Mann zu verschenken - Yvonne de Bark - E-Book

Mann zu verschenken E-Book

Yvonne de Bark

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Beschreibung

Eines Nachts, nach dem routinemäßigen Wochenendsex, wird der Enddreißigerin Bea schlagartig klar, weshalb sie sich trotz eines gutbürgerlichen Lebens unwohl fühlt: Sie liebt ihren Mann nicht mehr! Punkt! Aus! Eine Scheidung kommt allerdings nicht in Frage, denn Bea hat keine abgeschlossene Ausbildung, außerdem gibt es da noch diesen leidigen Ehevertrag. Was tun? Um weiterhin seelenruhig und mit allen erstrebenswerten Freiheiten wie die Made im Speck leben zu können, ersinnt sie einen verrückten Gedanken: Ihr Mann bräuchte eine Geliebte ... "Fazit: Humoriger, scharfzüngiger Roman für krisenfeste Paare." SUPERillu Folgeband von "Mann zu verschenken" ist "1001 Date" und der 2. Band einer geplanten Trilogie. Beide frechen Romane können jedoch auch unabhängig voneinander mit Genuss gelesen werden.

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Yvonne de Bark (*1972) ist eine viel beschäftigte Schauspielerin und Autorin. Sie genoss eine Schauspielausbildung in Berlin und Los Angeles. Bekannt und beliebt wurde sie durch ihre zahlreichen TV-Serien-Rollen (u. v. a. Motorradcops, Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei, die RTL Daily-Soap Unter uns in der Rolle der Dr. Pia Lassner (2006 – 2009), Küstenwache, Ein Fall für zwei, Marienhof, Hallo Robbie!, Der Fahnder oder die Darstellung der Liane Fußmann in der Kinder- und Jugendserie Schloss Einstein 2011) und Auftritte in Kinofilmen (Trinity und Babyface, 1994, Zeit des Schweigens, 1996, in weiblicher Hauptrolle im Film FinalCut.com (dt. Titel Suicide, 2001) sowie Mörderischer Plan, 2003).

Das Leben mit ihren beiden Kindern inspirierte sie zu bislang 3 Sachbüchern: Mama-Trost-Buch – Auch andere Mütter erziehen Monster … (Ueberreuter, 2008), Mamas wissen mehr: Das schräge Fachwissen der Mütter (Ueberreuter, 2010), Spielen macht schlau: Spaß ohne Computer & Co (Ueberreuter, 2011). Mann zu verschenken ist ihr erster Roman (Solibro, 2012). Die zweifache Mutter ist sportlich und hält sich fit u. a. mit Triathlon und Kinderweitwurf. Aber auch mit Ballett und Jazzdance hält sie Ihren Körper geschmeidig, so dass u. a. der Playboy zugriff und die Schauspielerin auch einmal hüllenlos zeigte. Yvonne de Bark lebt im Rheinland bei Köln.

Yvonne de Bark

MANN ZU VER SCHENKEN

ROMAN

solibro verlag

1. Yvonne de Bark:

Mann zu verschenken. Roman

Münster: Solibro Verlag 1. Aufl. 2012

ISBN 978-3-932927-50-8 (Broschur)

eISBN 978-3-932927-63-8 (E-Book)

eISBN 978-3-932927-63-8 (E-Book)

© SOLIBRO® Verlag, Münster 2012

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Cornelia Niere, München

Umschlagillustrationen: plainpicture/fStop • RetroClipArt (Männerkopf)

Autorenfoto: www.redpoint.tv/Max-Elmar Wischmeyer

www.solibro.de

Lady Astor sagte einmal zu Churchill: »Wenn Sie mein Mann wären, würde ich Ihren Kaffee vergiften!« – »Wenn Sie meine Frau wären«, antwortete Churchill, »würde ich ihn trinken.«

1

An einem ganz normalen Abend in einem ganz normalen September eines ganz normalen Jahres

»Oooh ... Jaaa ... mmmh ... oh, ist das geil ... Jaaa.« Ich stöhnte, was mein Repertoire hergab. Ich drehte meinen Kopf leicht nach hinten und wagte einen kurzen Blick. Ja, er hatte die Augen geschlossen. Das bedeutete, ich musste nicht mehr das ganze ausgefeilte Programm der begehrenswerten, lasziven, leidenschaftlichen Bettgespielin abspulen. Eigentlich ja schon seit zehn von unseren sechzehn Ehejahren nicht mehr, aber ich tat ihm den Gefallen, dann war er grundsätzlich besser gelaunt.

Während er so hinter mir lag und sein Bauch bei jedem Stoß an meine wohlgeformte Hüfte klatschte, stöhnte ich im Rhythmus mit. Das wiegte ihn in Sicherheit und ich konnte in Ruhe den nächsten Tag durchgehen: Kinder für die Schule wecken. Butterbrote schmieren, obwohl die beiden eigentlich schon viel zu alt dafür waren und ich damit rechnen musste, dass die Brote dekorativ in einem Schulhofmülleimer landeten. Und weil ich dies vermutete, gab ich ihnen noch immer ein wenig Essensgeld mit – »für alle Fälle«.

