Marie Curie. 100 Seiten - Alina Schadwinkel - E-Book

Marie Curie. 100 Seiten E-Book

Alina Schadwinkel

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Beschreibung

Marie Curie hat mit ihren wissenschaftlichen Forschungen zur Radioaktivität Bahnbrechendes geleistet. Zweimal wurde sie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, 1903 für Physik, 1911 für Chemie. Als Frau, die sich in einer traditionellen Männerdomäne zu behaupten wusste, ist sie noch heute ein Vorbild für junge Wissenschaftlerinnen auf der ganzen Welt. Dabei haben ihre Forschungen nicht nur die Entwicklung effektiver Krebstherapien ermöglicht, sondern ebenso die zivile und militärische Nutzung der Kernenergie. Alina Schadwinkel porträtiert Marie Curie als herausragende Forscherin und außergewöhnliche Frau.

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Seitenzahl: 123

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Alina Schadwinkel

Marie Curie. 100 Seiten

Reclam

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

2017 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung nach einem Konzept von zero-media.net

Infografiken: Infographics Group GmbH

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961215-7

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020428-3

www.reclam.de

Inhalt

Auf den zweiten BlickEin Leben für die ForschungMarketing Marie – Vorbild wider WillenHöhepunkt der Karriere – Die Nobelpreise und was aus der ausgezeichneten Forschung entstandIrène Joliot-Curie – Das Vermächtnis der Curie-FrauenDer Marie-Curie-Komplex – Frauen in der WissenschaftLektüretippsBildnachweisZur AutorinÜber dieses BuchLeseprobe aus Mata Hari. 100 Seiten

Auf den zweiten Blick

Marie Curie hat mich gestresst. Jahrelang, von der Schulzeit über die Uni bis ins Berufsleben, ist sie mir immer wieder begegnet: in Geschichtsbüchern, Referaten, Aufsätzen, Vorlesungen. Immer wieder sah ich mich mit dieser vorbildlichen Frau konfrontiert. Bei jeder Begegnung schien sie erneut zu fragen: Und, was hast du so erreicht? Sie war die Entdeckerin der radioaktiven Elemente Radium und Polonium, hatte es, als gebürtige Polin und aus einfachen Verhältnissen kommend, zur zweifachen Nobelpreisträgerin gebracht und daneben noch ihr Leben als Ehefrau und Mutter gemeistert. Indem sie mit ihrem Mann Pierre die Radioaktivität beschrieb, begründete sie ein neues Zeitalter der Physik. Ihre Arbeit hat das Denken über Materie und Energie für immer verändert und auch der Medizin völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Dass diese Frau ein Vorbild war, ist da fast noch untertrieben. Aber für mich war ihr unvergleichlicher Erfolg auch enorm einschüchternd. Irgendwann war es zu viel. Ich dachte: Weg mit Marie Curie! – bis ich 2010 in den USA einen Vortrag der Historikerin Julie Des Jardins hörte. Sie lehrte mich: Die Marie Curie, die ich aus meinen Geschichtsbüchern kannte, war eine Inszenierung. In der Öffentlichkeit spielte sie ihre Rolle im Dienst der Forschung, die ihr zwar viel Renommee und Geld für ihre wissenschaftliche Arbeit einbrachte, sie aber auch enorm viel Kraft kostete.

Marie Curie, Tochter Irène und Mann Pierre 1902 in Paris.

So ist das Bild, das wir heute von Marie Curie haben, zu nicht unwesentlichen Teilen ein Werk der Medien. Eine entscheidende Rolle dabei spielte die amerikanische Journalistin Marie Mattingly Meloney, die für Curie in den 1920er Jahren eine medial orchestrierte Spenden-Tournee entlang der Ostküste der USA organisierte, um Geld für die Forschung zu sammeln. In ihren zahlreichen Artikeln machte sie Curie zu einer Ikone für die Frauen der USA, zu einer perfekten Mischung aus fürsorglicher Mutter und ehrgeiziger Karrierefrau, die Männern in nichts nachstand.

