Eden - Nathalie C. Kutscher - E-Book

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Nathalie C. Kutscher

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Als die Ehe zwischen dem Anwalt Jaden und seiner Frau Anna zerbricht, nimmt er es stoisch zur Kenntnis. Ruhm, Geld und seine Karriere sind ihm wichtiger, als um seine große Liebe zu kämpfen. Erst als er angeschossen wird und aus dem Koma erwacht, vollzieht er einen Sinneswandel. Kurzentschlossen reist er mit einem Wohnmobil durch Kanada, bis er in einem verschlafenen Städtchen landet, wo er auf allerhand skurrile Menschen trifft. Einer von ihnen ist der Einsiedler Crazy Duke, der Jaden Fragen beantwortet, die er nie gestellt hat, und der ihm einen Weg eröffnet, Anna wiederzubekommen. Doch dafür muss Jaden Opfer bringen und er erkennt, dass der Grat zwischen Himmel und Hölle sehr schmal ist. Wird er seine große Liebe retten können?

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Nathalie C. Kutscher

Eden

Der Tod ist der Anfang

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Weitere Bücher der Autorin

 

Table of Contents

Table of Contents

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 17

Kapitel 18

Über die Autorin

 

 

Eden

Der Tod ist erst der Anfang

Mystery

Nathalie C. Kutscher

Als die Ehe zwischen dem Anwalt Jaden und seiner Frau Anna zerbricht, nimmt er es stoisch zur Kenntnis. Ruhm, Geld und seine Karriere sind ihm wichtiger, als um seine große Liebe zu kämpfen. Erst als er angeschossen wird und aus dem Koma erwacht, vollzieht er einen Sinneswandel. Kurzentschlossen reist er mit einem Wohnmobil durch Kanada, bis er in einem verschlafenen Städtchen landet, wo er auf allerhand skurrile Menschen trifft. Einer von ihnen ist der Einsiedler Crazy Duke, der Jaden Fragen beantwortet, die er nie gestellt hat und der ihm einen Weg eröffnet, Anna wiederzubekommen. Doch dafür muss Jaden Opfer bringen und er erkennt, dass der Grad zwischen Himmel und Hölle sehr schmal ist. Wird er seine große Liebe retten können?

Eden – Der Tod ist erst der Anfang

Nathalie C. Kutscher

Copyright: © Nathalie C. Kutscher– publiziert von

telegonos-publishing - Neuauflage des Romans „Fallen Angel“

Cover: © Kutscher-Design unter Verwendung einer Vorlage von Adobe Stock

www.telegonos.de (Haftungsausschluss und Verlagsadresse auf der website)

Kontakt zur Autorin:

http://www.telegonos.de/aboutNathalieKutscher.htm

https://nathaliekutscher.jimdo.com/

ISBN der Druckversion 978-3-946762-40-9

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Lass dich den guten Engel warnen,

und nicht vom bösen dich umgarnen.

Gottfried August Bürger ( 1747-1794 )

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 1

Irgendwo im Nirgendwo

Es war nebelig. Eine undurchdringliche Suppe milchiger Schwaden kalter Luft, waberte durch die Stille eines kühlen Novembertages. Eine Wand, grau in grau, gemischt mit feinen Tröpfchen sanften Regens. Die kahlen Bäume wirkten geradezu gespenstisch im morgendlichen Dunst, der feucht-schwer über der Erde lag. Die Luft roch nach Schnee. Er kam spät dieses Jahr, doch wenn der Winter erst einmal da war, würde er das Land für lange Zeit gefangen halten.

In gelassener Betriebsamkeit hackte ein kräftig gebauter Mann Holzscheite auf einem Block. Einen nach dem anderen. Klock, Klock. Der gleichbleibende Rhythmus seiner Tätigkeit war das einzige Geräusch, was an diesem Morgen über die Felder tönte und in der Einsamkeit verhallte. Zwischen den Schlägen schaute er sich immer wieder kurz um. Vergeblich – wie er feststellte. Er sah ja doch nichts in der Nebelsuppe. Es war buchstäblich kaum die Hand vor Augen sichtbar. Was hätte er auch sehen wollen? Er stand inmitten des großen Nichts, eingehüllt in die triste Kälte eines Novembermorgens, froh darüber, dass der Winter noch keinen Einzug hielt. Zu spät hatte er in diesem Jahr mit den Wintervorbereitungen angefangen und zweifelte, ob das Holz und die Lebensmittel, die er in der Stadt gekauft hatte, für die kalten Monate reichen würden. Er ließ sich nicht mehr oft in der Stadt blicken und die Einsamkeit brachte ihn manchmal fast um den Verstand. Sein nächster Nachbar lebte auf einer Farm etwa vierzig Kilometer entfernt. Hin und wieder trafen sie sich auf ein Pokerspiel oder ein kühles Bier. Doch seit jenem Tag, den er seinen Lebtag nicht vergessen würde, waren auch die nachbarschaftlichen Besuche auf ein Minimum reduziert worden. Er konnte einfach nicht vergessen. Konnte sie nicht aus seinen Gedanken verbannen. Die Erinnerung an sie wog schwer und er wünschte sich jeden Tag schmerzlich, dass sie bei ihm wäre.

