Mara - Patricia Hemberger - E-Book

Mara E-Book

Patricia Hemberger

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Beschreibung

Mara ist eine rüstige Rentnerin, zupackend und humorvoll. Doch wenn sie aus ihrem Leben erzählt, reiht sich ein Schicksalsschlag an den anderen. Sie wächst in einfachen Verhältnissen auf und heiratet schon sehr jung. Doch ein ruhiges Familienleben ist ihr nicht vergönnt. Mit Kampfgeist und Überlebenswillen flieht sie vor der lieblosen Behandlung ihrer Mutter und der Brutalität ihres ersten Ehemannes. Sie baut sich in zweiter Ehe eine Existenz auf und verliert alles, kämpft jahrelang mit unerträglichen Konflikten. Immer wieder beginnt sie neu, hofft auf Glück und Ruhe und steckt doch immer neue Niederlagen ein. Wo kann sie bleiben und inneren Frieden finden? Wie Mara ihr Leben trotz aller Widrigkeiten meisterte, hat sie der Autorin Patricia Hemberger anvertraut.

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Seitenzahl: 91

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Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Impressum:

© Verlag Kern GmbH, Ilmenau

© Inhaltliche Rechte beim Autor

1. Auflage, September 2019

Autorin: Patricia Hemberger

Cover/Layout/Satz: Brigitte Winkler

Titelmotiv: Adobe Stock | © grandfailure

Lektorat: Anke Engelmann

Sprache: deutsch

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2019

ISBN: 978-3-95716-318-9

ISBN E-Book: 978-3-95716-298-4

www.verlag-kern.de

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Übersetzung, Entnahme von Abbildungen, Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, Speicherung in DV-Systemen oder auf elektronischen Datenträgern sowie die Bereitstellung der Inhalte im Internet oder anderen Kommunikationsträgern ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags auch bei nur auszugsweiser Verwendung strafbar.

Patricia Hemberger

Mara

Eine wahre Geschichte

Inhalt

Cover

Impressum

Titel

Kindheit

Jugend

Verliebt, verlobt, verheiratet

Trautes Heim

Glück und Leid

Wie im Traum

Achterbahn des Alltags

Von Unbeschwertheit keine Rede

Wie ein Alptraum

Trügerisches Glück

Umziehen wird zur Gewohnheit

Mara am Ende ihrer Kräfte

Kindheit

Wenn Mara mit ihrem verschmitzten Lächeln mir etwas erzählt, glaubt man kaum, dass sie schon über 70 Jahre ist. Sie ist eine lustige Rentnerin, vor allem dann, wenn sie auf Feste gehen kann, wo noch die Blasmusik aufspielt, alte Lieder aus den 60er Jahren gespielt werden und sie dazu, so klein und kräftig wie sie ist, ihre Hüften schwingen lässt. Sie ist ein fröhlicher Mensch und dennoch oft sehr traurig. Immer wieder fällt sie in ein tiefes Loch und verkriecht sich einige Tage, bevor sie wieder Kraft schöpfen kann, um aufs Neue auf die Welt da draußen zugehen zu können.

Wenn sie an langen dunklen Abenden über ihr Leben nachdenkt, kommen ihr oft Zweifel, ob sie nicht doch selbst an vielem schuld ist. Sie denkt in diesem Gedankenkarussell oft an ihre Mutter. Was wäre gewesen, wenn ihre Beziehung zu ihr besser verlaufen wäre? Hätte sie dann selbst ein glücklicheres Leben führen können? Diese Fragen stellt Mara sich Tag für Tag, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Um eine Antwort zu finden, geht sie mit ihren Gedanken immer weit in die Vergangenheit zurück.

Maras Mutter Frieda Huber wurde 1916 im Bregenzerwald in Österreich geboren. Sie hatte insgesamt elf Geschwister. Es waren schwere Zeiten für diese Kinder. Auf den Höfen, deren Bewohner meist von Land- und Viehwirtschaft und der Herstellung von Käse lebten, reichte das Essen oft nicht, alle Mäuler zu stopfen. So wurde auch einer der Brüder als sogenanntes Schwabenkind von Mai bis Oktober nach Deutschland ins baden-württembergische Schwaben geschickt, um dort auf anderen Bauernhöfen zu arbeiten. Der Vorteil war für die Eltern, dass ein Kind weniger zu füttern war und gleichzeitig Geld in die Haushaltskasse kam. Gut ging es diesen Kindern oft nicht. Man kann es heute vielleicht als altertümliche Leiharbeit bezeichnen und wir rümpfen auch die Nase, wenn wir von Kinderarbeit hören. Diese Kinder, die auch „Hütekinder“ genannt wurden, mussten nach getaner Arbeit meist zu „Martini“, dem Erntefest im November, zurück zu ihren Dörfern. Manche von ihnen sogar barfuß, wie Maras Onkel Bruno. Er hatte zwar neue Kleidung erhalten, wollte aber die guten Schuhe schonen und trug sie nur kurzzeitig. Diese abgearbeiteten, oft ausgehungerten Kinder mussten sich hunderte von Kilometer über schneebehangene Pässe durchkämpfen. Mara weiß noch von Erzählungen ihres Onkels, dass er den ganzen Sommer über panische Ängste hatte bei dem Gedanken, wieder zurück zu müssen. Manchmal hatte er so starkes Heimweh, dass er oft nächtelang wach lag und seine Augen morgens vor lauter Tränen aufgequollen waren. Morgens musste er schon um fünf Uhr die ersten Arbeiten im Kuhstall verrichten. Wenn er Glück hatte, erwischte er in einem Sommer einen gutmütigen Knecht, der ihm mit Worten statt mit Schlägen Anweisungen erteilte. Der raue Ton gehörte zur Arbeit. Krank durfte ihr Onkel nicht sein. Auch wenn er mit Schüttelfrost im Stall stand und ihm die Schweißperlen über die Schläfen liefen, er hatte durchzuhalten.

