Männer sind wie Erdbeereis - Mia Voss - E-Book
SONDERANGEBOT

Männer sind wie Erdbeereis E-Book

Mia Voss

4,8
4,99 €
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kann denn Liebe Sünde sein? Nein! Aber wie sieht es mit Sex aus? – „Männer sind wie Erdbeereis“ von Mia Voss jetzt als eBook bei dotbooks. „Tausche Vollidioten gegen neues Leben!“ Conny hat die Nase voll von ihrem Ex und fängt noch einmal ganz von vorne an: in einer anderen Stadt mit einem neuen Job – und bitte ohne Liebeskummer! Zugegeben, ihr Chef ist eine Sünde wert … aber Vorgesetzte sind natürlich tabu. Das findet auch Connys neue Freundin Irene. Dabei nimmt die es mit der Moral ansonsten nicht so genau: Sie arbeitet für eine exklusive Begleitagentur. Die Herren buchen ein Abendessen oder ein Date. Danach muss nichts passieren – aber alles ist möglich. Und auf einmal stellt Irene die herausfordernde Frage: „Willst du es auch einmal probieren?“ Kann Conny das? Männer treffen, sie genießen wie ein Erdbeereis und dann einfach vergessen? Nun … einen Versuch ist es auf jeden Fall wert! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Männer sind wie Erdbeereis“ von Mia Voss. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 409

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
14
4
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

„Tausche Vollidioten gegen neues Leben!“ Conny hat die Nase voll von ihrem Ex und fängt noch einmal ganz von vorne an: in einer anderen Stadt mit einem neuen Job – und bitte ohne Liebeskummer! Zugegeben, ihr Chef ist eine Sünde wert … aber Vorgesetzte sind natürlich tabu. Das findet auch Connys neue Freundin Irene. Dabei nimmt die es mit der Moral ansonsten nicht so genau: Sie arbeitet für eine exklusive Begleitagentur. Die Herren buchen ein Abendessen oder ein Date. Danach muss nichts passieren – aber alles ist möglich. Und auf einmal stellt Irene die herausfordernde Frage: „Willst du es auch einmal probieren?“ Kann Conny das? Männer treffen, sie genießen wie ein Erdbeereis und dann einfach vergessen? Nun … einen Versuch ist es auf jeden Fall wert!

Die Autorin:

Mia Voss liebt es schon seit ihrer Kindheit, Geschichten zu erzählen. Seit 2004 arbeitet sie als freiberufliche Autorin. Sie lebt – gemeinsam mit ihrer Teenagertochter – in Baden-Württemberg.

***

Originalausgabe Februar 2015

Copyright © 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Julia Abrahams

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von Layland Masusa / shutterstock

ISBN 978-3-95520-891-2

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weiteren Lesestoff aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort Männer sind wie Erdbeereis an: [email protected]

Gerne informieren wir Sie über unsere aktuellen Neuerscheinungen und attraktive Preisaktionen – melden Sie sich einfach für unseren Newsletter an: http://www.dotbooks.de/newsletter.html

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.twitter.com/dotbooks_verlag

http://gplus.to/dotbooks

http://instagram.com/dotbooks

Mia Voss

Männer sind wie Erdbeereis

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Es ist schwierig: Erdbeere oder Vanille, Mango-Maracuja, Heidelbeer-Joghurt … Und wie heißt noch gleich diese merkwürdige blaue Paste? Schlumpfeis? Igitt. Ich bin unschlüssig wie immer, aber das ist nichts Neues. Ich liebe Eis. Und ich hasse Eis. Weil ich mich nicht entscheiden kann. Am Ende nehme ich doch dasselbe wie immer.

»Ein Spaghettieis, bitte.«

Ich liebe es, wenn die Sahne unter dem zu langen Nudeln gequetschten Vanilleeis gefriert, zusammen mit der fruchtigen Süße der Erdbeersoße. Dass ich Zahnschmerzen von den weißen Schokoladenraspeln bekomme, ist mir egal. Das nehme ich in Kauf.

Vor mir türmt sich der cremefarbene Gipfel auf, die rote Soße glänzt, und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Lecker!

Weil ich nicht gut darin bin, im Gehen zu essen, nehme ich Kurs auf die pastellgelben und rosafarbenen Stühle unter den Sonnenschirmen. Sonnenschirme, ha! Sollen die nicht beschirmen? Die Sonne steht tief und blendet mich. Ich nicke mir die Sonnenbrille vom Kopf auf die Nase und lasse mich auf einen Stuhl fallen. Der kurze Rock rutscht hoch, und meine Oberschenkel treffen auf heißes Plastik. Verdammt! Ich unterdrücke einen Fluch. Das Mädchen, das gerade am Nebentisch Platz nehmen wollte, nicht: Sie schreit, springt im Affekt auf, knallt mit den Beinen gegen den Tisch. Es scheppert, klappert, klirrt. Sie flucht noch mehr. Ups.

»Madre mia!« Der Kellner stürmt herbei, lässt mich ein schlechtes Gewissen bekommen, weil ich mit einem Mitnehm-Eisbecher an einem der Tische sitze. Er funkelt das Mädchen an, das schockiert auf das Eischaos am Boden schaut. »Was hasse du da gemacht!«, jammert er und beachtet mich zum Glück nicht.

Ich beobachte fasziniert, wie er seine italienische Seite herauskehrt, die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und ein wahres Spektakel veranstaltet. Madre mia, denke ich, was hat sie da nur wieder gemacht? Und lecke an meinem Löffel. Sahne, Vanille, Erdbeere. Ich bin im Eishimmel.

Warum eigentlich, überlege ich weiter, tragen moderne Eiscafékellner keine schicken Uniformen mehr, mit gestreiften Hemden und Fliege, wie in den Fünfzigern? Wo sind die eleganten und exotischen Männer hin mit den feurigen Augen und dem angeborenen Charme? Der hier hat ein Schmerbäuchlein, das er unter einem ausgewaschenen Poloshirt mit dem Aufdruck ›Venezia‹ sowie einer roten Schürze nur schlecht versteckt. Welche Frau lockt so einer noch in ein Eiscafé? Hier träumt bestimmt keine mehr von den glutvollen italienischen Blicken des Eisverkäufers? Wo sind die aus Träumen geborenen Verlockungen für das weibliche Geschlecht? Enttäuscht lecke ich erneut an meinem Löffel.

Okay, dieses Eis ist die Antwort, deswegen kommt man hierher. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich liebe Spaghettieis. Meine Zunge erlebt wahre Orgasmen, während ich mich daran hindere, einfach alles auf einmal herunterzuschlingen. Mama sei Dank, habe ich aber eine gute Kinderstube genossen, und ich benehme mich. Hach, bin ich langweilig. Danke, Mama.

Für einen Moment überlege ich, ob ich, wenn ich die Wahl hätte zwischen Männern und Eis …? Da fällt mein Blick auf ihn.

IHN!

Der nächste Blick gilt meinem Rocksaum. Wie weit ist der hochgerutscht?

Mit dem dritten Blick überprüfe ich mein Dekolleté. Habe ich gekleckert? Nein, alles okay.

Zum Glück trage ich die Sonnenbrille, denn so kann ich nun ganz ungeniert wieder den Mann betrachten.

Ja, es lohnt sich, madre mia! Er erwidert den Blick. Mir wird augenblicklich heiß, aber das kommt bestimmt von der Sonne, die mich voll anstrahlt. Keineswegs von diesen Augen, die ebenfalls strahlen, genau in meine Richtung. Himmel, seine Augen! Ich reiße mich los von diesen blauen Scheinwerfern und scanne den ganzen Typ. Schick! Sexy! Haben will!