Danach musste die Buntwäsche gemacht werden, eingekauft, Hemden in die Reinigung gegeben, gestaubsaugt und die im Internet bestellten Stiefel bezahlt werden. Ach ja, und Frau Meising von nebenan bekam noch zwei Eier zurück. Wenn die Brut dann mittags gefüttert war, hatte ich einen Termin im Salon Helga. Ja, mein Gott, ich kann ja auch nichts dafür, dass der so heißt. Aber ich geh’ halt gerne dorthin, weil eine Freundin Geschäftsführerin des Salons ist. Marlene würde mich wieder fragen, wie es mit Marius liefe. Ich würde, wie zuletzt immer häufiger, sagen: »Wenn er doch mal laufen würde.« Wir würden lachen, ich verließe mit neuer Haarfarbe, aber gleichem Schnitt den Salon und Marius würde zu Hause eine Bemerkung über meinen neuen, todschicken Schnitt fallen lassen.

Klatsch, klatsch ... Marius’ Becken klatschte an meinen Hintern. Mann, der ließ sich heute wieder Zeit. Seit er gelesen hatte, dass Frauen angeblich auf einen langen Geschlechtsakt stehen, kam ich unter einer halben Stunde nicht mehr davon. Mit mehreren Stellungswechseln, weil er sonst zu schnell kam. Von diesen verschiedenen Stellungen fand ich rein theoretisch genau eine akzeptabel. Aber dummerweise war die auch für ihn ausgesprochen reizvoll, das bedeutete für ihn ein schnelles Ende – ohne mich.

Auf der gut lesbaren Nachttischuhr mit Leuchtschrift verblieben noch sieben Minuten. Ob wir heute vielleicht ein bisschen früher Schluss machen könnten? Ich lauschte stöhnend dem gleichmäßigen Klatschen und gab Gas. Ich knetete meine Brüste, das machte ihn an. Och, und wenn ich schon dabei war, konnte ich heimlich meine monatliche Krebsvorsorge machen und meine Brüste nach Knoten abtasten.

So, jetzt war es aber wirklich Zeit, zum Abschluss zu kommen. Noch ein bisschen heftiger stöhnen, schneller atmen, heftigere Bewegungen, dann sprang ich schnell vor ihn und reckte ihm meinen Po entgegen. Fertig.

Marius drückte mir einen Kuss auf den Nacken und kuschelte sich an mich. Weil er gelesen hatte, dass Frauen nach dem Sex kuscheln wollen. Kuschel ... Kuschel ... Nach einigen Minuten erschlaffte sein Körper und das gleichmäßige Atmen, das durch das Entspannen seines Gaumensegels in sonores Schnarchen überging, verkündete mir den Eintritt in die wohlverdiente Nachtruhe.

Ich starrte in die Dunkelheit. Nein, schlafen konnte ich noch nicht. Also schälte ich mich aus seinem Arm und schlich aus dem Zimmer. Wie jeden Abend warf ich noch einen Blick in die Kinderzimmer. Zuerst bei Max. Er lag auf dem Rücken in seinem Bett und schnarchte. Na ja, Apfel und Stamm und so weiter. Seit er in der Pubertät war, kam ich in seinem Zimmer nicht mehr einen Schritt voran, ohne die Hilfe eines Schneepflugs in Anspruch nehmen zu müssen. Wehmütig dachte ich an die Zeit zurück, als ich ihm noch einen liebevollen Gute-Nacht-Kuss geben durfte und er mich mit seinen kleinen Ärmchen festhielt. Ich musste mich förmlich herauswinden, was ihn amüsiert aufquietschen ließ. Süßer, kleiner Max. Ich entschied mich, ihm heute einen heimlichen Gute-Nacht-Kuss zu geben. Vorsichtig schob ich seine Schultasche, die Sportschuhe und die leeren CD-Hüllen mit dem Fuß zur Seite und trat an sein Bett. Sanft strich ich ihm über seine Haare. Wenn er schlief, sah er aus wie Papa, nur dass Papa auch im wachen Zustand nie den Eindruck vermittelte, wirklich wach zu sein. Max drehte sich grummelnd weg. Also kein Kuss. War vielleicht auch besser, denn seine eigene Mutter nachts nackt an seinem Bett stehen zu sehen, könnte ihn später unendlich viele Therapiestunden kosten.

Nun öffnete ich leise die Tür zu Chrissys Zimmer. Sie sah wunderschön aus. Ihre langen blonden Haare umrahmten ihr ebenmäßiges Gesicht. Bald würde sie sich zum ersten Mal in einen Jungen verlieben und mich um Rat fragen. Wir würden zusammen shoppen gehen und ich dürfte ihr zeigen, wie man sich dezent, aber effektvoll schminkt. Im Salon Helga würden wir gemeinsam eine neue Haarfarbe aussuchen und ...

