MARTHA - Franziska Szmania - E-Book
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MARTHA E-Book

Franziska Szmania

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Beschreibung

Die Insel Selvia, kurz nach der Rebellion gegen das männliche Herrschaftssystem unter Präsident Adam. Martha sieht sich endlich am Ziel. Ihr Kampf gegen die männlichen Unterdrücker scheint erfolgreich. Doch dann wird ihr der lang ersehnte Studienplatz an der Hochschule für Medizin verwehrt. Weil sie eine Frau ist. Der Herrscher ist gestürzt. Das System besiegt. Wo die meisten Geschichten enden, beginnt diese! Kann ein jahrhundertelanges System so einfach ersetzt werden? Sind die Männer wirklich bereit ihre Patriarchat aufzugeben? Kann es Freiheit und Wohlstand für alle geben?

MARTHA ist Teil der Selvia-Reihe und kann unabhängig von EVA gelesen werden. Abgeschlossenes Ende. Enthält Szenen mit Angst, Tod und Gewalt.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Martha

Anarchie

Franziska Szmania

Inhalt

Teil I

Alles, aber nicht das.

Teil II

Vor 6 Jahren

Das Elend meiner Hütte …

Hast Du Hunger?

Eine heiße Flamme der Wut …

Scham überspült mich.

Vor 5 Jahren

Die Wahrheit …

Teil III

Für eine neue Zukunft.

Das braucht seine Zeit.

Machen Sie sich nicht lächerlich.

Ich fühle mich so fehl …

Es verschwinden Leute.

Hast du nichts Besseres zu tun?

Wenn ich das schon höre!

Niemand kann erwarten, …

Seien Sie dankbar.

Das ist unerhört!

Du musst aufhören, …

Warum sind Sie sonst hier?

Dafür habe ich nicht gekämpft.

Ich bin unzufrieden.

Teil IV

Unter seiner Kontrolle.

Alles den Arbeitern.

Ich dachte, dass es vorbei wäre.

Ich weiß nicht mehr weiter.

Es hat sich gar nichts geändert.

Ein Zeichen der Veränderung.

Gleichheit, Freiheit …

Es ist alles leer.

Die Insel kümmert sich um jeden.

Es muss etwas geschehen.

Eine Frau trägt keine Hose.

Ist das meine gerechte Strafe?

Das ist nicht das Ende.

Teil V

Der Angst keinen Raum geben

Bist du dir sicher?

Ich will fliehen.

Wie eine Präsidentin.

Du bist die Retterin.

Zeit für Anarchie.

Sind wir die Feinde?

Wir sind die Flut.

Ich kann nicht mehr.

Teil VI

Es ist noch nicht vorbei.

Ich muss stark sein.

Die Last der Verantwortung.

Wie sieht euer Plan aus?

Kurz vor dem Ziel.

Ich hasse diese Abhängigkeit.

Wir verfolgen dasselbe Ziel.

Waffen sind nicht die Lösung.

Weil sie eine Frau ist?

Ich bin auch dabei.

Es ist alles meine Schuld.

Welche Wahrheit?

Ende

Epilog

Namensverzeichnis

Über die Gedichte

Danksagung

Liebe Leser und Leserinnen

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Über die Autorin

Bücher von Franziska Szmania

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Leseempfehlungen

MORVANJA

PEIN

Über das Buch

Die Rebellion scheint erfolgreich. Präsident Adam ist gestürzt und die neue Regierung verspricht umfassende Änderungen, um die Stellung der Frau anzugleichen. Doch egal, was die neue Regierung verspricht, für einige Männer besteht das Herrschaftsrecht auf der Insel Selvia weiter. Der Kampf scheint noch nicht zu Ende. Ein Verrat in den eigenen Reihen lässt Martha zweifeln. Wem kann sie noch trauen und wie weit muss sie gehen, damit sich endlich etwas ändert?

Enthält Szenen mit Angst, Gewalt und Tod.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2021 Franziska Szmania Alle Rechte vorbehalten.

Berlin

Coverdesign: Nina Austermeier

www.isabelaust.com

Unter Verwendung von Bildmaterial von Unsplash:

@ christopher-burns, @ dakota-corbin, @ damon-lam,

@ monil-andharia, @ rafael-de-nadai

Lektorat und Korrektorat: Zeilenfeuerlektorat Raphaela Schöttler-Potempa

[email protected]

www.szmania.org

Für Martin.

Den Mann an meiner Seite.

TeilEins

Alles, aber nicht das.

Es ist tiefseestill. Niemand sagt ein Wort. Nur das Dröhnen des Busmotors ist zu hören. Die Mienen meiner Mitfahrer sind angespannt. In meiner Brust ballt sich die Angst zu einem Klumpen zusammen. Ich sitze neben Felix. Er hat mit sich gehadert, ob er Éli allein zurücklassen kann. Aber Éli wird als Techniker in der Kommandozentrale gebraucht.

Froh, dass er sich entschieden hat, mich zu begleiten, lasse ich meinen Kopf gegen seine Schulter fallen. Mein Magen gluckst und mir ist leicht übel. In mir brodelt es wie das Meer vor einem Vulkanausbruch. Entweder werde ich explodieren oder zusammenbrechen. Ich konzentriere mich auf unser Ziel und starre durch die Scheibe.

Bis auf den inneren Stadtring haben wir ganz Selvia eingenommen.

Aaron und die anderen sind vor einer Woche los, um Präsident Adam zu stürzen. Hinter mir liegen sieben Tage elendes Warten auf eine Nachricht. Bangen, hoffen und beinahe verrückt werden. Lebt Aaron noch? Ist er verletzt?

Bis endlich eine Drohne mit dem Rebellenzeichen aufgetaucht ist, doch Éli hat nicht viel herausgefunden. Die Drohne war kaputt und unsere Technik ist zu marode. »Bitte kommen!«, war alles, was er entziffern konnte.

Wer und wohin genau wir kommen sollen, konnte er nicht in Erfahrung bringen. Also habe ich mich mit einem Rettungsteam aufgemacht, um Aaron und die anderen zu suchen und herauszufinden, ob sie erfolgreich waren. Ist Präsident Adam besiegt? Das Warten hat ein Ende, aber die Freude darüber, endlich etwas tun zu können, wird Stück für Stück von Angst aufgelöst. Was erwartet mich?

Das hier ist nicht nur ein Kampf um Essen, sondern ein Kampf um eine ganze Insel. Ein Kampf gegen alle, die sich unserem Ziel nicht verschrieben haben. Bürger, die meinen, wir Frauen sollten keine Rechte bekommen. Bürger, die glauben, es sei richtig, dass andere hungern, damit sie im Reichtum leben können. Ich umklammere die Waffe, die auf meinem Schoß liegt. Hoffentlich schwimmen wir in keine Falle. Ich hätte mehr üben sollen.

In meinem Hirn suche ich nach den Funktionen der Knöpfe am Griff, die Aaron mir oft genug auf dem Schießstand erklären musste.

Mein Verstand sträubt sich. Ich ziehe meine Hände zurück und schiebe die Waffe auf meinen Schoß weit von mir. Der Geschmack von Blut breitet sich in meinem Mund aus. Ich löse die Zähne von den Lippen und bewege meinen Kiefer hin und her. Es knackt. Felix spekuliert leise mit unserem Sitznachbarn darüber, was vorgefallen sein könnte.