Verzögert fällt mein Blick auf seine Begleitung. Mist, er hat eine.

»Was ist das hier für ein Kaff«, mault sie und stochert deutlich missgelaunt mit langen lackierten Krallen in ihrem Eisbecher herum. »Hier gibt’s noch nicht mal Diäteis. Und Zitrone schmeckt echt scheiße.«

Ich kann sehen, wie er heimlich die Augen verdreht, und ich gönne es mir, genüsslich einen Löffel mit einer Million Spaghettieis-Traumkalorien zu füllen und ihn betont langsam in den Mund zu führen. Bilde ich mir das ein, oder haben sich seine Pupillen gerade geweitet? Durch die dunklen Gläser bin ich mir nicht sicher, aber allein der Gedanke gefällt mir, und ich muss grinsen. Er grinst. Sie nicht. Sie wirft ihre hellblonde Mähne zurück und mir einen giftigen Blick zu. Dann steht sie auf. Ihr Rock ist im Stehen kürzer als meiner im Sitzen.

»Ich wasch mir die Hände, und dann will ich gehen«, mault sie und stöckelt davon.

Is’ gut, Mausi, denke ich und schiebe meinen nun leider leeren Becher zurück. Ich überlege. Soll ich? Vielleicht noch eine Kugel Erdbeereis? Extra? Sozusagen als Nachspeise. Denn Erdbeereis liebe ich fast noch mehr als Spaghettieis, diese fruchtige Süße, diese kühle Versuchung von Sommer und Sonne … und manchmal – aber auch wirklich nur manchmal – gönne ich mir noch eine Kugel.

Ich frage mich, ob Frauen wie Miss Diäteis bei ihrem Verzicht auf alles Leckere nicht die Freude am Leben fehlt. Apropos Freude – ich betrachte nochmals den Mann, der sich jetzt zurückgelehnt hat und mich über sein Smartphone hinweg anlächelt. Ob dieser Hungerhaken von Frau wohl Spaß im Bett hat? Kann die sich gehenlassen und richtig genießen? Niemals. Zumindest nehme ich das als Ausrede, mir hin und wieder etwas zu gönnen. Eis zum Beispiel. Wenn sonst nichts Leckeres verfügbar ist.

Aber auch für mich ist es jetzt Zeit zu gehen, direkt an seinem Tisch vorbei. Elegant stehe ich auf – ja, das kann ich –, beuge mich zu ihm herunter und wispere: »Ist das deine Schwester? Als Freundin wäre sie ja eine echte Katastrophe.«

Nein, das sage ich natürlich nicht. Danke, Mama.

***

So ist das, wenn man noch neu an einem Ort lebt: Man hat zu viel Zeit zum Nachdenken und kennt zu wenig Leute, mit denen man etwas unternehmen kann, um nicht nachzudenken. Dabei ist das hier eigentlich eine nette kleine Stadt. Es gibt einen zentralen Marktplatz, Gässchen rechts und links mit interessanten Läden, ein paar der unvermeidlichen Kettenfilialen, drei Bäcker. Zwar nur wenige Cafés, aber die sind nicht übel. Aus zum Essen war ich bisher nicht, denn alleine macht es keinen Spaß. Und Kollegen kenne ich noch keine, ich fange erst am Montag meinen neuen Job an. Der Grund, weswegen ich vor einer Woche hierhergezogen bin.

Natürlich habe ich Nachbarn, aber auch die kenne ich kaum. Was untertrieben ist, denn manchmal habe ich das Gefühl, ganz alleine im Haus zu wohnen. Vielleicht sind sie alle Agenten und haben die Wohnungen nur zum Schein gemietet? Fast schon gruselig.

Wenn mich meine alten Freunde anrufen, bekomme ich Heimweh, also erzähle ich etwas von: »Alles prima, mir geht’s gut.« Und beende rasch das Gespräch. Ich weiß ja, warum ich hier bin. Berufliche Herausforderung und so. Aber eigentlich geht es darum, endlich erwachsen zu werden und raus aus dem gewohnten Umfeld zu sein. So hab ich es mir ausgesucht, jetzt muss ich es durchstehen! Und nein, es hat nichts mit einem Ex-Freund zu tun, der mir zu Hause andauernd über den Weg gelaufen ist. Nun ja, jetzt kann er entlanglaufen, wo er will, es interessiert mich nicht mehr die Bohne. Nicht eine.

Apropos, wie ich eben feststellen musste, habe ich keine Milch mehr im Haus. Wie soll ich da morgen früh meinen Kaffee trinken? Ein Blick in den Kühlschrank sagt mir, dass noch andere Dinge fehlen, will ich nicht verhungern, und so schnappe ich mir meinen Korb. Klingt elegant, aber ist vor allem einfach, weil er noch oben auf einem Stapel voller Umzugskartons steht. Die sich leider nicht von allein auspacken. Mistdinger.

Wie immer freue ich mich, wenn ich meinen kleinen Flitzer sehe. Er ist orange mit blauen Streifen. Und hat ein Dach, das ich aufmachen kann, wenn

a) das Wetter danach ist,

b) meine Frisur es zulässt oder

c) mir beides egal ist.

Heute gilt a, b und c, denn ich habe frei, und die Sonne scheint. Der Mini bringt mich, wohin ich will. Er ist mein Stück Freiheit.

Aber heute geht’s nur zum Supermarkt. Eigentlich hasse ich Supermärkte, und ich weiß nicht, welcher Idiot behauptet, dass sie ideale Singlebörsen sind. Okay, natürlich kann ich am Inhalt des Einkaufswagens sehen, was der andere einkauft – aber hey, will ich manche Dinge wissen? Wattestäbchen, Fischstäbchen, Mikado – ein Stäbchenfetischist? Und wenn ja, was macht er mit den einzelnen Dingern?

Zudem hasten die meisten Menschen abends mit stierem Blick durch die Gänge, der Magen knurrt hörbar, und gute Laune scheint ein Fremdwort zu sein. Und wenn, dann gucken einen nur die absoluten Vollpfosten an, die wahrscheinlich den ganzen Tag nix zu tun hatten und nun darauf stieren, was andere im Wagen haben. Aktuell sind’s bei mir Tampons, Tempos, Bananen und Joghurt.

Als ich endlich wieder draußen bin, habe ich die Milch vergessen. Ich glaube, ich gehöre auch zu den Vollpfosten. Als ich zum zweiten Mal an der Supermarktkasse mit meinem Tetrapak Milch stehe – 3,5 Prozent, man gönnt sich ja sonst nichts –, erlebe ich eine Überraschung.

»Hast du nur die Milch?«, werde ich von dem Typ vor mir gefragt, und vor lauter Staunen komme ich nicht zum Nicken. Milch, ja. Ich. Er lacht und schiebt mich vor sich. Verdattert drehe ich mich um. Zum Glück habe ich keine hohen Absätze an, denn er ist nur wenig größer als ich, aber sehr süß. Kurzes braunes Haar, haselnussbraune Augen und Grübchen beim Lächeln. Grübchen!

»Das ist aber lieb, vielen Dank«, stottere ich und komme vor lauter Gucken gar nicht zum Schauen, was er da eingekauft hat. »Ein Euro neunzehn«, schnarrt die Kassiererin, und in der Hektik klappt mein Portemonnaie auf, und das ganze Kleingeld fällt heraus. Mit hochrotem Kopf, ich kann es spüren, tauche ich ab und klaube meine Münzen zusammen. Er klaubt mit, lacht mich an … diese Grübchen!

»Kann ja mal passieren, die soll sich nicht so haben«, flüstert er und drückt mir mein Geld in die Hand. Die Tante an der Kasse ist sauer, hinter uns wartet eine lange Feierabendschlange.

