Männerliebe auf Reisen - Sissi Kaipurgay - E-Book

Männerliebe auf Reisen E-Book

Sissi Kaipurgay

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Beschreibung

Treffpunkt Rastplatz: Mit dem Flixbus nach München zu fahren, um seinen Freund zu besuchen, ist nicht Finns beste Idee. Im Nachhinein entpuppt sie sich aber doch noch als die beste, die er je hatte. Eisblock Mortimer: Als Tobias seinen neuen Arbeitsplatz antritt, findet er nicht nur liebe Kollegen - mit Ausnahme von Mortimer - vor, sondern auch einen charmanten Personalchef. Sie beginnen eine lockere Affäre, die sie im Betrieb geheim halten. Leider kommt ihnen Mortimer auf die Schliche, mit unabsehbaren Folgen.

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Inhaltsverzeichnis

Treffpunkt Rastplatz

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Epilog - einige Wochen später

Eisblock Mortimer

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Epilog - vier Wochen später

Männerliebe auf Reisen

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Copyright Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos

Fotos: Cover: Stockfoto-Nummer: 1081842335 von StaceStock, Koffer: Sissis eigene Malkünste

Cover-Design: Lars Rogmann

Korrektur: Aschure, dankeschön!

Kontakt:http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/, https://www.sissikaipurgay.de/

Sissi Kaiserlos/Kaipurgay

c/o Karin Rogmann

Kohlmeisenstieg 19

22399 Hamburg

Treffpunkt Rastplatz

Mit dem Flixbus nach München zu fahren, um seinen Freund zu besuchen, ist nicht Finns beste Idee. Im Nachhinein entpuppt sie sich aber doch noch als die beste, die er je hatte.

1.

Für 93 Euro nonstop von Hamburg nach München. Pünktliche Abfahrt, Toilette an Bord und vielleicht nette Mitreisende. Das hatte Finn bewogen, statt der Bahn den Flixbus zu wählen. Außerdem konnte er während der Fahrt beruhigt ein Nickerchen machen, ohne zu befürchten, dass jemand ihn beklaute. Na gut, es könnte trotzdem passieren, aber die Wahrscheinlichkeit war geringer als in einem Zugabteil.

Der Bus hatte eine halbe Stunde Verspätung. Als sie losgefahren waren, verkündete der Fahrer übers Mikrophon in gebrochenem Deutsch, dass die Bordtoilette defekt wäre. Sie würden deswegen regelmäßig Stopps einlegen. Wenigstens wirkten ein paar Mitreisende ganz sympathisch. Insofern konnte er mit dem kleinen Manko gut leben.

Ein Weilchen quatschte er mit dem Mädel, das den Sitz neben ihm innehatte. Sie war erst achtzehn und wollte in München eine Freundin besuchen. Das Gespräch wurde schnell langweilig, da sie sich für Sachen begeisterte, die ihm bloß ein Gähnen entlockten. Shopping, Popsternchen und dergleichen.

„Ich hau mich ein bisschen aufs Ohr“, beendete er schließlich die Unterhaltung, woraufhin sie sich Ohrstöpsel einsetzte und begann, mit ihrem Smartphone zu spielen.

Er schloss die Augen und dämmerte weg.

Ein Ruckeln weckte ihn. Blinzelnd orientierte er sich. Der Bus hatte auf einer Raststätte gehalten. Erste Passagiere begaben sich zum Ausgang. Er bat das Mädel, ihn durchzulassen, und schloss sich der Karawane in Richtung Toiletten an.

Auf dem Rückweg besorgte er in der Tankstelle etwas zu trinken und einen Müsliriegel. Als er wieder auf seinem Platz saß, leerte er die kleine Flasche zur Hälfte, verspeiste den Riegel und tat anschließend so, als ob er einschlafen würde, damit seine Sitznachbarin ihn nicht anquatschte.

Er war auf dem Weg zu Jon, mit dem er seit einem Monat eine Fernbeziehung hatte. Aus beruflichen Gründen musste sein Freund von Hamburg nach München ziehen und voraussichtlich zwei Jahre dort bleiben. Davor hatten sie ein Vierteljahr auf Wolke sieben geschwebt. Zwischen ihnen war etwas Besonderes. Finn war überzeugt, in Jon den Partner fürs Leben gefunden zu haben. Die temporäre Trennung ertrug er deshalb mit Fassung, auch wenn er vor Sehnsucht fast einging.