Des Jardins Vortrag und ihr 2010 erschienenes Buch The Madame Curie Complex: The Hidden History of Women in Science über Curie und die Entstehung ihres öffentlichen Images haben mich zur Recherche inspiriert. Plötzlich war ich nicht mehr von Marie Curie genervt, sondern fragte mich: War Marie Curie anders, als ich jahrelang geglaubt hatte? Was hat es sie wirklich gekostet, Arbeit und Privatleben zu vereinen? Litt sie unter dem dauerhaften Druck, ihren eigenen hohen Ansprüchen und denen anderer gerecht zu werden?

Natürlich wäre es unwissenschaftlich zu behaupten, es ließe sich heute ergründen, wie Curie ihre eigene Karriere wahrgenommen und empfunden hat. Aber es ist möglich, die Stationen ihres bewegten Lebens nachzuzeichnen, um zu verstehen, was es für sie bedeutet hat, sich in einer nach wie vor von Männern dominierten Welt als Mensch, als Forscherin und als Person des öffentlichen Lebens zu behaupten. Die Frage, welche Rolle Frauen in der wissenschaftlichen Forschung spielen – und welche sie spielen sollten –, ist heute so aktuell wie vor 100 Jahren. Es lohnt sich also, sich mit dieser faszinierenden Frau zu beschäftigen.

Ein Leben für die Forschung

»Wir haben hier eine vollkommen unabhängige Chemie […], welche wir die Chemie des Unberechenbaren nennen könnten.« Mit diesen Worten nimmt die damals 44-jährige Marie Curie am 10. Dezember 1911 den Nobelpreis für Chemie entgegen. Es ist das zweite Mal, dass die Jury in Stockholm sie mit der höchsten Auszeichnung der Wissenschaft ehrt – für eine Forschung, der sie allen Widrigkeiten zum Trotz jeden Tag ihres Lebens gewidmet hat, und die sie letztlich das Leben kosten sollte.

Als Maria Salome Skłodowska als jüngstes von fünf Kindern am 7. November 1867 in Warschau geboren wird, ist ihr Land noch lange nicht bereit für seine zukünftige Nobelpreisträgerin, wie das Amercian Institute of Physics in einer Ausstellung aufgearbeitet hat. Seit rund einem Jahrhundert ist Polen kein unabhängiger Staat; Österreich, Preußen und Russland haben das Land unter sich aufgeteilt. Curies Geburtsstadt steht unter scharfer Kontrolle des russischen Zaren Alexander II. Sein Ziel: dem polnischen Volk dessen Nationalismus austreiben, indem er Kultur und Sprache unterdrückt. So gibt es zwar polnische Privatschulen, die jedoch werden von der staatlichen Polizei überwacht. Noch bevor die Kinder ihre Muttersprache beherrschen, werden sie von Lehrern auf Russisch unterrichtet. An den staatlichen Schulen geht es noch rigoroser zu: »Diese Schulen waren direkt gegen den polnischen Nationalstolz gerichtet. Alle Anweisungen erfolgten auf Russisch von russischen Professoren, die ihre Schüler wie Feinde behandelten«, erinnert sich Maria in den autobiografischen Notizen, die sie ihrer Biografie über ihren Mann Pierre Curie beigefügt hat. »Männer, die sich moralisch und intellektuell davon abgrenzten, konnten an diesen Schulen nicht unterrichten. Und so war das, was die Schüler lernten, von fragwürdigem Wert und die moralische Stimmung insgesamt unerträglich.«

Ständig unter Verdacht und Beobachtung, wussten die Kinder, dass eine einzige Konversation auf Polnisch nicht nur ihnen selbst, sondern der ganzen Familie schaden könnte. »Unter diesen Feindseligkeiten verloren sie all ihre Freude, stattdessen lastete früh das Gefühl von Misstrauen und Unwillen auf ihrer Kindheit«, schrieb Curie später. »Auf der anderen Seite führte die Situation zu größtem Patriotismus unter der polnischen Jugend.«