»Sorry«, murmele ich und traue mich nun gar nicht, ihr den Betrag abzuzählen. Ich halte ein Zwei-Euro-Stück hin, jetzt bekomme ich noch mehr Kleingeld. Was bin ich doch für ein Glückspilz.

Als ich endlich den Parkplatz verlasse, sehe ich ihn wieder. Und ich glaube, von weitem sogar seine Grübchen zu erkennen. Wirklich, sehr süß.

Der Wind pfeift durch meine Haare, als ich nach Hause fahre. »We’re up all night ’til the sun, we’re up all night to get some«, singe ich laut das Lied im Radio mit, »we’re up all night to get fun, we’re up all night to get lucky!« Yes, Baby, ich bin lucky! Fühle mich zur richtigen Zeit am richtigen Ort … und ja, ich singe falsch. Na und? Der Vorteil, mit auswärtigem Kennzeichen in einer Stadt unterwegs zu sein, ist, sich mal danebenbenehmen zu können. Es kennt einen ja keiner. An der Ampel zwinkere ich mir im Rückspiegel zu. Das Mädchen im Spiegel zwinkert zurück. Bei allem Heimweh hat es schon etwas für sich, mit Plan – Job, Wohnung – neu anzufangen. Quasi ein Aussteigen mit Sicherheitsnetz. Ich bin stolz auf mich, erst recht, als ich einen Anruf meiner Mutter wegdrücke. Sorry, Mum, jetzt nicht.

Später am Abend stapele ich den letzten leeren Umzugskarton im Keller und gehe zufrieden in meine Wohnung zurück. Das wäre geschafft, alles weggeräumt. Fast schon fühlt es sich wie ein richtiges Daheim an. Meine Sachen – so viele sind es ja nicht – sind am vorgesehenen Ort. Als ich endlich zur Ruhe komme, fällt mir der Typ aus dem Supermarkt wieder ein. Echt nett, echt niedlich. Ich nehme den Gedanken an ihn mit in den Schlaf. Schade, dass ich mich nicht getraut habe, ihn nochmals anzusprechen.

***

Ich weiß, ich träume. Das passiert mir manchmal: Ich bin mir bewusst, nicht die Wirklichkeit zu erleben, aber es ist so schön crazy, sich einfach fallen zu lassen und Dinge zu erfahren, die man sich in echt noch so sehr wünschen könnte, und sie würden nicht passieren.

Wieder stehe ich an der Supermarktkasse, wieder hat mich der Typ vorgelassen und steht nun hinter mir. Ich zahle, und er sagt: »Warte!« Ich drehe mich zu ihm um und sehe ihn an. Kurze braune Haare, die Grübchen, als er die Kassiererin beim Bezahlen anlächelt. Er hat lange, anmutige Finger. Klingt das blöd? Anmutig? Aber es ist so, sie sehen stark aus und gleichzeitig geschmeidig, gelenkig. So, als wäre er geschickt darin, mit ihnen alles Mögliche zu tun. Ich kann mir gut vorstellen, wie sie sich auf meiner Haut anfühlen, wenn sie mein T-Shirt hochstreichen. Warm, fest … Gänsehaut. Ich verliere mich im Traum vom Traum: Wir stehen an der Kasse, er berührt mich, mein Milchpack fällt mir aus der Hand. Die Kassiererin lächelt und schaut in die andere Richtung, während er mich auf das Ende des Kassenanbaus hebt, sich zwischen meine Beine stellt und plötzlich seine Hände unter meinem Shirt sind. Ich glaube, seinen Duft riechen zu können. Süßherb, frisch, vanillig. Haselnussbraune Augen sehen auf mich herab, und ich kann mich nicht entscheiden, wo ich zuerst hinschaue – in seine Augen, die mich bannen, zu den Stoppeln auf seiner Wange, auf seine Lippen, die sich mir langsam nähern und dabei leicht öffnen. Weiße Zähne blitzen dahinter, und ich hebe mein Kinn, weil ich weiß, dass er mich gleich küssen wird. Aber dann küsst er mich nicht auf den Mund, sondern haucht an meinen Hals, und meine Gänsehaut … Ohne Worte.

Ich spüre seine Lippen unterhalb meines linken Ohres und schließe die Augen. Sofort fühle ich ihn noch intensiver. Er streichelt meinen Rücken, die Taille, presst sich mit seiner Mitte an meine, und ich kann spüren, dass er hart ist. Sein Atem an meinem Ohr klingt irgendwie heiser, und ich wünsche mir, dass er mir sagt, dass er mich sexy findet.

»Du bist so schön, so sexy. Ich will dich spüren«, sagt er, und es macht mir gar nichts aus, dass wir hier an der Supermarktkasse sind. Komisch, nicht? Rings um uns herum kaufen weiterhin Leute ein, zahlen, packen ihre Tüten, aber ich fühle mich wie in einer weichen Blase, die die Außenwelt abschirmt.

Auf einmal sind seine Hände auf meinen Brüsten. Ich habe kein Shirt, keinen BH mehr an. Er legt mich zurück auf die Ablage, auf das Laufband, gleich neben die Einkäufe eines älteren Mannes, der gelassen einpackt, als würde er jeden Tag eine halbnackte Frau neben seinem Gemüse liegen sehen. Immer noch nicht auf den Mund geküsst, berührt der Kerl jetzt meine Brüste, deren Spitzen sich fast schmerzlich zusammengezogen haben. Ich kann ein Stöhnen nicht unterdrücken, als er einen der himbeerroten Gipfel in den Mund nimmt und mich seine Zähne spüren lässt. Augenblicklich werde ich feucht zwischen den Beinen. In diesem Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher, als keine Jeans mehr anzuhaben, und dass auch er keine mehr trägt.

Das Laufband unter mir ist weich, irgendwie kuschelig, sein Gewicht auf mir perfekt. Ich schlinge die Beine um seine Hüften, und endlich küsst er mich. Vorsichtig, zart. Einmal, zweimal, bis unsere Lippen sich kennen. Dann öffne ich mich und will ihn schmecken, seine Zunge berühren, doch er lässt mich zappeln. Ungeduldig stöhne ich auf, grabe meine Finger in seine kurzen Haare, ziehe ihn zu mir hinab. Da endlich küsst er mich, mit diesem wunderbaren Zögern, bevor die Lippen, die Zungen sich berühren und nur der gehauchte Atem die Trennwand zwischen ihm und mir darstellt.

Der Supermarkt um uns herum ist plötzlich leer, das Licht gedimmt. Unsere restlichen Kleider sind fort, und wir liegen immer noch auf dem Band. Er verlässt meinen Mund, küsst sich langsam tiefer, abwärts, vom Hals bis zum Bauchnabel in einer Linie. Mein Rücken wölbt sich auf, ihm entgegen, und ungeduldig warte ich, dass er noch tiefer gleitet. Er verharrt an der Perle in meinem Nabel, aber was interessiert mich diese Perle, ich möchte ihn ganz woanders spüren!

