Mark Tolins und der Plan des Unsterblichen: Mark Tolins - Held des Weltraums #15 - Freder van Holk - E-Book

Mark Tolins und der Plan des Unsterblichen: Mark Tolins - Held des Weltraums #15 E-Book

Freder van Holk

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Beschreibung

Mark Tolins - Held des Weltraums #15 von Freder van Holk Der Umfang dieses Buchs entspricht 127 Taschenbuchseiten. Der Weg der Menschheit zu den Sternen ist das Thema dieser klassischen Science Fiction Serie. Es geht um die Abwehr von Außerirdischen, die Geheimnisse des Kosmos und um den Platz der Menschheit im Universum. Mark Tolins und seine Mitstreiter kämpfen um die Zukunft der Erde...

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Freder van Holk

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Inhaltsverzeichnis

Mark Tolins und der Plan des Unsterblichen

Copyright

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Mark Tolins und der Plan des Unsterblichen

Mark Tolins - Held des Weltraums #15

von Freder van Holk

Der Umfang dieses Buchs entspricht 127 Taschenbuchseiten.

Der Weg der Menschheit zu den Sternen ist das Thema dieser klassischen Science Fiction Serie. Es geht um die Abwehr von Außerirdischen, die Geheimnisse des Kosmos und um den Platz der Menschheit im Universum. Mark Tolins und seine Mitstreiter kämpfen um die Zukunft der Erde...

Sprachgebrauch und Wertvorstellungen entsprechen der Entstehungszeit der Romane und unterlagen seitdem einem steten Wandel. So kommen beispielsweise immer mal wieder „Neger“ vor. Heute wird dieser Begriff von vielen als diskriminierend empfunden. Bis in die 1970er Jahre hinein war das jedoch nicht so. Das Wort „Neger“ entsprach dem normalen Sprachgebrauch und wurde nicht als herabsetzend angesehen. Selbst der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King sprach in seinen Reden häufig von der „Emanzipation der Neger.“ Für den deutschen Sprachraum markiert der DUDEN das Wort erstmalig in seiner Ausgabe von 1999 mit der Bemerkung „wird heute meist als abwertend empfunden“ und trug damit dem in der Zwischenzeit gewandelten Sprachgebrauch Rechnung. Da die Romane nur vor dem Hintergrund ihrer Zeit in sich stimmig sind, wurde auf eine sprachliche Glättung ebenso verzichtet wie auf eine Anpassung heute nicht mehr zeitgemäßer Wertvorstellungen oder inzwischen widerlegter wissenschaftlicher Ansichten.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© Cover: Tony Masero, 2018

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

„Wir werden den vierten Planeten sprengen“, sagte der Große Gedankenmacher, Oberweiser aller zwölf Kontinente und Herr der Welt, und seine Stimme hallte wie der Klang einer mit Watte gedämpften Glocke zwischen den dicken Wänden der Gruft des Unsterblichen. Über diese Wände liefen unablässig pastellene Farben, als gäben sich alle Regenbogen der Welt am Grabstein des Unsterblichen ein Stelldichein. Sie lieferten das einzige Licht in der Gruft, ein magisches, geisterhaftes Licht, das den Augen erlaubte, alles klar zu sehen, und doch alles der Wirklichkeit entrückte.

Der Große Gedankenmacher saß auf seinem Thron, der nicht viel mehr als ein schmuckloser Steinklotz war und nicht einmal den Armen eine Stütze gab. Ein schlichtes, dunkles Gewand verhüllte seinen Körper. Nur sein Kopf war dem schwingenden, wechselnden Licht ausgesetzt, und es hob ihn so heraus, dass es fast aussah, als schwebe der Kopf allein im Raum. Es war ein eigenartiger Kopf. Über dem faltenreichen, zerknitterten Gesicht eines sehr alten Mannes türmte sich ein Schädel, mindestens doppelt so hoch wie das Gesicht vom Kinn bis zu den Brauen. Der Schädel stand wie eine in eine leichte Kuppel ausgelaufene Walze über dem Gesicht. Es sah fast aus, als hätte sich der Große Gedankenmacher einen Kaffeewärmer aufgestülpt, eine dieser Hauben, unter denen man den Kaffee in der Kanne warm hält. Der Vergleich fiel umso leichter, da vom Schädelturm dünn gewordenes Haar in der gelblichen Altersfarbe von alten Klaviertasten wie schäbig gewordener Pelz herunterhing. Nur die oberste Kuppelwölbung war kahl. Wo sie begann, saß ein breiter, dünner Goldreifen auf dem Kopf, eine dünne Krempe ohne Hut, die man für eine Art Heiligenschein halten konnte.

