Mara Mondschatten - Klara Bellis - E-Book

Mara Mondschatten E-Book

Klara Bellis

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Beschreibung

»Verdammt, Korwin, ich will nicht sterben.« Ein Schluchzen erstickte ihre Worte. Blutige Tränen fluteten ihre Augen und rollten über die Wangen. Na prima. Jetzt versaute sie auch noch das Make-up. Wenn sie schon sterben musste, wollte sie wenigstens umwerfend dabei aussehen und nicht wie ein Monster, das aus dem Sarg gekrochen war. »Im Grunde sind wir ja schon lange tot. Mehr oder weniger.« Korwin bemühte sich hörbar, optimistisch zu klingen.   Mara Mondschatten ist eine Vampirin wie du und ich: unberechenbar, aufbrausend und impulsiv. Und das schon seit fünfhundert Jahren. Trotzdem lebt sie in einer recht harmonischen Beziehung mit Frederik, seines Zeichens Grundschullehrer, pazifistischer Veganer und Maras stille Reserve, wenn der nächtliche Jagderfolg ausbleibt. Doch nicht nur Vampire jagen durch diese stürmische Nacht kurz vor der Jahrtausendwende in Berlin. Auch Vampirjäger liegen auf der Lauer. Und sie kennen keine Gnade, sei es gegen Vampire oder jene Menschen, die den blutrünstigen Kreaturen der Finsternis freundlich gesinnt sind.

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Klara Bellis

Mara Mondschatten

Für Beere und SchrumpelBookRix GmbH & Co. KG81371 München

Infos zum Buch

Erste Auflage: Halle (Saale) im Mai 2021 – alle Rechte vorbehalten

 

Das E-Book basiert auf dem Hörbuch „Mara Mondschatten“, erschienen bei Audory.

 

Text: Klara Bellis

Coverdesign: Felicitas Platzek

Titel-Font: Lingming Manuscript (frankleng)Grafik-Font: Griffy (Squid und Neapolitan), VampyrBats (Manfred Klein)Schlussgrafiken: Fotos von Anke Merzbach, Desigin von Felicitas Platzek

 

E-Mail: [email protected]

 

Alle Texte sind urheberrechtlich geschützt.

 

Alle Personen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Grundschullehrern, Barbesuchern, Historikern, Bestsellerautoren, Vampirjägern und Vampiren sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Zumal es ja in Wirklichkeit gar keine Vampire und vermutlich auch keine Vampirjäger gibt. Glaube ich zumindest.

Orkantief

 Vom Nordatlantik schickte sich ein Orkantief an, Mitteleuropa zu erobern. Eisige Regenschauer peitschten über die frierende Landschaft. Der Sturm verbog die vom Winter geschwächten Bäume. Es knarrte im Gebälk der Häuser, die sich unter dem Angriff des Sturmmonsters wegduckten wie Grashalme unter der Sense des Schnitters. Der Wind pfiff durch Türritzen und rüttelte an Dachziegeln. Kaum klatschte der Regen auf die Straßen, erstarrte er zu einer dünnen Eisschicht. Ein heimtückisches Pflaster für alle, die in der kleinen Stadt im Speckgürtel von Berlin noch mit dem Auto unterwegs waren oder sich zu Fuß durch die Nacht kämpften.An diesem Abend im Januar, irgendwann Ende der Neunziger, tobte ein Unwetter, bei dem man keinen Menschen vor die Tür jagte, auch keinen Hund – und schon gar keinen Vampir. Und nein, auch keine Vampirin!

Miese Laune und schlechtes Wetter

 Mara Mondschatten rauschte aus dem Wohnzimmer. Sie knallte die Tür zu. Die Glasscheibe darin schepperte gefährlich. Wie sie es hasste, bei einem Streitgespräch den Kürzeren zu ziehen. Frederik sollte spüren, wie übergriffig seine Andeutung war, dass sie dringend etwas essen müsse. Was ging ihn das überhaupt an?

Das mit dem Essen war ein empfindliches Thema, das seit mehr als zwanzig Jahren ihre Ehe belastete. Als Sterblicher hatte er doch keine Ahnung, was es bedeutete, sich des Nachts aufzumachen, um sich einen wohlverdienten Schluck fangfrisches Menschenblut einzuverleiben.