Es ist mein Traum, und so kann ich ihn leiten, den Mann zwischen meine Schenkel lenken, mich öffnen, hingeben und die Lust spüren, die er mir bereitet. Lange halte ich das nicht aus, mein Atem geht hektisch, ich ziehe an seinen Haaren, seinen Schultern, hoch zu mir, jetzt will ich ihn spüren! Nackt, wie er ist, stößt er an meine Mitte. Ich sehe in seine braunen Augen, die jetzt plötzlich blau leuchten, aber da sind die Grübchen, die ich so umwerfend finde, und er sagt: »Du kannst vorgehen.« Ich schlinge die Beine wieder fester um seine Hüften, und sein Schwanz gleitet in mich hinein, erst langsam, dann tiefer. Da schaut mich die Kassiererin an und sagt: »Das macht einen Euro neunzehn.«

***

Mit einem Ruck wache ich auf. Mein Herz schlägt schnell, und ja, ich bin erregt. Ein schönes Gefühl, auch wenn ich mich frage, warum die Kassiererin ausgerechnet jetzt, in dieser Szene dabei sein wollte. Erneut schließe ich die Augen, hole mir die Grübchen und Augen, die zwischen Blau und Braun wechseln, wieder zurück. Meine Hand verschmilzt mit meiner Erinnerung, gleitet zwischen meine Beine, wo es vom Traumschwanz noch ganz feucht ist. Ohne Probleme fühle ich wieder das weiche Laufband unter mir, und die Erregung steigt heiß in mir auf. Meine Finger werden schneller, konzentrieren sich auf den einen Punkt, der mein Herz erst rasen und dann fast aussetzen lässt, während ich vor meinem inneren Auge sehe, wie dieser Mann in mich gleitet, sich in und an mir erregt. Ich kann ihn hören, wie er stöhnt, mir wortlos Dinge ins Ohr flüstert. Kann spüren, wie er schneller wird, tiefer in mich stößt, gemeinsam mit mir auf diese Welle der Lust, die mich emporträgt, aufsteigt. Einen unerträglichen Moment halte ich inne, dann gönne ich mir die Erlösung, lasse die Sterne aus meiner Mitte strömen und mit den Bildern von Grübchen und einem nackten Mann, der mich ansieht, einfach davonfliegen.

Nach der Trennung hatte ich befürchtet, eine lange Zeit nicht mehr so empfinden zu können, aber ich habe mich getäuscht. Du Arsch, grinse ich und strecke meinem Ex in Gedanken die Zunge heraus. Das hast du nun davon. Beziehungsweise, du hast es nicht. Mich nämlich.

Kapitel 2

Der Montag kommt schneller als gedacht. Das Übelste an einem neuen Job ist – neu anzufangen. Ja, okay, ich habe es mir so ausgesucht. Man kann schließlich nicht immer dort bleiben, wo man Lehrling war. Ja, okay, es wurde Zeit, von zu Hause wegzuziehen, und ja! Ich stelle mich an.

Ein letzter verzweifelter Blick in den Rückspiegel und ein Abstreifen der feuchten Handflächen an den Hosenbeinen. Mist, denke ich, habe ich mir jetzt Flecken eingehandelt? Das fehlte noch. Dann gebe ich mir einen Ruck und steige aus.

Das Gebäude ist groß, eine Mischung aus siebziger Jahre und Bauhausstil. Ich war schon einmal hier, bei meinem Bewerbungsgespräch, aber jetzt wird es ernst. Mein erster richtiger Arbeitstag. Zum Glück weiß ich noch, wo ich hinmuss. Zumindest weiß ich, wo ich klingeln muss, damit mich jemand hineinlässt.

Mein Herz schlägt bis zum Hals, und auf den Stufen zum Eingang hoch räuspere ich mich. Wenn es mir jetzt die Sprache verschlägt, dann lachen alle über mich. Ich atme noch einmal tief durch. Ich schaffe das, ja, ich kann das. Dann klingele ich.

***

Es ist nicht so schwierig, wie ich es mir vorgestellt habe. Die nette Kollegin vom Empfang lässt mich rein. Meine Projektleiterin, Frau Jacob – Irene, wie sie sich gleich vorstellt: »Wir sind hier per Du, ist das okay für dich?« –, freut sich sichtlich, dass ich da bin. Offenbar hat sie so viel zu tun, dass ihr eine weitere Mitarbeiterin willkommen ist. Der neue Arbeitsplatz ist vorbereitet, es stehen sogar Blumen auf meinem Schreibtisch. Wow, wovor habe ich mich gefürchtet?

Ich werde durch die Räumlichkeiten geführt, und dank meines tollen Orientierungssinnes bin ich bald hilflos überfordert. Rauf, runter, Lager, Kopierraum, Küche, Büros … Überall schauen mir neugierige Blicke hinterher, und ich gerate schon wieder ins Schwitzen. Wie soll ich mir das jemals merken?

»Ah, unsere neue Kollegin!«, reißt mich da eine weitere Stimme aus meiner Panik heraus, und ich blicke in leuchtend blaue Augen. Die kenne ich doch … In meinem Kopf rattert die Denkmaschine los, sucht nach einem passenden Namen.

»Oh, hallo!«, spiele ich erfreut, während ich noch hektisch nach der Erinnerung suche. Warme Hände nehmen meine schwitzigen in Empfang. Ich schüttle und denke verzweifelt: Fester Druck, fester Druck.

»Hat Ihnen die Kollegin schon alles gezeigt? Fehlt Ihnen irgendetwas, kann ich noch etwas für Sie tun?« Er lacht, na klar, und ich komme mir vor wie ein kleines dummes Mädchen. Am liebsten hätte ich gefragt: Darf ich wieder nach Hause gehen? Ich blinzele nervös, als mir wieder einfällt, woher ich ihn kenne.

Eisdiele vor drei Tagen.

Der Mann mit der Frau mit dem Diäteis. Oder nicht Diäteis.

Ich bin verwirrt.

Alles wird gut.

»Herr Sommerland«, grüßt Irene ihn und stellt mich vor: »Das ist Cornelia Riemann. Conny, das ist unser Big Boss.« Sie lacht, und ich versuche, nicht rot zu werden.

»Schön, Sie kennenzulernen, Herr Sommerland. Danke schön! Frau Jacob zeigt mir die wichtigsten Dinge, damit ich mich nicht verlaufe.« Irene lacht, die kennt sich hier ja auch aus.

***

Am Abend bin ich bereit, den ersten Gang ins Lager selbsttätig anzutreten. Ich bin im Vertriebsinnendienst und bringe den Packern die neuen Lieferscheine. Einen davon habe ich sogar selbst geschrieben, wer sagt’s denn?

Die Tür vom Treppenhaus klappt laut hinter mir zu, und ich überlege. Das Lager ist unten, da bin ich mir sicher. Ganz unten, so schwer kann das kaum zu finden sein. Dann kam etwas mit vielen Türen und einer Gangleuchte, die erst angeht, wenn man schon fünf Meter weit ins Dunkel getappt ist. Tolle Erfindung, das war bestimmt ein Mann. Ich finde das Stockwerk, trete durch die Tür in den passenden Gang und taste mich im Dunkeln an der Wand entlang. Wie bescheuert komme ich mir vor, weil mir vermeintlich unheimliche Gestalten auflauern könnten, bis endlich das Licht angeht. Puh. Waren hier bei meinem ersten Durchgang auch schon so viele Türen? Ich zweifle an mir und nehme einfach die, von der ich denke, dass es die richtige ist.

Nun, was soll ich sagen, sie ist es nicht.

Offenbar gibt es hier unten Räume, die ich noch nicht kenne. Räume, die ich wahrscheinlich auch nicht kennen sollte, da sie mich absolut nichts angehen, wie zum Beispiel die Männerumkleiden. Ich bin überrascht, dass es etwas Derartiges in einem Bürogebäude überhaupt gibt. Aber dann fällt mir ein, dass Irene sagte, die männlichen Kollegen um die vierzig wären alle in der Midlifecrisis und würden sich gerne im Wettstreit messen, wer der Sportlichste ist. Die Jugend zurückholen quasi, um männlich markant morgens, mittags und abends den anderen zu zeigen, wo der Hammer hängt.

