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»Über Mathematik sprechen und sie lesbar und erlebbar machen!« Unter diesem Motto erzählen Hans-Peter Zerlauth und Johannes Barton Geschichten, in denen Grenzwert, Steigung, Baumdiagramm, Rekursion, Ereignis & Co. die Hauptdarsteller sind. Diese Erzählungen streifen durch die mathematischen Gefilde der Folgen und Reihen, der Stochastik sowie der Differenzial- und Integralrechnung. Die »Mathematischen Erzählungen« richten sich an all jene, die an der Mathematik interessiert sind und Lust haben, einmal einen etwas anderen Blick auf mathematisch Bekanntes zu werfen. Zum Weiterlesen lädt die von Johannes Barton betreute Seite www.zbmathematik.at ein. Ein Band zu Zahlen, Vektoren und Funktionen ist unter dem Titel »Mathematik quergedacht« im Braumüller Verlag erschienen (ISBN 978-3-99100-013-6).
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Seitenzahl: 292
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Vorwort
Das Tagebuch
Schriftschnitt
Schriftart
Schritt für Schritt
Die Prognose
Wer ist stärker?
Der Brückenschlag
Umkehrwachstum
Grenzen erzwingen?
Ein neuer Job
Die Investition
Bitte der Reihe nach!
Der Tausch
Schnitt für Schnitt
Ein kurzer Blick zurück
Das Netz
Die Rückmeldung
Wohnungssuche
Jeder Fünfte schummelt?
Das Wesen der Bäume
No sports
Vorsorgeuntersuchung
Wie wird das Wetter?
Die Pferdewette
Die Sicherheit in unserer Stadt
Die Bedeutung der Bedingung
Ein stockdunkler Raum
Ein kurzer Blick zurück
Das Foto
Punktgenau
Die Satellitenschüssel
Rüstzeug
Das Versteck
Kurvenfahrt
Dumm gelaufen
Der Reiz und die Empfindung
Haben und Wollen
Nachgefragt
Ein kurzer Blick zurück
Die Waage
Vier Wände
Temperatur
Warum Flächen?
Immer mehr – oder doch nicht?
Es schneit!
Was ist Fläche?
Wie lange noch?
Ausgefallen
Berechnend
Die kalte Reserve
Ein kurzer Blick zurück
Index
Der letzte Gedanke
Es soll nicht genügen, dass man Schritte tue, die einst zum Ziele führen, sondern jeder Schritt soll Ziel sein und als Schritt gelten.
Johann Wolfgang von Goethe
Kein Zitat kann die letzten Jahre, in denen wir uns mit dem Projekt »Lesbare Mathematik« beschäftigt haben, besser beschreiben.
Welcher Gedanke bewegte uns, ein mathematisches Lesebuch zu schreiben? Damals waren wir – so wie auch heute noch – mit der Entwicklung in der Schulmathematik und der sturen Rechnerei unzufrieden. Uns ging es, und geht es noch immer, um mehr. Wir wollen »über die Sache sprechen«.
Wenn wir über mathematische Begriffe reden, sollen Bilder entstehen – die sehr oft im gleichen Atemzug durch eine andere Sichtweise relativiert oder kritisch hinterfragt werden dürfen, denn die Anschauung ist ein Konstrukt unseres Blickes, unserer Erfahrungen, Empfindungen und Gefühle, und die Mathematik scheint kein Gefühl zu besitzen. Ähnlich denkt man wohl auch über Mathematiker.
Prinzipiell ist es aber umgekehrt: Wenn wir als Mathematiker Begriffe untersuchen, so treten diese in die Realität ein und erzeugen Emotionen. Ein Beispiel soll das veranschaulichen. Der Begriff »Sterblichkeitsraten« wird von Versicherungen verwendet, um Prämien zu berechnen und von Banken eingesetzt, wenn es um die Vergabe von Krediten geht. Es ist kein gutes Gefühl zu hören »Sie sind zu alt für einen Kredit!«, auch wenn das meist höflicher formuliert wird und wir – scheinbar zufrieden – mit einer Ablebensversicherung das Gebäude verlassen.
In ähnlicher Form argumentieren wir in diesem Buch, und das ist auch im Wesentlichen unsere Grundidee, die am Heurigentisch vor gut 10 Jahren entwickelt wurde und mit den Zeilen »Betrachten wir den Lauf des Lebens, so fragen wir uns oft …« begann.
Unseren ersten Schritt zur Verwirklichung dieser Grundidee setzten wir 2010 mithilfe des Verlages Braumüller im Buch »Mathematik quergedacht« (ISBN 978-399100-013-6), das die folgenden Kapitel behandelte:
Das Fundament (Natürliche Zahlen)
Der Automat (Funktionen)
Die Zelle (Vektorräume)
Das Kaleidoskop
So wie sich die Schulmathematik in Richtung Standards entwickelte, hat auch im Verlagswesen eine Wende stattgefunden, und wir haben uns nach Rücksprache mit dem Braumüller Verlag entschlossen, den zweiten Band im Eigenverlag herauszugeben, um unser Ziel – den gesamten österreichischen Oberstufenlehrstoff lesbar zu machen und mit Bildern zu veranschaulichen – zu verwirklichen.