Jon war ein ziemlich hohes Tier bei der Kommerziell-Bank. Um die Karriereleiter noch höher zu klettern war es erforderlich, einen Einsatz in einem anderen Bundesland zu absolvieren. Jedenfalls hatte Jon ihm das so erklärt. Verstehen tat Finn es nicht, aber er war ja auch nur ein kleiner Versicherungskaufmann.

Er war schon gespannt auf Jons Gesicht, wenn er am nächsten Morgen überraschend auftauchte. Bestimmt würde sein Liebster Freudensprünge machen. Bei ihren letzten Telefonaten war es Finn schwer gefallen, nichts zu verraten. Die waren sehr kurz ausgefallen, weil Jon beruflich unter Stress stand, sonst hätte er sich bestimmt verplappert.

Er kuschelte sich tiefer in den Sitz und döste ein.

Als er das nächste Mal aufwachte, musste er dringend pissen. In der Apfelschorle schien ein Entwässerungsmedikament gewesen zu sein, anders konnte er sich das nicht erklären. Glücklicherweise stand der Bus, allerdings wusste Finn nicht, wie lange schon. Er drängelte sich an seiner Sitznachbarin vorbei, hastete zum Ausgang und auf das Klohäuschen zu.

Drinnen stank es nach Urin und Scheiße, schlimmer als im Kuhstall. Obwohl seine Blase fast platzte, konnte er unmöglich in solcher Umgebung pinkeln. Raschen Schrittes verließ er das Gebäude und rannte zur Böschung, wo er sich hinter einen Baum stellte und seine Hose öffnete. Vor Erleichterung, als der Druck nachließ, entwich ihm ein Stöhnen. Nach vollendeter Tat packte er seinen Schwanz wieder ein, da vernahm er ein Motorengeräusch. Im nächsten Moment blendeten Scheinwerfer auf und der Bus setzte sich in Bewegung.

Einen Augenblick war Finn starr vor Überraschung, dann rannte er los. Er winkte, schrie: „Halt! Anhalten!“, und verfolgte den Bus bis zur Auffahrt. Das Fahrzeug beschleunigte. Er starrte den Rücklichtern hinterher. Das konnte doch nicht wahr sein! Bestimmt träumte er! Leider fühlte es sich sehr real an.

Zu allem Überfluss begann es zu regnen. Wenigstens trug er eine Jacke, in der auch sein Geldbeutel steckte. Sein Handy, das Geschenk für Jon - ein teures Rasierwasser - sowie Wechselklamotten befanden sich im Rucksack, der vermutlich auf Nimmerwiedersehen mit dem Bus verschwunden war.

Niedergeschlagen trottete er zum Klohäuschen, dessen Dachvorsprung ein wenig Schutz vor dem Regen bot. Zum ersten Mal in seinem Leben bereute er, nicht wie so viele andere Leute mit seinem Smartphone verwachsen zu sein. Hätte er das Gerät bei sich, könnte er zumindest rausfinden, wo er gestrandet war. Er schätzte, irgendwo zwischen Frankfurt und München.

Der Verkehr auf der Autobahn war spärlich. Zeitweise fuhr gar kein Wagen vorbei. Finn betete, dass sich bald ein freundlicher Autofahrer auf diese gottverlassene Raststätte verirrte und ihn mitnahm.

Als der Regen aufhörte fing er an, Runden um das Gebäude zu drehen, damit er nicht fror. Für einen längeren Aufenthalt im Freien war er nämlich, in seiner dünnen Lederjacke und den Sneakers, nicht ausgerüstet.

Irgendwann, er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, näherte sich ein Fahrzeug, ein Kleinlaster mit Hamburger Kennzeichen. Vor dem Klohäuschen hielt der Wagen an. Ein bärtiger Typ stieg aus und steuerte auf das Gebäude zu. Finn streifte der Mann nur mit einem kurzen Blick, bevor er durch die Tür ins Innere verschwand.