Apropos hängender Hammer: Da steht ein Mann vor mir, und er ist nackt.

Huch!

Hammer und Hammerträger!

Beide sind der Hammer.

Ich glaube, ich habe einen hammermäßigen Hänger, aber mein Kopf wiederholt dieses Wort in einem Zug, während meine Blicke von unten langsam nach oben gleiten. Ja, ein nackter Mann. Ein schöner nackter Mann, und ich muss gestehen, es dauert ein wenig, bis meine Blicke bis zum Gesicht gewandert sind. Blaue Augen, die ich schon kenne. Hoppla, der Chef!

»Hallo, Herr Sommerland«, stottere ich und weiß, das klingt nicht sehr intelligent in dieser Situation. Er sagt gar nichts, sondern zieht nur eine Augenbraue hoch und schiebt mit einer Hand unauffällig ein T-Shirt über seine Mitte.

»Frau Riemann?«

»Entschuldigung, ich, äh …« Schade, dass er es da hinhält, dieses T-Shirt. Oh Gott, was sag ich? »Ich glaube, ich habe mich verlaufen«, gebe ich schließlich hilflos von mir.

»Sie glauben, oder Sie wissen?« Die zweite Augenbraue wandert auch nach oben, und ich spüre, wie ich rot werde. Ein Klugscheißer. Wie abtörnend. Zum Glück bringt das mein Gehirn wieder auf Vordermann.

»Wie komme ich denn zum Lager?«, bleibt mir nichts anderes zu sagen, und langsam trete ich den Rückzug an. Stückchen für Stückchen aus der Tür heraus. Wenn er jetzt sagt, nicht hier, dann schreie ich, denke ich noch, als er nach rechts deutet.

»Eine Tür weiter. Nicht zu verfehlen.« Na klar, aber nur, wenn man sich hier auskennt.

Ich gönne mir noch einen letzten Blick, es wäre eine Schande, es nicht zu tun. Darf man das? Den Oberboss nackt betrachten? Ich meine, wenn er sowieso schon nackt ist? Quasi aus Versehen und nicht mit Absicht? Mein letzter Blick zurück zeigt mir, dass es nicht nur mir gefallen hat. Schluck.

Meine Wangen glühen, als ich endlich die richtige Tür finde.

***

Feierabend!, denke ich froh. Nein, nicht nur froh: erleichtert, fertig, müde. Dem Himmel sei Dank, ich habe es überlebt. Irene schlendert mit mir die Treppe hinunter zu den Autos.

»Großes Lob, Conny, tapfer durchgestanden!«, freut sie sich.

»Ja, fast keine Patzer«, gebe ich zurück und werde schon wieder rot. »Bis auf die Sache mit dem Chef.«

»Die Sache mit dem Chef?« Irene zieht die perfekt gezupften Augenbrauen hoch. Insgesamt sieht sie ziemlich gut aus, fällt mir auf. Makelloses Make-up, stilsichere Kleidung, astreiner Haarschnitt – vielleicht sollte ich mir mal die Adresse ihres Friseurs geben lassen. »Was war mit dem Chef?«, wiederholt sie, und ich beiße mir auf die Zunge. Hätte ich bloß den Mund gehalten.

»Na ja«, winde ich mich, »auf dem Weg ins Lager habe ich mich verlaufen und bin in der Umkleide gelandet.« Irenes Augenbrauen wandern immer weiter nach oben, erstaunlich, wie weit das geht.

»Und?«, hakt sie nach. Dahin ist die Hoffnung, dass sie mich davonkommen lässt.

»Herr Sommerland war gerade dabei, sich umzuziehen.« Ich eile zu meinem Auto, aber Irene lässt sich nicht abwimmeln. Sie stöckelt hinter mir her, und ich fühle mich verfolgt, bis mir auffällt, dass sie offenbar neben mir parkt. Ein BMW, nicht schlecht. Sie grinst breit.

»Jens hat ’nen heißen Body, was?«

Oh ja!

Erst zu Hause frage ich mich, woher sie das weiß.

Kapitel 3

Am nächsten Tag bin ich schon ruhiger. Jetzt weiß ich ja, was mich erwartet, wie die Arbeit abläuft, was gefragt ist, und wo ich besser nicht einfach reinplatzen sollte. Ein bisschen nervös bin ich vor dem ersten Über-den-Weg-laufen mit unserem Boss. Als es dann geschieht, geht er nur in einem Nebensatz auf unser voriges Zusammentreffen ein: »Na, Frau Riemann, finden Sie sich allmählich in unseren Räumen zurecht?«

»Ja«, antworte ich ihm. »Schon spannend, was man so alles hinter geschlossenen Türen entdecken kann.« Er bleibt stehen, dreht sich nochmals um und wirft mir einen intensiven Blick zu. »Ach ja?«

»Verborgene Schätze und so«, kann ich mir nicht verkneifen, zu sagen, und wahrscheinlich grinse ich blöde.

»Ja«, murmelt er, bevor er weitergeht. »In der Tat, in der Tat.«

***

Die erste Woche bringe ich ohne weitere Zwischenfälle hinter mich, die Zeit verfliegt schneller als erwartet. Irene hilft mir beim Zurechtfinden, und ich halte mich von der Männerumkleide fern. Na ja, das ist nicht weiter schwierig, denn Jens Sommerland ist nicht im Büro. Ich komme also nicht in Versuchung, auch wenn ich es ein wenig bedauere.

Die Kollegen sind so weit ganz nett, zumindest, soweit ich das nach einer Woche sagen kann. Am besten verstehe ich mich mit Irene. Obwohl sie meine Chefin – Projektleiterin – ist, sind wir auf einer Wellenlänge. Das Arbeiten mit ihr macht Spaß. Sie erklärt mir das Warenwirtschaftsprogramm, mit dem hier gearbeitet wird, und ich finde mich rasch ein. Letztendlich geht es auch hier nur darum, die Aufträge zu erfassen und weiter zu bearbeiten. Easy-peasy.

Der erste Eindruck von den Kunden ist ebenso positiv. Die meisten sind Männer, und mit denen kann ich umgehen. Mit Handwerkern sowieso: Fast alle sind auf einen kleinen Flirt aus, und geht man ein wenig darauf ein, geht die Arbeit einfacher von der Hand. Große Klappe, nichts dahinter, da kann ich mithalten. Und die wenigen Frauen, die ich am Telefon erwische, arbeiten wie ich in einer von Männern dominierten Umgebung. Wir sitzen alle in einem Boot. Wenn man ihnen freundlich und fröhlich begegnet, sind die meisten nett. Wie ich.

Irene ist wirklich gut in ihrem Job, und ich schaue mir rasch ein paar Dinge ab. Ein bisschen kompliziert finde ich unsere Waren – bis ich da durchsteige, wird es noch ein bisschen dauern, glaube ich … Nein, ich bin nicht gehirnblond, allen Unkenrufen zum Trotz. Solange die Anrufer wissen, was sie wollen, und keine große Beratung brauchen, habe ich alles im Griff.

***

Es ist Freitagnachmittag. »Was hast du denn am Wochenende vor?« Irene setzt sich auf meine Schreibtischecke und schiebt die Unterlagen beiseite, die sich schon nach einer Woche türmen. Oh ja, Arbeit gibt es genug. War wohl höchste Zeit, dass jemand neu eingestellt wurde.

»Ich weiß nicht«, gebe ich zu. »Wo kann man denn hier gut ausgehen, Leute kennenlernen?« Ich hätte schon Lust, ein bisschen auf die Piste zu gehen. Es ist Zeit, den Kopf freizubekommen.