Curies Eltern, Bronisława Skłodowska und Władysław Skłodowski, fördern diesen Patriotismus, wie das American Institute of Physics beschreibt. Als Lehrer leben sie ihren Kindern demnach vor, wie wertvoll Wissen ist, und bringen ihnen bei, für ihre Träume und Rechte einzustehen. Während die Mutter ihren Beruf als Schulleiterin mit Marias Geburt aufgeben muss, unterrichtet ihr Vater weiterhin Mathematik und Physik. Obwohl es riskant ist, versucht er die Werte seines Volks zu wahren, und hat Verständnis für die nationalen Träume der polnischen Jugend. Der russische Schulleiter zweifelt an Władysławs Loyalität gegenüber dem Zaren. Er will den Angestellten loswerden und beobachtet ihn und seine Schüler genau. »Er hielt nach ›Polish-Isms‹ Ausschau, die sich in die Arbeit der kleinen Jungen eingeschlichen hatten«, so beschreibt es Ève Curie in der Biografie, die sie über ihre Mutter Marie verfasst hat. Der Schuldige für den Ungehorsam: Władysław, weil er als polnischer Lehrer nicht konsequent genug durchgriff.

Die Überwachung hat Folgen, wie es die amerikanische Wissenschaftshistorikerin Naomi Pasachoff in ihrem Buch Marie Curie and the Science of Radioactivity umfassender erzählt: Im Herbst 1873 wird Władysław degradiert, was die Familie langfristig in finanzielle Schwierigkeiten bringt. Als er zudem viel Geld bei einem Investitionsgeschäft verliert, scheint Marias Karriere vor dem Aus, bevor sie überhaupt beginnen konnte. Eine gute Schulbildung und ein Studium konnten sich Ende des 19. Jahrhunderts nur wohlhabende Familien leisten. Doch Marias Durst nach Wissen ist geweckt. Denn für sie bedeutet Wissen Freiheit.

Andere Kinder spielen noch mit Puppen, als Maria bereits zu Grundschulzeiten in einem Hinterhof-Labor experimentiert. Ein Vetter hilft ihr, die nötigen Gerätschaften aufzubauen, die Familie steht sich nahe.

Mit acht Jahren verliert Maria ihre Schwester Zosia, das Mädchen stirbt an Typhus, drei Jahre später die Mutter an Tuberkulose. Aus Furcht, die Kinder anzustecken, mied Bronisława wochenlang den direkten Kontakt. Manche Psychologen gehen heute rückblickend davon aus, dass Marias auffällig zurückhaltende Art auf diese Erfahrungen in der Kindheit zurückzuführen ist.

Die Todesfälle bringen die Familie derweil näher zusammen. Regelmäßig liest Władysław seiner Tochter und ihren Geschwistern klassische Literatur vor. Er zeigt ihnen wissenschaftliche Instrumente, die er nach Hause gerettet hat, nachdem sie an der Schule verboten worden waren. Seine Leidenschaft für die Naturwissenschaften steckt die Tochter an. Nur allzu gern hält sie sich im Arbeitszimmer des Vaters auf. Am interessantesten sind ein Präzisionsbarometer mit goldenen Zeigern sowie eine Vitrine mit Gesteinsproben, Waagen, Glasflaschen und einem Elektroskop. Maria konnte sich zuerst nicht vorstellen, wozu all die faszinierenden Dinge gut sein sollten. »Physikalische Geräte«, lehrt sie der Vater. »Sie hat das nie vergessen und sang die Wörter vor sich hin, wenn sie gute Laune hatte«, schreibt Ève später.