Ein sonderbarer Kopf, und doch ein Gesicht voll Klugheit und Weisheit, wenn auch müde vom Alter.

Vor den Füßen des Großen Gedankenmachers befand sich die Grabplatte des Unsterblichen. Um sie herum schwang sich im Halbkreis die altersschwache, reich geschnitzte Bank des Hohen Rates, besetzt mit den zwölf Hochgeistern der zwölf Kontinente. Auch sie waren schmucklos gekleidet, auch sie besaßen Köpfe mit turmartigen Schädeln, und auch sie waren alte Männer mit zerfurchten und müden, wenn auch klugen Gesichtern.

Es war lange still, nachdem der Große Gedankenmacher seine Entscheidung verkündet hatte. Endlich drehte einer der Männer etwas den Kopf.

„Ist es erlaubt, zu fragen, ehrwürdiger Gedankenmacher?“

Eine Minute verging in tiefer Stille. Dann kam die Antwort.

„Frage.“

Abermals blieb es eine Minute still, bevor die Frage kam.

„Muss es sein, ehrwürdiger Gedankenmacher?“

Der Große Gedankenmacher nahm sich jetzt weniger Zeit.

„Es ist befohlen. Im Testament des Unsterblichen steht geschrieben, dass wir einmal in hundert Jahren unserer Zeit eine Expedition aussenden sollen, um zu prüfen, was in jener Welt geschieht, deren fünftes Glied unter der Regierung des Unsterblichen zerstört wurde. Wir sind vor allem gehalten, die Veränderungen auf dem dritten Planeten zu prüfen. Und es ist befohlen, dass wir nach zehn Mal hundert Jahren unserer Zeitrechnung auch noch den vierten Planeten zerstören sollen, um dann weitere Jahrhunderte hindurch die Wirkungen auf den dritten Planeten zu beobachten. Wir haben das Testament des Unsterblichen zu vollziehen.“

„Sofern ihr nicht vor Altersschwäche das Atmen vergesst“, sagte Mavik jenseits der farbenumspielten Gruftmauer gehässig vor dem gewölbten Bildschirm, der plastisch und farbig alles wiedergab, was das Auge jenseits der Wand sah.

Mavik war jung, noch nicht dreißig, und besaß keine Ähnlichkeit mit den Greisen in der Gruft des Unsterblichen. Sein mittelgroßer Körper, mit ärmellosem Hemd und langer Hose aus einfachem Stoff bekleidet, wirkte stämmig, kräftig und gewandt. Das gut ausgearbeitete Gesicht mit den festen Kinnbacken und der runde Kopf mit den schwarzen Haaren konnten von einem Römer zwischen Cäsar und Mussolini stammen. Temperament und Scharm, aber auch Härte und Rücksichtslosigkeit, fehlten ihm bestimmt nicht.

„Er macht sich eben Gedanken“, warf Terek mit gutmütigem Spott ein. „Das unterscheidet ihn von dir.“

Terek lehnte an der anderen Wand des engen, kellerartigen Gemachs. Auch er war noch jünger als dreißig, gehörte aber zum knochigen, sehnigen Typ. Selbst sein Gesicht wirkte schon knochig. Eine kräftige Nase, breiter Mund, tief liegende graue Augen, und ein eigensinnig verwirbeltes, schmutzigblondes Haar machten ihn zu einem eigenwilligen und vielleicht sogar gefährlichen Mann, der nur noch in seinem freundschaftlichen Lächeln liebenswert wurde.

„Sie teilen sich’s ein“, reagierte Mavik belustigt und freundschaftlich. „Was die sich in tausend Jahren zusammendenken, schafft unsereins an einem Tag. Das Geheimnis aller Weisheit liegt in der langen Leitung. Ich habe in meinem Leben bestimmt schon mehr gedacht als der ganze Verein dort drüben zusammen.“

Terek grinste.

„Sagst du! Du bist doch nur Fußbodenpfleger im Haus des Großen Gedankenmachers. Das strengt nicht an, aber der Große Gedankenmacher muss sich von Berufs wegen Gedanken machen. Gedanken, edler Römer!“

„Dreckiger Sklave!“, stichelte Mavik zurück und wies mit einer Handbewegung auf die Wand. Ein Mitglied des Hohen Rates sprach.