»Worauf stehst du denn?« Sie grinst mich breit an. »Was frag ich, ich hab schon eine Idee. Ich hol dich ab, okay? Erst was Kleines essen, und dann schauen wir weiter!« Sie grinst womöglich noch breiter, und für einen Moment zweifle ich, ob ich dem, was ihr vorschwebt, überhaupt gewachsen bin. Nun gut, wir werden sehen. Wer nicht wagt, und so weiter.

Ich nicke. »Was soll ich anziehen?«

***

Am Abend bin ich aufgeregt und komme mir blöd dabei vor. Ich bin doch kein Teenager mehr. Aber irgendwie fühle ich mich wie vor einem Blind Date. Dabei gehe ich doch nur mit meiner Kollegin aus.

Hinsichtlich der Klamotten bin ich bei einer gutsitzenden Jeans und einem engen Top gelandet, Jacke dazu, fertig. Hohe Absätze hieven mich auf 175 cm. Ich bürste meine Haare, bis sie glänzen. Andere müssen glätten, bei mir klappt das von ganz allein. Ich vervollständige gerade mit dem letzten Handgriff mein Make-up, als es an der Tür klingelt: Irene ist da. Sie bringt eine Flasche Sekt mit. Glaubt sie, ich brauche etwas, um locker zu werden?

»Zum Einstand! Wo sind deine Gläser?« Sie rauscht mit Temperament an mir vorbei in die Küche. Mit sicherem Griff schnappt sie sich zwei Kelche aus dem Schrank, tänzelt weiter ins Wohnzimmer und lässt sich auf das Sofa fallen.

»Nett hast du es hier, tolle Aussicht!« Sie hat recht, man kann auf die Weinberge sehen, hinter denen in diesem Moment die Sonne langsam untergeht. Ich lasse mich zu ihr in die weichen Kissen fallen, und sie drückt mir ein Glas in die Hand. Der Sekt schwappt über, aber das macht nichts, das Sofa ist grau und schluckt alle Flecken, partyerprobt.

Irenes babyblauen Augen leuchten.

»Ich find’s toll, dass du hier bist, Conny! Nochmals willkommen in meiner Stadt!« Sie lacht, und ich kann mir vorstellen, dass sie es auch so meint. Das Willkommen und das mit ihrer Stadt. Nach zwei Gläsern merke ich, dass ich noch nichts gegessen habe, der Alkohol schlägt langsam an. Auch Irene kichert mehr als üblich.

»Komm, lass uns essen gehen, ich verhungere!«, schlägt sie vor und zieht mich vom Sofa hoch. Ich bin gespannt, was sie für den Abend geplant hat. Arm in Arm stiefeln wir die Treppe hinab.

»Weißt du, was das Tollste an deiner Wohnung ist?« Irene dreht sich einmal im Kreis, als wir unten am Eingang ankommen. »Du wohnst mitten in der Stadt, da kannst du fast alles zu Fuß erreichen!«

Das stimmt, deshalb habe ich sie auch genommen. Und wegen der Aussicht. Und wegen … ach, ist ja egal. Ich will nicht daran denken, heute gehe ich aus! Wir lassen das Auto stehen und ziehen in der Tat zu Fuß los.

Irene bringt mich zu einem italienischen Restaurant, La Piccola. Auf den ersten Blick ist es mir eine Idee zu schick. Dunkle Hölzer, dezentes Licht, Klaviermusik im Hintergrund. Das Strahlen des schicken jungen Mannes hinter der Theke gilt zwar erst beim zweiten Blick mir, aber das macht nichts. Er deutet mit dem Kopf nach links, auf eine Sitznische im Fenster am Ende der Bar, und Irene steuert, ohne zu zögern, darauf zu.

»Mein Lieblingsplatz«, freut sie sich. Unterwegs werden wir gestoppt von »S-teffaaaano«, Mitte zwanzig, schwarze Haare, smart und sexy. Mjam. Wenn das hier so gut schmeckt, wie der Kerl aussieht, komme ich öfter, versprochen.

Nachdem Irene mir alle Kellner inklusive des Barmannes vorgestellt hat, fühle ich mich fast schon wie ein Stammgast. Wir bestellen ohne Karte, Stefano mit den Augen, die so schwarz sind wie seine Haare, ist sich sicher, das ideale Gericht für mich bereits zu kennen, und Irene rät mir, ihm zu vertrauen. Gut, ich vertraue. Wenn das Mama wüsste. »Kind«, höre ich sie sagen, »Kind, pass auf bei Männern mit dunklen Augen, die sind gefährlich.« Komischerweise hatte ihr zweiter Ehemann fast schwarze Augen, vielleicht hätte sie auf ihren eigenen Rat hören sollen. Aber ich schweife ab, reiße ich mich zusammen und konzentriere mich wieder auf Irene, die mir erzählt, was Unglaubliches sie schon in diesem Restaurant erlebt hat. Knutscherei auf dem Gang zu den Toiletten inklusive. Ich weiß nicht, ob ich das toll oder eklig finde, und vertage die Entscheidung.

»Meinen letzten Geburtstag habe ich auch hier gefeiert«, gibt sie weiter an und schnurrt wie eine Katze. »Zuerst waren wir nur zu sechst, aber am Schluss haben alle mitgemacht. Alle Gäste, stell dir das vor! Stefano hat die Tür verriegelt und ein Schild hingehängt: Geschlossene Gesellschaft. Dann wurden die Tische beiseitegeschoben und mittendrin getanzt.« Sie wedelt wild mit den Armen, und Stefano eilt wie bestellt heran.

»Braucht ihr noch etwas zu trinken, Mädels?«

Irene lacht aufgekratzt und hält die Hand auf ihr Glas. »Erst was zu essen, Sweety, sonst habe ich gleich einen im Tee. Ich erzähle Conny grade von meinem letzten Geburtstag.«

»Ah!«, Stefano verdreht die Augen. »Nach dem wir unseren halben Alkoholvorrat wieder auffüllen mussten.«

»Hey, das war nicht meine Schuld!« Irene gibt ihm einen Schubs, und er wird rot.

»Nein, meine, ich weiß. Da will man einmal cool sein und angeben beim Sektflaschenöffnen …« Er schlägt sich vor die Stirn. Doch aus der Küche klingelt es, und Stefano eilt davon. Guter Kellner, nichts kalt werden lassen. Er hat einen tollen Hintern, wenn er so durch die schmalen Gänge zwischen den Tischen eilt, finde ich versonnen und verpasse, was Irene gerade erzählt.

»Was, um Himmels willen, hat er denn angestellt?«, frage ich und bin doch ganz schön neugierig, was der smarte Italiener angestellt haben soll.

Irene guckt verdutzt. »Ich musste Stefano hinterhersehen«, nuschle ich verlegen. »Hab verpasst, was du grade gesagt hast.« Sie grinst mich breit an, wedelt wieder mit den Händen. »Na ja, siehst du die Flaschen da hinter der Bar?« Irene deutet auf einige Holzregale, auf denen die Spirituosen aufgereiht sind. »Stefano hat den Korken direkt zwischen die Grappaflaschen fliegen lassen. Eine kippte gegen die anderen, und plötzlich krachte alles zu Boden. Die Scherben waren zwar rasch weggefegt, aber allein vom Alkoholgeruch waren wir in Sekunden blau.« Sie verzieht das Gesicht zu einer Grimasse. »Seither gibt es klare Anweisungen, wie Sektflaschen zu öffnen sind.«

Stefano kommt wieder und bringt uns Bruschetta – geröstete Brotscheiben mit köstlichem Tomatenzeug darauf. »Hier, meine Schönen, die Vorspeise.«

Das aromatische Olivenöl-Tomatensaft-Gemisch tropft beim Essen vom Brot, aber ich liebe es. Stefano hatte definitiv recht, das schmeckt mir. Ich lecke die Finger ab und finde alles absolut köstlich. Irene deutet mit dem Kopf auf einen älteren Mann drei Tische weiter, der mich beobachtet und unwillkürlich die Lippen geöffnet hat, als wolle er selbst meine Finger in seinen Mund nehmen.