Während er weiter das Holz für seinen alten Ofen hackte, dachte er daran, wie er hier gelandet war. Eingerahmt von Feldern und dem großen Wald, der sich hinter seinem Grundstück erstreckte. Hier, in der Einsamkeit mitten im nirgendwo. Holzhackend und fröstelnd, den bevorstehenden Winter vor Augen.

Er war nicht unglücklich mit diesem Leben. Er hatte es selbst gewählt. Nur manchmal überkam ihn eine leise Wehmut, wenn er nur mit seinem Hund als Begleiter, durch die Wälder streifte oder abends nach getaner Arbeit alleine vor dem Kamin saß. Es war nicht die Sehnsucht nach seinem alten Leben. Darauf konnte er gut verzichten. Vielmehr wünschte er sich von Zeit zu Zeit menschliche Nähe. Er hatte vergessen, wie lange er schon so alleine in dem kleinen Holzhaus am Rande jeglicher Zivilisation lebte. Waren es drei, vier oder sogar sechs Jahre? Manchmal kam ihm sein altes Leben vor, als sei es eine Fata Morgana. So unrealistisch und weit entfernt. Es spielte keine Rolle, wie lange er schon alleine war, die Tatsache, dass er einsam war, blieb.

Nachdem man ihn angeschossen hatte und er wochenlang im Krankenhaus lag, fasste er den Entschluss, ein anderes Dasein zu führen. Der Anschlag machte ihm klar, dass er sein Leben vergeudete. Genauso war er hier gelandet – auf der Suche nach sich und dem wahren Leben. Doch in seinem Herzen ruhte auch nach all diesen Jahren die stumme Frage:

„Warum sie? Warum nicht ich?“

Er musste ohne sie leben und das war vielleicht die schlimmste Strafe von allen.

Geboren wurde er als Jaden Ruchaud in der kanadischen Provinz Nova Scotia. Die Vorfahren seiner Mutter stammten aus dem englischen Mutterland und sein Vater kam aus Quebec. Jaden wuchs als Einzelkind auf, was zur Folge hatte, dass er überdurchschnittlich verwöhnt war. Er besuchte die besten Schulen des Landes und es war eigentlich geplant, dass er die Anwaltskanzlei seines Vaters übernahm. Doch Jaden entschied sich anders. Während des Jurastudiums auf der University of Toronto lernte er Anna kennen und lieben. Er blieb in Toronto, gründete seine eigene Kanzlei für Wirtschaftsrecht und heiratete Anna. Für Jaden folgten Jahre des monotonen Einerlei und er litt zunehmend unter dem Stress. Während Anna sich in dem Erfolg sonnte, den sie mit ihrer Kanzlei hatten, wurde aus Jaden ein verbitterter und kalter Anwalt. Das Ehepaar fand kaum noch Zeit füreinander. Man traf sich auf unzähligen Cocktailpartys- und Empfängen von Menschen, deren Namen Jaden nicht einmal kannte. Jaden und Anna koordinierten Monat für Monat ihre Terminkalender, um wenigstens einmal die Woche gemeinsam zu Abend zu essen. Selbst das Sexualleben wurde minutiös geplant, jedoch galt diese Absprache nur für den ehelichen Beischlaf. Sowohl Anna, als auch Jaden unterhielten außereheliche Affären. Kurze, lieblose Abenteuer, für echte Gefühle blieb keine Zeit. Er sehnte sich nach ihr. Jaden hätte alles dafür getan, damit sie ihn wieder so ansah wie früher. Aber dieses Leben schien in weiter Ferne zu liegen. Anna war die einzige Frau, die er jemals geliebt hatte. Er konnte es nicht aufhalten. Konnte die Gleichgültigkeit, die sich im Laufe der Jahre einschlich, nicht stoppen. Jaden kämpfte nicht um sie, ließ ihre Liebe verdorren, wie die Orchidee, die seine Mutter ihm schenkte und die ein jämmerliches Dasein auf der Fensterbank in seinem Büro fristete. Seine Sekretärin wagte es einmal, die Blume zu entfernen und in den Müll zu verbannen, aber Jaden befahl, die Orchidee wieder an ihren Platz zu stellen. Die exotische Pflanze erinnerte ihn an seine Ehe. Zu Anfang wunderschön, doch durch zu wenig Pflege und Fürsorge war sie zum Tode verurteilt.