Der zweite Teil unseres Projektes ist nun fertig und behandelt die noch offenen Kapitel:
Das Tagebuch (Folgen und Reihen)
Das Netz (Stochastik)
Das Foto (Differenzialrechnung)
Die Waage (Integralrechnung)
Wir bleiben also auch im zweiten Buch unserem Motto treu und haben zu den für uns grundlegenden mathematischen Begriffen wieder Geschichten verfasst, die wir besprechen und berechnen.
Wie auch in »Mathematik quergedacht« haben wir unsere Kapitel in Abschnitte unterteilt, wobei der erste Abschnitt stets unsere Grundgedanken zu diesem Kapitel behandelt und der letzte die Gedanken der einzelnen Abschnitte wiederholt und zusammenfasst.
Dass wir mit Bildern arbeitenn erkennt man schon an unseren Abschnittsüberschriften, und insgesamt ist der zugrunde liegende mathematische Gedanke nicht sofort ersichtlich. Das ist bewusst so gewählt, denn im Erlernen der Mathematik geht es vielen ähnlich: trotz klarer mathematischer Darstellung dringt der Lernende bisweilen nur schrittweise zum Kern der Sache vor.
In den Randspalten finden sich Anregungen oder fett gedruckte Begriffe, die gewissermaßen als Stichworte dienen und Querverbindungen herstellen.
Wir wünschen nun viel Spaß mit der Lektüre und bedanken uns bei allen Variablen, Parametern und Symbolen, die unser Buch stützen, und bei Frau R.
Hans-Peter Zerlauth, Johannes Barton Manhartsbrunn, Wien, 2015
Es soll nicht genügen, dass man Schritte tue, die einst zum Ziele führen, sondern jeder Schritt soll Ziel sein und als Ziel gelten.
Johann Wolfgang von Goethe
»Hast du ein Tagebuch?«
Wir haben die Ereignisse unseres bewegten Lebens in einem Tagebuch verewigt und dieses liegt aufgeschlagen vor uns. Beim Durchblättern stellen wir uns drei Fragen:
1. War und ist unser Lebensweg zu jedem zukünftigen Zeitpunkt voraussagbar? Sprich: Wir geben ein Datum an und erfahren, dass zu diesem Zeitpunkt die folgenden Zeilen verfasst werden.
2. Hat sich unser Lebensweg aufgrund unserer momentanen Entscheidungen immer wieder in eine neue Richtung entwickelt? Sprich: Weil wir bei einem Gespräch ermuntert werden über ein Tagebuch zu schreiben, entschließen wir uns spontan diese Zeilen zu schreiben.
3. War unser Leben eine Mischung aus 1. und 2.? Sprich: Wir geben ein Datum an und wissen, dass zu diesem Zeitpunkt ein Gespräch stattfindet, und daraufhin entschließen wir uns spontan ein paar Zeilen zu schreiben.
Aus dem Bauch heraus wünschen wir uns manchmal 1., manchmal 2. und vermuten vielleicht, dass es 3. ist. Beim Durchblättern des Tagebuches stellen wir allerdings fest, dass eines ganz bestimmt richtig ist: Es geht stetig voran!
Seite für Seite, Tag für Tag, Ereignis für Ereignis …
Der Lauf der Zeit hat eine Richtung, und es ist uns nicht möglich, Vergangenes zu beeinflussen, auch wenn wir uns das manchmal wünschen. Es gelingt uns auch nicht jünger zu werden. Im Gegenteil, wir altern!
Wenn du dich nun fragst, was dies alles mit Mathematik zu tun hat, sieh dir unser Tagebuch doch noch etwas näher an. Wir brauchen das Gesagte nur geringfügig zu vereinfachen, und schon können wir daraus ein höchst spannendes Teilgebiet der Mathematik entwickeln. Wir müssen uns nur von den persönlichen Erlebnissen trennen und die wesentlichen Gedanken mithilfe der Symbolsprache und einiger neuer Begriffe beschreiben. Filtern wir also auf den nächsten Seiten die Grundgedanken aus dem eben Gesagten heraus.
Reihenfolge und Richtung: Sie sind in unserem Tagebuch durch die aufeinanderfolgenden Einträge und in der Mathematik durch die Ordnung der natürlichen Zahlen gegeben:
0, 1, 2, 3, …
Erlebnisse und Einträge: Die Einträge in unserem Tagebuch erfolgten in eindeutiger Weise. Am 10. des Monats um 18.45 Uhr ist eben nicht das Eine und zur gleichen Zeit das Andere passiert. Unser Leben ist somit eindeutig! Diese Eindeutigkeit wird auch vom Funktionsbegriff gefordert.
Wir können also den Funktionsbegriff verwenden und benützen dabei für jeden Zeitschritt die natürlichen Zahlen als Definitionsmenge. Wir fordern bei dieser speziellen Funktion allerdings auch die Einhaltung einer Reihenfolge oder Abfolge unserer Funktionswerte. Solch eine Funktion bezeichnen wir zukünftig als Folge.