„Wir werden den vierten Planeten sprengen, wie es befohlen wurde, aber es besteht die Gefahr, dass damit jene andere Welt zusammenbricht und völlig zerstört wird. Jedes Weltsystem besitzt mit seiner Ordnung ein bestimmtes Gleichgewicht. Als jener fünfte Planet zerstört wurde, blieb es eben noch mühsam erhalten. Wir wissen jedoch, dass schon damals auf dem dritten Planeten ganze Kontinente im Meer versanken, Sintfluten die Völker ertränkten und Feuer aus der Tiefe drangen. Wenn wir auch noch den vierten Planeten ausradieren, werden die Folgen noch gewaltiger sein. Ist es erlaubt, zu fragen, ob der Unsterbliche auch das vorausgesehen hat?“

„Er hat“, bestätigte der Große Gedankenmacher trocken. „Das große Experiment bezieht den möglichen Untergang des fremden Weltsystems mit ein. Damit geht nichts verloren, nicht einmal für die schnelllebigen Geschöpfe auf dem dritten Planeten, denn sie leben nur, um zu leben, ohne Veränderung und ohne Fortschritt, und es ist unwichtig, ob noch weitere tausend Generationen von ihnen leben werden oder nicht.“

„Da hörst du es!“, flammte jenseits der Mauer Mavik wütend auf. „Unwichtig! Senile Ignoranz! Mir ist es wichtig genug, dass ich lebe.“

„Sieht nicht so aus“, widersprach Terek gelassen. „Du legst es geradezu wild darauf an, nicht mehr lange zu leben. Früher oder später werden sie dir auf die Schliche kommen, und dann schläfern sie dich ohne Umstände ein.“

„Ja, und dich mit.“

„Vielleicht! Aber bis dahin rege ich mich weniger auf als du. Dein Temperament ist gefährlich, edler Römer.“

„Deins natürlich nicht!“, höhnte Mavik. „Wenn es nach dir geht, polieren wir in hundert Jahren immer noch den ehrwürdigen Fußboden des ehrwürdigen Großen Gedankenmachers.“

„In hundert Jahren ist ohnehin alles vorbei“, erwiderte Terek phlegmatisch. „Wir haben nun einmal nicht die Ausdauer der Walzenköpfe.“

„Du glaubst wohl auch alles, was sie dir erzählen, was?“, zischte Mavik gereizt. „Sie leben keine tausend Jahre, nicht einmal halb so lange, wenigstens nicht von Natur aus. Sie verlängern ihr Leben künstlich. Sie haben irgendwelches Zeug, das sie schon den Kindern einspritzen und dann regelmäßig nehmen. Ich weiß noch nicht, was es ist, aber ich komme schon noch dahinter, und dann werde ich einmal den Unsterblichen spielen. Mit meiner Figur bringe ich es notfalls auch auf zweitausend Jahre nach unserer Zeitrechnung.“

Terek betrachtete ihn teils belustigt, teils nachdenklich.

„Mit deiner Schnauze könntest du sogar fünftausend Jahre schaffen, edler Römer. Vielleicht sogar noch mehr. Ich habe mir sagen lassen, dass Großschnauzen unsterblich sind und nur dann und wann den Besitzer wechseln.“

Mavik fuhr auf, zog es dann aber vor, zu grinsen.

„Du hast Glück, Barbar! Wenn ich zufällig nicht bloß Fußbodenpfleger wäre, würde ich dich in Stücke reißen lassen.“

„Ich weiß“, nickte Terek. „Da du aber nun einmal ein festangestellter Scheuerlappen bist, wenn auch von edelstem römischem Geblüt, wirst du von heute an mit deinen Unternehmungen erheblich vorsichtiger sein als bisher. Falls du es noch nicht begriffen hast – das ist unsere Chance. Wenn sie wirklich wieder gegen die Welt losgehen, aus der sie unsere Vorfahren verschleppt haben, machen sie es uns leicht, unsere Pläne durchzuführen. Begreifst du das – oder drücke ich mich zu geschwollen aus?“

Maviks Gesicht wurde dunkler. Seine Augen verengten sich. Sie wichen jedoch aus, als sie dem grauen, harten Ausdruck Tereks begegneten. Gleich darauf glättete ein charmantes Lächeln seine Züge.

„Ich habe verstanden, Terek. Hör dir das an.“

Nebenan in der Gruft gab der Große Gedankenmacher seine Anweisungen.

„Wir werden das Unternehmen mit allen verfügbaren Raumschiffen und technischen Kräften durchführen. Der vierte Planet ist nicht groß, und die Intelligenzen, die dort leben, sind gering an Zahl, und altersschwach, aber er wird vielleicht sonstige Schwierigkeiten bieten. Voraussichtlich werden wir mit den Lichtbohrern sehr tief eindringen müssen, bevor wir die sprengenden Kernladungen legen können – es sei denn, wir fänden vorher genügend Feuer und Wasser. Während die Vorbereitungen laufen, werden wir wieder Beobachtergruppen auf dem dritten Planeten absetzen, die dort den gegenwärtigen Stand der Entwicklung feststellen. Die Veränderungen werden auch diesmal nicht groß sein, aber so ist es vorgeschrieben.“

„Hat der ehrwürdige Gedankenmacher die Misserfolge der letzten Expedition bedacht? Ich habe die Berichte studiert, und …“

Der Große Gedankenmacher unterbrach, und das war fast eine Sensation in diesem Kreis.