Entweder hatte sich der Gestank inzwischen verflüchtigt oder der Typ war hart im Nehmen. Es dauerte so lange, wie man für einmal Pissen brauchte, bis er wieder rauskam und auf den Wagen zuging.

„Ähm ... hallo?“, meldete sich Finn zu Wort. „Könnten Sie mich vielleicht mitnehmen?“

Der Mann stoppte, drehte sich zu ihm um und musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Eigentlich nehme ich keine Anhalter mit.“

„Ich bin aus Versehen hier gestrandet. Der Flixbus ist ohne mich abgefahren.“

„Tja. Da hast du wohl am falschen Ende gespart.“ Der Typ wies mit dem Kinn in Richtung Wagen. „Dann steig mal ein.“

Erleichtert ließ sich Finn auf dem Beifahrersitz nieder, während sich sein Retter hinters Lenkrad klemmte.

„Wo willst du überhaupt hin?“, erkundigte sich der Mann.

„München.“

„Du hast Glück. Da muss ich auch hin.“ Der Typ ließ den Motor an. „Ich bin übrigens Moritz.“

„Finn.“ Es war wundervoll, nach der feuchten Kälte im trockenen und warmen Innenraum zu sitzen. Er guckte über die Schulter. Hinter den Sitzen stapelten sich Kartons und Möbel. „Ziehst du um?“

„Ich nicht. Der Krempel gehört einem Kunden.“

„Kunden?“

„Ich hab ein Umzugsunternehmen und mache ab und zu selbst eine Tour, wenn Not am Mann ist.“

Finn guckte auf die Uhr im Armaturenbrett. Halb sechs. „Mitten in der Nacht und dazu noch am Wochenende?“

Moritz zuckte mit den Achseln. „Dann ist auf den Straßen am wenigsten los.“

Um seinen Chauffeur nicht weiter zu nerven, lehnte er sich zurück und schaute aus dem Fenster. In der Dunkelheit erkannte er die Umrisse von hohen Bäumen. Ach ja: Wo befanden sie sich überhaupt? Er spähte rüber zu Moritz, der konzentriert nach vorne sah. Ein hübsches Profil, mit der kleinen Nase und den langen Wimpern. Moritz besaß einen Bauchansatz, wirkte aber ansonsten fit. Das sollte man als Umzugsunternehmer, der mitanpackte, wohl auch sein.

„Wo sind wir eigentlich?“, fragte Finn.

„Kurz hinter Nürnberg. Noch ungefähr zwei Stunden bis München. Wo genau musst du da hin?“

„Ismaning.“

„Das trifft sich. Mein Ziel ist Garching. Das liegt direkt daneben.“

Er war wirklich ein Glückspilz. Insgeheim hatte er sich schon gefragt, wie er zu Jon kommen sollte und wie lange er dafür brauchte. Jede Minute ging ja für ihr gemeinsames Wochenende verloren.

„Du glaubst gar nicht, wie dankbar ich dir bin.“ Finn kuschelte sich tiefer in den Sitz. „Nun weiß ich, wie es Haustieren und Rentner geht, die an der Autobahn ausgesetzt werden.“

„Rentnern?“, echote Moritz und warf ihm einen verwunderten Seitenblick zu.

„Ein Scherz, aber ist das nicht vor einiger Zeit tatsächlich passiert?“

Moritz lachte. „Bestimmt nur aus Versehen.“

Schmunzelnd zuckte Finn mit den Achseln. Wieder guckte er aus dem Fenster. Seine Gedanken wanderten zu Jon. Der schlief bestimmt noch. Vielleicht konnte er sich bald zu ihm kuscheln. Eine herrliche Vorstellung. Als erstes musste er sich aber um sein Gepäck kümmern. Große Hoffnung, dass er es zurückerhielt, machte er sich nicht. Bestimmt schnappte sich jemand den herrenlosen Rucksack in dem Glauben, darin etwas Wertvolles zu finden. Abgesehen von dem Rasierwasser gab es da jedoch nichts. Sein Smartphone war ein altes Modell und die Klamotten waren keine Markenware.

Das Radio dudelte leise vor sich hin. Zusammen mit dem Motorengeräusch bildete es eine einschläfernde Geräuschkulisse. Finn fielen die Augen zu.