Grafisch ist diese Reihenfolge im Koordinatensystem stets zu beachten und in einer »sortierten« Tabelle würde dies wie folgt aussehen, wenn wir die Ereignisse, die wir zukünftig als Folgeglieder bezeichnen, als xn anschreiben:
Da wir bei Folgen immer die Ordnung der natürlichen Zahlen verwenden werden, liegt es nahe eine Kurzschreibweise einzuführen und auf die Tabellenform in manchen Fällen zu verzichten. Wir schreiben die Folgeglieder einfach der Reihe nach von links nach rechts in Zeilenform an. Die Kurzschreibweise unseres mathematischen Tagebuchs sieht daher wie folgt aus:
Hierbei bezeichnet x3 das vierte Ereignis in unserer Reihenfolge. Das ist manchmal etwas unpraktisch. Viel besser wäre es, wenn sich an der dritten Stelle auch das dritte Ereignis befände. Das erreichen wir, wenn die Ordnung nicht bei 0, sondern bei 1 beginnt:
Beide Schreibweisen sind üblich. Die Folge der Primzahlen sieht zum Beispiel so aus:
Du kannst es dir nun aussuchen, ob das erste Folgeglied, in unserem Beispiel die erste Primzahl, nämlich 2 – übrigens die einzig gerade Primzahl –, mit x0 oder x1 bezeichnet wird. Die skizzierte Kurzschreibweise nennen wir zukünftig die aufzählende Darstellung einer Folge.
Bezüglich der Anzahl von Folgegliedern geben wir keine Einschränkung. Folgen können unendlich oder endlich viele Folgeglieder haben.
Woher aber kommen Folgeglieder? Können wir sie erzeugen? Diese spannenden Fragen wollen wir uns gleich etwas genauer ansehen!
Wir können zwei häufig verwendete Bildungsvorschriften und eine Mischform angeben, analog zu den drei Fragen zu Beginn dieses Kapitels. Für den 24. Dezember lesen wir in unserem Tagebuch:
1. »Heute habe ich jede Menge Weihnachtsgeschenke ausgepackt!«
Dieser Eintrag wird offensichtlich durch ein Datum (Position im Lauf der Zeit) bestimmt und die mathematische Beschreibung eines Folgegliedes in Abhängigkeit von der Position wird, wenn überhaupt möglich, mittels Funktionsgleichung geschehen:
Dies werden wir zukünftig die explizite Darstellung einer Folge nennen.
Mit dem Funktionsterm, der bei Folgen auch Bildungsgesetz genannt wird, können wir die Folgeglieder an jeder beliebigen Stelle (zu jedem beliebigen Datum) n sofort bestimmen. Zum Beispiel erzeugen wir mit dem Bildungsgesetz
eine Folge der Stammbrüche: 1/1, 1/2, 1/3 …, und an der Stelle 97 steht 1/97.
Grafisch können wir uns das wie folgt vorstellen, wenn das Rechteck das Bildungsgesetz (die Funktion) symbolisiert:
Im Bildungsgesetz steckt also die gesamte Information der Folge zu beliebigen Zeitpunkten, und damit ist unsere Einstiegsfrage 1, »War und ist unser Lebensweg zu jedem zukünftigen Zeitpunkt voraussagbar?«, zu bejahen.
Für Frage 2 werden wir ebenfalls eine Funktionsgleichung, aber mit veränderter Definitionsmenge, verwenden. Etliche Seiten später finden wir für den 3. März in unserem Tagebuch die folgende Episode:
2. »Heute, habe ich wesentlich mehr Zahnbürsten verkauft als gestern, weil ich den Anfängerfehler von gestern vermieden habe!«
Jetzt wüssten wir gerne, was denn gestern so passiert ist, und werden wohl neugierig auf die Seite davor schielen. Der Lauf des Lebens ergibt sich damit in Abhängigkeit von den vorangegangenen Ereignissen.
Wie lässt sich nun ein Ereignis bzw. ein Funktionswert unter Berücksichtigung des vorangegangenen Ereignisses mathematisch beschreiben? Die gestellte Frage liefert zugleich die Antwort: Die erzeugten Funktionswerte ergeben die Elemente der Definitionsmenge. Sehen wir uns das etwas genauer an:
a) Unser Tagebuch hat einen ersten Eintrag. Irgendwo oder irgendwann müssen wir wohl auch bei unserer Folge beginnen. Daher werden wir das erste Folgeglied und damit die Folge zum Leben erwecken. Wir bezeichnen diesen allerersten Eintrag (der Index 0 ist die Geburtsstunde und x0 das Geburtsereignis) als Startwertx0 und setzen ihn an die Stelle 0. Es kann auch mehrere Startwerte geben. Das ändert aber nichts am weiteren Geschehen.
b) Der Startwert wird als Argument in eine von uns gewählte Funktionsgleichung eingesetzt und wir erhalten das zweite Folgeglied, welches wir mit x1 bezeichnen. Im nächsten Schritt wird unsere Funktion mit x1 »gefüttert« und wir erhalten x2 , nun ist x2 das »Futter« und wir erhalten x3… Wir erzeugen einen Kreislauf, der sich nach einmaliger Zündung selbstständig vorantreibt. Die Definitionsmenge zur Erzeugung der Folgeglieder ist nun nicht die Menge der natürlichen Zahlen, sondern die Menge der Funktionswerte inklusive Startwert.
Durch das schrittweise Einsetzen der Funktionswerte erhalten wir die von uns geforderte Reihenfolge! Der Index gibt sozusagen an, wie oft wir bereits Funktionswerte eingesetzt haben.
Wir schreiben das wie folgt an:
Dies werden wir zukünftig die rekursive Darstellung einer Folge nennen.