Ein lautes Grunzen aus dem elterlichen Schlafzimmer schoss jäh einen Pfeil in meine rosa Wolke und riss mich zurück in die brutale Realität. Puff.

Kurz darauf fand ich mich ernüchtert in meiner Hightechküche wieder. Die meisten Geräte konnte ich nicht mal ansatzweise bedienen. Aber allein die Anwesenheit von Entsafter, Milchaufschäumer, elektronischer Knoblauchpresse und Dampfeierkocher gaben Marius ein Gefühl von Männlichkeit. Oder war der Antrieb seiner Vorliebe für elektrische Haushaltsgeräte insgeheim auf die Hoffnung gegründet, ein Multifunktionsrührknetgemüsezerkleinerer würde sich positiv auf meine Kochkünste auswirken?

Ich öffnete den Kühlschrank. Getränkefach auf. Halbe Flasche Prosecco. Sehr gut. Mich fröstelte. Wenig verwunderlich, stand ich doch in einer kühlen Septembernacht splitterfasernackt in einer gefliesten Küche und hatte eine gekühlte Flasche Alkohol in der Hand. Vielleicht sollte ich mir mal was über ziehen.

»Schahatz, was machst du denn da?« Marius stand oben an der Treppe, auch nackt. Seine Haare standen grauschwarz in alle Richtungen. »Ist dir nicht kalt?« Dabei betastete er sein Gemächt, als wolle er kontrollieren, ob noch alles da war. Musste er auch, denn sehen konnte er sein Geschlechtsteil nicht mehr. Zumindest nicht ohne Spiegel.

»Alles gut, ich lese noch ein bisschen, geh doch wieder ins Bett, ich komm’ gleich.«

Sein Gesicht verzog sich zu einem breitem Grinsen: »Bist du das nicht schon?«. Nö.

Ich schlüpfte in einen Morgenmantel, kuschelte mich aufs Sofa in eine Decke und versuchte, die kleine Leselampe neben dem Sofa zu dimmen. Einmal tippen, an. Zweimal tippen, aus. Und darüber streichen, dimmen. Tipp, Streich, Streeeich, Tipp. Mist!

Nachdem ich ein paar Mal ungewollt Discolicht entfacht hatte, brannte sie endlich in einer annehmbaren Stärke. Jetzt noch ein Kerzchen aus Bienenwachs anzünden, dann war alles perfekt. Ich liebe es, in die Flamme zu starren. Das beruhigt.

2

Bestandsaufnahme

Ich bin eine Frau in den besten Jahren – JA, diesen Satz wollte ich schon immer mal sagen! Wobei ich »beste Jahre« gerne mal etwas näher definieren würde: Ich bin – sagen wir mal großzügig – Ende dreißig, sehe aber immer noch aus wie achtundzwanzig. Na gut, das nimmt mir keiner mehr ab, aber seit meinem dreißigsten Geburtstag feiere ich diesen Tag nicht mehr, das erleichtert auch das Zählen. Ich habe zwei Kinder, die gerade unterschiedlich schnell wachsende Brüste entwickeln und ihre ersten Schamhaare bekommen. Nehme ich jedenfalls mal an, so genau habe ich nicht nachgeguckt. Ich weiß nur, dass ich meinen Nachwuchs nicht mehr alleine erziehe. Fiese kleine Hormone haben die Macht übernommen. Sie zwingen meine Kinder dazu, Dinge zu sagen, die sie eigentlich nicht sagen wollen, und Sachen zu tun, die sie vorher nie getan hätten. Max übte seit einiger Zeit Schultaschenweitwurf, sobald er durch die Tür trat, und hielt es mit der Ordnung und Sauberkeit bedenklich locker. Ständig musste ich ihn ermahnen, sein Zimmer aufzuräumen. Ohne Erfolg. Auf der Terrasse lagen immer noch seine Klamotten vom letzten Sonnenbad und mit seinem Fahrrad schleppte er regelmäßig Berge von Dreck in die Garage. Chrissy war anders. Subtiler. Sie boykottierte ihren Ballettunterricht ohne Angabe von Gründen und diskutierte mit mir über Ausgehzeiten, als würde der Weltfrieden davon abhängen, ob sie eine halbe Stunde später nach Hause kommen dürfte.

Aber das alles gehörte wohl dazu und musste vom liebenden Erziehungspersonal stoisch ertragen werden. Ach ja, und dann gab es da einen weiteren Mitbewohner in meinem Haus. Marius. Eigentlich war es ja SEIN Haus. Ich hatte ja nichts gelernt. Oder konnte man angehende zahnmedizinische Fachangestellte bis zur Geburt des ersten Kindes als »gelernt« bezeichnen? Marius sagte, ich war eine gute Fachkraft. Er konnte das beurteilen, er war schließlich Zahnarzt. Deswegen hatten wir alle gute Zähne.

