Männlichkeit leben - Björn Thorsten Leimbach - E-Book
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Männlichkeit leben E-Book

Björn Thorsten Leimbach

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Beschreibung

Dieses "Männerbuch" bezieht eine eindeutige Position. Es bringt eine neue Sicht in die Geschlechterdiskussion und stellt einen konkreten Leitfaden dar, wie Männer in ihrer Männlichkeit und Identität gestärkt werden. Männer sollen sich aus der Rolle des netten, lieben Frauenverstehers befreien. Um als Mann autonomer, emotional und sexuell unabhängiger von Frauen zu werden, muss er seine Aggressionen in positiver Form leben, anstatt diese zu unterdrücken. Aggressionen sind eine starke Qualität von Männern, die dazu dienen, sich abzugrenzen und männliche Ecken und Kanten auszubilden. Dazu ist auch ein Zugang zum eigenen Herzen nötig, das bei vielen Männern durch Angst oder Verletzung verschlossen ist, um mehr Liebe, Herzlichkeit und Mut zu entwickeln. Das Buch richtet sich an Männer, die ihren Abenteuergeist und Freiheitsdrang auch in einer guten Partnerschaft ausleben wollen. Bjørn Thorsten Leimbach entwirft die Vision einer neuen kraftvollen und positiven Männlichkeit.

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Seitenzahl: 495

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Bjørn Thorsten Leimbach

Männlichkeitleben

Die Stärkung des Maskulinen

Ellert & Richter Verlag

Dieses Buch widme ich in Liebe und Dankbarkeit meinem Vater Eckhard Leimbach und meinem Sohn Joshua Andrej Conens.

Für wichtige Inspirationen zur Männerarbeit möchte ich John Bellicchi, meinem Zenmeister Roshi Sama und meinem Karatelehrer Sensei Otto Rumann danken.

Mein Dank für konkrete Unterstützung gilt Leila Bust, mit der ich seit zwölf Jahren zusammen Seminare konzipiere und leite, Karsten Kümmerlein als meinem „Manager“, meinem Freund Olaf Weißenborn, meinen Assistenten und speziell dem Männer-Team mit ihren Anregungen in der Reflektion der Seminare sowie zahlreichen Teilnehmern und meinen Klienten. Ihre Berichte und Erlebnisse finden sich anonymisiert in diesem Buch wieder.

Der Herzenskrieger – für eine neue und selbstbewusste Männlichkeit

Die meisten Männer haben ihr Herz an die Frauen verloren: an die Mutter, die Erzieherin, die Freundin, die Ehefrau. Was viele dabei übersehen: Solange Männer auf Bestätigung durch Frauen hoffen, bleiben sie in einer abhängigen und isolierten Position. Und ohne es zu bemerken, opfern sie das Beste, was sie besitzen: ihre Männlichkeit.

Die männliche Rolle war über Jahrtausende geprägt von Jagd, Kampf und Aggression – Fähigkeiten, die das Überleben der Menschen in der Evolutionsgeschichte überhaupt erst möglich machten. Männliche Werte und Eigenschaften waren Mut, Disziplin, Willensstärke, Verantwortungsübernahme und Zielstrebigkeit. Entsprechend war auch die männliche Sozialisation ausgerichtet. Die Weitergabe „männlicher Eigenschaften“ und Tugenden war bis vor zwei bis drei Jahrzehnten gesellschaftlich ausdrücklich erwünscht und wurde für einen Jungen und Mann als notwendig angesehen.

Die weibliche Rolle hingegen war in der Geschichte der Menschheit vorrangig auf die Reproduktion, die Erziehung der Kinder, auf Ernährung und Fürsorge ausgerichtet. Hingabe, Einfühlungsvermögen und Anpassungsbereitschaft waren die klassischen weiblichen Werte. Die Rolle der Frau war außerdem meist durch die Abhängigkeit vom Mann geprägt, der auch ihren gesellschaftlichen Status bestimmte.

Die Frauenbewegung hat in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Veränderung im Selbstverständnis von Männern und Frauen bewirkt. Traditionelle Werte, die mit stereotypen Denk- und Verhaltensweisen einhergegangen sind, wurden infrage gestellt. Ein neues Bewusstsein etablierte sich. So akzeptieren heute nur noch wenige gebildete Frauen die Rolle der Ehefrau, die sich für den Mann an Heim und Herd aufopfert. Frauen stellen immer stärker ihre persönliche Entwicklung und berufliche Karriere in den Vordergrund. Das Motto lautet: Selbst ist die Frau – unabhängig und selbstbewusst. Klassische Machos sind dementsprechend out.

Frauenbewegung und Emanzipationsbestrebungen haben in den letzten 30Jahren jedoch nicht nur die gesellschaftliche Rolle der Frauen verändert, sondern entsprechend auch bei den Männern, ihrem geschlechtlichen Pendant, massive Veränderungen bewirkt.

Dabei hat dieser Wandel in den Geschlechterrollen keinesfalls nur längst überfällige verkrustete Strukturen aufgebrochen, sondern hat bei beiden Geschlechtern auch zu einer zunehmenden Rollendiffusion geführt. Frauen stehen oftmals ratlos vor der Frage, ob sie sich für Kinder oder Karriere entscheiden sollen, denn sie finden beide Rollen meist kaum miteinander vereinbar. Soziodemographisch zeigt sich dieses Dilemma deutlich in dem starken Geburtenrückgang, insbesondere bei Frauen mit gehobenem Bildungsabschluss.

Noch dramatischer wirkt sich der Wertewandel allerdings auf die Männer aus. Männliche Tugenden, wie Aggressivität, Mut und Durchsetzungskraft, werden heute in der Gesellschaft nicht mehr wie vor 30Jahren uneingeschränkt wertgeschätzt. Im Gegenteil. Sie werden sehr kritisch betrachtet. Es ist sogar so weit gekommen, dass Jungen und Männern typisch männliche Eigenschaften zunehmend aberzogen werden.

Frauen übernehmen die Führung

In meiner mittlerweile 20-jährigen Erfahrung in der Seminararbeit und therapeutischen Beratung beobachte ich diese kontinuierliche Veränderung und ihre Folgen. Immer mehr Männer entwickeln statt ihrer männlichen Seite ihre weibliche Seite. Sie entdecken Qualitäten wie Emotionalität, ihr Harmoniebedürfnis, Ruhe und Einfühlungsvermögen. Sie lernen auf Frauen einzugehen, Karriere nicht als oberstes Ziel zu sehen und ihr Selbstverständnis als Mann von der Bestätigung durch Frauen abhängig zu machen.

Immer mehr Frauen entwickeln und stärken dagegen ihre männlichen Anteile. Sie gewinnen an Stärke und Selbstbewusstsein, entwickeln ihre Durchsetzungsfähigkeit und ihre Willenskraft.

Auf den ersten Blick mag es so erscheinen, dass diese Veränderungen zu mehr Annäherung und Verständnis zwischen den Geschlechtern führen. In der Praxis jedoch zeigt sich eine tiefe Verunsicherung, die insbesondere die Männer betrifft.

Immer mehr Männer leiden in Partnerschaften unter emotionaler Abhängigkeit oder ziehen sich in die Einsamkeit zurück. „Wer bin ich als Mann?“ ist eine Frage, die viele Männer beschäftigt. Klassische männliche Qualitäten wie Disziplin, Ehrgeiz, Aggression und Pflichtbewusstsein werden abgelehnt – meist einhergehend mit einer Ablehnung des eigenen Vaters, dem ersten Vorbild für Männlichkeit im Leben. Viele Männer bemühen sich sogar darum, jegliche Aggressivität, Kraft und auch ihre Sexualität zu verstecken. Einer Frau wehzutun – im realen wie im übertragenen Sinn – ist ein ultimatives Tabu. Sie selbst aber sind bereit, sich emotional verletzen zu lassen – wie kleine Jungen, die auf eine Anerkennung durch ihre Mutter hoffen, wenn sie lieb sind, und mit Strafe rechnen, wenn sie unartig waren. Doch je netter die Männer werden, umso mehr verlieren sie sich selbst als Mann, wie ein Wolf, der sich in einem Schafspelz versteckt und irgendwann vergisst, dass dies nur eine Verkleidung ist.

Das Paradoxe ist: Die meisten Frauen haben auf Dauer wenig Interesse an einem „netten“ Mann. Sobald eine Frau die Dominanz über „ihren“ Mann hat, befindet sie sich in der Mutterrolle und betreut ihn als großen Jungen. Eine Rolle, die nur wenige Frauen auf Dauer attraktiv finden. Viele suchen sich lieber einen „richtigen“ Mann, um etwas Aufregendes zu erleben. Unsere interaktive Umfrage zum Sexualverhalten (nachzulesen unter: www.sexualtherapie.biz) ergab beispielsweise, dass Frauen mittlerweile genauso treu oder untreu wie Männer sind. Eine Umfrage in der Märzausgabe 2007 der Zeitschrift Player zeigt auf, dass 67Prozent der Frauen fremdgehen, weil sie mit ihrem Sexleben unzufrieden sind, 23Prozent aus purer Abenteuerlust.

Frauen übernehmen immer mehr die Führung und Verantwortung in Ehe und Beziehungen, während Männer zu „Problemfällen“ werden, die sich nicht verändern wollen. Sie werden zu braven und lieben Jungen, die keiner Frau wehtun wollen. Jungen, die bereit sind, ihre eigenen Wünsche und Visionen, ihre Freiheit und Aggression aufzugeben, manchmal sogar ihre Sexualität, um eine Frau glücklich zu machen.

Diese aktuelle Rolle des Mannes wird auch in deutschen und amerikanischen Spielfilmen sehr anschaulich dargestellt: Der Mann wird meist als netter, trotteliger Partner in Beziehungen dargestellt. Die Frau hat die Macht, die Führung und Kontrolle. Der Mann punktet höchstens durch liebenswerte „Marotten“. Männer werden als große Jungen dargestellt – ohne Biss, ohne Macht und völlig abhängig von ihrer Partnerin – ein Spiegelbild vieler realer Beziehungen.