Mit ihrer Hilfe können wir allerdings erst nach dem Ablauf von n Berechnungen (Ereignissen) an jeder beliebigen Stelle n das nächste Folgeglied (Ereignis) bestimmen. Unsere Tagebucheinträge ergeben sich als Folge momentaner Entscheidungen.
Zum Beispiel erzeugt:
die periodische Folge:
Grafisch können wir das eben Gesagte so darstellen:
Auch den zweiten Einstiegsgedanken, »Hat sich unser Lebensweg aufgrund unserer momentanen Entscheidungen immer wieder in eine neue Richtung entwickelt?«, bestätigen wir also, und wir schließen mit der Mischung aus 1. und 2.
Eine Mischung aus rekursiver und expliziter Darstellung haben wir im nachfolgenden Beispiel angeschrieben. Der Ausdruck beschreibt die Fakultät einer Zahl, wenn wir bei x0 starten:
Mit dem Fakultätssymbol angeschrieben
erkennen wir schön den Zusammenhang zum Index und zum 3. Gedanken in der Einleitung: »War unser Leben eine Mischung aus 1. und 2.?«
Es stellt sich die Frage, ob eine rekursive Darstellung auch explizit angeschrieben werden kann, und umgekehrt, ob der Lauf des Lebens sowohl explizit als auch rekursiv beschrieben werden kann.
Speziell für Folgen gilt der von Aristoteles formulierte Gedanke:
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!
Versuchen wir das in der Einleitung Gehörte zu vertiefen, so werden wir den Funktionsbegriff als Hilfsmittel verwenden. Wir müssen lediglich die Reihenfolge einhalten und uns der natürlichen Zahlen als Definitionsmenge bei der expliziten Darstellung bedienen. Die identische Funktion soll unser Versuchskaninchen sein:
WISSENS –
Die aufzählende Form entspricht einem herkömmlichen Tagebuch.
– WERT
Untersuchen wir diese Funktion unter dem Aspekt »Folge«:
1. Wir beschreiben die Folge in Worten mit: Der Index (die Position) und das Folgeglied haben denselben Wert, sind ein und dasselbe.
2. Wir schreiben die Folgeglieder geordnet auf und verwenden die Kurzschreibweise der Tabellendarstellung:
3. Wir verwenden das Bildungsgesetz. Zur Darstellung der Funktionsgleichung verwenden wir eine neue Schreibweise. Ein Bildungsgesetz setzt üblicherweise den Buchstaben n als unabhängige Variable. Dieses n erinnert an die Definitionsmenge der natürlichen Zahlen und den Index, der die Position angibt. Das Folgeglied xn entspricht dem Funktionswert und zeigt mithilfe der Indexschreibweise die Position an.
4. Wir stellen die Funktion grafisch dar. Wir zeichnen die Folgeglieder als einzelne Punkte ein und werden diese zur optischen Unterstützung auch ab und zu verbinden.
5. Wir verwenden die Rekursion. Das ist ein neuer Aspekt, den wir etwas genauer beleuchten. Betrachten wir die Folgeglieder, so können wir die rekursive Darstellung direkt ablesen. Wir dürfen unseren Blick allerdings nicht auf die Position lenken, sondern schauen von einem Folgeglied zum nächsten.
UNTERSUCHENS –
Die Folgeglieder einer explizit oder durch Rekursion beschriebenen Folge lassen sich mittels Iteration berechnen!
– WERT
Wie entsteht ein Folgeglied aus seinem Vorgänger? Der Nachfolger entsteht durch Addition von 1! Das müssen wir nur niederschreiben:
Da es zu jeder Rekursion eine aufzählende Darstellung gibt, können wir diese jederzeit grafisch, wie oben gezeigt, darstellen. Speziell für Rekursionen kann mit einer anderen grafischen Variante die Dynamik der Folge vermittelt werden. Zu diesem Zweck zeichnen wir ein Koordinatensystem, bei dem die Achsen horizontal mit xn und vertikal mit xn+ 1 beschriftet werden. Weiters benötigen wir zur Unterstützung zwei Funktionen, die von uns gleich beschrieben und im herkömmlichen Sinne eingezeichnet werden.
BEACHTENS –
Wir haben unseren Blickwinkel geändert! Die dargestellte Funktion ist eine Parallele zur identischen Funktion, stellt sie aber rekursiv dar!
– WERT
a) Wir zeichnen stets die identische Funktion ein. Sie führt uns von Folgeglied zu Folgeglied. Zufälligerweise ist sie in unserem Beispiel auch Objekt der Betrachtung.
UNTERSUCHENS –
– WERT
Wir kennen nun die unterschiedlichen Darstellungsformen von Folgen und den Zusammenhang zum Funktionsbegriff. Im nächsten Abschnitt werden wir uns Beispiele für Folgen ansehen, über ihren Ursprung sprechen und dabei die Reihe entdecken.
WISSENS –
Folgen, bei denen nur endlich viele Glieder angegeben sind, können beliebig fortgesetzt werden, wenn das Geheimnis der Entstehung nicht verraten wird.
– WERT
Wie wird diese Zahlenfolge fortgesetzt? Was beschreibt diese Folge? Zwei Möglichkeiten wären:
2. Eine binäre Botschaft an Außerirdische, die soeben ausgesendet wurde.
Konstante Folge
Die Zeichenfolge hätte auch
lauten können. Wir nennen dies unter Menschen »stur«, für die Außerirdischen bedeutet es so viel wie »Die wissen nichts!« und in der Mathematik sprechen wir von einer konstanten Folge. Dieses Beispiel zeigt auch den Unterschied zur Mengenschreibweise auf:
Bei einer Folge kann ein Element durchaus mehrmals vorkommen, da es ja einen Platz zugewiesen bekommt. Jedes Folgeglied hat sozusagen ein »Mascherl«, auch wenn es nach außen hin gleich aussieht. Als Element einer Menge kommt die Null nur ein Mal vor.