Wenn ich damals beim Vorstellungsgespräch gewusst hätte, dass ich einmal mit Mordgedanken auf einem Alcantarasofa in einem tollen Haus landen würde, mit zwei Kindern, einem zu fetten Hamster und einer Nachbarschaft, die auch die Steinfliesen ihrer Terrasse staubsaugte, hätte ich vermutlich meinen Augenaufschlag besser unter Kontrolle gehabt. So aber war sofort, als ich Marius zum ersten Mal in seinem Besprechungsraum gegenüber saß, unausgesprochen klar, dass wir im Bett landen würden. Taten wir aber nicht. Wir landeten auf der Behandlungsliege. Und daneben. Und darunter. Und im Labor neben dem Waschbecken. Es ist schon eine skurrile Situation, wenn einen beim Orgasmus ein Gebiss vom Tisch angrinst.

Ich war aber auch ein – wie sagt man – »ziemlich heißer Feger«. Hui. Und »kein Kind von Traurigkeit«. Auf jeden Fall war ich mir meiner Reize sehr wohl bewusst. Und weil die finanzielle Sicherheit, die Marius mir bieten konnte, meiner Lebensplanung ziemlich entgegen kam, wusste ich diese Reize auch an richtiger Stelle einzusetzen. Alles war perfekt. Ich schmückte sein Ego mit meinem grandiosen Aussehen, schlagfertigem Witz und flinker Zunge – und er gab mir das, was ich von einem Mann erwartete: Geld, regelmäßige Penetration, er kannte sich mit Papierkram aus und als Kirsche auf dem Sahnehäubchen gab es sogar Liebe.

Zu Anfang war es eine leidenschaftliche Affäre. Nach Praxisschließung. Manchmal auch fünf Minuten vor Öffnung. Marius warf seine Cordhose in den Altkleidersack, rasierte sich auch am Wochenende und duftete wie ein Zwölfender in der Brunftzeit. Er WAR Testosteron pur. Es drang ihm aus jeder Pore. Wenn er mich mit seinen weichen, kräftigen Händen berührte, dann erbebte mein ganzer Körper vor Erregung. Er benutzte Kokosnussbodylotion, damit er für mich samtweiche Haut bekam. Er beschenkte mich mit süßen Schlüsselanhängern, klebte mir kleine Herzen an den Praxiscomputer und an meinen alten Golf. Er trug die Frisur so, wie ich es gut fand, und am Wochenende gingen wir in die Sauna.

Dann kam seine Frau hinter unsere Affäre. Eine nette Frau. Ein bisschen einfach vielleicht. Er hatte sie in der Uni kennengelernt. Sie war für die kleinen Reparaturen im Gebäude zuständig und ihre Aufläufe waren legendär. Weil sie sich bei einem »Tote-Hosen-Konzert« in eine Polizistin verliebt hatte, war sie gar nicht so unglücklich über die neu gewonnene Freiheit.

Als Marius direkt vom Scheidungstermin zu mir in meine kleine Zweizimmerwohnung kam, hielt er mich ganz lange fest im Arm. Ich spürte, wie sich sein Körper allmählich entspannte. Dann löste er sich, blickte mir fest in die Augen und sagte: »Ich liebe dich.« Seine Hand wanderte über meinen Arm hinunter zu dem inzwischen merklich gewölbten Bauch, den er streichelte und ihm liebevoll einen Kuss gab.

Es war unglaublich. Er zog sofort zu mir, wir bauten uns ein kleines, kuscheliges Liebesnest. Die ersten Tage verbrachten wir nur im Bett. Zum Essen schlich er sich in die Küche und presste ein paar Orangen mit seinen unglaublich zärtlichen Händen, bis sie unter seinem Charme all ihren Saft abgaben. Morgens briet er Bacon für mich und abends gab es die 64, die 8, die 27 süßsauer und zwei Mal Frühlingsrolle vom Chinesen gegenüber. Dazwischen gab es die 7, die 86 und die 249 aus dem Kamasutra.

Nach einer Woche mussten wir wieder arbeiten. Mein Bauch störte bald beim Sitzen, beim Stehen war er zu schwer und die Treppen mussten mich meine Kollegen hinaufschieben. Ich platzte schier aus allen Nähten, Still-BHs statt Spitzenwäsche und Oberschenkel wie das Michelin-Männchen. Lang konnte es nicht mehr dauern.

Es war so schön! Eines sonnigen Sonntags entführte mich Marius zu einer alten Burgruine. Wir wollten uns die Ritterspiele ansehen. Wir liebten das beide so sehr. Was war das für eine Zeit, in der ein Wort noch ein Wort war und in der es glänzende Goldstücke in Kisten gab. Vor allem die Ritter in ihren polierten Rüstungen, die allein für die Ehre bereit waren, ihr Leben zu lassen.

Eigentlich eine romantische Vorstellung. Aber Romantik hat ihren Preis: 1542 Meter für 220 Höhenmeter mit einer maximalen Steigung von 20 Prozent. Nach 75 Metern machte ich schnaufend die erste Pause, nach weiteren 180 Metern verfluchte ich Marius und seinen Samen und 240 Meter vorm Ziel hätte ich mich am liebsten scheiden lassen, auch wenn wir noch gar nicht verheiratet waren.