Ich blende es aus, empfinde es als nervenaufreibend. Es schürt meine Angst, die mir kalte Schauer über den Rücken schickt, nur noch mehr.

Wir wissen nichts. Sind unvorbereitet. Trotz der Waffen vom Festland, von Abels wichtigsten Verbündeten.

Lillits Worte, das dies seinen Preis haben wird, klingeln mir in den Ohren. Aber das kann ich jetzt nicht mehr ändern. Ich muss mich auf die bevorstehende Mission konzentrieren.

Ich lockere meine Schultern. Reiß dich zusammen, Martha!, weise ich mich selbst zurecht und ignoriere den Klumpen in meiner Brust. Wenn ich mich jetzt von der Angst überwältigen lasse, bin ich niemandem eine Hilfe. Der Bus rumpelt und holpert und ich halte mich an dem Griff neben mir fest.

Wir fahren an grauen Gebäuden vorbei. Mehr erkenne ich nicht. Zu milchig ist die Scheibe.

Jemand schreit und ich zucke zusammen. Ich springe auf, um den Grund herauszufinden. Auch Felix steht auf und ich lehne mich schwankend an ihn. Er ist zwei Köpfe größer als ich und um einiges schwerer. Ihn wirft so schnell nichts um. Durch die Frontscheibe erkenne ich riesige graue Paläste.

Wir nähern uns dem Zentrum.

Ruinen und Trümmer säumen unseren Weg. Menschen stehen apathisch an der Straße und starren den Bus mit leeren Augen entgegen.

Die Häuser weisen große Einschusslöcher auf oder sind in sich zusammengebrochen. Die Menschen haben keinen Zufluchtsort.

Womit wurde hier gekämpft? Unsere Waffen hätten diese Zerstörung nie anrichten können.

Vieles habe ich mir vorgestellt. Dass die Straßen leer sind. Die Menschen sich vor uns verstecken. Dass die Schutzpolizei die Straßen kontrolliert und die Rebellen gefangen genommen wurden.

Alles habe ich erwartet.

Dass wir gewonnen haben. Mit Glanz und Gloria.

Dass wir verloren haben. Sang- und klanglos.

Alles, aber nicht das.

Und plötzlich zerreißt mich die Sorge um Aaron. Mein Herz schlägt schmerzend in meiner Brust. Ich setze mich und atme tief ein. Versuche, mich zu beruhigen. Halte mich an dem Gedanken fest, dass er auf sich aufpassen kann, auch wenn das bei dieser Zerstörung bedeutungslos ist.

Stotternd bleibt der Bus stehen.

»Wir müssen aussteigen. Die Straße ist versperrt«, ruft Thomas, unser Fahrer.

Geschäftiges Chaos bricht aus. Alle greifen nach ihren Taschen und drängen zur Tür. Mein Atem geht keuchend und vor meinen Augen flimmert es. Der Geruch von Verbranntem dringt in meine Nase. Ich werde von Felix nach vorne geschoben und zwänge mich durch die Schiebetür.

Draußen atme ich die stickige Luft ein und schaue mich um. Ich war noch nie zuvor in der Stadt. Mein Weg hat mich nie weiter als bis zu den Versorgungszonen gebracht. Die Hitze des Sommers umhüllt mich und legt sich mit dem Rauch auf meine Haut.

Für einen Moment habe ich das Gefühl, nicht atmen zu können.

Die Häuser müssen vor ihrer Zerstörung einen übermächtigen Eindruck gemacht haben. Auch halb vorhanden, schüchtern mich die eingestürzten Gebäude aus festem Gestein ein. Funkelnde Scherben liegen zu meinen Füßen. Ich hebe eine auf und schneide mich prompt an einer Ecke. Glas. Echtes Glas.

»Was ist hier passiert?«, frage ich mich selbst und lasse das Stück fallen.

Felix kommt an meine Seite. Schweißperlen rinnen sein Gesicht hinunter und seine blonden Haare hängen ihm bereits nass in die Stirn.

»Suchen wir unsere Freunde«, sage ich etwas lauter zu ihm.

»Alles klar!«, antwortet er und schultert seinen Rucksack. Orange leuchtend fällt er in der grauen Welt auf.

»Ich wette, so haben sich Aaron und Chamuel das nicht vorgestellt«, rede ich, ohne eine Antwort zu erwarten.

Abel und seine engsten Vertrauten sind von einer schnellen Übernahme ausgegangen.

Wir gehen langsam durch die Straßen. Die Stadtbürger, die scheinbar aus den Häusern fliehen konnten, haben sich in die Ruinen zurückgezogen. Sie drängen sich in den Schatten, um der beißenden Sonne zu entkommen. Halb versteckt zwischen zerbrochenen Mauern, spüre ich ihre Blicke unangenehm auf meiner Haut. Sie sagen kein Wort, was die Situation umso gespenstischer wirken lässt. Ihre Gesichter und Kleidung sind mit grauem Staub bedeckt. Mit meiner Zunge fahre ich mir über die trockenen Lippen. Ich traue mich nicht, meine Flasche aus der Tasche zu holen und etwas zu trinken. Haben wir genug, um alle zu versorgen?

Einer unserer Sanitäter geht auf eine kleine Gruppe Bürger zu, die müde und zusammengesunken in einer engen Gasse zusammenstehen, doch sie weichen zurück. Eine Frau schreit.

Wovor haben sie Angst?

Ein Surren lenkt meine Aufmerksamkeit nach oben. Überrascht erkenne ich Drohnen, die ziellos über den Himmel fliegen. Dröhnend nimmt die rechte Kurs auf eine Häuserreihe. Mein Mund steht offen. Ich will ›stopp‹ schreien, doch sie kracht, ohne zu bremsen, in die Häuserwand und zerschellt in Einzelteile.

Erschrocken ziehe ich den Kopf ein. Was auch immer passiert ist, die Schaltanlage für die Drohnen ist nicht mehr unter Kontrolle. Ein gutes Zeichen? Ein schlechtes?

Ich fühle mich beobachtet und stelle mich dichter zu Felix.

Ein Kind versteckt sich hinter den Beinen einer Frau. Seine Kleidung wirkt trotz des Schmutzes feiner als meine beste Hose. Ein Kind im Anzug. Ein Erwachsener im Miniaturformat.

Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe. Dränge das ungute Gefühl, welches sich zu dem Klumpen Angst in meiner Brust gesellen will, weg und ergreife die Hand von Felix. Auch er hat bisher kein Wort gesagt.

Die Ungewissheit um Aaron, die bizarre Situation vor Ort und eine böse Vorahnung treiben mich an. Ich möchte etwas tun. Irgendwas.

Wir marschieren los, arbeiten uns Schritt für Schritt vor. Klettern über Trümmer und umlaufen Autos, die zum Teil umgeworfen auf der Straße liegen. Hier hat keine Übernahme stattgefunden, sondern ein Krieg.

