Marked Men: In seinem Herzen - Jay Crownover - E-Book

Marked Men: In seinem Herzen E-Book

Jay Crownover

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Beschreibung

In seinem Herzen war nur Platz für Verzweiflung - bis sie kam ...

Cora Lewis sieht aus wie eine Mischung aus einem Punk und einer Elfe. Ihren zierlichen Körper schmücken bunte Tattoos und einige Piercings. Auf den ersten Blick würde man ihr kaum zutrauen, dass sie vom Heiraten, einem Haus und einer Familie träumt. Nur leider ist der Mann, mit dem sie sich ihren Freunden zuliebe momentan herumschlagen muss, ganz sicher kein Traummann. Rome Archer ist übellaunig, unhöflich und arrogant. Nur warum werden ihr dann bei seinem Anblick ständig die Knie weich?

Die perfekte Mischung aus Drama und prickelnder Erotik - Die New-York-Times-Bestseller-Reihe "Marked Men".

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Seitenzahl: 533

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Einführung

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Epilog

Romes Playlist

Danksagung

Weitere Titel der Autorin

Marked Men: In seinen Augen

Marked Men: In seiner Stimme

Über dieses Buch

Cora Lewis sieht aus wie eine Mischung aus einem Punk und einer Elfe. Ihren zierlichen Körper schmücken bunte Tattoos und einige Piercings. Auf den ersten Blick würde man ihr kaum zutrauen, dass sie vom Heiraten, einem Haus und einer Familie träumt. Nur leider ist der Mann, mit dem sie sich ihren Freunden zuliebe momentan herumschlagen muss, ganz sicher kein Traummann. Rome Archer ist übellaunig, unhöflich und arrogant. Nur warum werden ihr dann bei seinem Anblick ständig die Knie weich?

Über die Autorin

Jay Crownover lebt in Colorado, wo auch ihre Romane spielen. Sie liebt Tattoos und Körperschmuck, und so ist es kein Wunder, dass ihre Helden zur Sorte tätowierte und gepiercte Bad Boys gehören. Ihre Leidenschaft galt schon immer dem Lesen und Schreiben, und mit dem Erfolg ihrer Serie MARKED MEN ist ein Traum für sie wahr geworden.

JAY CROWNOVER

MarkedMen

IN SEINEM HERZEN

Aus dem Amerikanischenvon Ulrike Moreno

beHEARTBEAT

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:Copyright © 2014 by Jennifer M. VoorheesTitel der amerikanischen Originalausgabe: »Rome«Originalverlag: William MorrowPublished by arrangement with Avon,an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.

Für diese Ausgabe:Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Kerstin FuchsCovergestaltung: © Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven © Geribody/Getty Images

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-8784-1

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Dieses Buch ist all den Männern und Frauen gewidmet, die unserem Land in irgendeiner Einheit der Streitkräfte dienen oder gedient haben. Danke für euren Einsatz!

Einführung

Allem voran möchte ich sagen, dass ich nichts als Respekt und Anerkennung für die Männer und Frauen unserer Streitkräfte empfinde. Ich finde es beeindruckend, wenn jemand sich dazu entschließt, dem Wohle anderer zu dienen. Es ist selbstlos, heldenhaft und rundum bewundernswert.

Ich lebe in der Nähe von Fort Carson, einer Stadt, die voller Männer und Frauen im aktiven Dienst ist. Auch mein Großvater war bei der Army, wodurch meine Mutter als junges Mädchen in der ganzen Welt herumkam. Mein Cousin diente in Übersee. Er ist ein reizender, wirklich wundervoller junger Mann, der nicht ganz unberührt von dieser Erfahrung zurückkam. Ich selbst habe lange in einer Bar in der Nähe der Uni gejobbt, die einer Gruppe ehemaliger Soldaten als inoffizielles Stammlokal diente. Sie alle drückten dank des von Franklin D. Roosevelt erlassenen Gesetzes für US-Kriegsveteranen, der G.I. Bill, wieder die Schulbank und bauten sich so ihr Leben nach dem Militärdienst auf. Ich habe mir ihre Geschichten angehört, die guten und die schlechten, und ich habe die Höhen und Tiefen gesehen, die das Ausscheiden aus der Army mit sich bringen kann. Allerdings soll In seinem Herzen keineswegs ein verallgemeinerndes oder dokumentarisches Portrait des Lebens sein, das diese ehemaligen Soldaten heute führen.

Rome ist ein Mann auf einer Reise, wie wir alle es sind, und er versucht nur, sein Bestes zu geben. Jegliche Freiheiten, die ich mir bei der Wahrheitsfindung herausgenommen habe, sind mein Werk und nur dazu gedacht, seinen Charakter zu entwickeln und seine Geschichte zu erzählen.

Herzlichen Dank euch allen, und viel Spaß beim Lesen!

Jay

Kapitel Eins

Cora

4. Juli, Unabhängigkeitstag

Es gab für mich nichts Schöneres, als mit all den Menschen, die ich liebte, zur selben Zeit am selben Ort zu sein. Wenn dann noch ein freier Tag, kaltes Bier, ein Barbecue und ein Feuerwerk dazukommen, könnte ich nicht glücklicher und zufriedener sein.

Das wäre ich auch an diesem 4. Juli gewesen, wenn nicht eine große, dunkle Wolke in Form eines Mannes fest entschlossen schien, mir die Stimmung zu vermiesen.

Es war ein langes Feiertagswochenende. Meine Freunde von The Marked, dem Tattoo-Studio, in dem ich arbeite, aber auch Jet und Asa und meine Mädels hatten sich zur Einweihungsparty mit Barbecue im Garten von Rules und Shaws brandneuem Haus versammelt. Alle hatten ein Bier in der Hand; Rule und Jet standen am Grill und sahen ein bisschen albern aus dabei. Es sollte ein fröhlicher und entspannter Tag werden. Nur hatte das jemand anscheinend nicht mitbekommen.

Ich drehte meine kalte Bierdose in den Händen und gab mir wirklich alle Mühe, den Mund zu halten. Ich war innerhalb weniger Minuten zu dem Schluss gekommen, dass Rome Archer der humorloseste Mensch sein musste, dem ich je begegnet war. Sicher, der Typ war gerade erst aus einem Kriegsgebiet zurückgekommen und hatte ein ziemlich ernstes Familiendrama zu bewältigen – aber das entschuldigte doch nicht, dass er offenbar fest entschlossen war, unsere Party mit seiner miesen Laune zu vergiften.

Seit er durch das Gartentor hereinspaziert war, hatte er abwechselnd jeden böse angefunkelt oder angegriffen, der auch nur in die Nähe seiner unkontrollierten Wut geraten war. Seine Augen konnte ich nicht sehen, weil er eine verspiegelte Pilotenbrille trug, aber ich konnte die Verachtung und Unzufriedenheit spüren, die von seinem kraftvollen Körper ausging. Ich war noch nie jemandem begegnet, der mich so sehr an Hulk erinnerte, bevor Rome begann, mit uns herumzuhängen. Und genau wie bei der grünen Comic-Figur schien auch sein unbeherrschtes Naturell etwas zu sein, was alle anderen fürchteten. Ich hatte es langsam gründlich satt, mitanzusehen, wie meine Freunde auf Zehenspitzen um ihn herumschlichen und ihn zu besänftigen versuchten.

Er hätte verdammt noch mal vor Freude Luftsprünge machen müssen, weil der läufige Hund, der sein Bruder früher gewesen war, zu sich gefunden hatte und eine echte Bindung eingegangen war, weil Rule seine perfekte Partnerin gefunden hatte und dadurch ein besserer Mann geworden war. Aber nein – das Einzige, was Captain Spaßbremse zustande brachte, war, jeden zu belächeln oder anzuknurren, der ein Gespräch mit ihm zu führen versuchte.

Nein, ich war mir ziemlich sicher, dass ich kein Fan von Rome Archer war, egal, ob er nun ein Kriegsheld und geliebter älterer Bruder oder ein angeblich netter Kerl war oder auch nicht. Ich persönlich war der Meinung, dass der Typ sich die größte Mühe gab, ein Vollidiot zu sein und alle anderen genauso unglücklich zu machen, wie er es selbst zu sein schien.

Die Jungs, die mit ihm aufgewachsen waren, und sogar meine Freundin Shaw hörten nicht auf, mir vorzubeten, dass der Ex-Soldat eigentlich ein guter Typ war und nur leider sehr zu kämpfen hatte, seit er heimgekehrt war. Ich war mir nicht sicher, ob ich das glauben sollte. Nichts, was ich bisher gesehen hatte, wies darauf hin, dass er etwas anderes war als ein miesepetriger, aus dem Gleichgewicht geratener Rüpel. Und das war eine Schande, weil der Typ so sagenhaft gut aussah, dass es wehtat, ihn nur anzuschauen. Alle Archers hatten fabelhafte Gene, doch während Rule, mein Kollege und bester Freund, alle möglichen Bad-Boy-Attitüden und ein entsprechend großspuriges Gehabe an sich hatte, war Rome die pure maskuline Perfektion.