Der gesellschaftliche Wertewandel hat dazu geführt, dass Frauen heute intensiv gestärkt werden. Jede größere Stadt unterhält heute eine städtische Gleichstellungsstelle, deren Gleichstellungsbeauftragte darauf achten sollen, dass Frauen nicht benachteiligt, sondern gefördert und besonders geschützt werden. In den Kulturangeboten der Städte finden sich öffentlich geförderte geschlechtsspezifische Angebote, die ausnahmslos Frauen vorbehalten sind. Die Erziehung in den Sozialisationsinstanzen Kindergarten und Schule verfolgt in den letzten beiden Jahrzehnten mit ihren pädagogischen Konzepten bevorzugt die Förderung von Mädchen.

Mit durchschlagendem Erfolg: Mädchen verfügen heute flächendeckend über die besseren Schulnoten und besseren Abschlüsse. Sie gelten als sozial kompetenter und besitzen Qualitäten und Fertigkeiten, die für ein späteres erfolgreiches Berufsleben sehr wichtig sind.

Dieser umfangreichen Mädchen- und Frauenförderung stehen allerdings die Verlierer des Wertewandels gegenüber: die Jungen und Männer. Jungen werden Aggression und Freiheitsdrang abtrainiert, damit sie ungefährlich, demokratisch und einfühlsam werden. Die Jungen werden die besseren Mädchen – sanft und verständnisvoll bis hin zu naiver oder einfach feiger Angepasstheit an die vermeintlichen Wünsche der anderen. Und die anderen – das sind im Leben von immer mehr Jungen die Frauen, denen der Junge gefallen will und deren Werte er auch als erwachsener Mann übernimmt.

Die Folgen dieser Entwicklung sind weitreichend: Jungen und Männer sind zum Problemfall der Gesellschaft geworden. Lernschwierigkeiten, schlechte Schulabschlüsse, Drogensucht, Selbstmord – auf fast allen gesellschaftlichen Ebenen machen Jungen und Männer negative Schlagzeilen.

Die Abhängigkeit der Männer von Frauen

In meine therapeutische Praxis kommen in den letzten Jahren immer mehr Männer, die sich von Frauen in ihrem Leben emotional abhängig fühlen. Hans ist ein typisches Beispiel:

Hans ist ein attraktiver und gepflegter Mann, ein erfolgreicher Rechtsanwalt. Er kommt zu mir in die Beratung, weil er in seiner Ehe unglücklich ist. Nach der Geburt seines mittlerweile vierjährigen Sohnes, den er sehr liebt, häufen sich die Konflikte in der Ehe mit seiner intelligenten Frau, die selbst therapeutische Erfahrungen hat. Obwohl er sich redlich bemüht, sie glücklich zu machen, sich nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag noch Zeit für das Kind nimmt und sogar im Haushalt hilft, nimmt ihre Kritik an ihm immer mehr zu. Gleichzeitig sinkt ihr sexuelles Interesse an ihm in drastischem Maße. Auf meine Nachfrage hin gesteht Hans, dass sie kaum noch Sex zusammen haben, weil sie ihn stets abweist oder „Sachzwänge“ vorschiebt. Er gesteht mit schlechtem Gewissen, dass er eine Affäre angefangen hat, obwohl er seine Frau liebt und eigentlich lieber mit ihr sexuell zusammen wäre.

Hans ist in einer „Frauenwelt“ aufgewachsen, mit wenig männlichem Einfluss und mit einem Vater, den die gesamte Familie ablehnt, weil er sein Leben nicht gemeistert hat. Hans hat früh gelernt, was Frauen von ihm erwarten. Dem gerecht zu werden bemüht er sich seitdem, aber das macht weder ihn noch seine Partnerin glücklich. Sie wird immer mehr zur dominanten Mutter, die ihn lobt oder bestraft. Er hat gelernt, sich ihren Launen anzupassen. Sie bestimmt, wie die Atmosphäre zu Hause ist. Sie bestimmt, wie viel Nähe oder Distanz zwischen ihnen ist. Und sie bestimmt, wann sie Sex haben, nicht er. In Auseinandersetzungen fühlt er sich meist als der Verlierer. Und diese Auseinandersetzungen belasten ihn weit mehr als seine Partnerin. Um diesem unerträglichen Gefühl der Unterlegenheit und des Selbstzweifels an sich als Mann etwas entgegenzusetzen, sucht er das Weite. In der Bestätigung seines Mannseins durch eine andere Frau. Leider kommt er dadurch vom Regen in die Traufe: Die Ablenkung und Entlastung durch seine Affäre führt zu einem schlechten Gewissen. Selbstzweifel und innere Zerrissenheit holen ihn bald ein. Wie so oft schon im Leben sucht er sich als Mann an der falschen Stelle: bei einer Frau.

Hans kann als Paradebeispiel für die Erlebnisse von vielen Männern gelten. Inzwischen ist die Verunsicherung bei Jungen und Männern schon so groß, dass immer mehr Frauen sich nach einem Mann sehnen, der Integrität und Rückgrat hat und den Mut, ihnen in ehrlicher und respektvoller Form Kontra zu bieten. Ein Mann, den frau auch mal anschreien kann und der nicht weinend zusammenfällt oder ängstlich wegläuft, sondern dagegenhalten kann. Ein Mann, der Konflikte, Schmerzen oder Verluste riskiert, um sich selbst und seinen Visionen treu zu bleiben. Immer mehr Frauen sehnen sich nach Männern, die wissen, was sie wollen, und bereit sind, dafür zu kämpfen, Männer, die entschieden JA, aber auch NEIN sagen können und nicht ihre Fahne mit einem lauwarmen „mal schauen“ in den Wind hängen. Frauen vermissen einen Mann, der auch einen emotionalen Sturm aushält und den Kontakt zu seinem eigenen Herzen nicht verliert. Ein Mann, den sie respektieren und an den sie sich anlehnen können.

Wie konnte es passieren, dass die Männer ihre Identität und damit ihre Kraft verloren haben? Frauen sind die Menschen, mit denen Männer von Kindheit an emotionale Nähe zulassen: Mutter, Großmutter, Kindergärtnerin, Lehrerin, Partnerin, Geliebte, Freundin – die Liste der weiblichen Bezugspersonen ist bei den meisten Männern lang. Das letzte Jahrhundert war jedoch aufgrund der beiden Weltkriege geprägt durch die physische oder emotionale Abwesenheit der Väter und durch einen Mangel an männlichen Bezugspersonen und Vorbildern. Das Ergebnis: Die Männer isolieren sich in ihren Gefühlen. Kontakte zu anderen Männern reduzieren sich auf Hobbys, Sport oder Alltagsgespräche. Dieses Verhalten kann man als Spiegel für das Verhältnis zum eigenen Vater deuten: Wirkliche emotionale Nähe, Herzlichkeit und verbindliche Freundschaft fehlen den meisten heutigen Männern, ganz zu schweigen von Körperkontakt.

Dabei kann die Erfahrung, sich mit der Kraft und Unterstützung des Vaters, des Großvaters und der ganzen Linie der männlichen Ahnen zu verbinden, überwältigend sein – hier gilt es die Kraftquelle der eigenen Wurzeln zu entdecken, von der die meisten männlichen „Einzelkämpfer“ unserer Kultur abgeschnitten sind.

Freiheit, Stärke und Selbstbewusstsein als Mann leben

Was muss also passieren, damit die Männer ihre Identitätskrise überwinden? Damit sie wieder selbstbewusst und emotional stark werden. Damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen – unabhängig von den Frauen. Dieses Buch zeigt Wege zu einer zeitgemäßen und neu verstandenen Männlichkeit auf, durch die aus großen Jungen Männer werden. Dieser Weg beginnt mit dem Verlassen der Komfortzone, dem Verlassen der weiblichen Nestwärme und führt in eine oft raue, aber herzliche Männerwelt. Denn der Weg eines Mannes führt aus dem meist dominanten Einfluss des Weiblichen zu einem neuen Kontakt mit Männern. Hin zu echten Männerfreundschaften. Herzlich, schonungslos ehrlich und emotional stärkend. Wie aus einem Jungen ein Mann wird, kann er nur von Männern lernen, aber niemals von Frauen. Hier liegt ein häufiger Irrglaube: Immer mehr Männer besprechen ihre persönlichen Themen und Probleme mit Freundinnen – aber als Mann erfährt man sich nur im ehrlichen Spiegel von anderen Männern, jenseits von Konkurrenz, oberflächlicher Ablenkung und intellektueller Besserwisserei. Im ehrlichen Kontakt mit anderen Männern wird der Junge zum Mann. Im Austausch mit Männern erfährt er seine Initiation in die Männerwelt. Ein anwesender Vater, der Reibungsfläche, aber auch Wärme bietet, männliche Vorbilder und Bezugspersonen in Kindheit und Jugend sowie ältere Mentoren erfüllten traditionell diese Aufgabe. Dies ist heute leider immer seltener der Fall. Einige besonders emanzipierte Frauen sind außerdem der Ansicht, dass sie ihren Sohn alleine ohne Vater großziehen können. Ein fataler Fehlschluss: Denn aus dem Kind wird ohne Vater ein großer Junge werden, aber kein Mann.

Vielen Männern fehlt heute eine Initiation ins Mannsein, und so laufen sie verloren den Frauen hinterher. Sie bleiben ewiger Rebell gegen den Vater oder ziehen sich auf eine emotionslose und arrogante Position als „intellektuelle Besserwisser“ zurück.

Dieses Buch will nicht Frauen die Schuld an den „verweichlichten“ Männern geben, sondern es will Männer aufrütteln und ihnen den Weg weisen, wie sie ihre männliche Identität entdecken können. Es will bei Männern Selbstbewusstsein und emotionale Autonomie stärken, damit sie Verantwortung für ihr Leben als Mann übernehmen. Erst ein Mann, der seine männlichen Qualitäten wie Mut, Ehrlichkeit und Selbstdisziplin entwickelt hat, ein positives Verhältnis zu seinem Aggressionspotential entwickelt und Führung über sein Leben hat, kann auch in den Genuss seiner weiblichen Anteile kommen. Dasselbe gilt in umgekehrter Weise auch für die Frauen – aber dies ist hier nicht das Thema, denn dies ist ein Männerbuch.