Eine weitere Drohne fliegt über unseren Köpfen hinweg. Eine mit dem Rebellenzeichen. Irritiert schaue ich ihr nach. Sie fliegt in Zickzack-Kurven zwischen den Dächern. Ist sie kaputt? Oder sucht sie etwas?

Greifarme fahren aus der Unterseite. Nein, keine Greifarme, sondern längliche Rohre. Ich bleibe stehen. Die Stangen schwenken hin und her, als suchten sie etwas. Die Menschen um uns herum rennen los. Das Kind weint und die Bürger rufen durcheinander.

Es knallt und ein zerstörtes Haus fällt komplett in sich zusammen. Das Beben fährt mir in die Glieder und ich strauchle. Ich halte mich an Felix fest, der ebenfalls beinahe gestürzt wäre. Hustend ziehe ich ihn von der aufkommenden Rauchwolke weg. Meine Augen tränen und ich weiß nicht, wohin ich mich wenden soll. Was ist passiert? Doch mein Verstand verweigert mir die Antwort.

Die Drohne zielt und feuert immer weiter auf die Trümmer. Das Zeichen der Rebellion prangt groß auf dem Fluggerät. Der Lärm ist ohrenbetäubend und vermischt sich mit den Schreien der Menschen um mich herum.

»Wir müssen weg«, schreie ich Felix an und renne. Er stolpert mir hinterher und ich umfasse seine Hand fester, um ihn nicht zu verlieren.

Mit der anderen taste ich durch Luft, um nicht gegen ein auftauchendes Hindernis zu rennen.

Ein einziger Gedanke schießt mir durch den Kopf: Was haben wir getan!

Wir rennen und rennen. Überall um uns herum brummen die Motoren der Drohnen. Sie schwirren über unseren Köpfen und feuern wahllos auf Häuser. Der Qualm nimmt nicht ab. Hustend und mit tränenden Augen falle ich über einen dicken Brocken, der sich im Rauch vor mir versteckt hat. Ich lande unsanft auf der Seite.

Ich erhebe mich stöhnend. Rufe tönen aus einem zertrümmerten Gebäude.

»Was ist das? Wer ruft da?«, brülle ich.

»Egal! Wir müssen weg. Bevor wir getroffen werden.« Felix greift meinen Oberarm und will mich wegziehen.

Die Schreie werden lauter. Jemand kreischt eindeutig »Hilfe«.

Ich wende mich von Felix ab und dränge in Richtung des Hilferufs. Kurz fasst Felix mich fester, doch ich reiße mich vom ihm los.

Diese Menschen waren vor einem Wimpernschlag meine Feinde, aber das habe ich nicht gewollt.

Wir sind hier, um zu helfen. Unsere Wut hat sich auf die Regierung und seine Anhänger gerichtet. Nicht auf Familien und Kinder. Mag sein, dass sie im Luxus gelebt haben, während ich zusah, wie meine Mutter verhungerte. Mag sein, dass sie ihren goldenen Käfig geliebt haben, während ich beinahe meinen Körper verkaufen musste.

Aber ich bin nicht wie die Männer der Regierung – Monster, aufgestiegen aus den Untiefen des Meeres, um alles zu vernichten.

Ich steige durch ein Loch in einer Häuserwand auf der Suche nach dem Ursprung der Rufe. Dankbar nehme ich wahr, dass Felix mir folgt.

Drinnen ist es dunkel, nur schemenhaft erkenne ich eine Wohnung. Zu Bruch gegangene Möbel versperren uns den Weg. Ich klettere über einen Tisch, der in zwei Teile zerbrochen ist – nie wieder als Sammelplatz für familiäre Abendessen herhalten wird.

Die Schreie werden lauter und ich zwinge meine Gedanken wieder zu unserem Vorhaben.

Felix reicht mir seine Hand und gemeinsam kämpfen wir uns durch die Wohnung.

Ein Schrank liegt umgekippt auf dem Boden. Eine Bewegung lässt mich näher herantreten und ich entdecke eine Frau unter dem Koloss. Ich begutachte ihren Körper, der ab dem Rumpf vom Möbelstück bedeckt ist. In den Armen hält sie ein Baby. Mit schmerzverzerrter Miene hebt sie mir ihr Kind entgegen. Tränen fließen ihre Wangen herunter und verfangen sich in ihrem strähnigen Haar.

Wie lange liegen die beiden bereits hier?

»Bitte«, flüstert sie. Ich hocke mich hin und ergreife den leblosen, kleinen Menschen. Er ist kalt und starr. Ich schlucke und lege es behutsam zur Seite. Felix hievt den Schrank hoch. Ich greife der Frau unter die Arme und ziehe sie heraus.

»Mára«, schluchzt sie.

Wahrscheinlich das Baby. Sie langt mit den Armen in Richtung ihres Kindes. Aufstehen kann sie nicht. Ihre Beine liegen merkwürdig verrenkt auf den Boden.

Es genügt ein Blickwechsel mit Felix und er bricht schweigend ein Brett aus dem kaputten Schrank.

In diesem Zustand ist es nicht gut, die Mutter über den Tod ihres Kindes aufzuklären. Stattdessen lege ich ihr das Baby in die Arme.

»Alles wird gut«, lüge ich sie an, weil mir nichts Besseres einfällt.

Mit Felix hebe ich die Frau auf die improvisierte Trage. Gemeinsam schaffen wir es, sie auf die offene Straße zu bringen. Unschlüssig bleibe ich stehen. Das Surren der Drohnenmotoren entfernt sich. Es ist immer noch nebelig, aber sie haben aufgehört, zu schießen.

»Was ist? Wir müssen weg von der Straße!« Felix Stimme klingt drängend.

»Wohin sollen wir?« Ich weiß nicht, wo es sicher ist. Die Drohnen könnten wiederkehren.

Langsam legt sich der Rauch und ich erkenne die Umgebung besser.

»Dorthin, wo keine Gebäude stehen. Die Drohnen haben es anscheinend auf sie abgesehen.« Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Felix sich zu orientieren versucht.

Wir marschieren weiter. Meine Schultern verkrampfen wegen der schweren Last und ich beiße die Zähne aufeinander. Bloß nicht loslassen, Martha.

Die Frau wiegt ihr totes Baby und singt unverständliche Lieder. Bei jeder zu harten Bewegung unterbricht ein Schmerzenslaut ihre wirren Worte.

Erleichtert entdecke ich unsere Leute, die ebenfalls verletzte Bürger die Straße hinaufbegleiten.

Thomas kommt uns entgegen. »Wir benutzen den Bus als Anlaufstelle«, erklärt er uns und weist mit der Hand in die Richtung des Fahrzeugs. Dort wurden Zelte aufgebaut. Hoffentlich ziehen sie nicht die Drohnen auf uns.

Keuchend überwinden Felix und ich mit der Trage die letzten Meter bis zum Bus.

Wir legen die Trage ab und ich hocke mich daneben, suche den Blick der Mutter. »War noch jemand im Haus?«

Sie schüttelt wimmernd den Kopf, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mich verstanden hat.

»Lass es, Martha. Wir müssen zum Regierungszentrum, Abel und die Jungs finden.« Felix zieht mich von ihr weg.

Mein Blick fährt über die Menschen, die vorsichtig nähertreten. Ich sehe mit Schaudern die vielen zerstörten Häuser. Wie viele sind noch darin eingeschlossen?