Nach zehn Jahren kam dann letztendlich das Aus. Unüberbrückbare Differenzen, lautete der Scheidungsgrund. In Wahrheit hatte sich Anna in einen anderen Mann verliebt und Jaden einfach sitzen lassen. Sie trennten sich einvernehmlich. Es gab kein Geschrei um Geld oder das Haus. Alle Vermögenswerte wurden gerecht aufgeteilt. Nachdem das Urteil ausgesprochen war, umarmte man sich, wünschte sich alles Gute und ging getrennte Wege. Jaden fühlte nichts. Der Richterspruch ließ ihn genauso kalt, wie die letzten Jahre an der Seite von Anna. Er hatte sie geliebt. Vor langer Zeit.

Sie war ein hübsches, blondes Mädchen aus Beausejour; Manitoba gewesen. Frisch, gesund und unverdorben. Er verliebte sich in ihre blauen Augen und in ihr herzliches Lachen. Ihr kleiner Schmollmund lud zum Küssen ein und Jaden mochte es, dass ihre Brüste in seine Hände passten. Doch mit dem Erfolg veränderte sich auch Anna. Aus dem einst süßen Provinzmädchen war eine knallharte Anwältin geworden, die für einen Gewinn alles tat. Je mehr Reichtum Jaden und Anna anhäuften, desto mehr blieben die Gefühle auf der Strecke. Als sie ihm mitteilte, dass sie die Scheidung wollte, zuckte er nur gelangweilt mit den Schultern. Er hatte es kommen sehen. Irgendwann musste das ja passieren. Er fragte nicht nach dem Warum. Es war ihm schlichtweg egal.

Nachdem Jaden das Haus verkauft hatte, saß er in seiner Kanzlei und dachte über die Vergangenheit nach. Er war fünfunddreißig Jahre alt, besaß Geld, Erfolg und einen Namen, den jeder in der Branche kannte. Doch er fühlte sich leer. Das lag nicht nur an Annas Verschwinden, denn sie konnte diese Leere in den letzten Jahren nicht mehr ausfüllen. Jaden war emotional verkrüppelt. Er hätte alles dafür gegeben, den Trennungsschmerz mit voller Wucht zu spüren. Er wollte schreien, heulen und toben, doch diese Gleichgültigkeit war schlimmer, als alles andere. Jaden nahm an, dass sein Herz nur ein grauer, trostloser Klumpen abgestorbenes Fleisch war, denn genauso fühlte es sich an. Innerlich war er bereits tot, davon war er fest überzeugt.

Je mehr Jaden darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass er ein Leben gewählt hatte, hinter dem er gar nicht stand. Er hasste dieses Dasein voller Oberflächlichkeiten, dennoch wusste er nicht, wie er da wieder herauskam.

Er konnte sich nie etwas anderes vorstellen, als Anwalt zu sein. Oft hatte er seinen Vater zum Gericht begleitet und sich dort wie zu Hause gefühlt. Auch wenn der Vater nie den Erfolg seines Sohnes erlangte, so bewunderte Jaden ihn. Er wollte Jura studieren, das wusste der junge Mann aus Nova Scotia bereits im Alter von sechs Jahren.

Und jetzt saß er hier. In seiner Kanzlei, auf einem teuren Ledersessel, vor einem antiken Schreibtisch, in einem Büro mit seltenen Gemälden und einer Privatbar mit edlen Tropfen. Hinter seinem Schreibtisch befand sich eine große Buntglasscheibe, durch die er auf die Stadt hätte blicken können. Doch die Menschen außerhalb seines Büros, im achten Stock eines viktorianisch anmutenden Gebäudes, interessierten Jaden nicht. Er hockte in seinem Sessel, das Headset am Ohr und führte langweilige Gespräche mit Staatsanwälten und Firmenbossen. Mechanisch und ohne die geringsten Gefühle. Das war sein Job und den beherrschte Jaden aus dem Effeff. Nie stellte er sich das Gesicht eines Anrufers vor. Nie die Frage, was seine Gesprächspartner für Menschen waren. Für Jaden waren sie leere Hüllen, genauso, wie er eine leere Hülle war. Frei von Emotionen und verweichlichten Gefühlen. Als man ihn anschoss, stellte auch Jaden fest, dass er sterblich war.