Marius ermunterte mich, zog mich ein Stück oder schob mich ein Stück, wenn niemand zusah. Er gab mir den letzten Schluck aus der 250 ml Flasche Wasser zu trinken und erzählte immer wieder vom »letzten Mal, das wir möglicherweise so etwas ohne Kind unternehmen könnten«.

Touché. Natürlich waren fast alle Plätze schon besetzt, als wir endlich am Ziel ankamen. Ich steuerte verschwitzt und schnaufend geradewegs auf einen guten Sitzplatz am Rande zu, damit ich ohne Umstände auf die Toilette verschwinden konnte. Unser ungeborener Sohn fand es nämlich lustig, regelmäßig mit seinem Fuß in meine Blase zu treten. Aber zu früh gefreut. Marius deutete auf die erste Reihe, direkt hinter der hölzernen Absperrung, die den sandigen Showplatz vom Zuschauerbereich trennte.

»Entschuldigung, dürfen wir mal? Entschuldigung, tut mir leid. Verzeihung.«

Jedem Dritten, der die Beine höflich einzog, um uns durchzulassen, streifte ich mit meinem riesigen Bauch die Nase. Ja, was denn? Hätte ich denen vielleicht meinen Elefantenhintern ins Gesicht drücken sollen?

Marius wirkte nervös. »Renn doch nicht so«, rief er und versuchte, mit mir Schritt zu halten. Aber ich ließ mich nicht aufhalten und rollte wie eine Dampfwalze durch die Reihe. Das einzige, was ich wollte, war mich hinsetzen, etwas trinken und vor allem nicht mehr im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen. Ich drängelte meinen Bauch und mich an zwei älteren Herrschaften vorbei, um auf den freien Platz neben der »Königsloge« zu kommen.

»Jetzt komm endlich!«, herrschte ich Marius an. Der ältere Herr, der gerade meinen Bauchnabel unter seiner Nase hatte, guckte mich wie versteinert an. Seine Gattin zupfte ihn am Jackenärmel. Ich ließ mich neben ihm auf die Bank plumpsen, holte ein Taschentuch heraus und fummelte es mir unter dem T-Shirt in die Achseln. Das hatte ich mir so angewöhnt, seit ich mehr schwitzte als ich trinken konnte. Das half! Gut sogar.

Marius setzte sich zwischen den älteren Herrn und mich. »Warum habt ihr denn nicht die Seilbahn genommen?«, zischte Marius’ Sitznachbar ihm zu. Seine Gattin hielt sich verstört ein Stofftaschentuch unter die Nase, wohl um aufsteigende Gerüche abzuwehren. Hey, ich stinke nicht, ich schwitze nur! Und überhaupt, wie kam der Mann dazu meinen Freund zu duzen?

»Hey, was duzen Sie meinen Freund?«

Schwangerschaftshormone können einem nicht nur den Bauch, sondern auch ganz schön das Gehirn aufblasen. In dieser Leere zwischen den Schädelplatten schwirrten eigentlich australopithekische Sätze herum wie: »Was gucksu, ey, hau isch disch in Fresse, Opfa!« Aber auf diesem Niveau sollten sich andere tummeln. Ich hatte noch genügend Selbstbeherrschung.

Der ältere Herr antwortete so gelassen, wie ich es mir von meinem eigenen Vater auch erwartet hätte: »Wenn mein Enkel da ist, hoffe ich, dass du ihn auch duzen wirst.«

Synapsenoverload. Was wollte der? Was wollte ich denn mit seinem Enkel? Der Alte hatte sich offensichtlich von seinem Betreuer davongestohlen. Ich blickte genervt in die entgegengesetzte Richtung, damit ich weiteren wirren Kommentaren entgehen konnte.

»Darf ich vorstellen: mein Papa.« Marius deutete auf den älteren Herrn. »Meine Mama.« Nun zeigte er auf dessen Gattin, die inzwischen das Tuch heruntergenommen hatte und mich bemüht anlächelte. Scheiße.

Mein Bauch zog sich zusammen. Geburtsvorbereitende Kontraktionen. Nichts Beunruhigendes. Marius, dieser Schatz, fragte fürsorglich, ob ich etwas trinken möchte. Klar, eine Maß vom besten Oktoberfestbier und hinterher einen doppelten Jägermeister. Oder besser gleich den Jägermeister. Prost.

Ich entschied mich für einen halben Liter Wasser ohne Kohlensäure, denn ich wusste, durch Kohlensäure entströmten Angst einflößende Geräusche aus meinem Gesicht. Und ich musste ja nicht noch unnötig die Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Marius verschwand und ich blieb alleine mit seinen Eltern zurück. »Papa« lächelte mich ab und zu an, aber »Mama« schien irgendwie betrübt zu sein. Wenn sich zufällig unsere Blicke trafen, lächelte sie gequält. Ich lächelte gequält zurück.