»Nein, Felix. Ich bleibe. Ich kann die Menschen nicht einfach zurücklassen.«

»Denen helfen wir später.« Felix legt seine Hände auf meine Schultern und erzwingt meine Aufmerksamkeit.

Ich schüttle ihn ab. »Später werden die meisten unsere Hilfe nicht mehr brauchen.« Ich nicke zu dem toten Baby.

Er sieht an mir vorbei zu der Frau. »Was ist mit Aaron?«

Ich verkrampfe. »Johannes und Esther werden sie aufspüren können. Sie kennen sich hier am besten aus.«

Ich drehe mich nach den beiden ehemaligen Städtern um.

Felix seufzt. »Gut. Wir bleiben.«

»Danke.«

Ich gebe die Anweisung, dass Johannes und Esther und ein weiterer Sanitäter nach unseren Freunden suchen sollen. »Wir restlichen Sechs durchkämmen die Häuser und versorgen im Bus die Verletzten.«

Es gibt keine Diskussion und ich bin erstaunt, dass die anderen tun, was ich ihnen sage.

Die aufkommende Dämmerung sorgt für Erleichterung. Dankbar sehe ich zu, wie die Sonne vom grauen Himmel verschlungen wird. Die Luft kühlt ab.

Felix und ich kehren in unser provisorisches Lager zurück.

Mittlerweile haben die meisten Bürger verstanden, dass wir hier sind, um zu helfen. Dennoch werden wir von vielen argwöhnisch betrachtet. Einige haben uns gefragt, ob wir von der Regierung geschickt wurden oder zu den Rebellen gehören.

Dass ich keine Antwort gebe, entsetzt mich und macht mir die Situation klar. Könnten wir die Bösen sein?

»Wir sind zum Helfen da«, wiederholt die Sanitäterin namens Sára immer wieder.

Wir legen Verbände an und verteilen Proviant.

Viele Wunden sind verschmutzt und entzündet. Fliegen fallen in Scharen über uns her. Es mangelt an Wasser, um die Verletzungen zu säubern und den Durst aller zu stillen.

Ich falle müde gegen die Buswand und sinke auf den Boden. Eine kurze Pause. Nicht mehr.

Ich schrecke hoch, als das Mondlicht sich durch die Wolken kämpft. Mein Blick fällt auf eine Bewegung die Straße hinunter.

Dunkle Gestalten tummeln sich dort, sind auf dem Weg zu uns.

In meinen Gedanken schrillen die Alarmglocken. Ich rapple mich auf, obwohl meine müden Beine sich beschweren und mein Kopf sich nach Schlaf sehnt. Wir haben keinerlei Sichtschutz aufgebaut. Ein Fehler, der uns teuer zu stehen kommen könnte. Ich presse die Zähne aufeinander. Vielleicht schon jetzt.

Felix kommt an meine Seite und hebt seine Waffe.

Wo ist meine?

Die anderen stellen sich in einem Halbkreis vor uns und den Bürgern auf. Die Läufe ihrer Waffen schimmern im Mondlicht. Ich presse mich gegen den Bus.

Ach ja. Meine Waffe liegt auf meinem Platz. Wie konnte ich nur so dumm sein?

Ich hocke mich hin und lege die Finger auf meine Lippen. Die Gespräche unserer Patienten verebben.

Alle Blicke richten sich auf die Ankömmlinge. Ein Kind weint.

Ich halte den Atem an.

TeilZwei

Vor 6 Jahren

Das Elend meiner Hütte …

Die Nacht legt sich über die Siedlung und das fahle Licht der Sonne schwindet. Das Elend meiner Hütte versteckt sich in der Dunkelheit, als ob es sich schämen würde. Ich wälze mich hin und her. Mein Rücken schmerzt vom harten Boden.

Vorgestern Nacht hat mir jemand die Matratze gestohlen. Der Ärger drückt wie ein spitzer, schwerer Stein in meinem Magen. Könnte aber auch Hunger sein. Ärger und Hunger vertragen sich nicht gut.

Ich recke mich und strecke den Kopf unter der Decke hervor. Der Fetzen Stoff, der meinen dünnen Körper umhüllt, hat diesen Namen eigentlich nicht verdient. Meine Füße sind eiskalt und eine Gänsehaut überzieht meine Haut.

Es wird Herbst. Am Tag schafft die Sonne es, meine Behausung aufzuwärmen, doch sobald sie untergegangen ist, wird es eiskalt.

Ich stehe auf und schlurfe durch den Raum auf eine Schüssel Wasser zu. Von gestern ist eine kleine Pfütze übrig. Zu schmutzig, um es zu trinken, aber noch gut genug für das Gesicht. Das eiskalte Wasser weckt meine letzten Lebensgeister und ich überlege, wo ich etwas zu essen herbekomme.

Als ich aus meiner Hütte trete, stelle ich fest, dass es zu spät ist. Die Dunkelheit hat sich meine Siedlung einverleibt. Bald werden die ersten Kunden erscheinen. Keine Zeit mehr, Ada um etwas zu essen zu bitten.

Sie meint immer: »Schlafen können wir, wenn wir tot sind.«

Doofer Spruch. Der Schlaf ist die einzige Zeit, in der ich diesem Alptraum vom Leben entkommen kann.

Ich verschließe meine provisorische Tür und laufe an den letzten Blechhütten der Siedlung vorbei. Der schwarze Boden unter mir ist steinig und ich stoße mir immer wieder die Zehen. Die Zone, in der ich lebe, verdankt ihren Namen diesem Lavagestein. Die schwarze Zone. Bewohnt vom menschlichen Abfall der Insel. Abfall wie mir.

Ich verdiene meinen Lebensunterhalt dort, wo meine Mutter sich einst verkauft hat. Im fahlen Licht weniger Laternen erwartet mich das Sündenhaus wie ein Monstrum in der Dämmerung. Ich ziehe die Schultern hoch, als ob ich damit mein Gesicht verstecken könnte, und schiebe die schwere Eingangstür auf.

Ein muffiger Geruch weht mir entgegen. Drinnen verbreiten die nackten Glühbirnen ein unangenehmes Licht. Kalt und blass wirken die mir entgegenblickenden Gesichter.

Laute Stimmen erfüllen die Eingangshalle. Die ersten Freier warten bereits am Tresen. Am häufigsten sind die männlichen Bürger vertreten. Anzüge und gezwirbelte Schnurrbärte.

Menschen aus den anderen Zonen können sich die Dienstleistungen dieses Hauses kaum leisten. Ab und zu verirrt sich jemand von dort hierher. Graue Arbeiterklüfte werden von den Dirnen aber nicht gern bedient. Ihre Bezahlung fällt meist wesentlich geringer aus.

Matschige Fußabdrücke säumen meinen Weg zum Tresen. Ich schnappe mir rasch den Wischmopp, beseitige die Spuren, ehe die Herrin des Sündenhauses mein Zuspätkommen bemerkt. Ich führe den Mob in Schlangenlinien über den Boden und meide, so gut es geht, den Kontakt mit den Schuhen der Freier.