Er war groß, viel größer als die anderen Jungs, was schon etwas heißen wollte, und er war bärenstark. Die Muskeln an seinem wohlgeformten, durchtrainierten Körper wirkten nicht, als ob er sie bloß zur Show, sondern tatsächlich zum Überleben eingesetzt hätte. Er hatte sehr kurzes dunkles Haar, und über den verspiegelten Gläsern seiner Sonnenbrille befand sich eine unübersehbare gezackte Narbe über seiner Augenbraue. Sein Gesicht war von einer geradezu verstörenden Intensität, die ihn ungeheuer attraktiv machte, dabei hätte dieser Körper doch schon gereicht, um das andere Geschlecht schlicht sprachlos zu machen. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass keine Frau im ganzen Land ihm widerstehen könnte, wenn er sich auch nur einmal zu einem Lächeln durchringen würde.

Ich blickte auf, als Nash Donovan, mein Kollege und Freund, hinter mir erschien und seine Hände auf meine Schultern legte. Nash war Rules bester Freund und lebte derzeit mit dem Berg aus Pessimismus und Düsternis zusammen, neben dem ich auf dem Rasen saß. Der Campingstuhl, in dem er mehr lag als saß, sah so aus, als ob er jeden Moment unter seiner athletischen Gestalt zerbrechen würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand, der so gutmütig und gelassen war wie Nash, mit einem derart übellaunigen Typen zusammenlebte. Aber da Nash und Rule den Kerl schon fast wie einen Helden verehrten, war es für mich wahrscheinlich das Beste, mich rauszuhalten, solange ich konnte.

»Wie läuft’s denn so, Tink?«

Es war eine einfache Frage, hinter der aber sehr viel mehr steckte. Ich hatte erst kürzlich erfahren, dass meine erste große Liebe, der Typ, der mein junges Herz in tausend irreparable Stücke zerbrochen hatte, Ende des Jahres heiraten würde. Das machte mir schwer zu schaffen, und die Jungs aus dem Studio waren alle sehr besorgt um mich, weil mich normalerweise nichts erschüttern konnte.

»Ach, weißt du, ich bin noch immer auf der Suche nach dem perfekten Mann.«

Das war meine Standardantwort. Um den gleichen Fehler zu vermeiden und zu verhindern, dass ich mein Herz erneut so leichtsinnig verschenkte, war ich fest entschlossen, auf einen Mann zu warten, der sich voll und ganz auf mich und eine Beziehung einließ. Ich würde mich mit nichts Geringerem als Perfektion zufriedengeben, selbst wenn ich ewig warten musste, um sie zu finden. Die Vorstellung, Kompromisse einzugehen und dann wieder genauso hilflos und gebrochen zu enden, wie ich es nach Jimmy gewesen war, war zu beängstigend, um sie auch nur in Betracht zu ziehen.

»Tink?« Romes Stimme klang genauso schroff und hart wie der Ausdruck auf seinem attraktiven Gesicht wirkte.

Nash lachte und ließ sich auf einem Stuhl auf der anderen Seite des älteren Archer-Bruders nieder.

»Tinker Bell. Wir nennen sie so, weil sie wie eine Punkrock-Version von Tinker Bell aussieht.«

Eine dunkle Augenbraue hob sich hinter der Sonnenbrille, worauf ich Rome ein zuckersüßes Lächeln schenkte. Mit meiner kleinen, zierlichen Figur, dem strubbeligen blonden Haar und meinen zwei verschiedenfarbigen Augen sehe ich tatsächlich ein bisschen aus wie eine Elfe aus einem Zeichentrickfilm. Außerdem prangt an meinem linken Arm ein farbenfrohes Tattoo aus Blumen und filigranen Mustern, das bis zum Handgelenk reicht. Es ist strahlend schön und fröhlich. Ich liebe die lebhaften Farben und wechsle oft den Stein in meinem Augenbrauen-Piercing, um ihn den verschiedenen Farben anzupassen. Der Spitzname passt zu mir, und es stört mich gar nicht, wenn die Jungs ihn benutzen. Es beweist nur, dass sie mich genauso lieben wie ich sie.

Rome riss sich die Sonnenbrille vom Kopf und rieb sich seine Augen. Als er die Hände zurückzog, konnte ich sehen, dass er nicht nur die schönsten, klarsten blauen Augen hatte, die ich je gesehen hatte, sondern dass sie auch von dunklen Schatten umgeben waren. Er war ein extrem attraktiver Mann, doch heute sah er echt beschissen aus.

»Ich hätte nicht kommen sollen. Das ist doch alles falsch. Alle tun so, als wäre es was irre Aufregendes, dass Rule und Shaw jetzt Vater-Mutter-Kind spielen. Dabei wird ihnen doch bloß alles um die Ohren fliegen, sie werden sich gegenseitig kaputtmachen, und am Ende werde ich es wieder sein, der alles in Ordnung bringen muss.«

Zuerst glaubte ich, mich verhört zu haben, aber dann sah ich, wie Nash zusammenzuckte und Rowdy, einer meiner anderen Jungs aus dem Studio, sich verspannte. Bisher schien er die einzige andere Person bei dieser kleinen Versammlung zu sein, die noch nicht in den Rome-Archer-Fanclub eingetreten war. Und das war auch gut so. Rowdy war vermutlich der einzige Kerl in der Gruppe, der dem Ex-Soldaten körperlich gewachsen wäre, falls der beschließen sollte, Ärger zu machen.

»Reg dich ab, Mann! Freu dich einfach für Rule und Shaw. Sie sind immerhin deine Familie.« Nash war immer der Pragmatischste von allen, aber jetzt konnte ich einen angespannten Unterton in seiner Stimme hören.

Ich öffnete mir ein Bier und kniff meine Augen leicht zusammen. Ich hatte nicht vor, meinen Freunden von diesem Kerl den Tag verderben zu lassen, selbst wenn er fest entschlossen dazu schien. Diese Augen, die eigentlich viel zu schön waren für ein solch finster dreinblickendes Gesicht, wurden schmal, als er Nash ansah, und ich konnte buchstäblich die Hitze aufbrodelnden Zorns von diesen breiten Schultern ausgehen spüren. Bisher hatte ich nur geschwiegen, beobachtet und mir ein Bild gemacht. Ich hatte still mein Bier getrunken und es den anderen überlassen, diesen Typen ein wenig aufzulockern. Ich war hier, um im Kreise meiner Freunde Spaß zu haben, die Lebensgemeinschaft zweier Menschen zu feiern, die ich vergötterte, und das junge Eheglück zwei weiterer Menschen, die ich liebte und als meine Familie betrachtete. Dass sich in meinem Freundeskreis schon zwei Paare gefunden hatten, war für mich mehr als eine Party wert. Ich wusste, wie schwer es war, den richtigen Partner zu finden, und fand es toll, dass Menschen, an denen mir so viel lag, genau das taten. Captain Spaßbremse freundete sich besser schnell damit an, sonst könnte es hässlich werden.

»Nichts von alldem hier nützt irgendjemandem. Ich weiß nicht mal, was ich hier tue. Das ist doch alles bloß ein Witz! Keiner von euch weiß, was er tut oder wie die wirkliche Welt da draußen aussieht.«

Ich bemerkte Nashs überraschtes Blinzeln, sah auch, wie Rowdy sich aufrappelte, und ich wusste instinktiv, dass es nicht Rome war, den er retten wollte.

Ich sah Rules großen Bruder aus schmalen Augen an, als dessen saphirblaue sich mir zuwandten. Vielleicht hielt er mich für ungefährlich, weil ich ihm wahrscheinlich höchstens bis an die Brust reichte. Vielleicht dachte er auch, ich sei ein nettes kleines Ding, weil ich ein pinkfarbenes Neckholder-Top und knappe weiße Shorts trug und eher zurückhaltend als bedrohlich wirkte. Vielleicht hielt er mich für sanftmütig und schüchtern, weil ich mir noch nicht die Mühe gemacht hatte, etwas zu ihm zu sagen, seit er hereinmarschiert war und begonnen hatte, meinen wunderbaren Feiertag zu ruinieren. Ich zog die Augenbraue mit dem pinkfarbenen Steinchen darin hoch und starrte ihn genauso böse an wie er mich.

Was immer er auch gedacht hatte oder dachte: Ich war mir sicher, dass ich ihm das Gegenteil bewies, als ich ruhig aufstand, mich zu ihm vorbeugte und ihm das Bier aus der Dose, die ich in meiner Faust fast vollständig zerdrückt hatte, über den Kopf schüttete. Das Bier lief wie in Zeitlupe an seinem schockierten Gesicht herab, als ich mich noch weiter zu ihm vorbeugte, bis unsere Nasen sich beinahe berührten.

»Du bist ein mieses Arschloch!« Ich wusste, dass meine Stimme laut genug war, um durch den ganzen Garten zu schallen, und ich konnte auch schon schnelle Schritte in unsere Richtung kommen hören. Diese elektrisierenden Augen blitzten mich an, und ich hätte schwören können, dass ich durch die Gewitterwolke, die sie verdunkelte, etwas funkeln sah. Ich wollte gerade zu einer Strafpredigt über Benehmen und Respekt ansetzen und ihn fragen, warum er sich völlig grundlos wie ein Vollidiot benahm, als ich einen starken Arm um meine Taille spürte und an eine starke Brust gezogen wurde.