Ich stelle hier meine Erfahrungen als Seminarleiter für Persönlichkeitsentwicklung, als Coach sowie als Paar- und Sexualtherapeut zur Verfügung. Mit diesem Buch möchte ich auf eine gesellschaftliche Entwicklung aufmerksam machen, durch die Männer ihre Männlichkeit und Frauen ihre Weiblichkeit immer mehr verlieren. Ich zeichne einen Weg für Männer zu einer neu verstandenen Männlichkeit auf. Ein Weg mit kraftvollen Initiationen, der zu einer neuen Männerkultur führt. Für diesen neuen Mann habe ich das Bild des „Herzenskriegers“ gewählt. Er steht für eine Vision von Mannsein: Ein Mann, der selbstbewusst seine Männlichkeit lebt, stolz und unabhängig ist. Er hat eine Verbindung zu seiner Kriegerenergie ebenso wie zu seiner Herzenskraft. Er kämpft für seine Wünsche und Visionen. Der Herzenskrieger spürt die Kraft der Liebe in sich und trägt sie kraftvoll in die Welt.

Warum Männer verweichlichen und Frauen verhärten

Der Mann wird zum Problemfall

Mit dem Beginn der Frauenbewegung in den späten 1960er-Jahren nahmen gesellschaftliche Veränderungen ihren Lauf, die das Leben von Frauen und Männern bis heute prägen. Die Frauen der Emanzipationsbewegung brachen veraltete gesellschaftliche Strukturen auf. Sie erkämpften sich den Zugang zu Bildung, Beruf und Karriere. In den meisten Berufsfeldern sind Frauen heute deutlich vertreten. Zunehmend bekleiden sie auch Positionen als Vorgesetzte. In der Politik erregt es kaum noch Aufsehen, dass eine Frau zur Bundeskanzlerin gewählt wird.

Um die Rechte von Frauen und Mädchen zu stärken, gibt es Frauenförderungsprogramme, Frauenbeauftragte, Frauengleichstellungsstellen und Quotenregelungen. Es gibt frauenspezifische Beratungs- und Rehabilitationsangebote und Frauenhäuser zum Schutz vor schlagenden oder misshandelnden Männern. Frauen stellen 52Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland und sind sich ihrer Rechte immer deutlicher bewusst. Die Frauen von heute sind „die privilegierteste Frauengeneration der Geschichte“, konstatiert die Journalistin und Therapeutin Astrid v. Friesen in ihrem Buch „Schuld sind immer die anderen!“.

Trotz all dieser Erfolge in der Emanzipation der Frau trägt das kollektive Bewusstsein unserer Gesellschaft noch immer das klassische Bild einer Männergesellschaft in sich. In diesem Bild sind die Frauen als Opfer schwach und unterdrückt, die Männer als Täter dominant.

Wie passt das zusammen? Als Erstes möchte ich den Blick auf die „Täter“ lenken, die Männer, die angeblich das Sagen und die Macht haben. Eigentlich müssten sie dann ja auch das bessere Leben haben, vielleicht sogar glücklicher sein. Dass dem nicht so ist, zeigen die Statistiken sehr deutlich:

Problemfall Mann – das starke Geschlecht kommt mit dem Leben schlecht zurecht:

• Männer sterben durchschnittlich sieben Jahre früher als Frauen.

• Nach Scheidungen nehmen sich Männer sechsmal so häufig das Leben wie Frauen.

• Selbstmord ist die dritthäufigste Todesursache bei Männern im Alter zwischen 15 und 65Jahren. 74Prozent der Suizide in Deutschland werden von Männern begangen.

• Männer erleiden 95Prozent aller tödlichen Berufsunfälle.

• 24 der 25 gefährlichsten Jobs in den USA sind Männerjobs.

• Über 95Prozent der Gefängnisinsassen sind Männer.

• 78Prozent der Prügelopfer sind Männer.

• 84Prozent der Mordopfer sind Männer.

• In Kriegen werden überwiegend Männer getötet.

• 84Prozent der Drogenabhängigen sind Männer und mehr als fünfmal so viele Männer wie Frauen sterben an den Folgen von Drogen.

• Viermal so viele Männer wie Frauen sterben an den Folgen von Alkohol- und Tabakkonsum.

• 75Prozent der Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und 68Prozent der Kinder mit Lernschwierigkeiten in Schulen sind Jungen.

Der Mann ist zum Problemfall unserer Gesellschaft geworden. Diese Statistiken spiegeln die bestehende Realität in fast allen gesellschaftlichen Lebensbereichen wider. Ich führe sie an, weil die Zahlen meinen Beobachtungen und Erfahrungen in der Arbeit mit Männern in Therapie, Beratung und Seminaren entsprechen.

Männer werden immer labiler, kraftloser und lebensuntauglicher. Ihre Hilflosigkeit drückt sich in Verhaltensauffälligkeit, Leistungsabfall oder Verweigerung, in Drogenkonsum, Kriminalität, Gewalt und schließlich auch in Selbstmord aus.

Die Ohnmacht der Männer und die Macht der Frauen

Männer leiden in zunehmendem Maße unter Leistungsdruck, Orientierungslosigkeit, Sinnlosigkeit, emotionaler Abhängigkeit von Frauen und Vereinsamung. Doch sie sind überraschend duldsam, schweigsam und enorm leidensfähig. Vor allem in Beziehungen halten Männer unhaltbare Zustände, Demütigungen, Schikane und Gewalt durch ihre Partnerin aus. Weder wehren sie sich noch beenden sie die Beziehung. Viel häufiger ducken sie sich, haben ein schlechtes Gewissen und hoffen, dass ihre Partnerin sie endlich in Ruhe lässt. Sie verharren als Opfer in Lethargie und Passivität.

Besonders deutlich sichtbar wird diese Macht der Frauen sowie die Ohnmacht der Männer im Bereich von Partnerschaft und Familie. Männer werden immer häufiger auf eine Rolle als Geldgeber, Sexpartner und Samenspender reduziert. Sogar als Väter werden sie oft nicht akzeptiert. Viele Mütter ziehen ihre Söhne alleine auf – häufig mit Rückendeckung von Gerichten und Jugendämtern. Man kann sagen, dass Männer in der zunehmenden „Femokratie“ (Frauengesellschaft) immer stärker ausgeschlossen und als überflüssig abgestempelt werden. Männer sind zu Opfern der gesellschaftlichen Entwicklung geworden.

Die allgemeine Welt- und Mediensicht stellt jedoch weiterhin die Männer als Täter und die Frauen als Opfer dar. Ein Bild, das schon lange die privaten und gesellschaftlichen Realitäten verkennt. Aber die Wortkombination von Mann und Opfer passt in den meisten Köpfen nicht zusammen, wie Bastian Schwithal in seiner Dissertation „Weibliche Gewalt in Partnerschaften“ treffend bemerkt.

Die Frauen, das „schwache Geschlecht“, sind dagegen in den letzten Jahrzehnten unabhängiger und autonomer geworden. Viele Frauen haben in der Partnerschaft und Kindererziehung die Führung übernommen, zunehmend sogar das Monopol. Frauen lassen es sich in der Öffentlichkeit nicht gerne anmerken, aber meist ist es für jeden auf den ersten Blick sichtbar, wer in der Beziehung „die Hosen anhat“.

Die größere Unabhängigkeit von Frauen zeigt sich auch darin, dass 80Prozent der Scheidungen von Frauen eingereicht werden. Nach Trennungen schimpfen die meisten Frauen auf ihren Expartner, machen ihn für das Scheitern der Beziehung verantwortlich. Sie fühlen sich im Recht und kritisieren ihren Expartner gnadenlos. Häufig wird Rache geübt. Beispielsweise indem die Frau die gemeinsamen Kinder instrumentalisiert, schlecht über den Vater spricht oder es ihm unmöglich macht, seine Kinder zu sehen.

Männer dagegen reagieren auf eine Trennung meist mit Rückzug, Selbstkritik und Depression. Sie haben häufig gravierende Probleme, mit der Situation fertig zu werden und leiden oft jahrelang darunter. Nicht selten führt ihre Verzweiflung auch zu einem zerstörerischen Verhalten.

Interessanterweise beschweren sich immer mehr Frauen genau darüber, dass Männer nicht mehr ihren Mann stehen und sich alles gefallen lassen. Der Ruf nach starken Männern wird immer lauter, je stärker die Frauen werden.

Gewalt in Beziehungen – zu mindestens 50Prozent weiblich

„Spätestens seit dem Kinofilm ,Der Feind in meinem Bett‘ mit Julia Roberts ist das Thema häusliche Gewalt in aller Munde. Es existiert mittlerweile eine wahre Flut von Fernsehfilmen, die das Motiv der von ihrem brutalen Mann gehetzten Frau zum Inhalt haben. Als Folge davon entstehen immer mehr Initiativen und Gruppen wie ,Männer gegen Männergewalt‘, bei denen versucht wird, dem Aggressionstrieb des maskulinen Geschlechts auf die Spur zu kommen und ihn unschädlich zu machen“, beginnt Arne Hoffmann seine Studie „Häusliche Gewalt ist weiblich“ (In: Novo-Magazin Nr.45, 03/042000).

Ein wichtiger Grund für die allgemein verbreitete Annahme, dass Männer die Täter und Frauen die Opfer sind, die es zu beschützen gilt, beruht auf der Überzeugung, dass Männer in Beziehungen gewalttätiger sind. Diese Annahme ist falsch. „Alle 44Sekunden schlägt irgendwo ein Mann auf der Welt seine Frau … Aber: Alle 41Sekunden rasten im Gegenzug Frauen aus und verprügeln ihre Männer oder machen sie psychisch fertig“, konstatieren Peter Beck und Uwe Seebacher in ihrem Buch „Rambo-Frauen“.