»Pass doch auf!«, raunzt mich ein Mann an. Etwas fliegt an mir vorbei und Spucke landet vor meinen Füßen. Ich zucke zusammen, halte aber den Blick fest auf den Boden gerichtet.

»Entschuldigung«, murmle ich und wische angewidert weiter, erlaube mir erst, aufzusehen, als ich den kleinen Flur auf der anderen Seite vor den Zimmern säubere. Durch die fehlende Tür habe ich einen guten Blick auf das Treiben am Tresen.

Ein kalter Lufthauch weht durch die Eingangshalle des Sündenhauses und die Tür knallt ins Schloss. Drei junge Männer betreten das Sündenhaus und setzen sich direkt an die Theke. Einer von ihnen ist ein grauer Anzug. Stadtbürger. Ich betrachte das Dreier-Gespann genauer. Selten kreuzen Jungs ihren Alters alleine hier auf. Meist sind sie in Begleitung ihrer Väter.

Zwei blaugraue Augen mustern mich. Augen wie das stürmische Meer. Für einen Moment glaube ich, der Junge winkt mir zu, doch seine Hand streicht nur durch seine dunklen Haare. Sie sind perfekt geschniegelt.

Verwundert stelle ich fest, dass er keinen Anzug trägt. Eine Hose und ein schlichtes Oberteil lassen nicht erahnen, zu welchem Ring er gehört.

Vom anderen Flur winkt mir Ada zu. Erschrocken suche ich den Raum nach Frau Chogla ab. Sie ist nicht da. Ich atme erleichtert aus. Nicht auszudenken, was mir geblüht hätte, wenn sie mein Starren bemerkt hätte. Ich raffe meine Putzsachen zusammen und eile zu Ada.

Mit gesenktem Kopf gehe ich an den Jungs vorbei.

»He Du!«, ruft jemand hinter mir, aber ich drehe mich nicht um. Das gehört noch nicht zwingend zu meinen Aufgaben. Erst in zwei Jahren. Ich gehe weiter und tauche hinter den Frauen, die auf Freier warten, ab.

Im rechten Flur angekommen, drehe ich mich um. Der schwarzhaarige Junge mit den Sturmaugen steht an der Seite eines Rotschopfes, der einen Kopf größer ist und ein wenig trainierter wirkt. Auch er trägt nur eine Hose und einen schwarzen Pullover. Für Städter ungewöhnlich lässig.

Die Jungs fordern etwas zu trinken.

Éli hat wieder Tresendienst. Sicher hantiert er mit den Gläsern und Flaschen und wirkt wie die Ruhe selbst. Die meisten schätzen ihn wegen seines Aussehens jünger als seine 16 Jahre ein. Er ist einer der wenigen männlichen Bewohner, die einen Broterwerb haben, bei dem sie ihren Körper nicht verkaufen oder Müll sammeln müssen. Dennoch muss er sich hier eine Menge gefallen lassen. Auch jetzt prasseln Beleidigungen auf ihn ein.

»He Schwuchtel, komm her und bediene uns. Aber wehe du schaust mich dabei an.«

Ist das der Junge? Nein, der Anzugträger. Meine Erleichterung darüber fühlt sich seltsam an. Sind das die Hormone, von denen Ada immer spricht?

Éli ignoriert die Bemerkungen und schenkt ihnen nacheinander ein Bier aus.

»Was soll das für ein Gesöff sein? Wir wollen was Richtiges. Whiskey!«, mault der Anzugträger.

Was glauben die, wo die hier sind? Whiskey. Das gepanschte Bier ist das höchste aller Gefühle. Woher Frau Chogla das bekommt, will ich gar nicht wissen. Von der Farbe her könnte es genauso gut Urin sein.

Ein Herr grabscht mir an den Hintern. Ich unterdrücke ein Quieken und sehe auf.

Der Mann glotzt mich aus kleinen Augen an, die tief eingesunken in einem fetten Gesicht liegen. Mit der Zunge leckt er über seine Lippen und wandert mit den Augen über meinen Körper. Der Ekel überrollt mich wie eine Welle aus Algen und Schlamm. Ich stelle mir vor, was er sieht. Ein dürres Mädchen, in Lumpen gekleidet. Zerzauste braune Locken, die herabhängen, weil sie schon länger kein Wasser gesehen haben. Die Narbe im Gesicht, die von meinem rechten Auge bis zu meinem Kinn reicht. Sie senkt meinen Preis. Oder steigert ihn. Je nachdem, wonach es den Männern gelüstet.

Meine Hand ballt sich zu einer Faust. Am liebsten möchte ich ihm eine klatschen und mich gleichzeitig übergeben.

Meine Mutter hat mich schwören lassen, dass ich dieses Haus nie betreten werde. Sie arbeitete hier, um uns durchzubringen. Aber mir sollte diese Zukunft nie bevorstehen. Sie legte großen Wert auf eine gute Erziehung. Stets sollte ich mich gewählt ausdrücken und mich sorgsam kleiden. Wofür weiß ich bis heute nicht. Die meisten lachen über meine Ausdrucksweise und schimpfen mich Möchtegern-Bürgerin, wenn ich in die Sprache meiner Mutter verfalle.

Nach ihrem Tod blieb mir keine Wahl. Der Hunger trieb mich zu Frau Chogla. Warum auch immer, gab sie mir eine Anstellung als Mädchen für alles – außer dem Schmutzigen, sagte sie damals. Dafür musste ich ihr versprechen, meinen Körper ihrem Haus mit sechzehn Jahren zur Verfügung zu stellen. Was das bedeutet, habe ich erst mit der Zeit begriffen.

Zum Glück hat mich die Dirne Ada unter ihre Fittiche genommen. Ohne sie wüsste ich nicht, wo ich heute stünde. Ich vermisse meine Mutter. In meiner Kehle bildet sich ein Kloß. Ich flüchte in das erstbeste Zimmer und vertreibe die Gedanken an sie.

Schwer atmend greife ich nach dem schmutzigen Laken und zerre es von der fleckigen Matratze. Meine Gedanken wirbeln wie ein Tornado. Soll das mein Leben sein?

Hastig klemme ich mir den Stoff unter die Arme. Wenn ich zu lange brauche, gibt es Ärger, also bringe ich ihn in die kleine Wäschekammer und kehre an den Rand der Eingangshalle zurück.

Die Jungs sitzen weiterhin am Tresen. Noch lauter als zuvor, doch offensichtlich traut sich keiner von ihnen, eine Dirne anzusprechen.

Flautenbengel.

Mein Mund ist trocken und ich hadere mit mir, brauche dringend etwas zu trinken, ehe ich mich dem nächsten Zimmer zuwende, die im Moment laut Schildern sowieso alle besetzt sind.

Ich versuche, mit der Umgebung zu verschmelzen und unerkannt zum Tresen zu gelangen, rutsche an die äußerste Ecke und winke Éli zaghaft zu.

Er schenkt mir ein Glas Wasser ein und reicht es mir. »Alles gut, Martha?«

Ich nicke nur, um keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, und schiele über den Rand meines Glases zu den Jungs.