Um ehrlich zu sein, bedeutete es hauptsächlich Spaß. Die Jagd erregte sie jedes Mal aufs Neue. Vor allem der Moment, wenn die Fangzähne durch die zarte Haut der Beute drangen, um sich einen Weg zu dem roten Quell zu bahnen, der sie seit mehr als fünf Jahrhunderten am Leben hielt. Allein bei dem Gedanken daran lief ihr das Wasser im Mund zusammen.

Der Sturm warf sich gegen die Haustür, fauchte durch die Ritzen und klapperte mit den Dachziegeln. Bei diesem Wetter hatte sie überhaupt keine Lust, das Haus zu verlassen. Binnen zwei Minuten hätte der Eisregen sie bis auf die Haut durchnässt und das Blutrot ihrer frisch nachgezogenen Lippen verschmiert. Ganz abgesehen davon, was der Wintersturm ihrem Haar antun würde. Der Frisörbesuch lag keine zwei Tage zurück. Für den raffinierten Schnitt ihrer schulterlangen Haare samt Auffrischen der schwarzen Farbe hatte sie eine dreistellige Summe hingeblättert. Eine Investition, die sie äußerst ungern wegen eines Abendessens zunichtemachen wollte. Außerdem hatte sie erst vorhin die Nägel frisch lackiert. Passend zu dem Catsuit aus edlem Nappaleder, der wie eine zweite Haut ihren katzenschlanken Körper umschmeichelte, glänzten sie tiefschwarz. Am Ende brach ihr bei der Jagd noch ein Fingernagel ab, wenn sie sich in die Beute krallte.

Da gab es nur einen Haken: Leider hatte Frederik recht. Der Hunger tobte in ihren Eingeweiden und Frederiks Duft kribbelte viel zu verlockend in der Nase. Sicher blitzte längst die Blutgier aus ihren Augen. Ein Zustand, der Frederik selbst heute noch ängstigte, auch wenn er wusste, dass er ihr vertrauen konnte. Zumindest hoffte sie, dass er es wusste. Zwar duldete er es, wenn sie ihn ab und zu biss und von ihm trank. Manchmal genoss er es sogar. Trotzdem wollte sie ihn nicht als stille Reserve betrachten. Dafür mochte sie ihn viel zu sehr.

In der Küche wartete die Blutkonserve, die sie einem Bekannten abgeluchst hatte. Korwin Schwarzvogel hieß die geizige Mistkrähe. Aus dem Kühlschrank hatte sie ihm die Konserve stibitzen müssen, denn freiwillig hätte er sie nie herausgerückt. Das lag an einem ungeschriebenen Gesetz unter Vampiren: Kümmere dich um deinen eigenen Kram und misch dich nicht in die Angelegenheiten der anderen ein. Dass sie sich ab und zu überhaupt mit Korwin und ein paar anderen Vampiren traf, grenzte fast an ein Wunder. Normalerweise neigten Vampire dazu, sich aus dem Weg zu gehen – oder sich gegenseitig umzubringen. 

Lustlos schlurfte sie in die Küche. Sie öffnete die Schranktür und suchte nach ihrem Lieblingskaffeepott: dem schwarzen mit dem filigranen Druck eines Spinnennetzes. 

Gedankenverloren drehte sie den Kaffeepott in den Händen. Korwin hatte es gut, ließ er sich doch regelmäßig mit abgelaufenen Konserven aus dem Krankenhaus füttern. Vielleicht sollte sie sich auch so einen Krankenhausmitarbeiter gefügig machen. Er nannte diesen devoten Hans Wurst »Freund«. Wie albern. Sie selbst hatte keine Freunde, schon gar keine menschlichen. Menschen waren nichts weiter als Vampirfutter. Außer Frederik natürlich. Aber das zählte nicht.

Den Griff der Kühlschranktür in der Hand zögerte sie. Was war die bessere Wahl? Eine abgestandene Konserve mit halb vergammelten Blut – und somit Zeit für einen Kuschelabend mit Frederik auf dem Sofa? Zumal heute Abend »Wetten, dass..?« lief. Sie liebte die Sendung, in der diese verrückten Menschen all die merkwürdigen Sachen anstellten. Oder eine Jagd durch den Wintersturm mit der Aussicht auf körperwarmes Blut, das ihre Lebensgeister zum Brodeln brachte. Frederik würde das sicher zu schätzen wissen, sollte sie nicht allzu spät nach Hause kommen.