Viele internationale Studien zum Thema häusliche Gewalt kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie belegen, dass das Gewaltpotenzial zwischen Männern und Frauen ausgeglichen ist, sogar mit leichter Tendenz zur Frauenseite. Männer werden also mindestens genauso oft von ihrer Frau verprügelt oder körperlich misshandelt wie umgekehrt. Kinder werden mindestens genauso oft von ihrer Mutter wie von ihrem Vater geschlagen oder misshandelt.

Die umfangreichste Zahl von Studien hat vermutlich Bastian Schwithal in seiner Dissertation „Weibliche Gewalt in Partnerschaften“ ausgewertet. In der Analyse von zirka 300 internationalen Studien kommt er zu folgenden Ergebnissen:

•Frauen wenden genauso häufig oder häufiger emotionale und körperliche Gewalt gegen ihren Partner an.

•Auch in Fällen schwerer Gewalt ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ausgeglichen.

•Frauen setzen Gewalt überwiegend zum Angriff statt zur Verteidigung ein.

•Medien und Informationspolitik der Regierungen tragen zu einem völlig verzerrten Bild von den Opfer- und Täterrollen von Männern und Frauen bei.

• Männliche Opfer finden bei Aufklärungs- und Interventionsprogrammen gegen häusliche Gewalt auch weiterhin kaum Beachtung.

Erwachsene Männer als Opfer sexueller Gewalt durch Frauen sind seit einigen Jahren Thema in renommierten akademischen Fachmagazinen. So veröffentlichten die „Archives of Sexual Behavior“ allein im Jahr 2003 zwei Untersuchungen, denen zufolge jeder vierte Mann bereits einmal unfreiwilligen Sex hatte.

Bereits 1989 sind die ersten wissenschaftlichen Publikationen erschienen, die das Vorurteil vom Mann als Täter und der Frau als Opfer häuslicher Gewalt widerlegten. Damals untersuchte Anke Habermehl in ihrer Dissertation „Gewalt in der Familie“ 553Frauen und Männer in Deutschland: „Von allen Männern und Frauen zwischen 15 und 59, die schon einmal einen Partner hatten bzw. die einen Partner haben, waren 63,2Prozent schon einmal Gewalt ausgesetzt: 68,1Prozent der Männer und 58Prozent der Frauen haben schon einmal Gewalt in der Partnerschaft erlebt. 43,3Prozent der Männer und 34,7Prozent der Frauen sind schon einmal von einem Partner misshandelt worden, d.h. sie waren einer Form von Gewalt ausgesetzt, die ein Verletzungsrisiko einschließt.“

Habermehl fand auch heraus, dass Jungen häufiger von ihren Eltern gewalttätig behandelt werden als Mädchen. Sogar von ihren weiblichen Geschwistern werden die Jungen häufiger geschlagen oder misshandelt: „Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass sich bereits im Kindesalter weibliche Individuen gewalttätiger verhalten als männliche – zumindest ihren Geschwistern gegenüber. Diesen leichten Vorsprung, den sie schon als Kinder erringen, behaupten die Frauen auch als Partnerinnen und Mütter.“

Der Journalist Arne Hoffmann kommt in seiner vergleichenden Untersuchung „Häusliche Gewalt ist weiblich“ auf internationalem Niveau zu ähnlichen Zahlen: „Insgesamt 95 wissenschaftliche Forschungsberichte, 79 empirische Studien und 16 vergleichende Analysen in kriminologischen, soziologischen, psychologischen und medizinischen Fachzeitschriften aus den USA, Kanada, England, Dänemark, Neuseeland und Südafrika zeigen auf, dass in Beziehungen die Gewalt entweder überwiegend zu gleichen Teilen von beiden Partnern oder aber hauptsächlich von der Frau ausging.“

Arne Hoffmann beleuchtet in seiner Untersuchung auch die spezielle Situation in Deutschland: „Die Zeitschrift Focus (Artikel „Das privilegierte Geschlecht“, Heft 15 vom 7.April 2003), ließ ihre eigene Befragung durchführen und gelangte zu einem noch deutlicheren Resultat: In den alten wie in den neuen Bundesländern lag die Zahl der Männer bei den Opfern mittelschwerer bis schwerer Gewalt in der Partnerschaft um einige Prozent höher als die der Frauen.“ Sogar eine Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2004 belegt, dass etwa die Hälfte der Gewalttaten von Frauen ausgeht. Außerdem gaben 50Prozent der betroffenen Männer an, dass sie sich nicht gewehrt haben. Kein einziger erstattete Anzeige bei der Polizei.

Aufgrund dieser Ergebnisse vertritt Hoffmann die Ansicht, dass es höchste Zeit sei, dem Gewaltpotenzial von Frauen in der öffentlichen Diskussion mehr Aufmerksamkeit zu schenken. „Die Studien stimmen in ihren Erkenntnissen so deutlich überein, dass in der Fachwelt an diesen Verhältnissen nicht der geringste Zweifel mehr existiert. Dass weder Öffentlichkeit noch Politik diese wissenschaftlichen Ergebnisse bisher zur Kenntnis genommen haben, ist vermutlich einer der größten Skandale in der Geschlechterdebatte überhaupt.“

Diese Informationen werden jedoch bewusst verschwiegen oder verleugnet, weil sie einfach nicht in das Konzept der durch das Patriarchat unterdrückten Frau passen. Frauenpolitisch geprägte Interpretationen verschweigen diese Zahlen, um weiterhin an ihrer „Politik gegen Männergewalt“ festzuhalten. In Leitfäden und Beratungsstellen wird immer noch davon ausgegangen, dass Frauen die Opfer und Männer die Täter sind. Würden die Fakten allgemein bekannt, müsste ein radikales Umdenken von Opferdasein und Täterschaft stattfinden. Dann müssten folgerichtig auch Männerbeauftragte und Männerhäuser eingerichtet werden.

Arne Hoffmann resümiert in seiner Untersuchung: „In den nächsten vier Jahren möchte die EU 20Millionen Euro für Projekte zur Ächtung von Gewalt ausgeben – von Gewalt gegen Frauen natürlich. 1993 verabschiedeten die Vereinten Nationen folgende Erklärung: ‚Jede geschlechtsbezogene gewalttätige Handlung, die einer Frau Schaden oder Leid körperlicher, sexueller oder seelischer Art zufügt oder wahrscheinlich zufügen wird, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsberaubung im öffentlichen oder privaten Leben‘, wird als Menschenrechtsverletzung definiert. Auch diese Erklärung bezieht sich ausschließlich auf das weibliche Geschlecht. Von Männern ist nicht die Rede.“

Sogar in den Gesetzestexten werden die alten Vorurteile weiter gepflegt: Im Januar 2002 wurde in Deutschland ein Gesetz verabschiedet, das Betroffene von häuslicher Gewalt stärker schützen soll. Das Gewaltschutzgesetz ermöglicht den Opfern häuslicher Gewalt, den Täter zeitlich befristet oder dauerhaft aus der gemeinsamen Wohnung zu weisen. Das Zivilgericht kann dem Peiniger unter Androhung von Strafe verbieten, sich der Wohnung oder dem Opfer zu nähern. Damit kann die betroffene Frau den gewohnten Lebensraum für sich – und gegebenenfalls mit den Kindern – allein beanspruchen. Das Schutzgesetz gilt auch für nichteheliche Lebensgemeinschaften – sogar dann, wenn es sich um die Wohnung des gewalttätigen Partners handelt. Außerdem kann jede weitere Form der Belästigung, zum Beispiel durch Telefonterror, Nachstellungen, Verfolgung durch Fremde vom Zivilgericht verboten werden. Hält sich der Täter nicht daran und terrorisiert die Betroffene weiterhin, drohen ihm eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Haft. (Hervorhebungen durch den Autor)

Der Kriminologe Prof Dr.Dr.Michael Bock schreibt in seinem Gutachten 2001 im Auftrag des Deutschen Bundestags dazu: „Das Gewaltschutzgesetz geht von einem Feindbild „Mann“ aus, das empirisch nicht haltbar ist. Es fördert nicht den konstruktiven Dialog der Geschlechter, sondern ist ausschließlich auf Enteignung, Entmachtung, Ausgrenzung und Bestrafung von Männern gerichtet. Sein Ziel ist nicht, häusliche Gewalt zu bekämpfen, sondern ausschließlich Männergewalt.“

Die Gewaltbereitschaft von Frauen ist groß

Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Frauen enthemmter sind in ihrer Aggression und Gewaltbereitschaft, die Wirkung ihrer Schläge aber oft nicht einschätzen können. Hierzu ein persönliches Beispiel aus einem Karate-Training:

Im Karate-Training sind die erfahrenen Männer mit Schwarzgurt in Übungen mit Anfängern vorsichtig und zurückhaltend, um sie nicht zu verletzen. Wenn ein Anfänger aufgrund fehlerhafter Blocktechnik doch einmal einen Schlag abbekommt, entschuldigen sie sich für die mangelnde Kontrolle. Immer wenn ich aber eine Übung mit einer Schwarzgurt-Frau machte, wusste ich, dass ich höllisch aufpassen musste: Frauen platzieren Schläge ungehemmt mit voller Kraft und nehmen auch Verletzungen in Kauf – wehe dem, der einen Fehler macht. Ich selbst habe auch einiges einstecken müssen. Ein männlicher Trainingskollege musste einmal mit eingerissener Lippe ins Krankenhaus. Eine Entschuldigung von der Frau hat er aber nie gehört.