Bevor Rome reagieren konnte, trat Rowdy zwischen uns, während Nash mich weg von dem durchnässten, wütenden Soldaten in Richtung Terrasse zerrte.

Ich zeigte mit dem Finger auf ihn und sah zu, wie er sich das Bier aus den Augen wischte. »Wir brauchen deine negativen Vibes nicht, Captain Spaßbremse! Warum verbreitest du deinen Pessimismus und deine schlechte Laune nicht anderswo? Von mir aus kannst du diesen Scheiß wieder mit in die Wüste nehmen! Wir sind hier alle sehr gut ohne dich klargekommen. Nur weil es nichts gibt, was dich glücklich macht, brauchst du nicht alles in den Dreck zu ziehen, was uns anderen etwas bedeutet.«

Ich schnaubte empört, als Nash mich nicht gerade sachte in den Arm kniff, damit ich endlich meinen Mund hielt, und ich revanchierte mich, indem ich ihm einen Ellbogen in die Rippen stieß. Er knurrte ärgerlich und setzte mich auf der Terrasse an die Stelle, die Shaw gerade freigemacht hatte. Rule hatte sich inzwischen vor seinem Bruder aufgebaut, als Rome aufstand und sich zu seiner vollen Größe von locker eins achtundneunzig aufrichtete. Ich wollte Shaw zurufen, sie solle sich raushalten, doch wenn Rule ausflippte, war sie die Einzige, die die Wogen glätten konnte. Das Ganze war mir ziemlich peinlich, weil ich das alles verursacht hatte, obwohl ich den Typen nicht mal richtig kannte.

Laute Männerstimmen begannen einen hässlichen Wortwechsel, und wir alle hielten den Atem an, als Rule plötzlich die Hand ausstreckte und Rome so weit zurückschubste, dass er den Gartenstuhl umstieß. Rowdy hob Shaw blitzschnell hoch und brachte sie aus der Gefahrenzone, und ich bekam erneut Gewissensbisse, weil ich eine derartige Szene heraufbeschworen hatte, obwohl wir doch eigentlich hatten feiern wollen.

Obwohl ich wusste, dass Rule seinem älteren Bruder einiges voraushatte, was die Bad-Boy-Attitüde anging, war Rome doch unbestreitbar größer und athletisch wie ein wildes Tier. Wenn er Rule wirklich wehtun wollte, würde es sehr unschön werden, und die anderen Jungs würden gezwungen sein, sich einzumischen. Ich biss mir auf die Lippe und versuchte, mich aus Nashs eisernem Griff zu befreien, aber er umklammerte mich nur noch fester.

»Du hast den Bären in Wut gebracht, Tink, also solltest du lieber hoffen, dass jemand ihn in einen Käfig sperren kann.«

Ich schnappte nach Luft und kämpfte gegen das Bedürfnis an, mir die Augen zuzuhalten, als Rome die Hand ausstreckte und Rule mit der flachen Hand einen Stoß gegen die Brust versetzte, der ihn zu Boden schickte. Mit gedämpfter Stimme sagte Rome dann etwas, das keiner von uns auf der Terrasse hören konnte, aber ich sah, wie Shaw in Tränen ausbrach und das Gesicht an Rowdys Brust drückte. Ich hätte schwören können, dass diese auffallend blauen Augen die meinen suchten, bevor Rome sich auf dem Absatz seiner schweren schwarzen Stiefel umdrehte und aus dem Garten hinausstürmte. Das Tor, durch das er verschwand, klapperte in seinen Angeln, und der aufbrüllende Motor seiner Harley übertönte alle anderen Geräusche, als Rule aufstand und zu seiner weinenden Freundin ging.

Nash kniff mich ein letztes Mal in den Arm und ließ mich endlich los.

»Du kannst einfach nicht anders, Cora, oder?«

Trotzig verschränkte ich meine Arme vor der Brust und setzte mich neben das einzige Mitglied unserer kleinen Gruppe, das von dem Drama völlig unbeeindruckt zu sein schien. Natürlich war das teilweise wohl auch darauf zurückzuführen, dass er in einem Gehgips steckte und noch immer an den gebrochenen Rippen, Prellungen und blauen Flecken von seiner letzten gewaltigen Prügelei in Kentucky zu knabbern hatte. Asa Cross war ein Rätsel und hatte genug zu tun mit seinem eigenen Drama, sodass das unsere ihm vermutlich uninteressant und lächerlich erschien.

»Er ist ein Arschloch.«

Nash schüttelte den Kopf und warf mir einen vorwurfsvollen Blick aus seinen lavendelblauen Augen zu.

»Nein, das ist er nicht. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, aber seit er aus der Army ausgeschieden und wieder hier ist, ist er schräg drauf. Er ist ein anständiger Kerl. Du weißt, dass ich niemanden verteidigen würde, von dem ich das nicht wirklich glaube.«

Ich verdrehte die Augen.

»Er ist unmöglich zu Rule und Shaw, und dabei werde ich nicht bloß zusehen.«

»Das ist eine Familienangelegenheit, Tink. Rule kann seine Kämpfe selbst ausfechten, und er wird nicht zulassen, dass Shaw etwas passiert. Also beruhig dich einfach, ja? Wir schaffen das. Rome ist nicht … was immer es auch ist, okay?«

Ich seufzte und nahm die Scheibe Wassermelone, die der goldäugige Frauenschwarm mir reichte, den ich im letzten Monat als Mitbewohner geerbt hatte. Ich zwinkerte Asa zu und tat Nashs Einwände mit einer Handbewegung ab.

»Ich liebe euch, Jungs. Aber Rome sollte sich mit jemandem in seiner eigenen Größe anlegen.«

Nash fuhr mir mit der Hand durchs Haar, als er von der Terrasse herunterstieg, um nach seinem Freund zu sehen.

»Wie dir?«

»Soll das ein Witz sein?« Ich erhielt keine Antwort, als er über die Terrassenstufen verschwand, aber sein tiefes Lachen hörte ich noch.

Als mein Blick auf Jet und Ayden fiel, die beiden frisch Verheirateten, mit denen Aydens eigenwilliger Bruder Asa und ich uns ein Haus teilten, verzog ich das Gesicht. Die beiden saßen aneinandergeschmiegt da und waren einfach zu süß, um sie zu ignorieren.

»Seht ihr? Wie ich es immer gesagt habe: Ihr beide passt perfekt zueinander. Das wünsche ich mir auch.«

Ich wusste, wie wehmütig ich klang, konnte die Sehnsucht nach dieser Art von Liebe und dieser Art Verbindung aber nicht aus meiner Stimme heraushalten. Ich hatte einmal geglaubt, ich hätte genau das gefunden, und als mir klar wurde, dass dem nicht so war, war ich fast daran zerbrochen.

»Du schraubst deine Erwartungen zu hoch.« Jet versuchte, unbeschwert zu klingen, aber er wusste ja auch nichts von meiner geplatzten Verlobung oder der Tatsache, dass mein Ex-Verlobter gegen Ende des Jahres zu heiraten gedachte.

»Die Liebe ist nicht perfekt. Sie ist harte Arbeit, und manchmal ist es anstrengender, zusammenzubleiben, als sich einfach umzudrehen und zu gehen. Wenn du immer nach dem perfekten Partner suchst, wirst du den Richtigen nicht erkennen, wenn er dir über den Weg läuft.«

Ich winkte ab; ich wusste ja, dass er aus Erfahrung sprach. Sein Weg zu Ayden war nicht ohne den einen oder anderen Boxenstopp in Deppendorf verlaufen, aber sie hatten es geschafft, während ich mir einen solch schönen Ausgang nur erhoffen konnte. Ich setzte mich neben Asa und hätte schwören können, dass er sich im Geiste zu uns allen Notizen machte. Auf jeden Fall schienen sich die Zahnrädchen hinter seinen bernsteinfarbenen Augen unentwegt zu drehen.

»Ich werde die Liebe schon erkennen, wenn ich sie sehe«, sagte ich zu Jet, womit ich eigentlich nur mir selbst versicherte, dass ich diesmal wissen würde, wenn es so weit war. Nie wieder würde ich mich von einem hübschen Gesicht und schönen Versprechungen täuschen lassen und nie wieder als irgendjemandes Witzfigur oder abgelegte Freundin enden. Dass so viele meiner Freunde sich kopfüber in eine Beziehung stürzten, gab meinem müden Herz ein wenig Hoffnung.