„Ich habe das bedacht. Die Erinnerung an uns wird ausgelöscht sein, denn für diese schnelllebigen Menschen sind nach ihrer Zeitrechnung bereits tausend Jahre und viele Generationen vergangen, aber sie sollen unsere Leute nicht wieder an ihren Köpfen erkennen und sie in ihrer Furcht umbringen. Ich habe mich entschlossen, Männer aus den Reservationen zu schicken. Es gibt genug unter ihnen, die sich umsehen und berichten können, und vielleicht finden sie sich sogar besser in die Gedanken der Menschen hinein, zu denen sie ja eigentlich gehören.“

„Und wenn sie uns verraten?“

„Sie werden nicht einmal erfahren, was vorgeht, und wenn sie es verraten würden, änderte sich nichts. Diese vielfarbigen Völker auf dem dritten Planeten wissen sicher noch immer nicht, wie ihre Welt aussieht; und wenn sie es wüssten, so besäßen sie doch keine Mittel, uns zu hindern. Oder, wer könnte glauben, dass diese Geschöpfe, die vor tausend Jahren ihrer Zeit noch nicht einmal das Pulver erfunden hatten, plötzlich das Wissen und die Technik oder gar Raumschiffe besitzen, mit denen sie unsere Absichten beeinträchtigen könnten?“

„Wer könnte das glauben?“, murmelte der Hohe Rat feierlich.

„Weil sie Tranlampen sind!“, wütete jenseits der Wand Mavik mit mahlenden Kinnbacken, wenn auch leise. „Weil sie Trottel sind! Wir haben mit unserer Lumpengarde von Fensterputzern, Fußbodenwischern, Müllträgern und Papierkorbleerern den ganzen Zauber innerhalb von zehn Jahren bis zu den Kernformeln durchschaut, aber unsere Urahnen sitzen offenbar immer noch auf den Bäumen. Warum? Weil sie einfältig sind und faul und zufrieden! Zufrieden! Das ist es, du dreckiger nordischer Bastard! Zufrieden, dass sie ihr Essen und ihr Trinken, ihr Zelt oder ihr Haus, ihre Frauen und ihre Kinder, ihre Lieder und ihre Sprüche haben. Sie sitzen in ihren Reservationen und sind zufrieden und glücklich! Zufriedene Menschen kommen nie weiter. Satt! Noch nicht einmal das Pulver erfunden! Aber warte nur, ich werde sie unzufrieden machen! Schreien sollen sie vor Unzufriedenheit! Ich werde sie wild vor Unzufriedenheit machen, bis sie auch Kernbomben und Raumschiffe erfinden. Verlass dich drauf!“

„Pass auf, dass dir nicht eine Ader platzt!“, riet Terek gelassen. „An deiner Stelle würde ich einmal den Großen Gedankenmacher fragen, ob es besser ist, wenn die Menschen zufrieden oder unzufrieden sind. Er hat immerhin einige Erfahrungen.“

„Ebenso gut könnte ich eine Kalkwand fragen“, murrte Mavik.

2

Bushmills lag noch immer still und verträumt in der Nähe der kanadischen Grenze, als wäre es das einzige Haus in der flach gewellten, von Waldstücken durchsetzten Landschaft, und es sah noch immer so aus, als hätte es jemand als Andenken aus Europa mitgebracht. Das alte, zweistöckige Wohnhaus vertrat reinen Empirestil, streng und trotz seines Alters immer noch wundervoll in seinen Proportionen und Einzelheiten. Selbst die steinerne Treppe mit ihren abgelaufenen Stufen, die zur Eingangstür hinaufführten, enthielt noch eine Portion Schönheit.

Zwei alte, riesige Scheunen flankierten das Wohnhaus und markierten einen Hof, dessen vierte Seite von einer Mauer mit einer breiten Einfahrt begrenzt wurde. Von der Steintreppe des Wohnhauses aus blickte man über eine ehemalige Dunggrube hinweg auf die Einfahrt und darüber hinaus auf einen schnurgeraden Fahrweg, der zwischen alten Pappeln zum fernen Dorf Cootshill führte. Auf dem Hof scharrten und gackerten Hühner, nervöse Italiener und phlegmatische Wyandotts. Sie vervollständigten das ländliche Idyll unter der sinkenden Sonne, die den treibenden Wölkchen am blauen Himmel eben ihr erstes Rosa schenkte.