Frauen brauchen keine körperliche Überlegenheit, um sich in der gewalttätigen Auseinandersetzung durchzusetzen. Der entscheidende Faktor ist, dass sie oft weniger Hemmungen haben, Gewalt gegen einen Mann einzusetzen. Sie sind diesbezüglich geschichtlich nicht vorbelastet und ernten für ihre Gewalttätigkeit bei Freundinnen eher Sympathie und Verständnis als Kritik. Und sogar die Öffentlichkeit akzeptiert Gewalt von Frauen in bestimmtem Umfang: Frauen können einen Mann an einem öffentlichen Ort beschimpfen oder ihm eine Ohrfeige geben, ohne dass jemand einschreiten würde. Dagegen ist die Empörung meistens groß, wenn ein Mann eine Frau in der Öffentlichkeit beschimpft oder gar schlägt.

Sogar die Domäne der gewalttätigen Straßengangs ist längst nicht mehr den Männern vorbehalten. Der Spiegel berichtet in seiner Ausgabe vom 28.April 2006 von prügelnden und gewalttätigen Mädchenbanden in Berlin: „18Jahre, brutal, weiblich: Junge Mädchen reißen anderen Haare und Ohrringe aus, boxen sie mitten ins Gesicht und treten noch zu, wenn die Opfer schon am Boden liegen. Jugendliche Gewalt ist längst keine Männersache mehr. Die Polizei warnt davor, die ,Engelsgesichter‘ zu unterschätzen.“

„Mit Mädchen haben wir reichlich zu tun“, sagt auch Nadine Koschnick, eine Polizistin aus Berlin-Wedding. „Da stellen sich die Mädels mit den Jungs auf eine Stufe. Nicht nur, weil sie sich prügeln. Auch in ihrem Gehabe unterscheiden sich die weiblichen Schlägerinnen kaum von ihren männlichen Vorbildern.“

Die vielen internationalen Studien ebenso wie die einzelnen Fallbeispiele zeigen: Das Ziel der Forschung und Bekämpfung von Gewalt kann nicht länger die Stigmatisierung und Ausgrenzung von Männern sein. Die einseitige Darstellung und das fehlende Bewusstsein für die grundlegende Verschiebung der Gewaltanwendung zwischen den Geschlechtern macht ein Umdenken erforderlich. Nur dann können realistische Strategien und Maßnahmen zur Gewaltprävention und zur Überwindung der Täter- und Opferrolle für beide Geschlechter entwickelt werden.

Schweigende Männer, nörgelnde Frauen

In Beziehungen zeigt sich die Opferhaltung vieler Männer sowie das aggressive Verhalten der Frauen besonders extrem. Szenen wie die folgenden sind repräsentativ für viele heutige Paare.

Silvia im Seminar: „Ich war ziemlich im Stress vor der Übung, ich musste mich vorbereiten, meinem Partner die Anziehsachen und seine Utensilien raussuchen, ihn daran erinnern, sich zu rasieren, und dafür sorgen, dass er auch pünktlich kommt.“ Die anderen Frauen schmunzeln, die Männer reagieren gar nicht darauf.

Eine andere Szene erlebte ich zufällig im Zug: Ein junges Paar mit einer etwa fünfjährigen Tochter sitzt mit mir im Abteil. Die Mutter sagt zu ihrem Mann: „Hol doch mal Annelies Jacke raus, es ist zu kalt hier.“ Er steht auf und sucht in der Tasche nach der Jacke. Sie: „Du brauchst gar nicht suchen, du hast sie wieder mal vergessen. Wenn ich nicht an alles selbst denke …“ Er stellt die Tasche wieder weg und setzt sich schweigend wieder hin. Sie: „Du hättest doch wenigstens auf die Idee kommen können, meinen Pullover für sie rauszusuchen.“ Er brummelt etwas Unverständliches, steht auf und sucht in der Tasche herum. Sie: „Doch nicht darin, in dem kleinen Koffer bei meinen Sachen natürlich.“ Wortlos führt er ihre Anweisungen aus. Das ging die ganze Zugfahrt in diesem Stil weiter, sogar die kleine Tochter stimmte irgendwann ein: „Papa, ich will ein Nutellabrötchen.“ Er: „Es gibt aber nur Käse oder Schinken.“ Das Mädchen: „Wieso hast du kein Nutella dabei?“ Der Vater entschuldigt sich: „Das hab ich halt vergessen. Ich kann ja mal schauen, ob es im Speisewagen was gibt …“ Die Mutter: „Nein, das machst du nicht …“

Männer erdulden schweigend und demütig Gewalt, Erniedrigung und Demütigung durch ihre Partnerin. Weder wehren sie sich noch reden sie überhaupt darüber. Denn sie würden als „unmännlich“ dastehen, wenn sie zugeben würden, dass sie von ihrer Partnerin misshandelt oder geschlagen werden, dass sie von ihr kontrolliert werden, dass sie Ausgehverbot bekommen und herumkommandiert werden. Männer schämen sich zutiefst für ihre Hilflosigkeit und Ohnmacht. Selbst unter Freunden versucht jeder den Eindruck zu erwecken, als hätte er „die Zügel in der Hand“. Keiner bricht das Schweigen und erzählt von der alltäglichen Schikane, den Nörgeleien oder sogar Gewalterfahrungen mit der Partnerin. Die meisten Männer wollen „ihre Ruhe haben“ und sind froh, abgelenkt zu werden, und lassen lieber im Sport Dampf ab – wenn sie sich ihre Aggressionen überhaupt noch bewahrt haben.

Viele bemerken nicht einmal, was passiert. In Beratungen schildern sie, dass es für sie normal ist, dass ihre Partnerin ihre Post kontrolliert oder überprüft, mit wem sie ausgehen. Sie verzichten lieber darauf, einen Freund zu besuchen, als dass sie einen Streit provozieren.

Männer werden systematisch abgewertet

Inzwischen beklagen sogar einige Feministinnen, dass es unter Frauen üblich geworden ist, die Männer für das Böse in der Welt, für Gewalt und misslungene Partnerschaften verantwortlich zu machen, während sie selbst sich immer noch als „das schwache Geschlecht“ betrachten und ihre eigenen Täter- und Gewaltanteile leugnen. Astrid v. Friesen schildert in ihrem Buch „Schuld sind immer die anderen“ eine ganze Reihe von Fallbeispielen aus ihrer therapeutischen Praxis. Die Feministin und Autorin Doris Lessing schreibt im Internetportal des Magazins Stern am 14.August 2001: „Ich bin zunehmend schockiert über die gedankenlose Abwertung von Männern, die so sehr Teil unserer Kultur geworden ist, dass sie kaum noch wahrgenommen wird. Es ist Zeit, dass wir uns fragen, wer eigentlich diese Frauen sind, die ständig die Männer abwerten. Die dümmsten, ungebildetsten und scheußlichsten Frauen können die herzlichsten, freundlichsten und intelligentesten Männer kritisieren, und niemand sagt etwas dagegen. Die Männer scheinen so eingeschüchtert zu sein, dass sie sich nicht wehren. Aber sie sollten es tun.“

Erin Pizzey, die 1971 das vermutlich erste Frauenhaus gründete, vertritt schon seit vielen Jahren die Erkenntnis, dass Frauen Männern im Bereich häuslicher Gewalt in nichts nachstehen. In ihrem Buch „The emotional terrorist and the violence-prone“ (Commoners’ Pub, 1998) beschreibt sie eingehend, mit welchen Mitteln manche Frauen ihre Familie terrorisieren. Als Feministin macht sie auf das hohe Gewaltpotenzial und die Strategien von Frauen aufmerksam, mit denen sie Männer manipulieren, erpressen und unter Druck setzen. In der Arbeit mit über 5000 Frauen in England entwickelte sie Strategien zur Deeskalation weiblicher Gewalt. Der Artikel „Gewalt von Frauen“ von Erin Pizzey ist leicht gekürzt und aus dem Englischen übersetzt von Christoph Badertscher im Internet (www.vev.ch) verfügbar.

Was ist los, wenn selbst Feministinnen Männer auffordern, sich gegen Benachteiligung und Misshandlung zur Wehr zu setzen, und zugleich die meisten Männer gar nicht bemerken, was vor sich geht? Viele Männer kennen solche Szenen häuslicher Gewalt, aber sie zucken nur mit den Schultern und sagen resigniert: „So ist das halt.“ Diese Rollenverteilung zieht sich häufig durch die gesamte Beziehung. Vom alltäglichen Zusammenleben bis hin zur Scheidung. Etwa zwei Drittel der Scheidungen werden heute von Frauen eingereicht. Und meist nehmen sie die Kinder mit. Die wenigsten Männer kämpfen um das Sorgerecht – oder überhaupt darum, dass sie ihre Kinder sehen dürfen. Und Gerichte entscheiden fast immer zugunsten der Mutter und unterstützen nur sehr unzulänglich den Kontakt zwischen Kindern und Vätern. Häufig verhindern oder verbieten die Gerichte diesen Kontakt sogar.

Sehr oft setzen Frauen die Kinder als Druckmittel ein, um Forderungen durchzusetzen oder Rache am Expartner zu nehmen. Ich kenne unzählige Fälle, in denen Frauen sich an ihrem Exmann rächen, indem sie den Kindern den Vater wegnehmen, ihn vor den Kindern heruntermachen oder den Kindern ein negatives Bild von ihrem Vater vermitteln. Zum Teil wird das Besuchsrecht des Vaters auf absurde Bedingungen reduziert oder die Besuche sogar von der Mutter verhindert, sodass keine wirkliche emotionale Bindung des Kindes zum Vater entstehen kann.

Bei Scheidungsprozessen sind die Männer die Verlierer

Einige Beispiele aus meiner Praxis:

Einer meiner Klienten fliegt regelmäßig nach Spanien, um seine Kinder zu sehen, die die Mutter gegen seinen Willen mitgenommen hat. Ein anderer Klient hat das Leid nicht verkraftet, dass seine Exfrau mit den Kindern im Ausland untergetaucht ist, und ist schwer erkrankt. Ein anderer Klient, ein gut verdienender Geschäftsführer, zahlt an seine Exfrau und die drei Kinder, die bei ihr leben, so viel Unterhalt, dass ihm selbst kaum das Nötigste zum Leben bleibt, obwohl er eine 60-Stunden-Woche hat. Sie ist mit ihrem neuen Freund und den Kindern 500Kilometer weit weggezogen. Jedes zweite Wochenende fährt er den ganzen Weg zum neuen Wohnort seiner Kinder. Er darf jedoch die Wohnung nicht betreten, sondern verbringt die Zeit mit seinen Kindern in einer Pension.