Die Heiratsanzeige, die Jimmy mir grausamerweise per Mail geschickt hatte, war ein Weckruf gewesen. Ich hatte mit allem, was ich war und besaß, einen Kerl geliebt, der mich betrogen, belogen und zum Gespött gemacht hatte. Ich hatte mein Leben mit ihm verbringen, ein Geschäft mit ihm aufbauen und Kinder mit ihm haben wollen – das ganze Programm. Doch er wollte bloß Sex mit seinem Tattoo-Häschen haben und hat mich so lange wie nur möglich an der Nase rumgeführt. Hätte ich nicht eines Abends zum Studio zurückgemusst, weil ich etwas vergessen hatte, und ihn nicht im Hinterzimmer mit einem Mädchen erwischt, das kaum aus den Teenagerjahren heraus war, wäre ich möglicherweise inzwischen schon verheiratet mit dieser Ratte.

Was bis heute jedoch am meisten wehtat, war, dass damals alle Bescheid gewusst hatten. Die Menschen, die ich für meine Freunde hielt, die Kollegen, die ich als meine Familie betrachtete, sie alle wussten, was lief, und keiner hatte auch nur ein Wort gesagt. Sie hatten mich zum Narren gemacht, mich durch Jimmy gefährden, benutzen und demütigen lassen, ohne auch nur einen Pieps von sich zu geben. Es war schrecklich gewesen. Wäre Phil, ein alter Freund meines Vaters, nicht in die Stadt gekommen, als alles aus den Fugen ging, weiß ich nicht, wo ich heute wäre. Die Jungs in Phils Studio hatten mich gerettet.

»Ayd und Jet haben sich weggeschlichen. Sieht ganz so aus, als müsstest du den Behinderten nach Hause bringen.«

Ich sah Asa an und dann zum Seitentor hinüber, das tatsächlich gerade zufiel. Ich machte eine beiläufige Bemerkung über Frischverheiratete, kam aber nicht viel weiter, weil Shaw sich neben mir in einen Gartensessel fallen ließ und mit dem Handrücken über ihre nassen Wangen strich. Dann kamen auch die anderen und brachten die mittlerweile verbrannten Überreste des Barbecues mit, mit dem Rule betraut gewesen war.

Ich streckte die Hand aus, um meiner Freundin übers Bein zu streicheln. Sie hatte diese ätherische, nahezu übernatürliche Schönheit, an die man sich erst einen Moment gewöhnen musste. Es verkrampfte mir das Herz vor Mitgefühl, ihre großen granny-smith-grünen Augen so traurig zu sehen. Niemand wollte Shaw zum Weinen bringen, weil es so war, als würde man eine Märchenprinzessin noch treten, wenn sie schon am Boden lag.

Die Jungs scharten sich alle um das Essen und öffneten eine weitere Runde Bier. Es schien, als hätten sie sich für den typisch männlichen Umgang mit der Situation entschieden, indem sie die ganze Sache einfach ignorierten. Was ich ihnen eigentlich auch nicht verdenken konnte. Keiner von ihnen schien Rome wegen seines lächerlichen Benehmens zur Rechenschaft ziehen zu wollen, und ich kannte sie alle gut genug, um zu wissen, dass »hartnäckig« nicht einmal ansatzweise erklärte, wie sie sich verhielten, wenn sie sich zu irgendwas entschlossen hatten.

»Geht es dir gut?«

Shaw blinzelte mich an und schenkte mir ein schiefes Lächeln. Sie war sehr harmoniebedürftig und wollte immer, dass sich alle wohlfühlten.

»Ich werd’s überleben«, sagte sie. »Irgendwie finde ich, dass sie sich mal richtig prügeln sollten, um ans Licht zu bringen, was eigentlich zwischen ihnen abläuft. Aber Rule wüsste wahrscheinlich nicht, wann er einlenken müsste, und ich fürchte, dass Rome ihn versehentlich umbringen könnte. Ich weiß nicht, was bei diesem letzten Einsatz mit ihm geschehen ist, aber dieser Typ ist nicht mehr der, mit dem ich aufgewachsen bin.«

Ich zog eine Augenbraue hoch und nahm den Teller, den Rowdy mir gab, als er sich mir gegenübersetzte und seine Füße auf die Armlehne meines Sessels legte. Ich schnitt ihm eine Grimasse, verzieh ihm aber gleich wieder, als er mir ein Bier zuwarf.

»Weißt du, das sagen alle, aber ich bin dem großen Bruder schon vorher ein paarmal begegnet, und er kam mir nie wie ein richtiger Spaßvogel vor. Er war schon immer ganz schön angespannt.«

Shaw nahm den Teller, den Rule ihr reichte, und rutschte auf der Bank zur Seite, um ihm Platz zu machen. Auf den ersten Blick waren sie ein seltsames Paar, aber die Liebe zwischen ihnen war etwas Greifbares, und ich musste mir wirklich große Mühe geben, nicht neidisch darauf zu sein.

»Es steckt mehr dahinter als Remy.« Rules tiefe Stimme war schroff, und ihm war anzusehen, dass der jüngste Zusammenstoß mit seinem Bruder ihm keine Ruhe ließ.

Ich öffnete mein Bier und wandte ein: »Wen juckt’s schon, was dahintersteckt? Er spielt hier völlig grundlos den Idioten. Scheiß auf ihn.«

Rowdy schüttelte den Kopf über mich, und Shaw und Rule rollten mit den Augen. Wie üblich blieb es Nash überlassen, die Stimme der Vernunft zu sein.

»Wir schreiben Leute, die wir mögen, nicht einfach ab, Cora. Das weißt du doch.«

Und ob ich das wusste. Unsere Clique war unglaublich loyal und fast schon übertrieben ehrlich, was auch der Grund dafür war, dass ich alle so sehr liebte. Und ich hasste es schlicht und einfach, mitansehen zu müssen, wie eine einzige Person so viele Reibereien bei so vielen verschiedenen, wundervollen Menschen auslöste.

»Ich bin nur froh, dass er nicht dein Temperament hat, Rule. Ich glaube, ein einziger Schlag mit seinen Fäusten hätte mich wie Asa enden lassen«, sagte Rowdy, während er mit seiner Bierdose auf den Südstaaten-Charmeur zeigte.

Asa hatte solch verheerende Prügel eingesteckt, dass er wochenlang im Koma gelegen hatte. Es war ein Wunder, dass er relativ unversehrt daraus erwacht war.

Rule brummte nur und legte seinen freien Arm um Shaw, als sie sich an ihn lehnte. Sie waren wirklich zu niedlich, die beiden, um es mit Worten zu beschreiben. Wieder musste ich einen neidischen Seufzer unterdrücken. Rule blickte zu dem Gartentor hinüber, aus dem Rome vorhin hinausgestürmt war, und erklärte: »Er ist nie besonders streitsüchtig gewesen. Ich meine, als wir jünger waren, hat er immer eingegriffen, wenn Nash und ich uns geprügelt haben, aber er war nie jemand, der selbst angefangen hätte. Deshalb verstehe ich ja auch nicht, was in letzter Zeit mit ihm los ist. Aber ich hab langsam die Schnauze voll davon.«

Nash lachte schnaubend und zeigte mit dem Ende seiner Gabel auf mich. »Fairerweise muss gesagt werden, dass Tink heute irgendwie damit angefangen hat. War es wirklich nötig, ihm das Bier über den Kopf zu schütten?«

Ich versuchte, eine unschuldige Miene aufzusetzen. Da dies jedoch kein Ausdruck war, den ich je gut hinbekam, grinste ich nur hilflos.

»Ich hätte ihm auch eins auf die Nase geben können, aber es stand ja nirgendwo ’ne Leiter bereit.«

Das brachte zumindest alle zum Lachen, weil ich verglichen mit dem ältesten Archer-Bruder wirklich winzig bin, und das Lachen wirkte Wunder gegen die schlechte Stimmung, die er verursacht hatte. Wir aßen zu Ende und genehmigten uns noch ein paar Drinks; zumindest die anderen taten das. Ich musste Asa noch heimfahren und wollte nicht riskieren, an einem solch kontrollfreudigen Feiertag wegen Trunkenheit am Steuer verknackt zu werden. Die Jungs warteten, bis es dunkel war, und gingen dann in den Garten, um Feuerwerkskörper anzuzünden. Im Grunde waren sie doch alle bloß große, tätowierte Kinder.

Wieder einmal war ich mit Shaw allein auf der Terrasse und spürte, welches Glück sie trotz ihres noch immer traurigen Gesichtsausdrucks ausstrahlte. Schließlich legte ich einen Arm um ihre Schultern und lehnte meinen Kopf an ihren. Ich war etwas älter als Shaw. Das arme Mädchen hatte Höllenqualen ausgestanden in den letzten Jahren, und daher wusste ich, dass sie jedes bisschen Glück verdiente, das sie in diesem Augenblick empfand.

»Du hast es richtig gemacht, Süße. Du hast den Mann bekommen, den du wolltest, das Haus ist umwerfend, und all das ist sehr gut. Mach dir also keine Sorgen über irgendetwas anderes. Leb mit Rule den Moment und vergiss den Rest.«

Ich konnte ihr Lachen spüren, und sie griff nach meiner Hand, die auf ihrer Schulter lag, und drückte sie. Der Himmel erstrahlte plötzlich in einer Fülle verschiedener Farben, und lautes männliches Gelächter stieg aus dem Garten zu uns herauf.