Er wachte auf, als Moritz an einer Ampel hielt. Verschlafen guckte er sich um. Anscheinend waren sie gerade von der Autobahn abgefahren.

„Wir sind gleich in Garching. Gib mir mal die Adresse, wo du hinmusst. Ich bin gut in der Zeit und kann dich da absetzen“, meldete sich Moritz zu Wort.

„Aschheimerstraße 11.“ Finn rieb sich den Nacken, den er sich beim Schlafen verspannt hatte.

„Alles klar“, brummelte Moritz.

Die Ampel sprang auf grün. Sie bogen nach links ab. Auf beiden Seiten der Straße lagen Felder. Anschließend tauchten sie in ein Waldgebiet ein und überquerten eine Brücke. Dahinter erhoben sich Industriebauten. Moritz bog rechts ab, fuhr an den Straßenrand und begann, das Navi zu programmieren. In Finn regte sich ein schlechtes Gewissen. Andererseits hatte Moritz von sich aus angeboten, ihn zum Ziel zu chauffieren.

Inzwischen war es halb zehn. Dank Moritz würde er sogar noch früher als geplant bei Jon eintreffen.

„Besuchst du deine Freundin?“, erkundigte sich Moritz und fädelte den Wagen wieder in den fließenden Verkehr ein.

Sollte er ehrlich sein? Lieber nicht, sonst flog er noch kurz vorm Ziel raus. „Nein. Nur einen Kumpel.“

„Ich hatte auch mal ein paar Bekannte in München, damals, als ich jung war.“

„Was ist daraus geworden?“

Moritz zuckte mit den Achseln. „Man hat sich ein paarmal besucht, dann ist es eingeschlafen.“

Sowas kannte Finn auch. Urlaubsbekanntschaften, mit denen man sich einmal getroffen und danach nie wieder etwas gehört hatte. „Fährst du heute noch zurück?“

Moritz nickte. „Sobald ich ausgeladen habe.“

„Musst du nicht zwischendurch eine Ruhezeit einlegen?“

„Wenn ich müde bin, halte ich irgendwo und hau mich aufs Ohr.“

Einige Minuten später hielt Moritz vor einem modernen Mehrfamilienhaus. „Das müsste es sein.“

Finn löste seinen Gurt. „Vielen-vielen Dank, dass du mich mitgenommen und hergebracht hast.“

„Kein Problem.“ Moritz fischte etwas aus der Jackeninnentasche und hielt es ihm hin. „Falls du mal umziehen möchtest.“

Es handelte sich um eine Visitenkarte. Moritz Steigenburg, Umzüge aller Art, stand auf der Vorderseite, auf der Rückseite die Firmenanschrift und Telefonnummer.

„Darauf komme ich gern zurück, wenn es soweit ist.“ Er schenkte Moritz ein Lächeln, stieg aus und warf die Beifahrertür zu.

Nachdem der Transporter aus seinem Blickfeld verschwunden war, wandte er sich dem Haus zu und schaute an der Front empor. Eine schmucklose Fassade. Dafür waren viele Balkons mit blühenden Blumen geschmückt.

2.

Laut Klingeltafel wohnte Jon im 5. Stock. Auf Finns Läuten hin dauerte es ein Weilchen, bis aus der Gegensprechanlage „Ja?“ ertönte.

„Ich bin’s, Finn.“

Stille, dann räusperte sich Jon. „Was für eine Überraschung.“

Freudig klang das nicht. „Lässt du mich nicht rein?“

„Du, das passt im Moment ganz schlecht.“

„Was soll das denn heißen?“

„Na ja, ich ... ich bin nicht allein.“

Schockstarr glotzte Finn ins Leere. Jon betrog ihn?

„Okay, komm hoch“, lenkte Jon ein.

Der Öffner summte. Er warf sich gegen die Tür, stolperte ins Treppenhaus und guckte zwischen Fahrstuhl und Stufen hin und her. Um seinen Adrenalinpegel zu senken entschied er sich für letztere.

