass sie kaum schlucken konnte, wahrscheinlich hatte sie ein hübsches Schnarchkonzert abgegeben. Der Fernseher lief noch immer und ihre Klamotten trug sie auch noch am Leib. Sie war am Abend an Ort und Stelle auf der Couch eingeschlafen, obwohl sie doch eigentlich ein Bad nehmen und ihre Lasagne verputzen wollte.

Mühselig rappelte Eve sich auf, rieb sich die Augen und versuchte, ihren verspannten Nacken zu lockern.

»Kaffee«, krächzte sie. »Stark, heiß und viel davon.«

Ihre Beine schienen noch immer im Land der Träume zu weilen. Sie kribbelten unangenehm und beim ersten Schritt, den Eve tat, knickte sie leicht ein. Sie stöhnte einmal laut auf, gefolgt von einem abgrundtiefen Seufzer. Wie sollte sie diesen Tag überstehen? In der Küche stellte sie als Erstes die Kaffeemaschine an, danach entnahm sie einer Blechdose ein paar Kekse, die als Frühstück herhalten mussten.

Eve war müde! Müde vom alltäglichen Einerlei. Bis gestern hatte sie nicht einmal daran gedacht, dass ihr Leben stinklangweilig war, aber seit sie von Oklahoma gehört hatte, dachte sie pausenlos darüber nach, welch eintöniges Dasein sie fristete. Lustlos goss sich Kaffee in einen Becher und schüttete solange Milch hinzu, bis das Getränk eine cremige, hellbraune Farbe annahm. Schon der erste Schluck erweckte ihre Lebensgeister. Wenn sich doch nur alles mit Kaffee lösen ließe.

Mit dem Becher in der Hand schlurfte sie mit schweren Schritten ins Bad, vermeidend, in den Spiegel zu schauen. Wahrscheinlich sah es auf ihrem Kopf genauso aus, wie in ihrem Inneren: wirr und durcheinander. Während sie auf der Toilette saß und dabei weiter den Kaffee trank, überlegte Eve, ob sie einen neuen Versuch starten sollte, Peyton davon zu überzeugen, sich die Farm wenigstens mal anzusehen. Was konnte ein Wochenendtrip unter Schwestern schon schaden? Ein bisschen Entspannung konnten beide gebrauchen. Doch Eve wusste schon jetzt, dass sich ihre Schwester nie und nimmer darauf einlassen würde. Ihr ging es nur um das Geld, wer oder was dahintersteckte, war ihr völlig egal.

Eve platzierte den Kaffeebecher auf den Rand des Waschbeckens und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser ließ sie endlich richtig munter werden und nach einem weiteren Kaffee, fuhr sie gutgelaunt, aber immer noch nachdenklich, in die Praxis.

 

»Guten Morgen.« Lynn hatte die Praxis bereits aufgeschlossen und richtete ein Tablett mit Bagels her.

»Guten Morgen.« Eve beugte sich über die Leckerein. »Du bringst Frühstück mit? Wie gut, dass ich heute auf den Donut verzichtet habe.«

»Das mache ich doch immer an meinem Geburtstag«, gab Lynn zurück und grinste, als sie Eves eingefroren Gesichtsausdruck sah. »Ich weiß natürlich, dass du ihn wie üblich vergessen hast, daher habe ich mir selbst ein Geschenk gemacht. Von deinem Geld natürlich.«

»Lynn, ...« Eve seufzte. Wie lange arbeitete ihre Angestellte jetzt für sie? Drei Jahre. Und wie oft hatte Eve Lynns Geburtstag vergessen? Dreimal. Sie schämte sich in Grund und Boden. »Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe.« Sie nahm Lynn in den Arm und drückte sie fest an sich. »Was habe ich dir denn Schönes gekauft?«

»Dieses Paar Ohrringe.« Lynn schob ihre Locken hinter die Ohren und präsentierte Eve funkelnde Swaroskistecker.

»Wow. Ich habe einen guten Geschmack, oder?«

Die Frauen lachten, während Lynn ihrer Chefin den Terminkalender in die Hand drückte.

»Nur eine OP heute? Das passt doch gut für einen Freitag. Dann verschwindest du in der Mittagspause und machst dir einen schönen Nachmittag«, wies Eve an. »Ich komme hier schon alleine klar.«

»Das ist super, danke. Rick hat als Geschenk zwei Tage in einem Wellnesshotel für uns gebucht und ich muss noch packen.«

Eve nahm sich einen Bagel, biss hinein, als sich die Türe öffnete und Mister Martinez mit seinem British Kurzhaarkater Salasar eintrat.

»Guten Morgen, Doktor Dearing.« Mister Martinez tippte sich kurz an seinen grauen Schlapphut. »Salasar ist schon ganz aufgeregt. Ich natürlich auch.« Er wedelte sich mit der freien Hand Luft zu. »Es wird doch alles gut werden, oder?«

»Natürlich, Mister Martinez. Eine Zahnsteinentfernung ist Routine. Sie wissen doch, Salasar ist hier in den besten Händen.«

Lynn nahm dem nervösen Besitzer den Katzenkorb aus der Hand und brachte den Kater in den Behandlungsraum.

»Gegen vier Uhr am Nachmittag können Sie Ihren Liebling wieder in die Arme schließen. Alles wird gut.«

Der etwas überspannte Künstler ließ sich beruhigen und verließ die Praxis wieder. Eve atmete auf. Für viele der Tierhalter, die in ihre Praxis kamen, waren ihre Vierbeiner der einzige Lebenspartner. Würde es ihr auch irgendwann so ergehen? Als einsame, alte Frau mit zehn Katzen enden, die keinen anderen Lebensinhalt mehr hatte? Vielleicht sollte sie dem Online-Datingportal doch noch eine Chance geben, wenngleich Eve beim Gedanken daran, spontane Magenschmerzen bekam.

Lynn hatte den übergewichtigen Salasar bereits gewogen und bereitete die Narkose vor, als Eve sich zu ihnen gesellte.

»Wir sollten deinem Herrchen noch mal deutlich machen, dass du dringend abspecken musst«, murmelte Lynn, während sie die Infusion aufhängte.