»Manchmal komme ich mir richtig egoistisch vor. Ich habe alles bekommen, was ich jemals wollte. Natürlich ist nicht immer alles perfekt, aber die guten Tage überwiegen immer. Ich habe das Gefühl, als dürfte ich gar nicht mehr verlangen.« Shaw seufzte so schwer, dass ich es fühlen konnte. »Und jetzt denkt Rome, es sei alles bloß ein Witz, und das tut weh. Ich weiß nicht, warum er so wütend ist. Ich habe Rome geliebt wie einen Bruder, solange ich zurückdenken kann, und deshalb tut es auch in mehr als einer Hinsicht weh.«

»Das wird sich ganz von selbst erledigen, du wirst schon sehen.« Und ich würde mit Freuden dabei mithelfen, wenn es sein musste.

Sie schwieg für eine wirklich lange Zeit, und wir verfolgten nur die Mini-Explosionen und lächelten über die Jungs, die offensichtlich einen Mordsspaß hatten. Vielleicht hätte einer von uns sie darauf hinweisen sollen, dass Trinken und Feuerwerk zusammen keine gute Idee waren, aber Captain Spaßbremse war zum Glück ja weg, und ich wollte nicht der Spielverderber sein.

»Habe ich dir eigentlich je gesagt, dass du der klügste Mensch bist, den ich kenne, Cora?«, bemerkte Shaw wie nebenbei, aber für mich war es ein großes Kompliment, wenn ich bedachte, dass sie selbst auf dem besten Weg war, ihr Medizinstudium abzuschließen.

»Ich nenne die Dinge nur bei ihrem Namen.«

Und so war es auch. Ich kam von der Ostküste, aus Philadelphia, um genau zu sein, und war das einzige Kind eines Admirals, der keine Ahnung hatte, was er mit seiner rebellischen Tochter anfangen sollte. Ich liebte meinen Dad; er war mein einziger Blutsverwandter, und ich wusste, dass auch er mich liebte. Aber wir fanden keinen Draht zueinander, deshalb hatte ich schon in jungen Jahren gelernt, ganz unverblümt zu sprechen und nicht zimperlich zu sein. Nur so konnten wir beide miteinander kommunizieren. Falls also jemand gebraucht wurde, der zu Rome Archer ging und ihm sagte, er solle aufhören, so ein blöder Arsch zu sein, war ich mehr als bereit dazu, diejenige zu sein. Ich vergötterte ihn nicht, ich hatte keine Angst vor ihm, und ob er nun ein Riese war oder nicht – ich würde nicht tatenlos dabeistehen und ihn den Menschen, die mir so nahestanden, auch weiterhin so viel Kummer machen lassen.

Kapitel Zwei

Rome

Ich konnte fast nicht glauben, dass diese verrückte kleine Elfe den Nerv gehabt hatte, mir ein Bier über den Kopf zu kippen. Erstens reichte sie mir kaum bis zur Schulter, und zweitens sah sie wie ein sprechendes Knallbonbon aus. Alles an ihr war so farbenfroh, dass allein sie anzusehen schon fast wehtat.

Eigentlich hätte ich wütend auf sie sein müssen, aber sie hatte recht: Ich war ein Arschloch. Ich hatte keinen Grund gehabt, Nash so blöde anzumachen, und auch keinen, mit Rule aneinanderzugeraten. Ich suchte bloß ein Opfer, um meinen Frust abzureagieren; dabei waren diese Menschen die, die mir am nächsten standen. Vielleicht war es ja leichter, meine Wut an ihnen auszulassen, weil ich wusste, dass sie mir verzeihen würden.

Ich brauchte einen Ort, an dem ich einen Drink nehmen und versuchen konnte, meinen Kopf wieder zurechtzurücken. Einen Ort, der still und dunkel war und an dem niemand von mir erwartete, irgendwas zu sein oder mich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Ich war es leid, Erwartungen nicht gerecht zu werden. Ich war von Natur aus nicht gern passiv, sondern ein Mann der Tat. Ich war es gewohnt zu handeln, gewohnt, das Sagen zu haben und die Führung zu übernehmen, und das Einzige, was ich seit meiner Rückkehr nach Denver zustande gebracht hatte, war, jeden zu verärgern, dem ich begegnete, und mein eigenes beachtliches Körpergewicht in Wodka wegzukippen. Mit mir ging es so rapide bergab, dass ich verdammt hart unten aufkommen würde, das wusste ich. Aber ich fühlte mich außerstande, den Absturz zu verhindern. Der heutige Tag war Beweis genug.

Ich hielt vor der ersten Bar, die so aussah, als könnte sie mit meiner düsteren Stimmung klarkommen. Unabhängigkeitstag – dass ich nicht lache! Ich hatte genug von Partys und guter Laune für ein ganzes Leben. Am liebsten hätte ich meinen Kopf in den Sand gesteckt und wäre zu einem Zeitpunkt zurückgekehrt, der sich vertraut und gemütlich anfühlte. Ich hasste es, mir in meinem eigenen Leben wie ein Besucher vorzukommen. Und egal, was ich mir auch jeden Morgen beim Erwachen sagte: Ich wurde das Gefühl nicht los, als würde das Leben, in das ich nach der Army zurückgekehrt war, jemand anderem gehören. Meine Familie fühlte sich nicht richtig an. Die neue Dynamik in meiner Beziehung zu Rule fühlte sich nicht richtig an. Mit Nash aneinanderzugeraten, während ich versuchte, meinen Scheiß geregelt zu kriegen, fühlte sich nicht richtig an. Weder einen Job in Aussicht zu haben noch irgendeine klare Richtung, wie ich meinen Lebensunterhalt mit etwas anderem bestreiten sollte, als Krieg zu führen, fühlte sich wahrscheinlich sogar wie das Falscheste von allem an.

Die Bar war düster und kein Ort für jemanden, der auf einen fröhlichen Umtrunk aus war. Im Hintergrund standen mehrere abgenutzte Billardtische, umringt von einer Gruppe Biker mit Clublogo an ihren Kutten, die alles andere als freundlich wirkten. Im vorderen Teil der Bar hockten mehrere alte Männer, die so aussahen, als stiegen sie nicht mal von ihren Barhockern herab, um heimzugehen und zu duschen. Aus den Lautsprechern tönte Neil Young, obwohl hier niemand der Typ zu sein schien, um mitzusingen. Dies war kein Ort für die hippen, trendbewussten Großstädter, die in Scharen nach Capitol Hill strömten, wenn das Wetter endlich wärmer wurde. Ich hockte mich auf einen leeren Platz an der Theke und wartete, bis der Barkeeper zu mir herunterkam.

Er war fast so groß wie ich, was selten vorkam, nur war er gute dreißig Jahre älter ich selbst. Er hatte einen Bart, der so aussah, als könnte er eine ganze Familie von Eichhörnchen beherbergen. Seine Augen waren schwarz wie Kohle, und eine grimmige Miene wie seine fand man nur bei Männern, die das Schlimmste gesehen hatten, was die Welt zu bieten hatte, und auf der anderen Seite der Hölle wieder herausgekommen waren. Ich war daher nicht besonders überrascht, ein Navy-Tattoo auf seinem kräftigen Unterarm zu sehen, als er sich vor mir auf den Tresen stützte und einen abgenutzten Untersetzer vor mich hinstellte. Er taxierte mich, aber daran war ich gewöhnt. Ich war ein großer, starker Mann, und andere große, starke Männer versuchten gerne abzuschätzen, ob ich die Art von Ärger machen würde, mit der sie fertigwerden konnten oder nicht.

»Junge, Sie riechen schon jetzt wie eine ganze Brauerei. Sind Sie sicher, dass Sie noch einen Drink brauchen?«

Ich runzelte die Stirn, bis mir mein nasses T-Shirt einfiel und die kleine Blonde, die mir ihr Bier über den Kopf geschüttet hatte. Sie hätte wirklich einen besseren Weg finden können, ihren Standpunkt klarzumachen, dachte ich. Ich wusste nicht, was ich von Cora Lewis halten sollte. Sie war häufig dabei, aber wir sprachen nie viel miteinander. Sie war zu laut und neigte, wie die Bier-Dusche zeigte, die ich soeben erhalten hatte, zur Dramatik. In ihrer Nähe bekam ich Kopfschmerzen. Und es gefiel mir nicht, wie kritisch sie mich mit ihren verschiedenfarbigen Augen ansah und mich zu analysieren versuchte.

Ich nahm meine Sonnenbrille vom Kopf und klemmte sie in den Halsausschnitt meines T-Shirts.

»Ich hab mich mit der falschen kleinen Hexe angelegt, und sie hat mir ihren Drink über den Kopf gekippt. Abgesehen davon bin ich nüchtern.«

Der Barmann musterte mich noch einmal und schien mich für okay zu befinden, weil er mir unaufgefordert einen Krug Bier und ein Schnapsglas mit einer starken, bernsteinfarbenen Flüssigkeit hinstellte. Normalerweise trank ich Wodka, aber als der Hüne hinterm Tresen sich selbst einen einschenkte und damit zu mir zurückkam, wagte ich nicht, mich zu beklagen.