In der 5. Etage erwartete ihn Jon im weißen Bademantel. Der Bettfrisur zufolge, war sein zukünftiger Ex - Finn wollte mit Fremdgängern nicht zu tun haben - gerade aufgestanden, vermutlich nach einer Runde Sex.

„Schön dich zu sehen“, begrüßte ihn das Arschloch.

Der hatte Nerven! „Wann wolltest du mir denn sagen, dass du einen Neuen hast?“

„Ich ... also, es ist so ...“, druckste Jon herum, den Blick gesenkt und die Finger damit beschäftigt, am Bademantelgürtel zu zupfen.

„Ist das dein Ex-Freund?“, tönte es aus der Wohnung.

Das wurde ja immer besser!

Ein dunkelhaariger Adonis, ebenfalls in einen Bademantel gehüllt, tauchte hinter Jon auf. „Hi. Ich bin Klaus.“

„Dann bin ich wohl überflüssig“, stellte Finn nüchtern fest, obwohl ihm das Herz bis zum Hals klopfte.

„Kann man so sagen“, stimmte Klaus grinsend zu.

„Hör mal“, mischte sich Jon ein. „Wir müssen darüber reden.“

„Schönen Tag noch.“ Finn drehte sich um und joggte die Treppe wieder runter.

Unten angekommen hockte er sich auf die letzte Stufe und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Was für ein mieses Schwein! Bestimmt ging das schon länger so. Deshalb hatte Jon nicht mehr angerufen, wurde ihm im Rückblick klar. Die Initiative war einzig von ihm ausgegangen. Er hatte ein Luftschloss gebaut, das nun mit einem lauten Knall zerplatzt war.

Was für eine Scheiße! Was sollte er denn jetzt tun? Der Platz im Flixbus war erst für Sonntag gebucht. So lange wollte er keinesfalls hier bleiben.

Er verließ das Gebäude und sah unschlüssig nach links und rechts. Schließlich wandte er sich nach links, in die Richtung, aus der er mit Moritz gekommen war. Beide Hände in den Hosentaschen marschierte er an der Straße entlang, wobei er fieberhaft überlegte, wie er am schnellsten wieder nach Hause kam. Die Bahn wäre eine Alternative, würde sein Budget aber bestimmt arg belasten. Per Anhalter? Nein danke. Mit Moritz hatte er unheimliches Glück gehabt. Ein weiteres Mal wollte er das nicht herausfordern. Insgeheim war er nämlich ein ziemlicher Schisshase.

Warum hast du dich auch nicht bei Jon angemeldet?, flüsterte es in seinem Kopf. Dann wäre dir der Scheiß erspart geblieben. Ja-ja! Hinterher ist man immer schlauer, gab er im Geiste zurück. Im Nachhinein wurden ihm einige Anzeichen bewusst, die er geflissentlich ignoriert hatte. Die merkwürdige Erklärung für den Umzug nach München. Jons kurzangebundene Art am Telefon.

Plötzlich brannten Finns Augen. Mühsam blinzelte er die aufsteigenden Tränen weg. Wegen dieser verdammten Arschgeigen würde er keinesfalls losflennen! Das hatte Jon gar nicht verdient!

In einem Kiosk besorgte er sich einen Kaffee to go und eine Tafel Schokolade. Einige Meter weiter setzte er sich auf eine Bank. Ihm war trostlos zumute. Allein in der Fremde, vom Ex betrogen und ohne Gepäck. Ging’s noch schlimmer? Beschwör es nicht herauf!, mahnte ihn die Stimme. Es könnte regnen oder schneien. Damit hatte sie recht. Wenigstens schien die Sonne, so dass er nicht frieren musste.

Als er den Pappbecher geleert und einige Stücke Schokolade gegessen hatte, setzte er seinen ziellosen Weg fort. Nach einer Weile erreichte er das Industriegebiet, das er vorhin mit Moritz passiert hatte. Moritz ... wäre es unverschämt ihn anzurufen und zu fragen, ob für die Rücktour ein Platz frei war?

„Ha-ha! Wie denn, ohne Handy?“, murmelte er halblaut.

Einige Schritte weiter entdeckte er auf der anderen Straßenseite eine Telefonsäule. Das war doch ein Wink des Schicksals, oder?

---ENDE DER LESEPROBE---