Maras Mutter dagegen hatte Glück, so spät auf die Welt gekommen zu sein. Sie musste diese Strapazen zumindest nicht mehr über sich ergehen lassen. Eine bessere Zukunft war ihr allerdings auch nicht bestimmt.

Als sie 14 Jahre alt war, wurde sie von ihren Eltern auf einen Bauernhof in Alberweiler geschickt. Sie musste dort als Magd überall zur Hand gehen. Die Familie hatte bereits zwei Kinder, und die Bäuerin war sehr gut zu ihr. Der Bauer selbst hatte sich nach kurzer Zeit in das zierliche Mädel verguckt und stellte ihr ständig nach. Sie war ja eigentlich noch ein Kind, und sie hatte große Angst vor diesem kräftigen Mann. Doch sie konnte sich nicht aus dieser Abhängigkeit lösen. Maras Mutter hatte Arbeit und konnte ihre Familie daheim mit dem Lohn unterstützen, doch der Preis, den sie dafür zahlen musste, ließ ihre Kindheit in tausend Scherben zerbrechen.

Als das Mädchen nach einiger Zeit zurück in ihr Heimatdorf zurückkehren konnte, war sie erleichtert, dass sie den Bauernhof in Alberweiler aus ihren Gedanken streichen konnte. Kurze Zeit später jedoch holte sie der Bauer persönlich zurück, und das Spiel ging von vorne los, so lange, bis sie schwanger wurde. Mara kam im Dezember 1945 in Ochsenhausen zur Welt.

Mara lächelt verschmitzt, als sie mir von der Nacht erzählt, in der sie zur Welt kam. Auf einem Karren wurde ihre hochschwangere Mutter auf holprigen Wegen zur Entbindung transportiert. Mara ist fest davon überzeugt, dass sie dadurch Rhythmus im Blut hat. Das Hin- und Hergewackel hat ihr das Talent fürs Tanzen sozusagen in die Wiege gelegt. Mara gluckst richtig mit ihrem Lachen.

Da muss man automatisch mit einstimmen, ob man will oder nicht. Ich frage Mara, wo Ochsenhausen liegt. Wie ein Blitz antwortet sie: „Was, des känscht du net?“ Der Ort liege an der Hauptroute der oberschwäbischen Barockstraße, belehrt sie mich. Gut, vom Schwabenland weiß ich nicht viel. Außer Rezepte vom berühmten Fernsehkoch für schwäbische Spätzle und Maultaschen kenne ich nicht viel. Jetzt weiß ich es besser: Ochsenhausen gehört zum Kreis Biberach an der Riß. Biberach habe ich schon gehört, also muss ich mich nicht ganz so schämen.

Warum ich Mara heute gegenüber sitze? Das hat mehrere Gründe. Zum einen habe ich sie vor langer Zeit in einem Strickkreis kennengelernt. Irgendwann war sie da und ich glaube, es war eine Art Vorbestimmung! Unsere Wege sollten sich einfach kreuzen.

Vor einigen Wochen hat sie mir erzählt, dass ihr größter Wunsch wäre, ein Buch über ihr Leben zu schreiben. Zunächst hat sie dabei richtig herumgedruckst, als hätte sie Angst, ausgelacht zu werden. Ich hatte das Gefühl, es steckten noch andere, viel schlimmere Ängste dahinter. Ich habe spontan gesagt, ich mache das. Wir saßen an diesem Tag in ihrem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer.