»Schau mal den da«, grinst sie. »Der würde dich wohl am liebsten gleich mit vernaschen.«

»Neee«, schaudere ich. »Nicht mal in tausend Jahren! Der ist viel zu alt.« Irene betrachtet den Mann abschätzend.

»I wo, so alt ist der gar nicht. Und sicherlich nicht arm, schau mal, was der anhat.« Ich sehe ihn mir genauer an. Okay, der Anzug ist gut geschnitten, die Krawatte mehr als nur in Ordnung. Haare, Gesicht, Figur, soweit ich sehen kann, auch ganz normal. Aber hey, der hat mindestens zwanzig Jährchen mehr auf dem Buckel als wir!

»Na ja, es geht«, gebe ich nach. »Wenn man auf ältere Männer steht.« Vielleicht hat Irene ja einen Vaterkomplex?

»Also«, zögert sie und gibt sich dann sichtlich einen Ruck, »ich habe feststellen müssen, dass Männer in dem Alter wenigstens wissen, was sie wollen – meistens sind das nicht solche Loser wie viele junge Kerle. Weißt du, was ich meine?« Hm, weiß ich, was sie meint? Ich krame kurz in meinen Erinnerungen nach den letzten Erfahrungen. Idioten, ja genau. Ich nicke.

»Nachvollziehbar. Aber glaubst du echt, dass man das am Alter festmachen kann?«

In dem Moment bringt Stefano unsere Pasta. »Spaghetti Sorrentina für die junge Dame«, er zwinkert mir zu, was mich zum Lachen bringt. Junge Dame, na klar. »Und für Reni wie immer ihre Leibspeise: Pizza mit Rucola und Parmesan.«

Nach zwei Bissen stöhne ich vor Wonne. Mama, denke ich, du hast dich getäuscht, manchen Männern mit dunklen Augen kann man doch vertrauen.

***

Der Abend wird ausgesprochen lustig, und wir kommen nicht aus dem Restaurant hinaus, aber das macht nichts, ich genieße jede Minute. Am Schluss landen wir mit Stefano und Luigi, dem anderen Kellner, bei Toni und Basti an der Bar. Das Schild hängt längst auf »Geschlossen«, und wir trinken, reden und lachen, bis der Morgen graut und der Himmel wieder lila wird. Ich habe keine Ahnung, wie unsere Rechnung ausfällt, aber Irene steckt Stefano irgendwann einen dicken Schein zu, und ich frage nicht weiter, das können wir auch noch später regeln.

Irene beharrt darauf, noch nach Hause zu fahren, aber ich lasse keine Diskussion zu: Mit Alkohol fährt man nicht. Und so gibt sie schließlich nach und schläft auf meinem Sofa.

»Ahhh«, stöhnt sie und sinkt wohlig in die Kissen. »Bin ich müde. Ist das bequem. Ich glaube, ich schlafe schon.« Und weg ist sie.

Ich sagte es doch, mein Sofa ist partyerprobt. Als ich ins Bett falle, fühle ich mich noch ein bisschen mehr wie zu Hause. Ich hatte einen tollen Abend mit lustigen Menschen, und eine Freundin schläft auf meinem Sofa. Klingt doch nicht schlecht, oder?

Kapitel 4

Viel zu schnell ist das Wochenende vorbei und wieder Montagmorgen. Es gibt neue Preislisten, und ich stehe wie ein Lehrling am Kopierer. Einer muss es ja machen, und ich gebe zu, die ersten Kopien waren für Ablage P – wie Papierkorb –, weil ich in Gedanken noch bei Stefano und seinen Jungs war und nicht beim Sortieren der Seiten. War schon sehr witzig, der Abend. Und Irene außerhalb des Jobs zu sehen, war auch klasse. Samstag früh hatte ich sie mit frischem Kaffee geweckt, und wir verbrachten noch zwei gemütliche Stunden am Küchentisch, bevor sie nach Hause aufbrach.

Ich bin jetzt voll informiert über unseren Kollegen Hans, der gerade in Scheidung lebt, weil dessen Frau das Ufer gewechselt hat und jetzt mit einer Frau zusammenwohnt. Hallo? Was hat er da schon entgegenzusetzen? Schütter werdendes Haar und mehr als nur einen Bauchansatz? Vergiss es, Hansi. Auch über Peter weiß ich jetzt Bescheid. Er hat seine Frau mit drei Kindern sitzenlassen, und das wegen einer Chica, die nur halb so alt ist wie er. Igitt. Wobei wir wieder beim Thema älterer Mann/jüngere Frau wären … Susanne, meine Vorgängerin, ist nach Kanada ausgewandert, nachdem sie einen Mann übers Internet kennengelernt und sich unsterblich verliebt hat – dabei hatten sie sich noch nie in echt gesehen. Wer macht denn so etwas? Nachher ist das Bild, das man von dem Kerl hat, nur ein Fake und er selbst ganz gruslig? Womöglich ein Serienmörder oder Jungfrauenschänder? Was, wenn die Online-Liebe sich am Ende nicht in die Realität retten lässt? Ich glaube, für so eine Geschichte bin ich viel zu unromantisch. Danke, Mama. Apropos unromantisch: Irene ließ sich zu keinem Statement über Jens Sommerland überreden.

»Finde es selbst heraus«, meinte sie nur lapidar und winkte ab. »Dazu sag ich lieber nix.« Was ja nun im Grunde alles sagt. Dabei ist Jens wirklich süß. Ich gerate ins Träumen, während ich kopiere und sortiere und tackere, was das Zeug hält. Ich träume so sehr, dass ich sogar glaube, sein Rasierwasser zu riechen.

»Na, klappt alles?«, wird mir ins Ohr geflüstert, und ich genieße die Gänsehaut, die sich dabei über meinen Rücken zieht, bis ich bemerke, dass da tatsächlich jemand hinter mir steht und ich vor Schreck quieke wie ein Ferkel. Zu allem Überfluss lasse ich auch noch einen ganzen Stapel Papiere zu Boden fallen. Verflixt, alles verknickt, das kann ich jetzt noch einmal machen. Wütend fahre ich herum, um den Schurken zur Schnecke zu machen, und blicke in Jens Sommerlands blaue Augen. Ja, schon klar, wer sonst? Das Karma hat mich erwischt. Kleine Sünden, und die Strafe des Himmels folgt auf dem Fuß.

»Hi«, murmle ich und beiße mir gleichzeitig auf die Zunge. Kann ich nicht einmal im Leben wortgewandt sein? Teufel noch mal. »Ein Überfall aus dem Hinterhalt. Das war aber gemein.«

Er lacht, und weiße Zähne blitzen auf.

»Alles Absicht. Warte, ich helfe.« Er duzt mich? Ich kann sehen, wie sein Blick in meinen Ausschnitt wandert, der sich beim Bücken recht vorteilhaft präsentiert. Lump, du. Ich richte mich schleunigst wieder auf und lasse ihn die Papiere alleine wieder aufsammeln. Sein Blick wandert beim Aufstehen an meinen Beinen hoch, und wieder bekomme ich Gänsehaut. Bin ich bescheuert. Don’t fuck the company, denk ich und drücke mich gegen den Kopierer. Schon gar nicht den Chef, Baby.