Die Show begann. Ein halbes Dutzend Ritter galoppierten über die Fläche und stellten sich jeweils an den Seiten nebeneinander auf. Die ersten ritten mit ihren gesenkten Stangen aufeinander zu. Der eine fiel, vom angedeuteten Schlag getroffen, theatralisch zu Boden. Applaus. So auch die nächsten beiden Ritter. Ich reckte meinen Hals zum Getränkestand, aber kein Marius zu sehen.

Das Pferd des nächsten Ritters tänzelte nervös. Dessen Rüstung schien zu groß ausgefallen zu sein und das Visier schlug beim Galopp immer auf und zu. Blöde Show. Schlechte Stuntmen. Der Wackeldackel stieg mehr vom Pferd als dass er vom bösen, schwarzen Gegner hinuntergestoßen wurde, rappelte sich auf und zog sein Schwert. Der schwarze Ritter fuchtelte mit seinem Morgenstern und schlug mit großem Gebrüll in sicherem Abstand neben dem Dackel in den Sand. Der Dackel trat unbeholfen hin und her, schwang sein Schwert ein paar Mal und gab dem Schwarzen einen Hauch von Tritt gegen den Brustpanzer. Der torkelte schwer getroffen und aus dem Gleichgewicht gebracht nach hinten und blieb auf dem Rücken liegen. Dackel sprang herbei und setzte ihm sein Schwert an den Hals. Nun folgte der Blick zum König. Dieser nickte huldvoll und Dackel zog das Schwert vom Hals des schwarzen Ritters zurück. Applaus! Na ja.

Während sich Dackel in seiner Rüstung vor den König schleppte, niederkniete und sein Schwert in Richtung des Herrschers ausstreckte, fasste ich mir genervt an den Bauch. Au. Der König legte einen kleinen Kranz mit einer gelben Schleife auf die Spitze des Schwertes und erklärte: »Nun wähle deine Braut!« Der Angesprochene stand auf, seine Rüstung quietschte. Er schritt am Publikum entlang. Ich und alle anderen fuhren unsere Teleskophälse aus, um zu sehen, wo die kostümierte Angebetete zwischen den Zuschauern versteckt war. Mein Augenlid begann zu zucken, eine unbewusste körperliche Reaktion auf unerwartete Situationen außerhalb meiner Kontrolle. Das war so etwas wie mein ganz persönliches Echolot, das den versteckten Felsen unter der Wasseroberfläche ankündigte, mit dem in wenigen Augenblicken das Schiff havarieren würde.

»Mama« nestelte nervös an »Papas« Jackenärmel. »Papa« tätschelte ihr beruhigend die Hand.

Der Dackel schritt weiter und blieb plötzlich vor mir stehen. Oh nein. Ich guckte zwischen meine Beine. Oh nein. Umständlich schob er sein Visier hoch. Marius. »Oh nein.« Alle starrten mich an. Er warf mir den Kranz über die Absperrung hinweg zu, und der landete direkt in der Pfütze zwischen meinen Füßen.

3

Aber dann ...

Zweiundzwanzig Stunden später begann mein Leben als Hausfrau und Mutter. Max war geschlüpft, Marius wurde vom rassigen Liebhaber zum Arbeitstier und ich ließ mir meine Brustwarzen von einem immer hungrigen Babymund zerfleddern. Die Wochenenden verbrachten wir als Kleinfamilie auf Spielplätzen oder in Zoos. Völlig irre, denn ein Kinderwagenkind ist im Zoo eher für die Tiere interessant als andersherum.

Dann kam Brustwarzenzerfledderer Nummer zwei. Nun war ich mit zwei Kindern, Windeln und Haushalt vollauf beschäftigt. Als Marius eines Tages während einer Urlaubsvertretung zu einem Notfall musste, änderte sich auch unsere finanzielle Situation. Von diesem Tag an behandelte mein Mann die gesamte Prominenz der Stadt – und sogar von weiter her rannten ihm die zahnschmerzgeplagten VIPs aus Wirtschaft, Politik und Showbusiness die Praxis ein, um in den Genuss seiner heilenden Hände zu kommen.

Mein ehemals liebevoller, fürsorglicher Ehemann hatte sich im Lauf der Jahre total verwandelt. Und leider nicht zum Guten. Bin ich Opfer einer Midlife-Crisis? Oder das einer Verschwörung! Dieses Schnarchen, das vor vielen Jahren noch so süß und niedlich geklungen hatte und beim ersten zärtlichen Stupsen sofort verstummt war, hatte sich in nächtliche Rundgänge durch ein Sägewerk verwandelt. Der Kronkorken, der anstatt im Mülleimer auf dem Tisch darüber liegen blieb, offene Toilettendeckel – und von offenen Zahnpastatuben ganz zu schweigen. Oh nein, hatte ich das gerade gedacht? Hatte ich mich gerade über eine »offene Zahnpastatube« beschwert? Das wollte ich doch nie. Ich wollte doch immer diejenige sein, die das alles mit einem jovialen Lächeln wegsteckt. Über Ehekräche wegen »offener Zahnpastatuben« hatte ich mich bei meinen Freundinnen doch am meisten lustig gemacht. Na ja, es waren ja auch nicht die Zahnpastatuben allein, es waren vielmehr die Schuhe, die nie nebeneinander an ihrem Platz standen. Es waren die wirklich nervenden Dinge wie Brottüten, die nicht verschlossen wurden. So trocknete das Brot doch viel schneller aus! Eine Wurstverpackung, die leer wieder in den Kühlschrank geräumt wurde, anstatt entsorgt zu werden. War das so schwer??? Und vor allem – Achtung: die Cordhosen, die nach drei Jahren Ehe wieder hervorgekramt wurden. Weil sie doch so schön bequem waren!