Er zog eine buschige Augenbraue hoch und stieß mit seinem Schnapsglas mit mir an.

»Sie sind Soldat?«

Ich nickte und kippte den Schnaps hinunter. Er brannte auf dem ganzen Weg nach unten. Falls ich mich nicht irrte, war es Wild Turkey.

»Ich war es. Bin gerade erst entlassen worden.«

»Wie lange haben Sie gedient?«

Ich fuhr mir mit einer Hand über mein noch immer kurzes Haar. Nachdem ich es so lange kurz geschoren getragen hatte, wusste ich nichts anderes damit anzufangen.

»Ich bin mit achtzehn zur Army gegangen, Ende dieses Jahres werde ich achtundzwanzig. Ich war fast zehn Jahre dabei.«

»Was haben Sie getan?«

Normalerweise war das keine Frage, die ich beantwortete, weil die Antwort ehrlich gesagt sehr lang war und jemand, der nicht gedient hatte, sie sowieso nicht verstehen würde.

»Ich war Field Operations Leader.«

Der Bär von einem Mann mir gegenüber stieß einen leisen Pfiff aus. »Spezialeinsätze?«

Ich nickte und griff nach meinem Bier.

»Ich wette, die haben’s bedauert, Sie gehen zu lassen.«

Die Sache war wohl eher die, dass ich es bedauerte, sie verlassen zu haben. Aber im aktiven Dienst war ich nicht mehr einsatzfähig. Meine Schulter hatte schwer was abbekommen, als wir bei meinem letzten Einsatz über eine Sprengfalle gefahren waren, und in meinem Kopf rumorte aller möglicher Scheiß herum, der mich schier unentwegt aus dem Konzept brachte. Natürlich hätte ich einen Schreibtischjob annehmen und die Generation, die nach mir kam, ausbilden können. Aber ich war nicht der beste Lehrer, und an einen Schreibtisch gefesselt zu sein war für mich ohnehin das Gleiche wie zu gehen. Deshalb war ich ausgestiegen. Und jetzt hatte ich nicht die leiseste Ahnung, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen sollte.

»Und Sie?«, fragte ich, auf das Tattoo an seinem Arm zeigend. »Wie lange waren Sie dabei?«

»Zu lange, mein Junge. Viel zu lange. Aber was hat Sie heute hergeführt? Sie sind kein Stammgast.«

Ich warf einen Blick durch die Bar und zuckte mit den Schultern. Im Moment war dieses Lokal genau das Richtige für meine Stimmung.

»Ich bin nur hier, um einen Drink zu nehmen und Amerika zu feiern wie ein guter Patriot.«

»Genau wie wir anderen auch.«

»Yep.« Ich musste gegen den Drang ankämpfen, das Bier auf einen Zug hinunterzustürzen und ihm zu sagen, er solle mir unaufgefordert die nächsten bringen.

»Ich heiße Brite, und das ist meine Bar. Ich hab sie übernommen, nachdem ich meinen Abschied genommen hatte. Damals fing ich an, mehr Zeit in Bars zu verbringen als zu Hause. Ich habe drei Ehefrauen und einen dreifachen Bypass überstanden, aber diese Bar, die bleibt.«

Ich zog die Augenbraue mit der Narbe darüber hoch und spürte, wie meine Mundwinkel sich zu einem Grinsen verzogen.

»Brite?« Der Mann sah wie Paul Bunyan oder ein Hells Angel aus; der Name passte eigentlich gar nicht zu ihm.

Ein Lächeln fand seinen Weg durch den dichten Bart und brachte blendend weiße Zähne zum Vorschein, die der einzige helle Fleck in der schummrigen Bar waren.

»Brighton Walker«, sagte er und streckte mir die Hand hin, die ich spontan ergriff und schüttelte.

»Rome Archer.«

Er nickte leicht und ging ein Stück weiter die Bar hinunter, um einen anderen Gast zu bedienen.

»Ein guter Name für einen Krieger.«

Ich schloss für einen Moment die Augen und versuchte, mich zu erinnern, wie es war, sich wie ein Krieger zu fühlen. Aber das Gefühl schien eine Million Meilen weit entfernt von diesem Barhocker zu sein. Die Musik wechselte zu AC/DC, und ich beschloss, dass diese Bar ab sofort meine neue Lieblingsbar war.

Ich war mit meiner Harley da; ich sollte es mit dem Alkohol wahrscheinlich besser ein bisschen cooler angehen. Eine Anzeige wäre das Sahnehäubchen auf dem Mist, der mir zurzeit tagtäglich aufgetischt wurde, aber als das Bier sich mit dem starken Bourbon von vorhin vermischte, schien nichts von alledem noch etwas auszumachen.

Irgendwann trank ich einen weiteren Schluck Bourbon mit Brite, und der grauhaarige alte Mann neben mir, der sich in der letzten Stunde über seine Frau und seine Freundin beklagt hatte, gab den Platz auf, worauf ihn eine Rothaarige mit zu viel Make-up und zu wenig Kleidung blitzschnell für sich selbst in Anspruch nahm. Hätte ich drei Bier weniger intus gehabt, wäre mir gleich klar gewesen, dass sie nur Ärger bringen würde. So aber gab Brite ihr den Rat, sich zu verziehen, den sie natürlich, wie nicht anders zu erwarten war, ignorierte. Sie war ganz niedlich, auf eine Nimm-mich-mit-nach-Hause-und-lass-uns-Spaß-haben-Art. Ehrlich gesagt konnte ich mich nicht mal mehr erinnern, wann ich das letzte Mal eine Frau in einer Bar aufgerissen hatte. In Übersee hatte es jemanden gegeben. Sie war Nachrichtenoffizier, eine gute Freundin mit gewissen Extras, wann immer wir uns gleichzeitig am selben Ort aufhielten. Aber das war Monate her. Vielleicht war eine schnelle kleine Nummer genau das, was ich brauchte, um die schwarze Wolke zu vertreiben, die seit meiner Rückkehr über mir hing.

»Wie heißt du, Süßer?«

Ihre Stimme war schrill und tat mir in den Ohren weh, aber ich war voll genug, um das zu ignorieren.

»Rome.«

Ich sah, wie ihre stark geschminkten Augen über meine Schulter irgendwohin zurückblickten, was eigentlich mein erster Hinweis darauf hätte sein müssen, dass hier etwas nicht stimmte.

»Ein ausgefallener Name. Ich bin Abbie. Und jetzt, wo wir Freunde sind, warum verschwinden wir hier nicht und lernen uns ein bisschen besser kennen?« Sie strich mit einem Fingernagel über meinen Oberarm, und wie aus dem Nichts beschwor ihr blutroter Nagellack Bilder von anderen Dingen in der gleichen Farbe in meinem schon etwas benebelten Unterbewusstsein.

Ich begann zurückzuweichen, um diesen Händen zu entkommen, die schlimme Erinnerungen in meinem betäubten Gehirn wachriefen, als ich eine schwere Hand auf meiner Schulter spürte. Ich war ein ausgebildeter Soldat, aber mehr als das noch war ich ein Mann, der einen Bruder hatte, der praktisch schon in Ärger hineingeboren war. Ich wusste also selbst aus tausend Meilen Entfernung, wie Ärger aussah. Ich wusste, wie er sich anfühlte, wie er sich bewegte, wie er klang, und dennoch hatte ich weitergetrunken und alle Anzeichen ignoriert, als er sich um mich herum aufbaute. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Brite den Kerl, der hinter mir stand, stirnrunzelnd anschaute, und selbst in meiner durch Bourbon und Bier verursachten Benommenheit war mir klar, dass das hier nicht gut enden würde.

Leise seufzend schüttelte ich die Krallen ab, die in mir das Bild eines im Wüstensand verblutenden jungen Soldaten heraufbeschworen hatten, und drehte mich so um, dass ich mich mit den Ellbogen auf der Bar aufstützen konnte. Es hätte mich nicht überraschen dürfen, dass fast alle Biker aus dem Billardzimmer nun mich und den Barbereich umringten. Der Typ mit der Hand auf meiner Schulter war ein dürrer kleiner Kerl, und selbst mein umnebeltes Gehirn registrierte, dass er nicht die Farben des Motorradclubs trug. Er hing also entweder nur mit ihnen rum, oder er war ein Anwärter und ich der verdammte Glückspilz, den er sich ausgesucht hatte, um seinen Mut zu beweisen. Manchmal war es echt beschissen, ein Berg von einem Mann zu sein.

»Kann ich Ihnen helfen?«

Die Rothaarige war längst weg, und Brite kam um das Ende der langen Bar herum. Die älteren Typen blieben auf ihren Plätzen und ignorierten den sich zusammenbrauenden Sturm, wie es nur lebenslange Trinker können.

»Versuchst du, was mit meiner Kleinen anzufangen, GI Joe?«

Das war langweilig und so vorhersehbar, dass ich nicht umhinkonnte, die Augen zu verdrehen. Ich war in genug Dreckslöchern auf dieser Welt gewesen, um zu wissen, dass eine Schlägerei in einer Bar eine Schlägerei in einer Bar war, aber gab man einen Möchtegernbiker als Zugabe dazu, konnte es wirklich hässlich werden.