Ich betrachte den schwarzhaarigen Jungen. Er hat wirklich schöne Augen. Sein Lächeln wird breiter. Er hat gemerkt, dass ich ihn anstarre. Oh, wie peinlich! Mir wird heiß und ich möchte am liebsten im Wasserstrudel verschwinden.

»Mensch Aaron, hast du dir eine ausgesucht?«, brüllt der Anzugträger und schlägt ihm so derb auf die Schulter, dass er vom Stuhl fällt.

Der Junge namens Aaron schüttelt heftig den Kopf, doch sein Freund hat mich ins Visier genommen.

»He Schlampe, komm her. Mein Freund will was von dir.« Er lacht schallend auf und ich sehe, wie seine Spucke auf Aarons Haare fällt.

Ich überlege, so zu tun, als ob ich ihn nicht gehört hätte, aber Frau Chogla kommt gerade die Treppe hinter dem Tresen herunter. Sie sieht zu mir rüber und bewegt ihren Kopf hektisch hin und her.

Zwar muss ich mich nicht anfassen lassen, aber ansonsten ist der Kunde König. Ansehen dürfen sie mich, wenn sie wollen.

Selten bin ich die erste Wahl. Mein Körper hat noch nicht die erforderliche Form, die den Männern gefällt. Ich würge und schlucke sauren Speichel hinunter. Langsam gehe ich zu ihnen an den Tresen.

Bei diesen weichgekochten Jünglingen brauche ich mich nicht anzustrengen, die kommen wahrscheinlich schon beim Anblick von etwas nackter Haut.

Ich kann mir ein hämisches Grinsen nicht verkneifen und stelle mich breitbeinig vor die Möchtegern-Männer.

»500 Taler für ’ne Stunde«, sage ich und strecke die Hand vor Aaron aus. Mir sinkt das Herz auf den Meeresboden, aber ich unterdrücke die Angst und hoffe, meine Stimme zittert nicht.

Was, wenn sie mit mir in ein Zimmer verschwinden wollen? Ich hoffe, Frau Chogla wird rechtzeitig eingreifen.

»500 Taler, um ein Brett wie dich flachzulegen?«, schimpft sein Freund mich von der Seite an. Die anderen Gäste grölen.

Aaron und sein rothaariger Nachbar werden rot im Gesicht.

»Ich will nicht dich, sondern die da hinten«, sagt der Brüllende und zeigt auf jemanden hinter mir.

»Lass es gut sein, Kaleb«, versucht der Rothaarige seinen Kumpel abzuhalten.

Ich drehe mich um, sehe die Neue. Sie ist vor einer Woche 16 Jahre alt geworden und schaut mich verängstigt an. Ich muss den Jungen von ihr ablenken. Aber wie?

Frau Chogla schubst sie in unsere Richtung. Dummerweise ist sie keine Jungfrau mehr. Die Jungfräulichkeit verkauft Frau Chogla immer an den Höchstbietenden.

Zoar kommt, den Blick auf den Boden gerichtet und am ganzen Körper bebend, an meine Seite.

»Sie kostet mehr«, sage ich leise, damit Frau Chogla es nicht hört. Ich hoffe, der Junge lässt von ihr ab und bleibt bei seiner Protzerei.

Er schüttelt den Kopf: »Ist mir egal.« Er nimmt seine Plakette und hält sie an seine Uhr.

Sie dient als Zahlungsmittel. Ein Ersatz für die DV-Uhren, die sich niemand in dieser Zone leisten kann.

Es piept und der Junge schmeißt Zoar die Plakette zu. Sie fällt klappernd zu Boden. Er lacht auf.

»Die ist so scharf auf mich, die will nicht mal mein Geld«, kreischt er und die anderen lachen verhalten mit.

Ich bücke mich und hebe die Plakette auf. 75 Taler zeigt sie an. Mist!

Er greift nach ihrem Arm und zerrt sie hinter sich her.

Für einen kurzen Moment treffen ihre angsterfüllten Augen meine. Ich kann ihr nur aufmunternd zulächeln und hoffen, dass dem Jungen schnell die Puste ausgeht.

Frau Chogla weist ihnen eine Kammer zu und schaut dann erwartungsvoll zu mir. Sie zeigt auf das Zimmer, aus dem Ada und ein Freier herauskommen.

Ich eile in das mir zugewiesene Zimmer und mache mich als erstes am Bett zu schaffen. Es riecht leicht faulig. Sofort steigt Mitleid und Wut in mir auf. Ada muss sich mit diesen schmutzigen Männern abgeben. Ich verstehe nicht, wieso sie das verdient hat.

Ich wische mit einem fleckigen Lappen Haare und anderes von der Matratze.

Eins ist mir klar: Ich will niemals auf einer dieser Matratzen liegen.

Mit spitzen Fingern hebe ich nasse Tücher vom Boden auf und lasse sie in einen Eimer neben der Tür fallen. Ich falte die Decke und wische zum Abschluss den grauen Boden.

Im Flur will ich in das nächste offene Zimmer gehen, aber Zoars schmerzerfüllte Schreie lassen mich innehalten.

Was macht diese Gräte mit ihr? Ich wende mich zu der Tür, in der sie verschwunden sind, und balle die Fäuste. Am liebsten würde ich ihr zur Hilfe eilen und diesen Kerl verprügeln!

Ich werfe einen Blick über meine Schulter. Frau Chogla sitzt auf ihrem Stuhl und unternimmt nichts, scheint es nicht einmal zu hören. Langsam wende ich mich zur Tür.

Soll ich? Soll ich nicht? Wie groß wäre der Ärger? Ich will die Arbeit nicht verlieren oder auch diese Sachen machen müssen. Meine Hand schwebt über dem Türgriff. Eine Bewegung am Tresen lenkt meine Aufmerksamkeit auf sich.

Aaron und sein rothaariger Freund springen von ihren Hockern und stürmen auf mich zu. Haben sie Mut gefasst und wollen mitmachen?

Die Jungen schubsen mich zur Seite und ich stolpere nach hinten. Ich greife nach ihnen, um sie aufzuhalten, doch ich bin zu langsam. Sie reißen bereits die Tür auf und stürmen hinein.

Zoar kauert auf dem Bett und wimmert. Der Junge schlägt mit flachen Händen auf sie ein. Zoars Rücken und Po sind dunkelrot.

Aaron packt Kaleb, bevor er sich erneut an Zoar vergreifen kann. Mit Hilfe seines rothaarigen Freundes schleift er ihn hinaus.

Wild fluchend tritt Kaleb um sich. »Hör auf, Kaleb!«, brüllt Aaron und nimmt Kaleb in den Schwitzkasten.

Alle Achtung, so stark habe ich ihn gar nicht eingeschätzt.

Gemeinsam zerren sie ihn aus dem Sündenhaus. Ich stehe da, unfähig, die Situation zu begreifen.

Haben sie Zoar gerade geholfen? Oder ist die Plakette nicht gedeckt und sie müssen abhauen?

Ein Schluchzen reißt mich aus der Starre und ich stürze zu Zoar. Sie weint, zittert und ich helfe ihr hoch.

»Komm«, flüstere ich und verlasse mit ihr das Zimmer.

Ihr Kleid hängt zerrissen an ihren Schultern und sie blutet im Gesicht.