Die Kerze war mittlerweile zu einem Drittel heruntergebrannt. Ich musste vorankommen. Schließlich wollte ich mir nicht die ganze Nacht ohne Ergebnis um die Ohren schlagen. Also: WAS störte mich wirklich an meinen Mann, wie er heute war? Die stetig zunehmende Körperfülle eines ehemals durchtrainierten Adonis? Warum tat er fast gar nichts mehr für seinen Körper? Ich schubste ja schließlich auch ständig Gewichte durch die Luft und rannte wie blöd durch den Wald, um ein bisschen fit und knackig zu bleiben.

Dann war da noch seine plötzliche aufgekommene Abneigung gegenüber Wasser. Marius duschte in letzter Zeit wirklich nur noch, wenn er unbedingt musste. Haare waschen lohnte sich nicht mehr, die lichteten sich ohnehin schon ein bisschen. Das abendliche Fernsehprogramm wurde getrennt geguckt, denn während ich mich zu meiner Schande an anspruchslosem Unterklassen-TV ergötzte, mussten bei der zweiten Person, die abendlich eine Kuhle in immer die gleiche Stelle des Sofas drückte, Personenkraftwagen durch die Luft fliegen und ein Bodycount (Anzahl der Leichen im Film) von mindestens zwanzig zur Konsumierung locken.

Es war nicht zu leugnen: Ich hatte versagt. Ich hatte versagt bei der Umerziehung des Liebhabers zum Ehemann. Das hatte ich nun davon: Ich hatte ihn herunter gewirtschaftet. Und jetzt? Jetzt musste eine Entscheidung her. Ich wollte nicht den popeligen Rest meines Lebens damit verbringen, mich über liegen gelassene Socken und schmutzige Waschbecken aufzuregen.

Eine Paarberatung – das konnte vielleicht die Lösung sein. Im Geiste ging ich mal eben den möglichen Ablauf einer Therapie durch. Also, da kommen wir in ein Besprechungszimmer mit einer Couch, eine nette Frau, die gerade in dritter Ehe geschieden lebt, hört uns aufmerksam zu, während wir unsere Beziehungsprobleme darlegen. Dann wird sie nach unserem Sexualleben fragen, und spätestens da müsste ich lügen. Schließlich sollte die Therapie dazu dienen, dass wir wieder zusammenkamen und nicht, dass er für den Rest seines Lebens keinen mehr hochkriegte. Das wäre also die erste, kaum zu um schiffende Klippe.

Bestimmt wäre eine weitere Frage, ob die Kinder unsere Beziehung belasteten und ob wir noch Zeit für uns hätten. Hm ... Ja ... Nein.

Am Ende von siebenundzwanzig nervenaufreibenden Sitzungen würden wir schließlich Händchen haltend aus dem Zimmer schweben, weil wir uns endlich mal alles gesagt hätten. Wir würden uns zum Abschied auf dem Parkplatz einen Kuss geben, dann stiege jeder in sein eigenes Auto, Marius, um in die Praxis zu fahren und ich zu Marlene, um meine Haare färben lassen.

Eine Putzfrau hätte, zumindest oberflächlich besehen, einige Probleme lösen können. Aber Marius wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen, diesen Kostenfaktor zu übernehmen, so lange ich den Großteil meiner Zeit im Haus verbrachte und selbst alle notwendigen Tätigkeiten ausführen konnte. Doch selbst, wenn eine Putzfrau einen Teil meiner Ärgernisse beseitigt hätte, was mich an meinem Leben wirklich störte, wäre damit nicht beseitigt gewesen. Ein Problem bliebe unlösbar bestehen: Ich liebte ihn nicht mehr. Diese erschreckende Erkenntnis traf mich plötzlich wie ein Donnerschlag: Ich liebte Marius nicht mehr.

Ja, ich liebte ihn wirklich nicht mehr. Ich fühlte mich allein, auch wenn er zu Hause war; ich nahm den allwöchentlichen Sex nur noch rudimentär wahr, wie ein pflichtmäßiges Ritual, anstatt ihn zu genießen und zu leben. An echte Höhepunkte war schon lange nicht mehr zu denken.