»Nein. Ich versuchte nur, mich zu betrinken, und sie hat mich dabei gestört.«

Ich glaube nicht, dass sie das erwartet hatten, denn die Biker grinsten. Der Dürre aber blähte seine Brust auf und streckte einen Finger aus, den er in meine stieß. Normalerweise konnte ich solchen Dingen einfach den Rücken kehren, weil ich in der Regel ein besonnener Typ war. Ich kämpfte nicht, solange es nicht um etwas ging, an das ich wirklich und wahrhaftig glaubte, oder um jemanden zu verteidigen, den ich liebte. Aber heute war definitiv der falsche Tag, um mich zu provozieren.

Ich schlug die Hand des Dürren weg und verschaffte mir schnell einen Überblick über das Lokal. Ich entdeckte dabei keine erkennbaren Waffen, aber Biker waren dafür bekannt, dass sie jede Menge Messer bei sich trugen. Und Brite schien mir ein ziemlich cooler Typ zu sein, dessen Lokal ich nicht zertrümmern wollte, wenn es sich vermeiden ließ.

»Hör mal, Freundchen, du willst das nicht tun, und ich will es eigentlich auch nicht. Wir wissen beide, dass du die Kleine hier rübergeschickt hast, um Ärger zu machen, also belassen wir’s doch dabei. Ich werde mich auf die Socken machen, und du und deine Kumpel könnt weiterkiffen und Billard spielen. Niemand blutet oder steht dumm da. Okay?«

Im Nachhinein betrachtet war es ohnehin zum Scheitern verurteilt gewesen, in betrunkenem Zustand eine Biker-Bande zur Vernunft bringen zu wollen. Bevor ich auch nur blinzeln konnte, wurde mir eine Flasche über den Kopf gezogen, und ich fand mich in einem ernstzunehmenden Würgegriff wieder. Der Dürre sah aus, als wollte er mich umbringen, und der Rest seiner Gang hielt sich bloß zurück, um zu sehen, wozu er fähig war. Ich wollte dem Typen eigentlich nicht wehtun, aber die zerbrochene Flasche hatte ein gutes Stück Haut mitgerissen, und ein Strom von Blut floss mir in die Augen. Genau wie der rote Nagellack der kleinen Schlampe versetzte mich der Anblick an einen anderen Ort und in eine andere Zeit, wo ich mich nicht mit einem dummen, großkotzigen Biker herumschlug, sondern um mein Leben, meine Freiheit und die Sicherheit meiner Familie und Freunde daheim kämpfte. Der arme Kerl hatte keine Ahnung, wie ihm urplötzlich geschah.

Durch meine Größe war ich ihm gegenüber schon eindeutig im Vorteil; hinzu kam, dass ich ein Soldat war, der von den Besten des Landes für den Kampf gestählt und ausgebildet worden war, weswegen es schnell sehr unangenehm und blutig wurde. Es spielte keine Rolle, dass der Biker und seine Kumpel mir zahlenmäßig überlegen waren. Ich würde die Bar auf jeden Fall an einem Stück verlassen, egal, was ich auch tun musste, um das zu erreichen.

Barhocker wurden zerschlagen. Gläser flogen herum. Köpfe prallten auf dem Boden auf. Ich glaube, einmal hörte ich jemanden weinen, und als alles vorbei war, hockte ich zusammengekauert da, die Hände auf den Knien, und Blut tropfte jetzt nicht nur aus der Wunde an meinem Kopf, sondern auch von meinen Händen und einer hässlichen Schnittwunde über meinen Rippen. Die Biker hatten sich größtenteils zerstreut, und ich war nicht überrascht, Brite mit einem Baseballschläger in der Hand dastehen und mich böse anfunkeln zu sehen.

»Was zum Teufel war das denn gerade?«

Normalerweise hätte ich gelacht, aber ich glaube, der Messerschnitt in meiner Seite war schlimmer, als ich anfangs angenommen hatte.

»Ein echt beschissenes ›Danke für Ihre Dienste‹?« Mein Humor wurde hier offenbar nicht geschätzt, da der ältere Mann nur fluchte und mich ziemlich unsanft auf die Beine zog.

Dann nahm er mich kritisch in Augenschein und seufzte.

»Du brauchst einen Arzt.«

Das war keine Frage.

Ich versuchte, mit dem Handrücken das Blut von meinem Gesicht zu wischen, verschmierte es dabei aber nur auf meinem Gesicht, während weiter Blut aus meiner Wunde auf den Boden tropfte.

»Ich bin mit dem Motorrad hier, aber ich fürchte, ich kann jetzt nicht mehr fahren.«

Er schüttelte den Kopf, steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen ohrenbetäubenden Pfiff aus.

»Trinkt alle aus und geht nach Hause! Das ist die letzte Runde.«

Ein paar Dickschädel murrten, aber es dauerte nur fünf Minuten, bis Brite die Eingangstür abschloss, mich aus der Hintertür herauszog und in die verbeulte Fahrerkabine eines alten Chevy-Pick-ups wuchtete.

Ich lehnte mich mit dem Kopf an den Sitz und warf dem älteren Mann ein reumütiges Grinsen zu.

»Ich werde den Schaden in der Bar ersetzen. Tut mir leid, Brite.«

Er schnaubte nur und sah mich aus schmalen Augen an. »Versuch nur, nicht zu verbluten, Junge, bevor wir in der Notaufnahme sind.«

Als hätte ich eine Wahl.

»Die Sons of Sorrow hängen ständig in der Bar herum. Die alten Hasen sind anständige Kerle. Einige von ihnen sind ehemalige Soldaten. Sie wissen, wo’s in meiner Bar langgeht, deshalb hab ich normalerweise auch nichts dagegen, dass sie kommen. Es sind die, die sich einen Namen machen wollen, die Unfrieden stiften. Es war nicht das erste Mal, dass auf diesem Boden Blut vergossen wurde, und ich bezweifle auch, dass es das letzte Mal war. Komm zu mir, wenn sie dich zusammengeflickt haben und du wieder nüchtern bist, dann reden wir darüber, wie du den Schaden wiedergutmachen kannst. Aber eins muss ich zugeben: Du bist ein verdammt guter Kämpfer, Junge!«

Ich hätte mit den Schultern gezuckt, aber die Schnittwunde an meinen Rippen begann zu brennen, und ich hatte Mühe, das klebrig-warme Blut zu ignorieren, das zwischen meinen Fingern hervorquoll, und deshalb brummte ich nur zustimmend.

»Ich hasse Kämpfen, ich hab es zu viele Jahre für meinen Lebensunterhalt getan. Aber der einzige Weg, lebend davonzukommen, ist nun mal oft, besser zu sein als der andere Typ.«

Ich schloss die Augen und betete im Stillen, dass wir nicht noch mehr roten Ampeln begegneten. Meine Sicht begann schon zu verschwimmen.

Brites Stimme klang schroff, als wir auf den Parkplatz der Notaufnahme einbogen. »Das ist eine verdammte Schande, Junge.«

Ich gab keine Antwort. Er hatte recht. Es war eine Schande.

Im Krankenhaus wurde ich nicht gleich aufgenommen. Eine Schnittwunde über den Rippen und eine Kopfverletzung traten angesichts der Unabhängigkeitstag-Verletzungen, wie vom Feuerwerk abgerissene Finger, wohl in den Hintergrund. Da ich Brite nicht warten lassen wollte, rief ich Nash an und hinterließ ihm eine etwas verworrene Nachricht, dass ich irgendwann in dieser Nacht abgeholt werden müsse. Ich hätte Rule oder Shaw anrufen sollen, das wusste ich, aber ich fühlte mich nicht in der Lage, mich mit den beiden auseinanderzusetzen. Bei Nash dagegen konnte ich mich darauf verlassen, dass er kommen würde, ohne Fragen zu stellen, auch wenn ich mich vor ein paar Stunden noch wie ein Riesenarschloch aufgeführt hatte.

»Ich muss mein Motorrad heute Nacht an der Bar stehen lassen. Kannst du einen Blick drauf werfen? Nur für den Fall, dass der dürre Typ kein guter Verlierer ist.«

Brite nickte, und wieder sah ich diese blendend weißen Zähne in seinem dichten Bart aufblitzen. »Nun, ich würde ja sagen, hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Rome Archer, aber auch wenn ich in meinem Leben vieles gewesen bin, so war ich doch noch nie ein Lügner.«

Wir schüttelten uns die Hände, und ich versprach, mich bei ihm zu melden, wenn ich wieder zu gebrauchen war.