Welche Zahl können wir beim nächsten Beispiel für das Fragezeichen einsetzen?
Wenn wir bei der Lottoziehung am so und so vielten die 45 gewählt hätten, hätten wir bei dieser Lottoziehung 6 Richtige gehabt. Wir nennen das eine Folge von Zufallszahlen, und wer würde nicht gerne das Bildungsgesetz für die Lottoziehung kennen?!
Zufallszahlen
Noch eine Folge, deren Bildungsgesetz wir nicht kennen:
Zeitreihe
Die Folge beschreibt die Anzahl der Rinder mit Stichtag 1. Dezember. Der Index steht für diesen Stichtag während der letzten fünf Jahre. So etwas nennen wir eine Zeitreihe, weil der Index den Zeitpunkt und die Differenz der Indizes somit die Zeitdauer angibt. Für die Zeitspanne wird auch sehr oft das Symbol
Reihe
verwendet. Sehr begehrte Zeitreihen sind Aktienkurse. Viele Menschen glauben, dass sie die Entwicklung der Kurse aus den Grafiken dieser Zeitreihen ablesen können.
Harmonische Folge
Als Mathematiker machen wir uns bewusst, dass der Begriff Reihe im Reich der Folgen eine spezielle Bedeutung hat und mit dem Wort Reihe in Zeitreihe in keinem Zusammenhang steht. Wie sieht eine echte mathematische Reihe aus? – Wir zeigen das anhand der harmonischen Folge, deren explizite Beschreibung wir in der Einleitung kennengelernt haben:
Folge der Teilsummen = Reihe
Unter einer Reihe verstehen wir die Folge der Teilsummen der zugehörigen Folge. Wir schreiben die ersten drei Teilsummen für obige Folge an:
Harmonische Reihe
Die zugehörige Folge der Teilsummen nennen wir harmonische Reihe, obwohl es wiederum eine Folge von Zahlen ist, und diese hat folgendes Aussehen:
Wir halten uns mit diesen beiden Folgen (harmonische Folge und harmonische Reihe) zwei weitere Aspekte vor Augen.
1. Das Bildungsgesetz für die harmonische Folge lautet wohl
Blicken wir in die zukünftige Entwicklung von xn, so können wir annehmen, dass für sehr großes n die Zahl 0 wohl immer besser angenähert wird. Es ist eine Frage der gewünschten Genauigkeit. Der Taschenrechner liefert das sehr rasch, wenn wir ihn mit den Indizes füttern. Wir werden uns mit dieser Beobachtung noch intensiver auseinandersetzen und Folgen, die unaufhörlich gegen null wandern, Nullfolgen nennen!
Nullfolge
2. Was bedeutet die erste Beobachtung für die harmonische Reihe? – Stellen wir uns ein großes Gefäß vor, in welches wir einen Liter Wasser füllen, im nächsten Schritt 0.5 Liter usw. Wird dieses Gefäß jemals voll werden, wenn wir die Flüssigkeitsmengen nach den Gesetzmäßigkeiten der harmonischen Folge stetig hinzugeben? Wir können zeigen, dass dieses Gefäß immer überlaufen wird, egal wie groß wir dieses zu Beginn gewählt haben! Wir könnten aber eine neue Folge und ihre zugehörige Reihe konstruieren, indem wir einen Liter hinzugeben, einen halben Liter wegnehmen usw. Für diese Reihe können wir ein Gefäß finden, das nicht übergeht. Wie groß dieses Gefäß ist? Genau mit diesen Fragen werden wir uns in »Bitte der Reihe nach!« [S. →] beschäftigen.
Obiges Vorstellungsvermögen ist manchmal sehr hilfreich bei der Untersuchung von Folgen, soll uns aber nicht in die Irre führen.
Abschließen wollen wir mit einer Abfolge von Glockenschlägen:
»The 6/8 bell«
Die Kreuze stellen den Glockenschlag und die Punkte eine Pause dar. Eine zyklische Wiederholung dieses Musters erzeugt eine unendliche, periodische Folge.
In diesem Abschnitt werden wir eine Folge zur Berechnung von Quadratwurzeln möglichst anschaulich konstruieren und ihre Eigenschaften analysieren. Dabei werden wir einige für die Mathematik wesentliche Gedanken kennenlernen. Bei Quadratwurzeln handelt es sich zumeist um irrationale Zahlen, sodass wir sie nur näherungsweise bestimmen können. Um konkret zu bleiben: Wir überlegen uns eine rekursive Berechnungsvorschrift für folgenden Ausdruck:
NACHDENKENS –
Welche geometrische Vorstellung verwendest du, damit die dritte Wurzel aus einer Zahl mittels Folge berechnet werden kann?