Abends versorgte ich meinen Mann meistens mit Tiefkühlkost, das ging am schnellsten, und er fand diese Gerichte genau so lecker wie ein liebevoll zubereitetes Drei-Gänge-Menü. Ich verbrachte mehr Zeit mit meinen Freundinnen als mit Marius, und lachen konnte ich schon lange nicht mehr mit ihm. Früher hatten wir uns gegenseitig aus Büchern vorgelesen, wie romantisch. Heute schaute ich mir alleine Mittagsmagazine im Fernsehen an und las die »Bunte« im Lesezirkel des Friseursalons. Früher hatte ich es nicht erwarten können, nach Hause zu kommen und zu wissen, dass er da war. Auch dieses Gefühl war weg. Unwiderruflich. Puff.

In diesen Minuten traf ich eine Entscheidung, deren Auswirkungen ich zu diesem Zeitpunkt nicht im Geringsten abzuschätzen wusste: Ich musste mich von Marius trennen. Erst dann und nur dann wäre ich frei und könnte vielleicht sogar andere Männer treffen, die mein ziemlich angekratztes Ego wieder aufpolieren würden. Dann könnte ich endlich auch wieder das TV-Programm nach meinen Vorstellungen gestalten, ich wäre niemandem mehr Rechenschaft schuldig, weder über das, was ich tat, noch über das, was ich nicht tat.

Wie oft hatte Marius mich schon genervt, ich solle doch wieder arbeiten gehen oder mir ein Hobby suchen. Hallo? Ich hatte Hobbys! Ich ging unheimlich gerne in die Stadt und informierte mich über die neueste Mode. Und wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Energie Körperpflege inklusive der von Hand- und Fußnägeln in Anspruch nimmt, dann kann man auch verstehen, dass ich manchmal schon nachmittags die Zerstreuung über das Fernsehen suchte. Überhaupt finde ich, dass das Fernsehen unterschätzt wird. Marius sagte, dass ich nur »Müll« gucken würde, aber das stimmte nicht. Ich lernte sehr viel beim Fernsehen. Wenn man allein die Gerichtsshows verfolgte ... oder die Realitysendungen. Das war REAL, das musste man sich mal vorstellen! Was ich auch gerne sah, war »Das perfekte Dinner«. Also, was die manchmal kochten! Und wie’s bei denen aussah! Am meisten lernte ich aber beim Schauen von Magazinen: ob Butter bei Aldi oder Lidl billiger war, wie man eine unscheinbare Sekretärin in einen Schwan umstylte und welche Körbchengröße in den USA momentan Starlets am ehesten zum Ruhm verhalf. Ich informierte mich eben.

Aber Marius fand das doof. Er fand, das sei unter meinem Niveau. Er fand sowieso an allem etwas auszusetzen. An allem. Aber er würde es niemals offen aussprechen. Nein, das machte er subtiler: »Ich hab dann mal den Müll rausgebracht. Ich hab dann mal eingekauft. Ich hab dann mal die Küche aufgeräumt.« Applaus.

Ich wollte keine subtilen Vorwürfe mehr und ich wollte nicht mehr Standing Ovations machen müssen, wenn er mal den Trockner eingeschaltet hatte. Ich wollte wieder atmen können. Wenn Marius weg wäre, dann wäre ich glücklich. Bestimmt.

Was böte mir das Leben nach Marius? Würde ich fortan auf Ü-40-Partys gehen? Und dort auf schrecklich verzweifelte Männer treffen, die ein leichtes Opfer wären? Singlemänner über vierzig waren prinzipiell indiskutabel, denn es gab immer einen guten Grund, warum sie Single waren. Entweder waren sie beziehungsgestört – oder noch verheiratet und hatten den Ehering nur für den Partygang abgestreift. Das eine war so wenig akzeptabel wie das andere.

Außerdem – einmal abgesehen von der Tatsache, dass ich den Rest meines Daseins alleine verbringen würde: Ich müsste mir einen Job und eine Wohnung suchen und mir schlimmstenfalls einen komplett neuen Freundeskreis aufbauen. Die Toilettenspülung dürfte ich künftig wieder selber reparieren, und wenn der »Router« spinnen würde, wäre ich endgültig verloren. Mein Computer und ich, wir waren nur so lange beste Freunde, wie er keine Gegenwehr leistete.

Und die Kinder? Die Mäuse würden eine Trennung nicht verkraften, sie würden schnell drogenabhängig und uns später teure Rechnungen für Psychotherapiestunden unter die Nase halten. Und sie könnten sich jederzeit darauf berufen, dass Scheidungskinder für ihre verkorksten Leben keine Verantwortung trügen; der sofortige Schulabgang würde nur der Anfang sein.

Ich zog die Decke enger um mich. Mich fröstelte. Das waren alles keine guten Aussichten.

Die Zeiger der Kuckucksuhr aus dem Schwarzwald schoben sich auf drei Uhr. Die Kerze war schon lange aus. Auf dem Tisch hatte sich eine Pfütze Wachs gebildet. Billige Importware. Zeit ins Bett zu gehen.

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Montag. 6:45 Uhr.