Frau Chogla kommt mit finsterer Miene auf uns zu. Die Herren in der Eingangshalle haben sich uns zugewandt und verfolgen mit einem ekligen Grinsen das Schauspiel, welches sich ihnen bietet.

Ich würde ihnen am liebsten allen ins Gesicht spucken.

»Haut ab!«, schnauzt Frau Chogla uns an.

»Unseren Lohn«, verlange ich und wundere mich, woher dieser Mut kommt. Ich halte meine Hand zögerlich ausgestreckt. Ohne Geld werde ich den nächsten Tag hungern müssen.

Sie wirft mir zwei Plaketten entgegen und ich halte sie mit den Füßen auf, bevor sie wegrollen.

»Das wird ein Nachspiel haben!«

Ich halte lieber den Mund und verschwinde mit Zoar und den Plaketten in die Kühle der Nacht.

Die Jungen stehen auf dem Parkplatz vor dem Sündenhaus und telefonieren.

Schleunigst zerre ich Zoar in die andere Richtung, drehe mich aber noch einmal um.

Er sieht mich an, öffnet den Mund und wendet sich dann ab. Erleichtert, verwirrt, und auch ein wenig froh flüchte ich mit Zoar in die Dunkelheit. Vielleicht ist er wirklich nicht wie die anderen Anzugträger.

Seeigel!, schimpfe ich mit mir selbst. Das sind nur deine Hormone! Der Junge verdreht dir den Kopf!

Er ist wie alle anderen Jungen und Männer. Vielleicht freundlich von außen, aber ein Monster von innen.

Hast Du Hunger?

Der Morgen naht und ich atme tief ein. Alles ist in Nebel getaucht. Die eng aneinander gebauten Unterkünfte, die schief und elend auf nacktem Gestein stehen, wirken wie verwaist. Die meisten Bewohner kommen erst jetzt nach Hause. Das Leben in dieser Zone findet im Dunkeln statt. Wenn die Drohnen wegen der nächtlichen Besucher im Sündenhaus Pause haben.

Hinter der Wohnsiedlung ragt das Selvia-Gebirge wie ein Schutzwall auf. Ich stelle mir vor, wie das Meer an die Küste schwappt. Manchmal weht der Wind den salzigen Geruch des Wassers zu uns hinüber. Nur zwei Stunden Bootsfahrt entfernt liegt das Festland.

Da will ich hin. Eines Tages, falls die vermeintlichen Freunde von meinem Schützling, Isaak, recht behalten.

Laut den selbsternannten Rebellen ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Regierung gestürzt wird.

Ich knacke mit den Fingergelenken. Als Isaak mir das erste Mal von den Plänen der selbsternannten Rebellen erzählt hat, war ich voller Hoffnung. Mittlerweile zweifle ich immer mehr an ihrem Vorhaben. In all dieser Zeit ist nichts passiert. Ich lebe noch immer in dieser Zone und meine Zukunft scheint festgeschriebener denn je.

Der Geruch einer neuen Müllzufuhr weht über die Siedlung. Isaak wird bestimmt dort sein.

Ich fahre mit dem Daumen über die Plakette in meiner Hand und gehe los in Richtung Schwarzmarkt. Danach werde ich meinen Schützling suchen, er hat bestimmt noch nichts gegessen.

Ich schultere den Beutel, nicht ohne mir vorher einen weichen, braunen Apfel in den Mund zu stecken. Matschiges Fruchtfleisch läuft mir das Kinn hinunter, während ich kaue. Ich esse ihn bis auf den Stiel auf und wische mir die Hand am Kleid ab. Das muss genauso dringend gewaschen werden wie mein Körper. Meine Oberschenkel kleben beim Gehen aneinander und verursachen klatschende Schmatzgeräusche. Meine Mutter hatte immer viel Wert darauf gelegt, dass ich sauber und meine Kleidung geflickt war. Ich merke selbst, wie sehr ich seit ihrem Tod vor einem Jahr verwahrlose.

Meine Füße finden nur mühsam einen Weg über den steinigen Untergrund. Die spitzen Steine bohren sich in meine nackten Fußsohlen und reißen mir die Haut auf. Ich brauche dringend Schuhe, aber ich kann mir nichts Neues leisten. Dass ich nicht einfach aufhöre, zu wachsen!

Ich denke an meine Mutter, die nie geklagt hat, wenn ich neue Kleidung oder Schuhe brauchte. Es macht mich wütend. Weil ich wachse und weil ich so leben muss.

Die Sonne geht auf und färbt meine Umgebung orangerot.

Ich passiere ein Plakat an einem grauen Pfahl. Ein vollgeschmiertes Gesicht schaut mich durchdringend an. Präsident Adam. Ich verbinde nichts außer Wut und Abneigung mit ihm. Es ist nicht die Armut, die mich ihn hassen lässt, sondern die Angst vor seinen Taten. Mit Schaudern denke ich daran, dass die nächste Säuberung bald wieder ansteht.

Auch ohne die Schrift lesen zu können, weiß ich, was da steht. Er bietet uns die Reinigung unserer Sünden an.

Viele glauben, man würde umgebracht werden, andere, dass man durchgehend in den Fabriken arbeiten müsste. Dennoch nehmen viele sein Angebot an, um nicht zu verhungern. Was diese Sünde genau sein soll, hat mir bisher niemand erklärt, nicht einmal meine Mutter. Ich nehme an, es ist das, was im Sündenhaus passiert. Sonst würde es nicht so heißen.

Ob solche Plakate auch in den reichen Wohnsiedlungen der Bürger hängen?

Ich lasse die letzten Hütten hinter mir und betrete die Mülldeponie. Die Nachbarzone. Ich steige über die Reste eines kaputten Maschendrahtzauns, der platt auf dem Boden liegt. Er sollte die Steinmauer stopfen, die die Zonen voneinander trennt.

Ich betrete eine Welt aus Rohstoffen, welche weggeworfen von den Inselbewohnern einen Großteil unseres Überlebens sichern.

Eine Matratze liegt am Wegesrand und erinnert mich an mein Vorhaben, mir meine wiederzuholen. Diese sieht ganz okay aus. Nur ein großer Fleck ziert den Stoff. Prüfend taste ich über den Bezug. Leicht feucht. Nichts, was ein paar Tage Sonne nicht trocknen könnten. Ob sie stinkt, kann ich angesichts des umliegenden Mülls nicht einschätzen. Alles wird hier von einem muffigen Geruch überlagert. Er ist vertraut.

Ein riesiger Müllfresser zieht in sicherer Entfernung an mir vorbei. Die Staubwolke, die er aufwirbelt, hüllt mich ein. Hustend bleibe ich stehen und verdecke mein Gesicht. Langsam zieht die riesige Maschine ihre Bahnen und zerkleinert den Müll. Hinter ihm fährt ein Mülltransporter, welcher die zusammengepressten Reststoffe zu der Recyclinganlage transportieren wird.

Es ist nicht ungefährlich, sich hier aufzuhalten. Müllsortierer, Roboter mit Zangen, suchen im Müll nach bestimmten Wertstoffen und die Müllfresser verschlingen alles, was ihnen unter die Schaufeln kommt. Egal ob Möbelstück oder Mensch. Hier läuft alles automatisch.