Plötzlich fühlte er sich unendlich alt. Nicht äußerlich, sondern in seinem Inneren. Ich habe mein Leben vergeudet, dachte er schockiert. Er konnte sich nicht daran erinnern, in den letzten Jahren etwas anderes als einen Anzug und eine Krawatte getragen zu haben. Außer vielleicht ein Tennis, - oder Golfdress. Dabei hasste er Tennis. Er spielte es nur, weil es „schick“ war und weil es jeder von seinen Kollegen spielte. Wann hatte er das letzte Mal ein süffiges Bier getrunken? Jaden kannte sämtliche Weine und Scotchs, aber ein schlichtes Bier? In seinen Kreisen trank man kein Bier, auch wenn Jaden davon überzeugt war, dass der ein oder andere seiner Kollegen denselben Wunsch, nach dem goldenen Hopfensaft verspürte. Der Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Kurzentschlossen drückte er eine Taste seines Telefons und orderte bei seiner Sekretärin ein Bier.

„Aber, Sir“, stammelte sie verwirrt. „Wo soll ich denn ein Bier herbekommen? Und vor allem, was für eins möchten Sie denn?“

„Ganz egal“, gab Jaden unwirsch zurück. „Bringen Sie mir einfach ein Bier.“

Während Jaden in seinem Ledersessel saß und auf sein Getränk wartete, blieb sein Blick an einem der wenigen Familienfotos hängen, die aus seiner Kindheit stammten. Darauf waren er und sein Vater zu sehen. Beide hatten eine Angel in der Hand und hielten stolz ihren Fang in die Kamera. Jaden kniff die Augen zusammen und sah das Foto genauer an. Wo war das nochmal? Er konnte sich kaum daran erinnern. Dann fiel es ihm wieder ein. Es war in den Sommerferien und er war mit seinen Eltern im Wohnmobil quer durch das Land gefahren. Das Bild entstand in Alberta. Jaden fing dort seinen ersten Fisch - und den letzten. Und das, obwohl er unweit vom Meer aufgewachsen war.

Als Jaden auf die High School kam, verlor er das Interesse an Angelausflügen und dergleichen. Er büffelte in jeder freien Minute, nahm an Buchstabierwettbewerben teil und las jedes juristische Buch, welches ihm in die Hände fiel. Er wollte zu den Besten gehören. Nein, er wollte der Beste sein! Und dieses Ziel erreichte er auch. Er stieg wohl als jüngster Anwalt in der Geschichte von Jensen, Rosenberg and Son als Partner auf und nur drei Jahre später gründete er seine eigene Kanzlei. Aber jetzt, über zehn Jahre später, überlegte Jaden, was es ihm gebracht hatte. Wann war er eigentlich das letzte Mal im Urlaub gewesen? Es waren die Flitterwochen nach Maui mit Anna. Diese Erkenntnis traf Jaden wie ein Hammer, der ihm mit voller Wucht ins Gesicht schlug. Ich habe meinLeben vergeudet, fuhr es ihm erneut durch den Kopf. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, sprang er auf, schnappte sich seine Aktentasche und lief aus dem Büro. Seine Sekretärin starrte ihn mit offenem Mund an, als er an ihr vorbeirauschte und lauthals verkündete:

„Ich mache Urlaub.“

Jaden fuhr zum nächstbesten Wohnmobilverkauf und ließ sich beraten. Er dachte nicht daran, sich eins zu leihen. Er besaß genug Geld und er wollte ein Wohnmobil. Nachdem er das Richtige fand, zog er los und besorgte alles für einen ausgedehnten Campingurlaub. Von der Propangasflasche, bis hin zur Angelrute – die neue Ausrüstung ließ keine Wünsche offen. Zwei Tage später saß er zufrieden lächelnd am Lenkrad seines 7,67m langen Slideout Campers und fühlte sich wie der König der Straße. Zum ersten Mal seit langer Zeit trug er etwas anderes als einen Maßanzug am Leib und fand es wundervoll. Das Handy und der Laptop lagen sicher daheim in Toronto. Jaden wollte bei seinem Selbstfindungstrip nicht gestört werden. Keine Karten sollten seinen Weg bestimmen, sondern er fuhr einfach der Nase nach. Sein erstes Bier nach Jahren trank er mit Blick auf die Niagara Fälle und hätte am liebsten laut gejubelt vor Freude. Während sich die Wassermassen in die Tiefe stürzten, benetzte der goldene Hopfensaft seine Kehle. Da Jaden keine Kamera bei sich trug, studierte er jede Einzelheit, um sie auf ewig in seinen Erinnerungen zu bewahren. In seinem Kopf wurde jede Kleinigkeit notiert, selbst die übergewichtige Frau, die in einem gelben Regenmantel auf dem Weg zu den Fällen ausrutschte und auf dem Hinterteil landete. Nie würde er vergessen, wie ein Schwarm Spatzen bei dem Aufprall der dicken Lady erschreckt aus einem Busch flatterte. Er nahm sich Zeit. Es war ein gutes Gefühl, einmal ohne Hetze und Stress zu sein. Nichts und Niemand sollte hinter ihm stehen und ungeduldig mit dem Finger auf eine tickende Uhr zeigen. Seht her, ich bin frei!, wollte er schreien. Nur in den ruhigen Abendstunden überkam ihn manchmal die Angst, zu spontan gehandelt zu haben. Niemand wusste, wo er war. Sein Anrufbeantworter daheim explodierte wahrscheinlich an der Fülle von Nachrichten. Doch wenn Jaden der Grillduft seines selbstgefangenen Fisches in die Nase stieg, vergaß er seine Kanzlei und auch seinen Anrufbeantworter. Es war die richtige Entscheidung, dessen wurde er sich immer mehr bewusst. Zum ersten Mal seit langem konnte er wieder richtig durchatmen, sich auf seine Gedanken fokussieren. Er hatte das Gefühl, vieles versäumt zu haben und wollte alles nachholen. Hin und wieder kam es vor, dass er einfach am Straßenrand stand und sich die vorbeifahrenden Wagen und Trucks ansah. Auch hier benutzte er wieder seine imaginäre Kamera und hielt alles in seinen Gedanken fest. Den aufgemotzten, tiefschwarzen Defender, der mit übergroßen Reifen wie ein Panzer an ihm vorbeirauschte. Oder das klapprige Wohnmobil, bei dem die Heckscheibe über und über mit Aufklebern versehen war. Wenn Engel reisen, scheint stetsdie Sonne, las Jaden und schmunzelte. Den kleinen, kurzen Flirt mit ein paar süßen Collegegirls, die grölend an ihm vorbeifuhren, behielt er besonders gerne in Erinnerung. Mit dem Blick folgte er ihrer Route, bis sie aus seinem Gesichtskreis verschwunden waren. Das war Freiheit. Sich einfach ins Auto setzen und losfahren. Egal wohin. Egal wie weit.

Dann öffnete sich Jaden eine Dose Bier und betrat lächelnd sein Wohnmobil. Er nahm sich diese Freiheit und genoss sie mit jedem Tag mehr.

Er war schon mehr als zwei Wochen unterwegs. Toronto lag weiter hinter ihm und er fuhr Richtung Westen. Sein Ziel waren die Wälder, glasklare Seen und Flüsse, um dort seinen Fisch zu fangen. Jaden brannte darauf, einen Bären oder einen Wolf zu sehen, wenngleich er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er dann reagieren würde. In Alberta besorgte er sich einen Cowboyhut und passende Westernstiefel in Schlangenlederoptik. Er befand, er sähe wie die Helden in seiner Kindheit aus.

„Erinnere ich Sie nicht an Little Joe Cartwright?“, witzelte er, woraufhin der Verkäufer milde lächelte.

Es ist wohl nicht das erste Mal, dass er diesen Witz hört, dachte Jaden amüsiert. Es war ihm egal, ob er lächerlich aussah. Er war stolz auf seinen neuen Hut und beschloss, ihn bei seinem nächsten Gerichtstermin zu tragen. Bei dieser Vorstellung, begann Jaden herzhaft zu lachen. Er bräuchte jetzt nur noch einen Revolver und dann könnte er dem gegnerischen Anwalt ein Duell vorschlagen. Draußen, auf der Straße. Um Punkt zwölf Uhr. Er würde sich wie Gary Cooper im gleichnamigen Film fühlen.