– WERT
Dabei wird uns nun der folgende Grundgedanke leiten: können wir uns als die Seitenlänge eines Quadrates mit dem Flächeninhalt 3 vorstellen. Diesem Quadrat wollen wir uns Schritt für Schritt durch flächengleiche Rechtecke annähern. Die eine Seite des n-ten Rechtecks bezeichnen wir mit xn. Damit wir dem Flächeninhalt 3 gerecht werden, muss die andere Seite die Länge 3 /xn besitzen. Eine Seitenlänge ist größer und eine kleiner als die gesuchte Wurzel. Unserem gewünschten Resultat »Wurzel aus Drei« nähern wir uns, wenn wir für das nächste Rechteck, eine Seitenlänge xn+ 1 wählen, die zwischen den Werten xn und 3 /xn liegt. Dies erreichen wir am einfachsten durch die Bestimmung des arithmetischen Mittelwerts.
ermöglicht. Um das zu verdeutlichen, schreiben wir die ersten Folgeglieder, so wie sie der Taschenrechner liefert, an.
Anhand dieser Tabelle können wir sagen, dass sich die Folge dem gesuchten Wert annähert, sodass wir die »Wurzel aus Drei« als Grenzwert der Folge bezeichnen werden. Was heißt das aber für die praktische Berechnung? Dazu müssen wir den Begriff »Annäherung an einen Grenzwert« präzisieren. Wir geben uns eine gewisse Genauigkeit vor, sagen wir zwei signifikante Stellen, und können behaupten, dass für alle Indizes n ≥ 3 diese Genauigkeit erreicht ist. Benötigen wir eine genauere Angabe, beispielsweise sechs signifikante Stellen, dann finden wir diese Genauigkeit für alle n ≥ 5 gegeben. Jetzt wird klar, was wir unter einer »Annäherung an einen Grenzwert« verstehen wollen: Für jede beliebige Genauigkeit lässt sich ein Index angeben, ab dem sich die Folgeglieder innerhalb dieser vorgegebenen Genauigkeit nicht mehr ändern.
Nun haben wir es in der Mathematik nicht nur mit Dezimalzahlen zu tun, sodass wir für eine allgemeine Definition nicht den Begriff der »signifikanten Stellen« verwenden sollten. Vielmehr wollen wir die Genauigkeit durch ein offenes Intervall, also durch Fehlergrenzen, angeben. Die offizielle Definition, die wir daraus ableiten können, lautet:
Eine Folge xn konvergiert gegen einen Grenzwert x, wenn für alle > 0 ein Index N existiert, sodass für alle n > N die Ungleichung
gilt. Eine häufig verwendete Schreibweise mit gleicher Bedeutung ist die folgende:
Konvergente Folge
Die Abkürzung »lim« steht für das lateinische Wort »limes«. Anhand dieser Definition erkennen wir auch, dass die Existenz eines Grenzwertes gleichbedeutend mit der Eindeutigkeit dieses Wertes ist. Wir sprechen dann kurz von einer konvergenten Folge. Alle anderen Folgen werden divergent genannt.
Divergente Folge
Bleiben wir noch bei der Folge, welche uns die Berechnung von Quadratwurzeln gestattet. Zwar ist die berechnete Tabelle ein Indiz für die Konvergenz der Folge, aber leider noch kein Beweis. Die analytische Diskussion der Frage, ob die Folge wirklich einem Grenzwert zustrebt, beruht auf einer wichtigen Beziehung zwischen dem arithmetischen und dem geometrischen Mittelwert zweier Zahlen, die wir vorbereitend untersuchen wollen.
Geometrisches Mittel
Beachtens –
Wir verknüpfen bei dieser Interpretation Geometrie und Rechnung. Das kann auch in die Irre führen.
– WERT
Bevor wir diese Ungleichung beweisen, geben wir noch eine kurze geometrische Interpretation zur linken und rechten Seite dieser Ungleichung. Der Radikand in der linken Seite kann als Flächeninhalt eines Rechtecks mit den Seitenlängen a und b betrachtet werden. Die Wurzel aus diesem Produkt beschreibt die Seitenlänge eines flächengleichen Quadrates. Die rechte Seite wiederum kann als mittlere Streckenlänge der beiden Rechtecksseiten angesehen werden. Wir vergleichen also durch Wurzelziehen und Addieren zwei Streckenlängen. Die Ungleichung behauptet, dass der Mittelwert der Streckenlängen stets größer ist, wenn die Strecken nicht gleich lang sind.
Hier nun der strenge arithmetische Beweis dieser Behauptung. Wir quadrieren beide Seiten und multiplizieren sie anschließend mit 4. Es ergibt sich:
Ausmultiplizieren der rechten Seite und anschließende Subtraktion von 4·a·b führt wiederum auf eine quadratische Form und somit auf die wahre Aussage, dass eine Quadratzahl stets größer gleich null ist:
NACHDENKENS –
Wir wollen betonen, dass divergente Folgen nicht die »schlechten« sind, vielmehr sind sie die »freien« oder »ungezwungenen« Folgen, da sie keinem Grenzwert zustreben.
– WERT
Wenden wir die arithmetisch-geometrische Ungleichung auf die rekursive Definition unserer Folge an, dann finden wir:
Alle Folgeglieder unserer Rekursion sind also größer gleich Das bedeutet, dass die Folge nach unten beschränkt ist. Die Folge ist aber auch monoton fallend, denn aus
WISSENS –
– WERT
Das wiederum bedeutet, dass die eine Seitenlänge (xn) nicht kleiner als die andere Seitenlänge (3/xn) unseres Rechtecks ist. Der Mittelwert aus beiden, der in unserer Rekursion xn+ 1 heißt und zwischen diesen beiden Seitenlängen zu liegen kommt, ist daher sicher nicht größer als xn. Das bedeutet also für alle Folgeglieder:
Grenzwert
Daraus lässt sich der Grenzwert berechnen.