Der Staub legt sich und ich gehe weiter. Hinter einem weiteren Müllberg entdecke ich Isaak und zwei weitere, hagere Gestalten, die auf einem der größeren Hügel herumklettern. Issak hat irgendwas Schwarzes in den Händen. Hoffentlich etwas Brauchbares.

Hier muss man schnell sein. Alles auf der Insel wird recycelt und lagert nur vorübergehend an diesem Ort. Wer sich weigert, seinen Körper zu verkaufen, ist gezwungen, auf der Müllhalde nach Material zu suchen, um es an die Bewohner der Schwarzen Zone zu verhökern. Habe ich auch mal gemacht. Aber die Arbeit bei Frau Chogla bringt mehr.

»Isaak!« Ich winke mit meinem Beutel. »Hast du Hunger?«

Er richtet sich auf und kommt heruntergeklettert. Mein Schützling redet nicht viel. Das ist in Ordnung. Er tut es nicht aus Respektlosigkeit, sondern weil er stottert. Aus seinem Mund kommen nur die nötigsten Wörter.

Seine Augen werden bei den Haferflocken und einigen Maden, die ich aus der Tasche befördere, immer größer. Schon sind seine Freunde, ein junger Mann und ein dürres Mädchen, das mindestens zwei Jahre jünger ist als ich, bei uns.

Ich zögere. Ich kann mir Teilen nicht erlauben. Das Essen muss für länger als einen Tag reichen. Wer weiß, ob Frau Chogla mich die nächsten Nächte bezahlt.

Das Mädchen sieht mit fiebrigen Augen zu mir. Ihr Gesicht ist trotz der Kühle von einem Schweißfilm bedeckt. Das gibt den Ausschlag.

»Langt zu«, fordere ich sie auf und greife zu den Maden. Sie bewegen sich kaum und daher werfe ich sie mir, ohne nachzudenken, in den Mund.

Eine heiße Flamme der Wut …

Eine riesige Hütte taucht vor mir auf. Sie liegt versteckt hinter einem großen Felsen und ist gut abgesichert. Jegliches Material wie Kunststoff, Felsen und anderes von der Mülldeponie, das ein wenig härter ist, haben die selbst ernannten Rebellen verbaut.

Die Männer und Frauen, die hier hausen, haben sich Großem verschrieben: dem Sturz der Regierung. Bisher sind sie diesem Ziel nicht einen Schritt nähergekommen. Die Schwierigkeit, hier überhaupt zu überleben, und der Mangel an Möglichkeiten haben jeden Plan vereitelt.

Isaak ist dennoch hellauf begeistert von ihnen. Ich stelle mich ihm nicht in den Weg. Ein klitzekleiner Teil von mir hofft, durch sie aufs Festland zu gelangen.

Ich reiße die Tür auf und betrete eine dämmrige und stickige Halle. Laut rufe ich nach Isaak.

Einige Köpfe schnellen in die Höhe. Unter ihnen ist ein Mann mit weißen Haaren.

Die Rebellenhütte ist in zwei Bereiche eingeteilt. Vorne die sogenannte Versammlungshalle – oder wie ich sie gerne bezeichne, das Auffangbecken für primitive Plattfische. Abgetrennt durch eine Kunststoffwand liegt hinten der private Bereich von Abel. Er ist der selbsternannte Rebellenführer.

»Martha, was soll das? Wir sind mitten in einer Besprechung«, beschwert dieser sich prompt mit leiser, aber drohender Stimme. Er steht mitten auf einer kleinen, erhöhten Bühne, gefertigt aus Müll. Es ist absurd und beinahe lache ich.

Ich ignoriere ihn und schaue mich um. Beleuchtet werden die wenigen Anwesenden – gerade mal zehn Personen – von Öffnungen in der Wand. Sie wirken alle grau und blass. Kaum voneinander zu unterscheiden.

Endlich finde ich ihn. Abseits von den Erwachsenen hockt Isaak mit anderen Kindern links von mir an der Wand.

Ich gehe an Abel vorbei und drücke meinen Schützling. Er versteift sich. Seit dem Tod seiner Freundin ist er noch stiller geworden, noch verschlossener.

»Hab dir was mitgebracht«, raune ich ihm zu und greife in meine Tasche. Verdeckt lasse ich die Tüte mit den Haferflocken in seine Hand gleiten.

Sofort reckt er mir seine schmutzigen Finger entgegen. Er hat Hunger.

Eine heiße Flamme der Wut erfüllt mich. Ich springe auf und wende mich dem Anführer zu. »Du nimmst nur, ohne zu geben, Abel!«

Er weiß genau, was ich meine. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihm vorhalte, sich nicht genug um die Kinder zu kümmern.

»Wir sind kein Wohltätigkeitsverein. Jeder muss für sich selbst sorgen.«

Als Antwort spucke ich auf den Boden und balle die Fäuste.

»Wenn das alles war, würdest du dann bitte gehen, Martha? Wir haben hier Wichtigeres zu tun.« Er zieht jedes einzelne Wort in die Länge und spricht, ohne mich anzuschauen.

Ich könnte kotzen. Wenn sie jemanden brauchen, der sich mit Heilpflanzen auskennt, kann ich nicht schnell genug da sein! Ansonsten bin ich ihnen lästig.

»Oh, da bin ich gespannt. Einen Mülltransporter überfallen? Feine Rebellion, die du hier anzettelst. Alle Macht dem Müll!« Ich schreie ihn an, ohne es zu wollen, und spüre die Blicke der Anwesenden.

Mein Herz rast unregelmäßig in meiner Brust. Ich will ja, dass ihre Rebellion gelingt, aber sie geht mir zu langsam! Die Leute machen hier nichts, außer zu reden und zu reden.

Bis sie etwas bewegen, bin ich weit über sechzehn und das bedeutet …

Abels Stimme donnert durch den Raum. »Du willst mir vorwerfen, dass ich handle und Möglichkeiten suche, uns aus dieser Zone zu bringen? Du willst mir vorwerfen, dass ich die wenigen Mittel die wir haben, benutze, um uns voranzubringen?«

Wie immer sind seine Worte aufgeblasen, aber leer.

»Ich werfe dir vor, nur zu reden und nicht zu handeln! Unsere Zeit mit sinnlosem Plündern zu verschwenden, um dich daran zu bereichern!«

Ein Stöhnen geht durch die mageren Reihen.

Wie ich sie verabscheue. Sie sind doch nur hier, weil es hier sicher ist. Weil sie hoffen, dass ihnen jemand Essen abgibt.

»Du weißt, wo die Tür ist, Martha. Niemand hat dich eingeladen. Du siehst nur, was du sehen willst und nicht das große Ganze.« Abel wendet sich den anderen zu.

»Ich sehe, dass du bisher nichts durch die Welle gebracht hast. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.« Mit diesen Worten setze ich mich provokativ neben Isaak.

Abel schüttelt den Kopf, lässt mich jedoch in Ruhe.

Ich knacke meine Fingergelenke. Dem habe ich es gezeigt!

»Es geht auf den Winter zu. Die neuen Datenrechner werden verteilt und die alten weggeschmissen.

---ENDE DER LESEPROBE---