Gutgelaunt, aber etwas unsicher in den neuen Stiefeln, verließ Jaden das Geschäft und fuhr weiter. Immer tiefer in die kanadischen Wälder, die inmitten der Rocky Mountains lagen. Und als er am Abend ein Steak auf seinen Hightechgrill legte, fühlte er sich wie der erste Mensch, der diesen Flecken Erde je betreten hatte. Natürlich war sich Jaden bewusst, dass jeder echte Survivor ein Lagerfeuer entfacht hätte, aber er war nun mal durch und durch ein Stadtmensch und mit seinem Grill mehr als zufrieden. Außerdem, selbst wenn er ein Lagerfeuer hätte machen wollen, er hätte nicht gewusst wie. Jaden setzte es auf seine imaginäre To-do-Liste, wo bereits reiten, nackt baden in einem Bergsee und ein Zusammentreffen mit einem ausgewachsenen Elch, vermerkt war.

Genüsslich biss er in sein Steak, welches er vorher mit Tabasco – Sauce beträufelte und blätterte in den Werbeprospekten des Wohmobilanbieters. Plötzlich kam er sich selbst wie eine Werbefigur vor. Eine dümmlich grinsende Familie stand vor ihrem neuen Motorhome und pries die Vorzüge des wilden Lebens an. All Inclusive. Gasherd, Radio, TV, Kochgeschirr, Bettwäsche, Navigationsgerät. Jaden fühlte sich mit einem Schlag gar nicht mehr so heroisch, sondern verabscheute sich. Er war ein Tourist – nicht mehr. Und jeder sah es ihm an. Er konnte mittlerweile recht gut angeln, doch das Steak stammte nach wie vor aus dem Supermarkt. Angewidert warf er den letzten Bissen des Fleisches achtlos in den nächsten Busch und seufzte. Er war eben doch nur ein verwöhnter Anwalt aus Toronto, der sich ein Haus auf Rädern kaufte, anstatt unter freiem Himmel zu zelten. Der einen propangasbetriebenen Grill besaß, anstatt ein Feuer zu entzünden. Der am nächsten Supermarkt anhielt, wenn er hungrig war, anstatt sich eine Flinte zu besorgen und selbst auf die Jagd zu gehen.

„Du Trottel“, knurrte Jaden. „Was hast du dir nur dabei gedacht?“

Wütend riss er sich den neuen Cowboyhut vom Kopf und schmetterte auch ihn in die Pampa.

Kapitel 2

Jagdausflug

In der Nacht wurde Jaden von einem Geräusch geweckt. Verschlafen versuchte er, es einzuordnen. Es war ein Scharren und Knurren, dann wurde etwas umgestoßen und Jaden saß kerzengerade im Bett. Wölfe, dachte er erschrocken und tastete nach irgendetwas, was er als Waffe einsetzen konnte. Das Einzige was er besaß, war eine Taschenlampe und wieder einmal ärgerte sich Jaden über sich selbst.

„Haut ab, oder ich leuchte euch tot“, brummte er sarkastisch und hätte sich am liebsten geohrfeigt.

Vorsichtig und in der Erwartung, in die blutrünstigen Augen eines Grizzlybären zu blicken, schob er das Rollo am Fenster beiseite und spähte hinaus in die stockdüstere Nacht. Irgendetwas bewegte sich, doch es war zu klein für einen Wolf. Erleichtert atmete Jaden auf. Er schaltete die Taschenlampe ein und leuchtete ins Freie. Der Lichtkegel traf in ein Paar schwarze Knopfaugen und Jaden lachte leise. Waschbären! Und sie machten sich über seine Essensreste her. Auch vor dem weggeworfenen Hut machten sie keinen Halt und fraßen das gute Stück an. Die Gefahr war gebannt und Jaden fuhr sich schmunzelnd durch das dunkelblonde Haar. Er würde in der Früh eine Menge Aufräumarbeit leisten müssen, denn sein Müll lag verstreut in der Gegend herum.

„Und wieder etwas dazu gelernt“, murmelte er, als er sich erneut ins Bett legte.

Am nächsten Morgen wurde das ganze Ausmaß der Waschbärenattacke sichtbar. Um das gesamte Wohnmobil lagen Essensreste, eine zerfetzte Mülltüte und Bierdosen ausgebreitet. Sogar der Grill wurde von den Banditen umgestoßen. Jaden stemmte seine Hände in die Hüften und betrachtete kopfschüttelnd das Chaos.