Als Zar Alexander II. im März 1881 bei einem Bombenattentat getötet wird, tanzt Maria durch das Klassenzimmer – endlich frei! Doch die Bildung, die sie und ihre Familie sich erhoffen, bleibt den Skłodowski-Schwestern in Polen weiterhin verwehrt. Zwar verlässt Maria mit 15 Jahren als Klassenbeste das Mädchengymnasium, an der Universität in Warschau aber dürfen nur Männer studieren. Ein Studium im Ausland ist zu teuer. Und so beginnen Maria und ihre zwei Jahre ältere Schwester Bronisława, kurz »Bronia« genannt, Kurse der »Fliegenden Universität« zu besuchen. Polnische Intellektuelle hatten die Einrichtung gegründet, um heimlich, ohne russischen Einfluss soziale, naturwissenschaftliche und medizinische Probleme diskutieren zu können. Die Kurse finden stets an anderen Orten statt, wissen ihre Teilnehmer doch um die Gefahr, die das illegale Studium mit sich bringt. Mit Freude erinnere sie sich an die intellektuelle und soziale Gesellschaft dieser Zeit, schreibt Curie später. Zwar habe man kaum nennenswerte Ergebnisse erzielt, doch sie glaube noch immer daran, dass die Ideen, die die Gemeinschaft inspirierten, damals der einzige Weg zu wahrem Fortschritt waren. »Man kann nicht darauf hoffen, eine bessere Welt zu schaffen, ohne die Individuen zu stärken.«

Frauen dürfen nicht studieren – und tun es trotzdem!

Während die Menschen in Polen noch immer nicht frei sprechen dürfen, können Frauen in Paris bereits studieren. Also schließen Maria und ihre Schwester Bronia einen Pakt: Beide würden mit Hilfe der anderen an einer französischen Universität einen Abschluss machen. Bronia sollte zuerst fortgehen, die kleine Schwester würde in dieser Zeit arbeiten und ihr Geld schicken. Sobald die ältere ihr Studium beendet hat, würde Maria nachziehen. Und tatsächlich: Der Plan scheint aufzugehen, zumindest zu Beginn.

Bronia beginnt ihr Medizinstudium in Paris, Maria stürzt sich in Polen in die Arbeit. Zwei Jahre lang gibt sie Kindern Nachhilfe, bis sie feststellt, dass der Lohn nicht ausreicht. Sie nimmt eine Stelle als Gouvernante an. Die wenige Zeit, die ihr neben der Kinderbetreuung bleibt, nutzt sie, um sich weiter in Mathematik und Physik zu bilden. »Ich hatte gehofft, mich selbst in der Arbeit zu verlieren. Doch ich habe Angst, dass ich unfassbar dumm werde«, wird Curie in der preisgekrönten BBC-Dokumentation Marie Curie von 1977 zitiert. Die Betreuung der Kinder hat sich als stumpfe Arbeit herausgestellt, und sie kann längst nicht so viel lernen, wie ihr lieb ist. Beinahe verliert sie die Hoffnung, je nach Paris zu ziehen.

Doch 1891 ist es dann so weit: Aus Maria wird Marie. Der Vater hat eine neue Stelle und kann beide Töchter finanziell unterstützen. Maria Skłodowska reist vierzig Stunden im Zug nach Paris, mit einem Klappstuhl und einer Decke bepackt – in der dritten Klasse gibt es keine Sitzplätze. Sie zieht zunächst zu ihrer Schwester und deren Mann, um sogleich mit dem Studium zu beginnen – und die ersten Enttäuschungen zu erleben. »Mein Französisch ist nicht so gut, wie ich dachte«, schreibt Marie später. Um mithalten zu können, lernt sie Tag und Nacht. Freizeit? Gönnt sie sich kaum.

Nach wenigen Monaten entscheidet Marie, eine eigene Wohnung zu beziehen. Leisten kann sie sich gerade mal ein Zimmer nahe der Universität. Es bietet: keine Heizung, keine Küche, keine Haushaltshilfe. Dafür im Winter ein vereistes Waschbecken, einen unzuverlässigen Ofen, der sie zwingt, nachts in aller Kleidung zu schlafen, die sie besitzt, und eigenhändig Kohlen sechs Stockwerke hochzutragen. Zudem stehen zumeist bloß trockenes Brot, eine Tasse Schokolade, ein paar Eier und wenige Früchte auf der Speisekarte.