Biggy saß auf der Treppe und gab sich seiner Lieblingsbeschäftigung hin. Er hielt in der linken Hand einen Taschenspiegel und in der rechten einen Taschenkamm. Mit dem kämmte er liebevoll sein Haar und beobachtete die Erfolge im Spiegel. Alles in allem bot er trotz seines muskulösen Körpers das friedliche Bild eines friedlichen Menschen, der sich in eine friedliche Beschäftigung vertieft hat.

Trotzdem brauchte er nur drei Sekunden, um die Indianer zu entdecken, die hinter seinem Rücken zwischen Wohnhaus und Scheune auftauchten. Dabei waren noch nicht einmal die Hühner unruhig geworden.

Indianer!

Es waren zwei Männer, beide hochgewachsen und schlank, sehnig und kraftvoll. Sie trugen lange, mit farbigen Fransen abgesetzte Hosen und Mokassins. Ihre Oberkörper waren nackt und ließen eine prachtvolle Muskulatur sehen. Die tiefbraune Haut glänzte, als wäre sie mit Speck eingerieben worden. Ihre scharf ausgemeißelten Gesichter mit den Adlernasen waren so charakteristisch, als hätte man sie nach dem Bilderbuch modelliert. In den Skalplocken auf den sonst geschorenen Köpfen wippte eine Feder. Oberhalb der Ellbogen trugen die beiden farbige Armbänder ebenfalls aus Federn. Im Gürtel steckte ein wie frisch geputzt aussehender blitzender Tomahawk und ein breiter, lederner Beutel mit Fransen.

Über der Schulter hing bei jedem ein Bogen und ein Pfeilköcher.

Soweit mussten sie zu einem Zirkus oder zu einem Museum gehören, und nicht zum Schlechtesten. Sie waren so aufdringlich und unverkennbar Bilderbuch-Indianer, dass es bestimmt nicht leicht gefallen war, zwei solche Prachtexemplare unter jenen amerikanischen Bürgern aufzutreiben, die sich indianische Herkunft nachsagten. Old Shatterhand hätte bestimmt seine helle Freude an ihnen gehabt. Biggy hatte nicht die geringste Ahnung, welchem Stamm sie angehörten, aber er zweifelte nicht daran, dass er echte Indianer hinter sich hatte.

Merkwürdig war nur, dass sie ein schmales, helles Stirnband trugen, an dem mitten auf der Stirn ein Spiegel von der Größe einer Handfläche saß. Das erinnerte an einen Arzt. Allerdings schien das runde Ding doch kein Spiegel zu sein, denn es glänzte nicht. Die schwach gewölbte Fläche war grau und stumpf.

Merkwürdig war auch noch, dass sie an beiden nackten Oberarmen rechteckige Kästchen in der Größe von Zigarettenpackungen trugen, die ebenfalls von schmalen Bändern gehalten wurden. Aber vielleicht war das gar nicht merkwürdig, und es handelte sich tatsächlich um Zigarettenbehälter. Es ist nicht jedermanns Sache, eine zerknitterte Packung in der Hosentasche herumzutragen.

Sie kamen langsam auf die Treppe zu, offensichtlich zögernd, während sie miteinander sprachen. Sie schienen sich unsicher zu fühlen, und das passte so wenig zu ihren Erscheinungen, dass es Biggy alarmierte. Vor allen Dingen aber musterten sie das Haus und ihre Umgebung, als fänden sie sich nicht zurecht.

Biggy steckte sein Haarpflegewerkzeug in die Tasche und schob sich gemächlich auf der ausgetretenen Stufe herum, dass er den beiden entgegenblicken konnte. Zum Dank dafür zogen sie plötzlich mit blitzschnellen Bewegungen ihre Tomahawks und stellten sich federnd in Positur, als ob sie im nächsten Augenblick ihre Beile auf Biggy werfen wollten. Das sah gar nicht so ungefährlich aus, wenn es auch zehnmal nur zu einer Zirkusnummer gehören mochte. Diese beiden Indianer mit ihren harten Gesichtern machten nicht den Eindruck, als ob sie an Humor litten.

„Na, na!“, warnte Biggy für alle Fälle. „Wollt ihr etwa Mamas kleinen Liebling erschrecken? Begrabt eure Kriegsbeile und raucht die Friedenspfeife, edle Rothäute! Wo haben sie euch denn rausgelassen?“