Kühlschrank

 Ach, was soll's, dachte Mara. Ewig konnte sie die Konserve ohnehin nicht mehr aufheben. Sie würde sich zuerst das abgestandene Blut genehmigen. Vielleicht reichte das ja schon aus, um ihre Blutlust zu besänftigen und ihre Lebensgeister wieder aufzuwecken. Und falls nicht, konnte sie entweder abwarten, bis sich der Sturm beruhigt hatte, und dann auf Jagd gehen. Oder sie bat Frederik um ein Schlückchen. Manchmal ließ er sich dazu breitschlagen. Auch wenn sie seine Großzügigkeit nur ungern ausnutzte.

Gierig riss sie die Kühlschranktür auf. Das Licht blendete sie. Leise fauchend kniff sie die Augen zusammen und suchte nach der Blutkonserve.

Ein Glück! Da lag sie. Im Gemüsefach, friedlich vereint mit Frederiks Brokkoli und seinen geliebten Möhren. Manchmal zweifelte sie daran, ob sie mit einem Mann zusammenlebte oder mit einem Hasen. Frederik war Veganer. Ein ehemaliger Fremdenlegionär aus einer Eliteeinheit von Vampirjägern, der sich von Grünzeug ernährte. Und zu allem Überfluss hatte er ausgerechnet jene Vampirin geheiratet, die seine ganze Eliteeinheit ausgetrunken hatte.

Sie hatte ihn damals verschont, den süßen Neunzehnjährigen. Nach ihrem Gnadenakt verwandelte sich seine devote Dankbarkeit recht bald in Liebe, die sie erwiderte. Nur dass »devot« gewiss nicht zu ihren bevorzugten Gemütszuständen gehörte. Fast hatte sie es damals bereut, die Männer niedergemetzelt zu haben. Aber es ging alles so schnell. Und sie war in dieser Nacht ungewöhnlich hungrig gewesen. Schuldgefühle waren ihr fremd. Dennoch bedrückte es sie manchmal, Frederiks Trauer zu spüren, wenn er über seine ehemaligen Kameraden sprach. Kameraden, die sie eigenhändig ausgelöscht hatte.

»Hach Frederik«, seufzte sie in sich hinein. Bei dem Gedanken an jenes recht turbulente Kapitel ihrer gemeinsamen Zeit mit Frederik gab es einen Stich in ihrer Brust. Fast fühlte es sich an, als wollte ihr kaltes, totes Herz zu schlagen anfangen.

Sie nahm die Konserve aus dem Gemüsefach. Das Blut darin wirkte schwarz und sah genauso unappetitlich aus wie der widerliche Brokkoli. Angeekelt schüttelte sie sich. Sie biss den Beutel an einem Ende auf und goss den Inhalt in den Kaffeepott. Nach ein paar Sekunden in der Mikrowelle hatte die Flüssigkeit nahezu Körpertemperatur erreicht. Endlich was essen! Sie führte den Kaffeepott an die Lippen. Wie aus weiter Ferne hörte sie Frederiks Stimme aus dem Wohnzimmer.

»Schatz, komm schnell!«, rief er. »Die bringen eine Doku über Fabelwesen.«

Seine Stimme klang entspannt. Offenbar hatte er sich wieder beruhigt. Was sie von sich selbst kaum behaupten konnte. Das Blut im Kaffeepott schwappte bedenklich, so sehr zitterten ihre Hände. Und wie dieses abgestandene Zeug stank! Ekelhaft. Kein Wunder, dass Korwin Schwarzvogel so ein Schlaffi war, wenn er sich ständig davon ernährte. Widerwillig trank sie ein paar Schlucke. Alle Härchen stellten sich an ihrem Körper auf. Ein Brechreiz ließ sie würgen. Das halb vergammelte Blut schmeckte noch übler als es roch.

Ob sie doch besser nach draußen gehen sollte, auf die Jagd? Andererseits konnten Fernsehdokus manchmal recht erheiternd sein, vor allem, wenn sie sich mit dem Phänomen der Vampire beschäftigten. Eine Sagengestalt, direkt aus einem Horrorfilm entsprungen. Sie wusste es besser. Von »Sagengestalt« konnte keine Rede sein. Nur die Sache mit dem Horror, die traf tatsächlich zu, zumindest wenn sie es aus menschlicher Sicht zu betrachten versuchte.