Ein weiterer Klient hat zwar das gemeinsame Sorgerecht, sieht aber seine Kinder nur unregelmäßig, weil die Mutter stets andere Vorwände findet, um die Verabredungen abzusagen: Schnupfen der Kinder, Verwandtschaftsbesuche, Reisen, Familienfeiern oder Partys werden als Ausrede benutzt, um in der Hälfte der Fälle dem Vater den Kontakt zu seinen Kindern zu verwehren.

Ich selbst durfte nach der Trennung meinen Sohn über zehn Jahre lang nur alle zwei Wochen für einen Nachmittag sehen, wobei die Aktivitäten, die ich mit ihm unternahm, einer Genehmigung durch die Mutter bedurften. Aber ich war aufgrund der männerfeindlichen Rechtssprechung auf verlorenem Posten und auf den Goodwill der Mutter angewiesen. Als unverheirateter Mann hätte ich lediglich ein Auskunfts-, aber kein Besuchsrecht gehabt. Absurd. Viele Männer geben in dieser Situation auf, was ich gut verstehen kann. Ich habe, als mein Sohn zwölf Jahre alt wurde, ein Zugeständnis erreicht, sodass seine Mutter mir das anteilige Sorgerecht gestattete. Beim Jugendamt, wo wir die Vereinbarung unterzeichnen mussten, versuchte die zuständige Mitarbeiterin, ihr diese Entscheidung auf grenzüberschreitende und manipulative Weise auszureden.

Bei den meisten Scheidungsprozessen sind die Männer die Verlierer, denn dort werden sie häufiger als Täter und die Frauen als Opfer betrachtet. Eine Ungerechtigkeit, gegen die sich inzwischen sogar Scheidungsanwälte wehren: Auf ihrer Website (www.karenselick.com) erklärt Karen Selick, warum sie ihre Karriere als Anwältin im Familienrecht für beendet erklärt: „Ich denke, Männer werden vor den heutigen Familiengerichten über den Tisch gezogen. Frauen erhalten ihren Unterhalt völlig unabhängig davon, wie sie sich während der Ehe aufgeführt haben. Eine Ehefrau kann eine prügelnde Säuferin sein, die ihren Mann ständig betrügt, und wird trotzdem allein dafür bezahlt, dass sie atmet. (…) Kurz: Das Gesetz hat sich bis zu einem Punkt entwickelt, wo ein Anwalt, der die Rechte einer Mandantin vollkommen ausschöpfen will, auch Ansprüche vertreten muss, die ich für unethisch halte, während ein Anwalt, der Männer vertritt, automatisch auf der Verliererseite ist.“

Das Tragische an all diesen Beispielen: Kein Gericht schreitet ein, denn immer noch ist die Vorstellung verbreitet, dass ein Kind zur Mutter gehört, egal ob Mädchen oder Junge. Und dass Kinder vor dem gewalttätigen oder unzumutbaren Vater geschützt werden müssen.

Die Folgen für die Kinder sind immer psychische Defizite in ihrer Entwicklung. Ist der Vater abwesend, entsteht so etwas wie ein Loch in der Seele von Jungen, aber auch von Mädchen. Sehr viele psychische Probleme und Beziehungskonflikte bei Männern (und Frauen) lassen sich auf den fehlenden Vaterkontakt zurückführen, wie ich in diesem Buch aufzeigen werde. Untersuchungen belegen eindeutig, dass Kinder ohne Vater in wesentlich stärkerem Maße zu Drogenkonsum neigen, häufiger Suchtverhalten entwickeln und in höherer Zahl Suizid begehen. Sie haben sehr viel größere Schwierigkeiten ihr Leben zu meistern.

Kindern den Kontakt zum Vater zu untersagen und die Vaterbeziehung zu zerstören, steht leider in Deutschland noch nicht unter Strafe, obwohl es durchaus als eine Gewalttat zu betrachten ist, wie zahlreiche Untersuchungen belegen. Viele Frauen sind sich gar nicht bewusst, welche Gewalt sie ihren Kindern durch die Vorenthaltung oder Zerstörung der Vaterbeziehung antun. Eine Seminar-Teilnehmerin fragte mich, was ich als Therapeut davon halte, wenn sie sich von irgendjemandem schwängern lassen würde, um ein Kind zu bekommen, da sie einen Kinderwunsch hätte und keine Beziehung in Aussicht stehe. Eine andere Teilnehmerin fragte mich, wie sie dem Vater verbieten könne, das gemeinsame Kind zu sehen, weil er unzuverlässig sei.

Die vaterlose Gesellschaft, die mit der industriellen Revolution begann, sich im Ersten und Zweiten Weltkrieg fortsetzte, findet nun ihren Fortgang in der Abwertung und Verhinderung des Vaterkontakts – ein Problem, das über Generationen weitergegeben wird. Die uneingeschränkte weibliche Dominanz und Abhängigkeit der Kinder von der Mutter ist ein Phänomen, das sich immer mehr zuspitzt. In Familienaufstellungen lassen sich diese Zusammenhänge über die Generationen zurückverfolgen.

Durch meine berufliche Erfahrung als Therapeut behaupte ich, dass viele psychische Krisen und Krankheiten und viele partnerschaftliche Probleme auf den Mangel an Vaterbeziehung zurückzuführen sind. Für Männer, aber auch für Frauen. In dem Kapitel „Vater“ werde ich diese katastrophalen Folgen der vaterlosen Gesellschaft genauer ausführen.

An späterer Stelle in den Kapiteln „Trainingsprogramm für Männlichkeit“ und „Liebesbeziehungen“ werde ich auch Wege aufzeigen, wie es gelingen kann, aus der destruktiven Opfer-Täter-Dynamik auszusteigen. Denn auch Frauen sind nicht glücklich, wenn sie zu Täterinnen werden und keinen angemessenen Gegenpol in den Männern finden. Ich werde einen gangbaren Weg zeigen, der Männer bewusster und stärker macht. Ein Weg, der Männern einerseits hilft, ihren inneren Krieger zu schulen, der sie aus der Opferhaltung und Passivität befreit. Der andererseits aber auch ihr Herz und ihre Liebesfähigkeit stärkt. Ich möchte außerdem dazu beitragen, dass Männer ihr oft naives und verklärtes Bild von Frauen, speziell der Partnerin, ablegen und sie realistischer sehen lernen.

Das Phänomen Mr.Nice Guy

Woher kommen dieses passive Schweigen der Männer und das Erdulden weiblicher Schikane? Warum lassen sich Männer bei einer Trennung alles wegnehmen, was ihnen lieb ist? Woran liegt es, dass die öffentliche Meinung und die Medien diese Tatsachen in der Regel völlig ausblenden und weiterhin einseitig über Gewalt von Männern gegenüber Frauen diskutieren? Woran liegt es, dass Polizei und Justiz ihre Ermittlungen aufgrund von Vorurteilen meist auf männliche Täter konzentrieren? Und warum merken die meisten Männer noch nicht einmal, was da eigentlich vor sich geht?

Männer werden heute in der Öffentlichkeit immer häufiger als liebenswerte Trottel dargestellt, die die gesamte Macht und Führung den Frauen überlassen. Es scheint fast so, als würden sie sich dafür schämen, Mann zu sein. Frauen sind die Macher und Männer ihre genügsamen und etwas minder begabten Diener. Kostproben gefällig? Ein Plakat der Partei „Die Grünen“ zeigt einen liegenden Mann, die Partnerin hat die Füße auf seiner Brust. Der Spruch darüber „Die Hälfte der Macht den Frauen“ nennt die politische Forderung, das Bild zeigt die Realität.

In einem Werbespot von Toyota sitzen zwei Paare zusammen im Wohnzimmer und eine Frau erzählt von den Vorzügen ihres neuen Corolla: tolle Form und Farbe, viel Stauraum, Platz für Kinder und umweltschonend. Ihr Mann reagiert darauf stumm und einfältig, indem er auf seine Hand das einzige Argument, das ihm einfällt – „177 PS“ –, schreibt und dem anderen Mann zeigt. Eine stumme Verständigung unter Männern, denn die Kommunikation und Entscheidung über den Kauf übernehmen die Frauen. Sie hat hier die besseren Argumente und er steht am Ende als Trottel da, weil er sich versehentlich die Farbe mit der Hand an die Stirn schmiert. Männer merken meist gar nicht, dass sie öffentlich bloßgestellt werden. Dass das Bild in den Medien die gesellschaftliche Realität widerspiegelt: Die Frau hat die Macht und Führung übernommen. Der Mann ist zum etwas trotteligen, netten und lieben Begleiter geworden.

Der nette und liebe Mann, nennen wir ihn Mr.Nice Guy, bemüht sich stets darum, keine Frau zu enttäuschen oder ihr gar wehzutun. Er würde alles für eine Frau tun, die er mag, er opfert sich für sie auf, um Anerkennung und Liebe von ihr zu erhalten. Diese bekommt er auch – aber nur als Freund und nicht als Liebhaber oder Lebenspartner. Als solcher ist er nämlich uninteressant. Mr.Nice Guy hat unzählige Freundinnen, mit denen er „über alles reden kann“ und für die er immer da ist – sexuelles Interesse haben sie aber nicht an ihm und Interesse als Partner erst recht nicht. Denn einem Mr.Nice Guy fehlen einige entscheidende männliche Attribute, die für Frauen anziehend sind: Unabhängigkeit, Aggression und Führung. Mr.Nice Guy ist in der Frauenwelt verloren, er ist ein Frauenversteher, aber ohne Rückhalt in der Männerwelt. Ihm fehlen Mut und Rückgrat – er braucht stets die Bestätigung und den Kontakt mit Frauen, während er andere Männer oft als zu dominant, aggressiv oder chauvinistisch ablehnt.