Kaum hatte ich das mit dem Buch ausgesprochen, ging sie an ihre Kommode und holte etwas Orangefarbenes aus der Lade heraus. Ihr Tagebuch, wie sie mich gleich aufklärte. „Wie, dein Tagebuch?“, fragte ich sie. „Ich soll es allen Ernstes lesen?“ Ich konnte das in diesem Moment kaum fassen. Tatsächlich, Mara hat mir ihre geheimsten Gedanken anvertraut. „Mach was draus!“ sagte sie zu mir. Ich nahm das kleine Buch mit nach Hause und ließ es erst einmal einige Tage liegen. Zu geschockt war ich noch von diesem Vertrauensvorschuss. Hatte ich doch den Spiegel ihrer Seele in Händen.

Nach einigen Tagen, es war Wochenende, ließ es mir keine Ruhe mehr. Ich holte das Buch hervor. Es war gar nicht so einfach, es zu öffnen. Mara hatte Unmengen von Tesafilm um das kleine Vorhängeschloss des Buches geklebt, als hätte sie Angst, es könnte von irgendjemand gelesen werden. So konnte sie auch feststellen, ob sich jemand an dem Buch zu schaffen gemacht hatte.

Warum sie zu solchen Mittel greifen musste, erzähle ich später. Endlich hatte ich nun die Streifen gelöst. Ich konnte meine Erregung fast nicht mehr aushalten. Der winzige Schlüssel passte in das kleine Schloss, und mit einem kleinen Klicken war das Buch geöffnet.

Ich sah die schöne Handschrift und dachte, Mara hat bestimmt in der Schule Lob dafür erhalten. Nachdem ich einige Seiten von ihrem Tagebuch gelesen hatte, verstand ich ihre Gedanken und Gefühle. Von diesen Zeilen ging ein Hilfeschrei aus. Mara sucht heute noch nach Antworten auf all ihre Fragen. Warum bekam sie als Kind keine Zuneigung von ihrer Mutter? Warum spürte sie immer diese Ablehnung? War ihre Mutter selbst enttäuscht vom Leben? Was war das für eine Beziehung zwischen ihrer Mutter und ihrem Vater? Warum gab es nie ein klärendes Gespräch mit ihrer Mutter?

All diese Fragen schwirren Mara durch den Kopf. Sie liegt oft nächtelang wach und sieht sich als kleines Kind auf dem Bauernhof in Alberweiler. Mara war ein sehr lebhaftes Kind. Hätte man nicht gewusst, dass sie ein Mädchen war, wäre sie glatt als Bursche durchgegangen. Sie hatte keine Angst vor hohen Bäumen oder großen Tieren und sie sprudelte vor Temperament.

So wuchs sie mitten in der Bauernfamilie auf. Die Frau des Bauern ließ sie mit ihren Kindern spielen und toben, wobei es natürlich für Mara auch Pflicht war, immer zur Hand zu gehen. Sie war oft mit im Stall bei den Kühen, Sauen, Hühnern und Pferden. Maras Mutter hingegen hatte nicht viel Interesse an ihr. Sie ließ ihre schlechte Laune oft an ihr aus. Hatte Mara etwas ausgefressen, sperrte sie sie stundenlang in den Entenstall, bis sie eines Tages fast an den giftigen Dämpfen im Stall erstickt wäre. Es war wieder die Bäuerin, die ihr zu Hilfe kam und sie aus der Stallung befreite. Obwohl Maras Mutter danach viel Ärger bekam, tat sie so etwas immer wieder, wenn es niemand mitbekam.

Mara war damals noch ein kleines Kind. Jahre später hat sie sich oft gefragt, ob ihre Mutter sie loswerden wollte.

So vergingen die Jahre und Mara kam in die Grundschule in Alberweiler. Sie war eine fleißige Schülerin und auch in allem Handwerklichen sehr geschickt. Nach der Schule machte sie ihre Hausaufgaben und half im Haushalt und auf dem Hof. Die Sommerzeit war für Mara immer die härteste Zeit. Wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht hatte, musste sie sofort hinaus aufs Feld. Kartoffeln, Getreide, Heu: Alles was gerade wuchs, musste geerntet werden. Da war es egal, wie heiß der Sommer war. Während sich wohlhabende Familien am See ausruhten, musste Mara bis in den späten Abend schuften. Da fielen ihr schon einmal die Augen bereits beim Abendbrot zu, und wenn sie morgens zur Schule musste, fühlte sie sich wie gerädert.

In den Folgejahren besuchte sie die Hauptschule in Biberach. Allein der tägliche Fußweg war schon strapaziös genug. Die Arbeit zu Hause wurde Jahr für Jahr schwerer, denn die gängige Ansicht war: Wer älter wird, der kann auch mehr leisten, um sein Brot zu verdienen. Es waren harte Zeiten und dennoch die wohl schönsten Jahre ihres Lebens.

Jugend

Mara wuchs zu einem hübschen Mädel heran. Das Verhältnis zu ihrer Mutter besserte sich nicht. Im Gegenteil, mittlerweile hatte sie einen Stiefvater. Er war weder Vater noch Freund für sie.