Ich musste länger warten, als mir lieb war. Als sie mich endlich in den sterilen kleinen Raum brachten und den Vorhang um meine Liege zuzogen, war ich mir ziemlich sicher, dass ich mich allein durch meine Willenskraft noch aufrecht hielt. Ich zog mir gerade mein ruiniertes T-Shirt über den Kopf, als der Vorhang sich bewegte und eine hübsche Krankenschwester mit einem Krankenblatt in der Hand hereinkam. Sie hatte den Kopf darüber gebeugt und las, was mir Gelegenheit verschaffte, sie mir gründlich anzusehen. Sie hatte langes kupferrotes, zu einem Zopf geflochtenes Haar und ein wirklich wunderschönes Gesicht. Sie sah ein paar Jahre jünger aus als ich, und ich kam auch nicht umhin zu bemerken, dass sie einige sehr weibliche Kurven unter diesem langweiligen weißen Kittel verbarg, den alle medizinischen Fachkräfte zu tragen schienen.

»Hey.«

Beim Klang meiner Stimme blickte sie auf und blinzelte mich mit großen taubengrauen Augen an. Ich weiß nicht, ob es der Anblick meines nackten Oberkörpers war oder die Tatsache, dass ich inzwischen vom Kopf bis zur Taille mit Blut bedeckt war, was sie ein wenig besorgt dreinschauen ließ.

»Hallo, Mr Archer. Sie scheinen ja eine harte Nacht gehabt zu haben.«

»Es gab schon bessere, so viel steht fest.«

Sie streifte sich ein Paar Latexhandschuhe über und kam zu mir herüber.

»Dann wollen wir doch mal sehen, was Sie sich da eingehandelt haben.«

Sie stieß und klopfte gegen meinen Kopf, und ich versuchte, nur ja nicht ihre Brüste anzustarren. Sie war ein wirklich hübsches Mädchen, was das Brennen durch ihr Herumstochern in meinen jüngsten Kampfesspuren ein bisschen weniger wehtun ließ.

»Wie heißen Sie?« Eigentlich brauchte ich das nicht zu wissen, da ich sie wahrscheinlich ohnehin nie wiedersehen würde, sobald meine Wunden genäht waren, aber sie hatte solch schöne, sanfte Augen, dass ich gar nicht anders konnte, als zu fragen.

Sie lächelte mich freundlich an und sah aus, als wollte sie gerade antworten, als der dünne Vorhang aufgerissen wurde und Nash hereinstürmte. In seinen lavendelblauen Augen brannte eine Mischung aus Verärgerung und Sorge. Die an der Seite seines Kopfes tätowierten Flammen standen hervor, weil die Ader unter ihnen vor Erregung pochte.

»Hast du auch nur eine Ahnung, was ich von Rule zu hören kriege, wenn er das hier herausfindet? Verdammt noch mal, Rome, was zum Teufel ist in letzter Zeit nur mit dir los?«

Ich wollte gerade antworten, als sein Blick von mir zu der bildhübschen Schwester glitt, die ihn mit vor Erstaunen halb offen stehendem Mund anstarrte. Ich war an Nashs dramatischen Look und aufsehenerregende Präsenz gewöhnt. Rule und er hatten schon immer viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, deshalb brachte es mich nicht in Verlegenheit, aber die kleine Krankenschwester sah plötzlich so aus, als sähe sie einen Geist, und es schien, als versuchte auch Nash, sich zu erinnern, wo er sie möglicherweise schon einmal gesehen hatte.

»Ich muss nur genäht werden. Du kannst mich auf dem Heimweg anbrüllen.«

Die Schwester räusperte sich und warf ihre blutbefleckten Handschuhe in den Mülleimer. »Wahrscheinlich muss die Wunde an Ihrem Kopf geklammert werden. Sie ist tiefer, als sie auf den ersten Blick aussieht. An Ihrer Seite haben Sie einen ziemlich sauberen Schnitt, sodass Sie vielleicht mit ein paar Stichen davonkommen. Der Arzt ist jeden Moment bei Ihnen.«

Ihr ganzes Verhalten veränderte sich durch Nashs Anwesenheit. Auch er schien zu bemerken, wie irritiert sie war. Er starrte sie an, bis sie sich unbehaglich genug fühlte, um zu ihm aufzublicken.

»Kennen wir uns?«

Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass sie den Stift verlor, den sie sich hinters Ohr gesteckt hatte.

»Nein. Nein, das glaube ich nicht.«

Er kratzte sich am Kinn und schaute sie aus schmalen Augen an. »Sind Sie sicher? Sie kommen mir total bekannt vor.«

Sie zuckte mit den Schultern und spielte mit dem Stethoskop, das um ihren Hals hing. Sie war wirklich heiß, und es wäre ein Leichtes gewesen, sich ein paar richtig schönen Krankenschwesterfantasien mit ihr in der Hauptrolle hinzugeben.

»Das passiert mir oft. Vermutlich habe ich einfach bloß eins dieser Allerweltsgesichter. Aber jetzt muss ich weiter. Irgendwo wartet immer schon die nächste Platzwunde.« Mit einem kleinen Grinsen für mich verschwand sie um die Ecke und überließ es uns, ihr nachzuschauen, ich in unverhohlener männlicher Bewunderung und Nash eher verwirrt.

»Ich könnte schwören, dass ich sie von irgendwoher kenne.«

»Ist sie vielleicht eine deiner Eintagsfliegen?«

»Nein. Vielleicht eine von Shaws Vorgängerinnen?«

Ich schnaubte und betrachtete die Zimmerdecke, während mein Kopf und meine Seite nicht aufhörten zu brennen. »Dafür ist sie zu klug.«

»Könnte sein. Es wird mich trotzdem wahnsinnig machen, bis es mir wieder einfällt … Aber was zum Teufel ist heute Nacht mit dir passiert? Hat es dir nicht gereicht, mit Rule Streit anzufangen? Musstest du dich auch noch mit einer ganzen Biker-Bar anlegen?«

»Willkommen in Amerika!«, gab ich mit einem bitteren Lachen über meinen eigenen lahmen Scherz zurück.

Er warf mir einen finsteren Blick zu und setzte sich auf den Arzthocker mit Rollen, was das Ding gleich erscheinen ließ wie für einen Zwerg gemacht.

»Im Ernst, Rome! Du musst mit diesem Scheiß aufhören.«

Eine Antwort blieb mir erspart, weil just in diesem Augenblick der Arzt hereinkam. Er war ein Mann in den Fünfzigern, der sich offensichtlich am Ende einer langen Schicht befand, weil er nüchtern wie nur was war und sogleich damit begann, mich ordentlich zusammenzuflicken. Als er fertig war, bedachte er mich mit einem ernsten Blick und meinte, vielleicht sollte ich besser den Alkohol aufgeben, da ich meinem Bluttest nach noch genug davon in den Adern hätte, um Feuer anzuzünden, und im Stillen konnte ich ihm nur beipflichten.

Er gab mir ein Rezept für Schmerzmittel, die ich hoffentlich nicht brauchen würde, und sagte mir, die Schwester käme in ein paar Minuten zurück, um mich zu entlassen. Ich war froh über eine weitere Chance auf einen Flirt mit ihr, doch sowie sie den Kopf zur Tür hereingesteckt hatte, war offensichtlich, dass sie uns nur noch loswerden wollte.

»Passen Sie auf sich auf, Mr Archer, und vielen Dank für Ihren Dienst an unserem Land.«

Und damit wandte sie sich ab und wollte wieder gehen, als Nash plötzlich aufsprang und mit den Fingern schnippte. Die Schwester zuckte daraufhin zusammen, und ich runzelte die Stirn.

»Ich wusste doch, dass ich Sie kenne! Wir waren zusammen auf der Highschool, nicht? Sind Sie nicht Saint Ford?«

Es wurde so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Die Schwester starrte Nash an, als ob er gerade aus dem Abwasserkanal gekrochen wäre.

»Das bin ich. Ich bin überrascht, dass Sie mich erkannt haben, die meisten Leute tun das nämlich nicht.«

Er legte den Kopf ein wenig schief und sah sie prüfend an. »Warum haben Sie dann gesagt, dass wir uns nicht kennen?«

Sie räusperte sich und spielte mit dem Ende ihres langen Zopfs. Ihr war deutlich anzumerken, wie unangenehm ihr das Gespräch war.

»Weil die Highschool tausend Jahre zurückliegt und ich damals ein ganz anderer Mensch war. Ich verbinde diese Zeit nicht mit besonders schönen Erinnerungen; eigentlich tue ich sogar lieber so, als hätte es sie nie gegeben. Aber das kann jemand wie Sie sicherlich nicht verstehen. Ich wünsche euch eine gute Nacht – und versuchen Sie, messerschwingenden Bikern in Zukunft aus dem Weg zu gehen, Mr Archer.«

Und schon stolzierte sie hinaus und ließ uns beide sprachlos und vollkommen verwirrt zurück.

»Oha! Hattest du in der Schule was mit ihr? Das war verdammt viel Feindseligkeit für etwas, das so lange zurückliegt.«

Nash zuckte mit den Schultern und half mir, aufzustehen. Da ich von der Mischung aus Alkohol und Blutverlust ein bisschen schwankte, ließ er mich nicht eher los, bis ich wieder sicher stehen konnte.

»Rule, Jet und ich waren ein Haufen Punks. Der Nette war Remy.«

»Was meinst du damit, ihr wart? Du hast sie bestimmt damit gehänselt, sie sei zu fett oder so was in der Art.«