Er steht nah bei mir, fast unverschämt nah. Wieso fast? Definitiv zu nah. Er ist ein ganzes Stück größer als ich, und ich registriere den Dreitagebart, der ihm wirklich gut steht, und dass er nicht nur blaue Augen hat, sondern auch einen grauen Rand drum herum. Sehr hübsch. Nervös fummle ich an meinen Haaren und erkenne zu spät, dass ich damit die falschen Signale aussende. Kurz blitzt in meinem Kopf eine Szene auf, wie er mich auf den Kopierer hebt und … na ja. Nicht daran denken! Irgendwie bin ich atemlos, und ich weiß genau, dass er das merkt. Er zupft mich vorsichtig an einer Haarsträhne, die mir ins Gesicht hängt, und lächelt. Sein goldener Ehering gerät in mein Blickfeld. Verheiratet, Boss? Dann macht er sich endlich wieder davon. Puh.

Irene erwischt mich, wie ich mit geschlossenen Augen wie ein Depp immer noch neben dem Kopierer stehe.

»Conny, alles gut?« Besorgt packt sie mich am Arm. Ja, alles gut. Mein Pulsschlag hat sich langsam wieder beruhigt.

»Ich glaube, ich brauche einen Schluck Wasser«, stöhne ich. Sie begleitet mich, und ich komme mir vor, als wäre ich krank, dabei hatte ich nur eine Begegnung der dritten Art. Hat er tatsächlich mit mir geflirtet? Oder habe ich mir das nur eingebildet? Ich sage nichts zu Irene, die mich mütterlich umsorgt, denn das wäre mir irgendwie peinlich gewesen.

***

Montagabend, und der Kühlschrank ist leer. Abermals zottele ich durch den Supermarkt, und als ich in der langen Kassenschlange stehe, halte ich unwillkürlich Ausschau nach Mr. Grübchen. Schade, er ist nicht da. Wäre ja auch ein zu großer Zufall gewesen, und überhaupt, was hätte ich dann gemacht? Ihn angesprochen? Sicher nicht. Ich bin langweilig. Laaaaangweilig. Ich öde mich selbst an und überlege mir, wie ich mein Leben auf Trab bringen könnte.

Auf dem Heimweg fahre ich an einem Sportstudio vorbei, aber nein, ich bin unsportlich. Ehrlich. Mit Fitness und Hanteln und Laufbändern habe ich nichts am Hut. Na schön, vielleicht täte es mir ganz gut. Nachdenklich blicke ich auf meinen Bauch, der beim Sitzen im Auto eine merkwürdige Falte wirft, aber dann winke ich ab. Das kann ich noch machen, wenn ich alt bin, mit vierzig oder so. Oder mein Gewicht sprunghaft hochgeschossen ist. Also, ich meine, bevor ich vierzig bin. Hach.

Zu Hause bin ich versucht, wahllos jemanden anzurufen. Irene? Nein, die hat heute was vor, zumindest sagte sie das im Büro mit einem vielversprechenden Augenzwinkern und großem Hüftschwung. Sandra, meine alte Freundin von zu Hause? Was soll ich ihr sagen, dass ich mich langweile und mir nichts Besseres eingefallen ist, als sie anzurufen und mich auszuheulen? Nein, lieber nicht. Meine Mutter? Noch schlimmer. Ich hab so schon ihre Stimme im Ohr; die sagt: »Komm wieder nach Hause, Kind.« Bah. Nein, heute nicht.

Was bleibt, ist ein Abend auf dem Sofa mit Nägellackieren, Chips und einer Folge Hart of Dixie. Es geht um eine Frau etwa in meinem Alter, die in der amerikanischen Pampa landet, in der es fast nur Männer in ihrem Alter gibt, die auch noch gut aussehen, einer wie der andere. Seufz. Romantisch, lustig, verzwickt. Hach, schön!

Im Überschwang erlaube ich mir, die Schublade in meinem Herzen ein Stück herauszuziehen, auf der »Ex« steht. Den Namen habe ich gestrichen, ich weiß sowieso, um wen es sich handelt. Eigentlich halte ich diese Schublade streng geschlossen, denn es tut weh, die Erinnerungen darin zu betrachten. Vielleicht auch deswegen, weil gleichzeitig ein Spiegel aufklappt und ich mir selbst in die Augen sehen muss. Ja, zu einer Trennung gehören immer zwei. Er ist ein Arsch. So betrachtet, ist es leichter, die Situation zu ertragen. Verpiss dich aus meinem Kopf, fauche ich und ramme die Gedankenschublade wieder zu.

Wie blöd muss man eigentlich sein, da immer wieder hineinzusehen?

Ich wische mir die Tränen ab, die auch aus der Schublade entwichen sind.

Scheißkerl, doofer.

Kapitel 5

Dienstag habe ich ein Date mit dem Oberboss. Na ja, kein echtes, aber ich soll mit ihm zu einem Kunden fahren. Hallo? Ich dachte, ich wäre für den Innendienst eingestellt worden?

»Das macht er immer so«, erklärt mir Irene. »Er will, dass unsere Kunden wissen, wen sie am Telefon haben, wenn sie anrufen.« Okay. Na gut. Warum grinst sie so? Bevor ich nachhaken kann, steht Jens Sommerland in der Bürotür.

»Conny? Sind Sie so weit?« Bin ich das?

Er fährt gut, er fährt schnell, er fährt Audi. Er ist charmant, ein guter Gesprächspartner, und nach 100 Kilometern hat er mich völlig eingelullt. Ich bin hingerissen. Vor Ort beim Kunden ist er höflich, gewandt, ganz Chef. Er stellt mich als seine neue Mitarbeiterin vor, und der Kunde ist sichtlich angetan von mir. Ich habe keine Ahnung, was genau wir ihm verkaufen, aber offenbar macht das nichts. Wir bekommen Kaffee und Kekse.

»Eigentlich«, sagt mein Kunde, »wäre ich lieber wieder in der Entwicklung als im Management. Dieses ganze Administrative«, er wedelt ungewiss mit der Hand, »nervt auf Dauer und lähmt die Kreativität.« Er seufzt, und ich weiß, dies ist mein Stichwort.

»Ach was«, gebe ich von mir. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Ohne einen Chef, der den Blick fürs Wesentliche hat, kann eine Firma nicht funktionieren. Ich glaube«, und lächle, natürlich, »nein, ich bin mir sicher, Sie machen das ganz fabelhaft.« Blabla. Dann zeige ich mich interessiert, lasse mir erläutern, woran gearbeitet wird und wie wir ihn dabei unterstützen können. Herr Sommerland zieht sich unauffällig zurück und überlässt mir das Feld. Ich sehe noch, wie er im Sekretariat verschwindet, da hat mich unser Kunde auch schon wieder ganz in Beschlag genommen.

Eine Stunde später bin ich geplättet und habe mir einen Haufen Notizen gemacht: »Und da könnten Sie doch für uns … Es wären große Umsätze möglich, wenn … Einfach fabelhaft, wenn wir damit ins Geschäft kommen könnten …« Ich weiß gar nicht, ob wir so etwas überhaupt fertigen können, aber das kann ich abklären, sobald ich wieder in der Firma bin. Meinen Boss erwische ich, wie er auf der Ecke des Sekretärinnenschreibtisches sitzt – sonst macht das Irene bei mir. Soso.

»Eine patente Frau haben Sie da eingestellt, Sommerland«, lobt mich unser Kunde, und ich komme mir vor, als bekäme ich gleich einen Preis umgehängt wie ein Pferd nach dem Gewinn eines Rennens. Hart geritten und nass eingestellt. Probe bestanden.

***

»Alles klar?«, werde ich im Auto angegrinst.