Der unzureichende Schlaf, das intensive Studium und die Mangelernährung lassen Curie mehrmals zusammenbrechen. An Aufgeben aber will sie nicht denken. »Von allen äußeren Einflüssen unbeeindruckt, war ich freudetrunken, zu lernen und zu verstehen«, schreibt Marie Jahre danach in ihren autobiografischen Notizen. »Es war, als ob sich eine neue Welt offenbarte, die Welt der Wissenschaft, die ich letztlich in aller Freiheit kennenlernen durfte.« Es dauert Jahre, bis sich ihr Einsatz auszahlt. Zuvor lernt sie ganz nebenbei die Liebe ihres Lebens kennen: Pierre Curie.

Ein Ehepaar verändert die Welt der Wissenschaft

An der Sprache hapert es, der Lehrstoff überfordert sie, das Geld droht ihr mehr als einmal auszugehen – und doch schafft es Marie 1893, als Klassenbeste ihren Abschluss in Physik zu machen. Ein Jahr später absolviert sie die Mathe-Prüfungen als Zweitbeste. Möglich macht das ein Stipendium für herausragende polnische Studenten.

Längst ist sie nicht nur unter Mitstudenten ein Gesprächsthema. Auch Professoren und Unternehmen sind auf sie aufmerksam geworden. Kurz vor ihrem Mathematik-Abschluss bekommt sie daher einen Auftrag der Gesellschaft zur Förderung der Nationalindustrie, eines Zusammenschlusses von Industriellen in Paris. Curie soll die magnetischen Eigenschaften verschiedener Stahlsorten anhand ihrer chemischen Zusammensetzung untersuchen. Sie beginnt ihre Studien in einem Büro an der Universität, rasch stellt sich jedoch heraus, dass es nicht dafür geeignet ist. Marie sucht ein neues Labor. Sie findet Pierre Curie.

Der polnische Physiker Józef Kowalski-Wierusz (1866–1927) weiß um Maries Problem und Pierres Position in der Wissenschaft. Pierre, der als Sohn eines Pariser Arztes früh Privatunterricht bekommen hatte, mit 16 Jahren das Gymnasium abgeschlossen und nur drei Jahre später einen Physik-Abschluss an der Sorbonne gemacht hat, ist jetzt 34. Er hat sich bereits einen Namen auf dem Gebiet der Magnetismusforschung gemacht und leitet seit zwei Jahren die Schule für Physik und Chemie in Paris. Kowalski-Wierusz ist überzeugt, dass Pierre ein Labor für die geschätzte Studentin hat, und stellt die beiden auf einer Dinner-Party einander vor. »Wir begannen eine Konversation, die bald freundlich wurde. Zunächst ging es um wissenschaftliche Themen, ich war froh, ihn dazu nach seiner Meinung fragen zu können. Dann diskutierten wir soziale Themen. Trotz unserer unterschiedlichen Herkunft gab es eine überraschende Verbindung, die zweifellos auf ein vergleichbares moralisches Umfeld zurückzuführen war, in dem wir aufgewachsen sind«, erinnert sich Marie später. Pierre ist so beeindruckt von der jungen Forscherin, dass er ihr einen Raum zur Verfügung stellt.

Pierre Curie und die Kristallforschung

 

Pierre Curie arbeitet gerne mit Kollegen zusammen. Als er sich mit seiner Frau Marie in die Erforschung der Radioaktivität stürzt, hat sich der Wissenschaftler bereits mit seinem Bruder Jacques auf den Gebieten der Kristallografie und des Magnetismus einen Namen gemacht.

1880 untersuchen die beiden Physiker in verschiedenen Experimenten die Eigenschaften von Kristallen. Vor allem Turmalinkristalle sind wegen ihrer komplexen Struktur für sie von besonderem Interesse. Die Brüder setzen die Proben einem starken Druck aus und stellen dabei fest, dass mit steigendem Druck auf der Oberfläche der Kristalle eine elektrische Ladung entsteht. Je größer die Krafteinwirkung, desto größer die Ladung. Ein Phänomen, bekannt als der Piezoeffekt, abgeleitet vom griechischen piezein für »drücken«.