Der nette Liebhaber: „Nichts muss und alles kann.“

Sind Sie davon überzeugt, ein wirklich zärtlicher und guter Liebhaber zu sein und fragen sich, warum so wenige Frauen das erkennen? Dabei sind Sie so einfühlsam, haben alle Bücher darüber gelesen, was sich eine Frau beim Sex wünscht, haben sogar ein Tantraseminar besucht und wissen mehr über weibliche Sexualität als die meisten Frauen. Sie haben immer für eine romantische Atmosphäre gesorgt, Ihre Partnerin stundenlang ausgiebig gestreichelt und massiert und dafür gesorgt, dass sie mindestens drei Orgasmen hatte. Und sich nie beklagt, wenn sie selbst danach zu erschöpft für Ihre eigene sexuelle Befriedigung war.

„Nichts muss und alles kann“ ist Ihr Motto bei intimen Kontakten. Sie haben eine Frau nie bedrängt, wenn sie keine Lust auf Sex hatte und einfach nur kuscheln wollte. Denn niemals würden Sie es ertragen, wenn eine Frau Ihnen vorwerfen würde, dass sie sich von Ihnen bedrängt oder ausgenutzt fühlte oder einfach mal keine Lust beim Sex mit Ihnen empfunden hätte. Denn Sie sind stets abhängig von der Lust der Frau und richten sich immer nach ihr – schon bei der kleinsten Unsicherheit oder Störung haben Sie immer nachgefragt, ob auch alles okay ist. Aber insgeheim bereuen Sie, dass Sie sich stets zurückgenommen und nicht einmal Ihre Lust und Ihre Fantasien ausgelebt haben – aus Rücksicht auf sie.

Sie sind nicht unbedingt schüchtern oder kontaktgehemmt. Außerdem kommen die Frauen meist auf Sie zu oder die Kontakte „ergeben sich irgendwie“. Eine Frau umwerben oder erobern müssen Sie meist gar nicht selbst. Denn: Die Frau sucht Sie aus und nicht umgekehrt. Sie werden meist von Frauen angesprochen und führen dann lange und ernste Gespräche über persönliche Themen. Frauen sind oft beeindruckt, dass Sie ihr Sternzeichen erraten haben, ihnen gefallen Ihre Empathie und Ihr psychologisches Wissen, Ihr Humor und Ihre zurückhaltende Art. Sie freuen sich über Ihr Interesse an dem, was sie tun und was sie bewegt. Noch nie haben sie einen Mann kennengelernt, der so gut zuhören kann und dem sie gleich intime Dinge aus ihrem Leben erzählen können.

Das Problem dabei ist: Die Frau ergreift die Initiative, sie übernimmt die Führung im Gespräch und bei dem, was dann passieren soll. Sie sind derjenige, der stets auf Frauen reagiert. Und Sie kommen nicht auf den Punkt: Sie reden und reden und reden, aber die Frau spürt nicht, was Sie von ihr wollen. Aber vielleicht wissen Sie es ja selbst gar nicht so genau?

Konkurrenz vermeiden

Sie vermeiden es, in direkte Konkurrenz oder Auseinandersetzungen mit anderen Männern zu treten – schon gar nicht, wenn es um eine Frau geht. Wenn ein anderer Mann sich an Ihre „Auserwählte“ ranmacht, reagieren Sie als toleranter Mann nicht. Sie „stehen darüber“, denn „der Klügere gibt nach“. Sie ziehen sich beleidigt oder trotzig wie ein kleiner Junge zurück und machen dabei gute Miene zum bösen Spiel. Ihnen sind aggressives und gewalttätiges Verhalten unter Männern verhasst, dies ist „unter meiner Würde“. Sie stehen auf dem Standpunkt: „Soll doch die Frau selbst entscheiden.“ – Nur leider entscheidet sie sich dabei allzu oft gegen Sie und für den Mann, der entschieden und hartnäckig um sie kämpft. Ein netter Kerl kämpft nicht um eine Frau. Er würde sie nie bedrängen oder überzeugen wollen und respektiert stets ein Nein von ihr – ganz gleich, welche Konsequenzen das für Sie hat. Sie lassen eben lieber die Frau entscheiden.

Haben Sie sich wiedererkannt? Sind Sie auch so ein netter Kerl? Mit den folgenden Fragen können Sie überprüfen, ob Sie auch ein Mr.Nice Guy sind:

Test: Sind Sie auch ein Mr.Nice Guy?

  1. Besprechen Sie Ihre persönlichen Dinge und Probleme mit Freundinnen anstatt mit Freunden?

  2. Vertrauen Ihnen Frauen schnell Persönliches und intime Details an?

  3. Würden Sie lieber mit Ihren Freundinnen ins Bett gehen anstatt zu reden?

  4. Fragen Sie sich öfter, warum Ihre Freundinnen auf in Ihren Augen egoistische Machos stehen und warum nicht auf Sie?

  5. Würden Sie niemals einer Frau wehtun oder sie verletzen?

  6. Lassen Sie sich von Frauen ansprechen oder erobern, anstatt selbst der Aktive zu sein?

  7. Lassen Sie bei Verabredungen lieber die Frau Vorschläge machen und entscheiden?

  8. Bestimmt die Frau, mit der Sie gerade zusammen sind, die Atmosphäre?

  9. Fällt es Ihnen schwer, einer Frau direkt Ihre sexuellen Absichten deutlich zu machen?

10. Kuscheln Sie öfter, als dass Sie Sex haben?

11. Steht beim Sex stets die Lust der Partnerin anstatt Ihrer eigenen im Vordergrund?

12. Ziehen Sie sich zurück, wenn ein Konkurrent auftaucht, und vermeiden Sie den Konflikt?

13. Lehnen Sie Aggression bei sich und anderen Männern ab?

14. Verstehen Sie bei befreundeten Paaren, die sich streiten, besser die Sichtweise, die Gefühle und das Verhalten der Frau?

15. Haben Sie in Ihrem Elternhaus mehr Verständnis für Ihre Mutter als für Ihren Vater gehabt?

16. Fühlen Sie sich öfter emotional abhängig in Beziehungen?

Wenn Sie mehr als die Hälfte der Fragen mit Ja beantwortet haben, dann sind Ihnen die Denkweise und das Verhalten des Mr.Nice Guy sehr vertraut. Aus psychologischer Sicht gibt es einige Gründe, warum Frauen wenig sexuelles Interesse an netten Männern haben und warum sie einen Mr.Nice Guy nur als einen Freund, aber nicht als Partner akzeptieren.

Nette Männer sind todlangweilig. Sie sind zwar stets verlässlich und treu, aber eben ungefährlich und kontrollierbar. Frauen suchen die positive aggressive Seite im Mann. Nette Männer haben ein gestörtes Verhältnis zu Aggressionen oder lehnen sie sogar ab. Das macht nette Männer nach und nach in der Partnerschaft in sämtlichen Beziehungsbereichen unattraktiv. In der Sexualität zeigt sich dies meist am ehesten, denn Sex ohne (positive) Aggression ist eben einfach nur Kuscheln. Nice Guys sind deshalb nur für Kuschelpartys und nicht für aufregenden Sex zu gebrauchen.

Frauen wollen von einem Mann umworben und erobert werden, um sich als Frau bestätigt zu fühlen. Eine Freundin erzählte mir, wie sehr sie ein Verehrer „abtörnte“, der sich stets nur nach ihren Wünschen richtete und fragte, wohin sie ausgehen wolle und wozu sie Lust habe. Nach kürzester Zeit verlor sie jedes Interesse an ihm. Warum? Weil Frauen erwarten, dass Männer sie begeistern und faszinieren können, sie mitreißen und führen können. Frauen lassen sich gerne von einem Mann und seiner Faszination anstecken und aus Mittelmäßigkeit, Unentschiedenheit oder Zögerlichkeit herausreißen. Sie suchen Leidenschaft und Abenteuergeist, Mut und Willenskraft, Entscheidungsfreude und Beharrlichkeit bei einem Mann – in den großen Lebenszielen und Visionen, aber eben auch in den kleinen Dingen der Freizeitgestaltung.

Frauen suchen Männer und keine Muttersöhnchen. Mr.Nice Guy weigert sich erwachsen zu werden und steht immer noch unter dem Einfluss seiner Mutter. Er identifiziert sich mit der Frauenwelt und der weiblichen Denkweise, ja sogar mit den weiblichen Werten seiner Mutter (oder weiblicher Bezugspersonen seiner Kindheit). Damit steht er schlicht auf der falschen Seite. Er vertritt die Frauen – und nicht die Männerwelt. Er schimpft über die anderen Männer und will jeder Frau beweisen, dass er selbst anders ist – nämlich so wie sie. Er ist ein ewiger Rebell gegen den Vater geblieben und sein ganzes Leben richtet sich danach, wie er seine Mutter (und als Stellvertreterinnen auch andere Frauen) glücklich machen kann. Er hat nicht gelernt, sich von Frauen abzugrenzen und für sich selbst zu kämpfen.

Sein ständiges gutmütiges Lächeln und seine demokratische, zurückhaltende Art erzeugen bei jeder Frau früher oder später Aggressionen. Sie vermisst ein emotionales Gegenüber, eine Reibungsfläche mit Ecken und Kanten. Sie möchte Hitze und Kälte spüren anstatt immer nur ein lauwarmes „mal schauen“. Sie möchte ein klares Nein hören und spüren – und wenn er das nicht überzeugend vertreten kann, glaubt sie ihm ein Ja auch nicht wirklich. Sie möchte spüren, dass er unabhängig ist und kein kleiner Junge an ihrem Rockzipfel, für den sie verantwortlich ist und mit entscheiden muss. Also testet sie ihn, ob er auch wirklich ein Mann ist. Sie provoziert und reizt ihn zunehmend, um den Mann herauszukitzeln, aber er bleibt immer nur ein braver und lieber Junge, der sich herumschubsen lässt, weil er keiner Frau wehtun möchte. Seiner Ansicht nach kann man schließlich über alles reden. Und wenn dann das Reden mal nicht mehr weiterhilft und der Druck von der Frau zu groß wird, verzieht er sich lieber schmollend wie ein kleiner Junge, anstatt sich zu wehren.