UNTERSUCHENS –
Was könnte man unter
Konvergenzgeschwindigkeit
verstehen?
– WERT
Wir wollen diesen Abschnitt mit einer Grafik zur letzten Gleichung beenden. In dieser Grafik befindet sich die identische Funktion. Sie repräsentiert die linke Seite der Gleichung. Die rechte Seite wird ebenfalls dargestellt. Der Grenzwert kann als Schnittpunkt der beiden Graphen gesehen werden. Es bleibt dem Betrachter vorbehalten sich innerhalb dieser Grafik rekursiv dem Schnittpunkt zu nähern. Man entwickelt sehr rasch ein Gefühl für die Tatsache, dass der Grenzwert unabhängig vom Startwert ist. In unserer Grafik wurden die ersten Schritte auf dem Rekursionsweg für den Startwert 3 eingezeichnet.
ERINNERNS –
Absoluter Fehler Relativer Fehler
– WERT
Eine Firma hat im letzten Jahr ihren Ertrag von einer Million Euro auf zwei Millionen gesteigert. Der Abteilungsleiter präsentiert dieses Ergebnis mit den Worten: »Wir haben unseren Ertrag um eine Million erhöht, also einen absoluten Zuwachs von einer Million erzielt!« Der Geschäftsführer, ein optimistischer Mensch, ist mit dieser Aussage nicht ganz einverstanden und korrigiert auf: »Wir haben unseren Ertrag im letzten Jahr verdoppelt, also einen relativen Zuwachs von 100% erzielt!« Obwohl beide Aussagen richtig sind, implizieren sie unterschiedliche Prognosen, welche sich durch die beiden Folgen
beschreiben lassen.
UNTERSUCHENS –
Anwendung und Konstruktion des
arithmetischen, geometrischen, harmonischen
Mittels!
– WERT
Die erste Folge hat die charakteristische Eigenschaft, dass die Differenz d zweier Nachbarn stets gleich bleibt. Ihr allgemeines Glied können wir daher rekursiv oder explizit ausdrücken:
Die charakteristische Eigenschaft der zweiten Folge ist dagegen der konstante Quotient q zweier Nachbarn. Daher lauten die beiden Darstellungsformen:
An dieser Stelle wollen wir anmerken, dass bei Kenntnis zweier Folgeglieder die obigen Folgen vernünftigerweise nur durch Differenz- oder Verhältnisbildung fortgesetzt werden können. Dies ist auch schon die Begründung für die Wichtigkeit dieser beiden Folgen.
Wenn wir uns die expliziten Darstellungen genauer ansehen, dann erkennen wir, dass die erste wie eine lineare Funktion, mit n als unabhängiger Variable, aufgebaut ist. Bei der zweiten Folge steht n im Exponenten, sodass wir die entsprechende Funktion Exponentialfunktion nennen könnten.
In der nachfolgenden Grafik sind beide Folgen dargestellt. Zur besseren Unterscheidung sind die einzelnen Folgeglieder »passend« verbunden.
WISSENS –
Das Finden von geeigneten Zwischenwerten wird
Interpolieren
genannt.
Bei Werten außerhalb des gegebenen Intervalls spricht man vom
Extrapolieren.
– WERT
In Wahrheit beruht die Namensgebung dieser beiden Folgen auf einer anderen wichtigen Eigenschaft, welche wir anhand unseres Beispiels darstellen wollen.
Diese unterschiedliche Mittelwertbildung gibt den oben beschriebenen Folgen ihren Namen: Die Zahlen an bilden demnach eine arithmetische Folge und die Zahlen gn eine geometrische Folge.
Arithmetische Folge
Geometrische Folge
Nachdem auch der hinzugezogene Wirtschaftsprüfer keinen Kompromiss zwischen den beiden Prognosen zustande bringt, versucht der Eigentümer der Firma in berechnender Art zu vermitteln: »Wir sind uns alle einig, dass im vergangenen Jahr ein Zuwachs von 100 % erreicht wurde. Nehmen wir für ein halbes Jahr einen Zuwachs von 50 % an, dann entspricht diese Annahme eher einem arithmetischen Mittelwert und daher den Vorstellungen des Abteilungsleiters. Um auch den Vorstellungen des Geschäftsführers zu entsprechen, wollen wir diesen Zuwachs zu den vorhandenen 100 % dazuschlagen und danach mit einer geometrischen Folge weiterrechnen.«
Mit diesen Worten sind nun – wer mag schon dem Chef widersprechen – alle einverstanden. Für das kommende Jahr ergibt sich bei diesem halbjährlichen Zuwachs eine Ertragssteigerung auf:
WISSENS –
Zuwachs um … Steigerung auf…
– WERT
Das entspricht einem relativen Zuwachs von 125 %, was doch beträchtlich mehr ist als die eingangs erwähnten 100 %. Dieser als Kompromiss getarnte Vorschlag setzt die Mitarbeiter enorm unter Druck. Da sie ihm aber zugestimmt haben, versucht der Eigentümer seine Vorstellungen weiter auszureizen: »Mir scheint es etwas unrealistisch, dass ein halbes Jahr lang nichts passiert und dann plötzlich ein Zuwachs stattfinden soll. Viel sinnvoller finde ich es, wenn wir das Jahr in 12 Monate einteilen, sodass unsere Prognosefolge für ein Jahr aus 12 Gliedern besteht. Dann würden wir allerdings mit einem monatlichen Zuwachs von 1/12 rechnen.« Zähneknirschend müssen die Mitarbeiter auch diesem plausiblen Gedanken zustimmen.
Sie errechnen also bei monatlichem Zuwachs die Ertragssteigerung für das kommende Jahr zu
Natürlich lässt sich dieses Spielchen auch auf wöchentlichen, täglichen usw. Zuwachs ausdehnen. Der Eigentümer will also die Ertragssteigerung für das nächste Jahr mithilfe der Folge
berechnen. Dabei strebt er möglichst kurze Zeitintervalle an, in denen der Zuwachs erfolgen soll. Das heißt also, dass er an möglichst großen Zahlen k interessiert ist. Ob es dem Eigentümer gelingt, mithilfe obiger Folge die Ertragsprognosen immer mehr zu steigern, soll unter anderem der nächste Abschnitt klären.
Im letzten Abschnitt haben wir uns recht viel mit dem Begriff »Zuwachs« beziehungsweise »Änderung« beschäftigt. Dabei hat uns der absolute Zuwachs zur arithmetischen, der relative Zuwachs zur geometrischen Folge geführt. Eine Frage ist allerdings unbeantwortet geblieben: »Was geschieht, wenn der relative Zuwachs immer kleiner wird, dafür aber immer öfter erfolgt?« Diese Frage können wir mit der Folge
beantworten, die wir nun detailliert untersuchen wollen. Versuchen wir einmal einige Folgeglieder zu berechnen, indem wir unseren Taschenrechner strapazieren. Wenn wir uns auf vier signifikante Stellen beschränken, erhalten wir die in der Tabelle dargestellten Werte:
BEACHTENS –
Hier erkennen wir einen Vorteil des Bildungsgesetzes.Wir können eine rasche Abschätzung für die Entwicklung der Folge gewinnen.
– WERT
Schon die paar Zahlen können wir als Indiz werten, dass die Folge monoton wachsend und nach oben beschränkt ist. Wir vermuten also, dass die Folge einen Grenzwert besitzt, und das wollen wir auch beweisen. Für den Beweis verwenden wir den folgenden Ansatz:
1. die Beschränkung nach oben soll eine weitere Folge fn > en überprüfen:
2. zum Beweis der Monotonie verwenden wir die Bernoulli-Ungleichung:
Letztere wird durch Induktion bewiesen.
Wir werden nun zeigen, dass en monoton steigt, und fn monoton fällt. Dazu müssen wir jeweils zwei beliebige Nachbarglieder miteinander vergleichen. Ein solcher Vergleich kann prinzipiell mittels Differenzenbildung oder aber – wenn die Folgeglieder alle positiv sind – mittels Quotientenbildung erfolgen. Da die Glieder der beiden Folgen alle positiv sind, beschränken wir uns auf die Untersuchung entsprechender Quotienten. Bei den nachfolgenden Rechnungen üben wir zugleich das Rechnen mit Brüchen und Potenzen.
WISSENS –
– WERT
Für n ≥ 2 gilt:
Das heißt aber, dass diese Folge monoton steigt. Analog gehen wir bei der zweiten Folge vor und berücksichtigen unsere Vermutung, dass die Folge monoton fällt.
Wiederum greifen wir auf die die Bernoulli-Ungleichung zu.
Im letzten angeführten Bruch ist der Nenner stets um eins kleiner als der Zähler, sodass der Bruch sicherlich größer als eins ist. Wir erkennen, dass die Folge fn monoton fällt. Weiters gilt aber auch, dass fn stets größer als en ist. Damit sind aber beide Folgen jeweils durch die andere beschränkt und es ergibt sich die Kette:
WISSENS –
Leonhard Euler
1707 – 1783 Riehen – St. Petersburg
Unter anderem löste er das: »Königsberger Brückenproblem«.
– WERT
Zwischen den beiden Folgen ist eine Zahl eingesperrt, welche den Grenzwert der beiden Folgen darstellt. Dieser wird mit »e« bezeichnet und ist – wie es der Zufall so will – nach dem Mathematiker Leonhard Euler benannt, sodass sich folgende mathematische Zusammenfassung ergibt:
Die oben erwähnte »Kette« ist in der nachfolgenden Grafik eingezeichnet.
Wenn die Anwendungen der Folge en auf den Beweis ihrer Konvergenz beschränkt bliebe, dann wäre dieser gesamte Abschnitt recht unnütz. Daher wollen wir uns das Zustandekommen des Grenzwertes nochmals anschaulich vor Augen führen. »So wie der Exponent n gegen Unendlich strebt, strebt der Ausdruck 1 /n gegen null.«
Entscheidend für den Grenzwert e ist also das »reziproke Verhalten« der beiden Terme. Beispielsweise haben die Folgen
Auf der rechten Seite steht jetzt aber die Folge fk aus dem obigen Beweis, welche wie gezeigt die Euler'sche Zahl als Grenzwert besitzt.
Anhand dieser Beispiele können wir behaupten, dass