Erotik lebt von der Polarisierung

Der entscheidende Faktor für das Scheitern des Mr.Nice Guy ist die Tatsache, dass Erotik und Sexualität von Polaritäten lebt. Ein Mann, der seinen männlichen Pol stark in sich fühlt und lebt, macht es Frauen leicht ihren weiblichen Pol auszuleben. Sexualität ist Energie. Diese Energie lebt, ähnlich wie bei einem Magneten, von der Anziehung des Plus- und Minuspols. Je ausgeprägter die Pole und Distanz, desto größer die erotische Spannung und Anziehung. Wenn ein Mr.Nice Guy „falsch gepolt“ ist, also mehr weibliche als männliche Energie hat, dann passiert in der Erotik dasselbe wie im Magnetismus: Gleiche Pole stoßen sich ab.

Aber auch nette Männer und nette Frauen kommen nicht zusammen. Wenn beide Partner keine ausgeprägte Polarisierung haben, entsteht eine neutrale sexuelle Schwingung. Oder anders ausgedrückt: gar nichts. Man kann dann gut reden, etwas zusammen unternehmen und höchstens zärtlich zusammen kuscheln. Aber das befriedigt keine Frau auf Dauer, denn sie sehnt sich danach, ihren weiblichen Pol zu spüren – eben durch einen Mann, der eindeutig männlich und nicht neutral und nett ist. Denn: Welche Frau diskutiert schon gerne demokratisch darüber, ob, wann und wo sie Sex haben will und wer wen dafür auszieht?

Vielleicht ziehen Sie jetzt eine Konsequenz aus dem Gelesenen und werden ein rücksichtsloser und egoistischer Macho. Das wäre ein fataler Rückschluss. Denn auch mit Machos alter Sorte sind die Frauen nicht glücklich und fühlen sich ausgenutzt, misshandelt und verachtet (aber das wissen Sie ja im Detail von Ihren Freundinnen). Denn der Macho ist ein Frauenverachter, der in der Phase der Loslösung von seiner Mutter stecken geblieben und zu keiner reifen und respektvollen Beziehung mit dem anderen Geschlecht fähig ist. Er ist sich seiner Männlichkeit unsicher und auf eine andere Art emotional sehr abhängig von Frauen – nämlich von der regelmäßigen Bestätigung seiner Männlichkeit durch Frauen. Er hat gelernt, Nein zu sagen, aber mit dem Ja sagen hapert es gewaltig. Er hat Kontakt zu seiner Kriegerenergie und Aggression, aber keinen Zugang zu seinem Herzen, das meist das enge und ängstliche Herz eines kleinen Jungen ist, der Angst vor echter Intimität mit einer Frau hat. Vielleicht hoffen Sie auch darauf, dass sich irgendwann etwas ändert oder Sie endlich die „richtige“ Frau treffen?

Wenn Sie es aber leid sind, darauf zu warten, und bereit sind, sich selbst zu verändern, dann lesen Sie weiter. Denn es gibt einen Weg, um vom Mr.Nice Guy zu einem Mann zu werden, der seine Männlichkeit und seine Krieger-Qualitäten lebt und gleichzeitig mit seinem Herzen verbunden ist, der Frauen erobern kann und sie dabei in ihrer Würde und ihrem Frausein respektiert und achtet – eben ein Herzenskrieger.

Die eigene Position als Mann bestimmen

Mann und Frau werden sich immer ähnlicher

In den letzten Jahren konnte man deutlich beobachten, wie sich die Geschlechter immer ähnlicher werden. In der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion ebenso wie in der aktuellen wissenschaftlichen Forschung werden die offensichtlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen zunehmend geleugnet. Unisex lautet das Zauberwort der Moderne, das wir in Lifestyle-Magazinen und in der Mode- und Bekleidungsindustrie immer häufiger antreffen.

Lutz Jäncke, Neuropsychologe an der Universität Zürich, konnte beispielsweise keine wirklich markanten Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Gehirn finden und kommt zu dem Schluss, dass Mann und Frau sich kaum unterscheiden. Janet Hyde, Psychologie-Professorin an der University of Wisconsin, kommt zu dem Ergebnis: „Es gibt kein Phänomen ,Geschlechtsunterschied‘, das zu erklären wäre.“

Was die Forscher offensichtlich nicht bedenken: Der extreme Materialismus der Wissenschaft, der die Unterschiede in Genen, Gehirnen und Hormonen sucht, wird der Psyche des Menschen hier nicht gerecht. Die Forschungsergebnisse gehen an der Lebensrealität vollkommen vorbei.

Auf der anderen Seite argumentieren Vertreter der Polarität der Geschlechter mit ihrer jahrtausendealten Konditionierung der männlichen und weiblichen Rollen wie Jäger und Sammlerin. Einer der bekanntesten Vertreter ist wohl John Gray, Autor des Bestsellers „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“. Die sehr alten Rollenmuster sind sicherlich ein wesentlicher Aspekt in der Entstehung archetypischer männlicher und weiblicher Identität und des entsprechenden Verhaltens. Louann Brizendine, eine Neurobiologin aus San Francisco, führt in ihrem Buch „Das weibliche Gehirn – warum Frauen anders sind als Männer“ die Geschlechtsunterschiede dagegen auf einen hormonellen Einfluss des Testosteron im Mutterleib zurück: „Das Hormon tötet manche Zellen in den Kommunikationszentren und lässt in den Regionen, die für Sexualität und Aggression zuständig sind, mehr Zellen heranwachsen.“

Aus meiner Sicht als Therapeut ist für mich nicht die intellektuelle Frage interessant, ob und welche Unterschiede es zwischen Mann und Frau gibt. Vielmehr halte ich die Fragestellung für relevant, welche Konflikte und Identitätskrisen die Beziehung zwischen Männern und Frauen heute belasten. Eine pragmatische Ausrichtung auf das Thema muss daher eher folgende Fragestellungen verfolgen: Wie finden Männer zu einem Bewusstsein ihrer männlichen Identität und wie werden Männer und Frauen miteinander glücklich? Was braucht es, um harmonische und befriedigende Beziehungen zu führen? Unglückliche, verwirrte und sich gegenseitig tief verletzende Paare gibt es viele. Glückliche und sexuell erfüllte Partnerschaften gehören zu den Ausnahmen.

In der therapeutischen Arbeit mit Paaren zeigt sich immer wieder, dass eine Verunsicherung über die eigene Geschlechtsidentität und geschlechtsspezifisches Verhalten die Partnerschaft belastet und sich in der Sexualität zerstörerisch auswirkt. Frauen sehnen sich nach Männern, die sich nicht wie große Jungen benehmen, die Sicherheit, Klarheit, Entschiedenheit und Stärke vermitteln und nicht bei einem Gefühlsausbruch emotional umkippen. Sie wollen kein Mamasöhnchen an ihrer Seite, sondern einen Mann, der stärker ist als sie selbst.

Männer vermissen Frauen, die ihre Hingabe und Weiblichkeit leben und sie unterstützen. Sie wollen Frauen, die ihnen nicht ständig ihre eigene Unabhängigkeit beweisen, in ihrem Narzissmus und ihrer Kritiksucht gefangen sind. Sie sehnen sich nach Frauen, die harmonisieren und verbinden, anstatt zu trennen und an allem etwas auszusetzen zu haben.

In den Wünschen von Männern und Frauen in Bezug auf ihren Partner zeigt sich, dass kein geschlechtsneutraler Partner gewünscht wird, sondern eine feminine Frau und ein maskuliner Mann.

Die falsch verstandene Demokratie

Noch in den 1960er-Jahren waren die Rollen von Männern und Frauen festgeschrieben und gaben damit klare Strukturen, Halt und Sicherheit. Der Mann war der Ernährer und Geldverdiener, die Frau blieb meist zu Hause und kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Durch die Studentenbewegung und den aufkommenden Feminismus wurden die starren Konventionen aufgebrochen. Seitdem ist eine zunehmende Angleichung der Geschlechterrollen in nahezu sämtlichen Lebensbereichen zu beobachten. Frauen wurden wirtschaftlich unabhängiger und entwickelten ihre männlichen Anteile: Sie lernten für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen und Karriere zu machen. Sie lernten auf Männer zuzugehen anstatt abzuwarten. Und sie lernten für ihre Bedürfnisse selbst zu sorgen und auch zu kämpfen.

Männer hingegen entwickelten einen verstärkten Zugang zu ihrer femininen Seite, lernten kochen und stricken, ihre Gefühle zu zeigen und Windeln zu wechseln. Sie lernten die entspannte und genießerische Seite des Lebens zu leben und sich mit sich selbst zu beschäftigen.

Aktuell hat der gesellschaftliche Trend dazu geführt, dass Männer und Frauen relativ ausgeglichen ihre weiblichen und männlichen Anteile leben. Aber sind in dieser Demokratie der Geschlechter Männer und Frauen glücklicher, die Beziehungen erfüllter geworden? Freier und unabhängiger vielleicht, jedoch mit immer kürzerer Lebensdauer.

Seit Jahren lässt sich eine zunehmende Rollenkonfusion bei Männern und Frauen gleichermaßen beobachten, die für den Einzelnen häufig eine Überforderung darstellt. Das Aufbrechen tradierter Rollenmuster, so sehr dies zum damaligen Zeitpunkt sinnvoll und notwendig war, ist heute einer Orientierungslosigkeit gewichen. Auch Gewalt durch unterdrückte oder fehlgeleitete Aggression, sexuelle Probleme, Überlastungs-Symptome und Unzufriedenheit nehmen zu. In meiner beruflichen Praxis beobachte ich Letzteres insbesondere bei den Frauen.