Max in Palästina - Maxim Biller - E-Book

Max in Palästina E-Book

Maxim Biller

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Beschreibung

Während alle anderen Passagiere der "Bessarabia" an Deck stehen und das Auftauchen der kleinen weißen Häuser von Tel Aviv am Horizont feiern, liegt Max seekrank in seiner Kajüte. Seine Gedanken kreisen um das Zurückgelassene und das Kommende, die Freunde und Gefährten in der alten, gefährlich gewordenen Heimat. Wie es wohl sein wird, das noch unbekannte Leben in einer Welt, von der alle sagen, sie würde sie alle retten? Vor allem denkt Max an den verstorbenen Freund Franz, die Gespräche in den Kaffeehäusern und an die vielen Manuskripte, die er jetzt in einem hellen braunen Lederkoffer mit in die neue Heimat schleppt...

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Seitenzahl: 29

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Inhalt

Maxim BillerMax in PalästinaEine Erzählung

Der Autor

Impressum

Maxim BillerMax in PalästinaEine Erzählung

Als morgens um acht am Horizont die kleinen weißen Häuser von Tel Aviv auftauchten und daneben die Umrisse des Leuchtturms von Jaffo, der sich zwischen den halb verfallenen, grauen Mauern und Dächern der dreitausend Jahre alten Hafenstadt wie eine erkaltete, riesige Fackel ver­steckte, war Max wahrscheinlich der einzige Passagier der Bessarabia, der nicht, gefährlich nach vorn gebeugt, an der Reling lehnte und ungeduldig die sich langsam nähernde Küste von Palästina beobachtete.

Er lag in der Kabine im Bett, allein, krank, ohne Elsa, die wie alle an­deren seit dem Morgengrauen draußen auf dem Deck stand und jetzt bestimmt mit großem Ernst in die Ferne blickte, gedankenverloren am ewig kalten, viel zu süßen Tee aus der Schiffsküche nippte und sich auf ihr endlich beginnendes, neues Leben freute. Oder vielleicht war sie auch einfach nur erleichtert, dass sie Nein gesagt hatte, als er ihr vor einigen Wochen vorgeschlagen hatte, noch ein paar Tage länger in Prag zu blei­ben, um einen allerletzten Kampf gegen die scheinbar unbesiegbaren tschechischen Bürokraten zu führen. Hätten sie nämlich gemacht, was er wollte, wären sie also nicht am 14. März nachts um elf am Wilson-Bahnhof ohne ihr altes dänisches Silberbesteck und ihre halbe Bibliothek in den Zug eingestiegen, der sie über Polen nach Rumänien brachte, wo die Bessarabia schon auf sie wartete, wäre er selbst gleich am nächsten Morgen von den Deutschen verhaftet worden, die sich genau in dieser Nacht den Rest der Tschechoslowakei genommen hatten. Bestimmt hätten sie ihn irgendwann nur noch als Toten aus einem ihrer Gefängnisse entlassen, keine Frage, und das hätte Elsa dann auch nicht überlebt.

Ja, kann schon sein, dachte Max und drehte sich wieder auf die andere Seite, so wie er sich schon seit zwei Stunden alle paar Minuten herumwälzte, aber wäre das wirklich so schlimm gewesen? Er wusste genau, was sie in Palästina erwartete, Franz hatte es in seiner Geschichte vom unersättlichen Seifensieder sehr deutlich und auch ziemlich schau­rig beschrieben, und dass Max das Manuskript kurz vor der Abreise aus Prag vernichtet hatte, als einziges von Franz’ Papieren, änderte auch nichts mehr daran, dass er die Geschichte kannte, dass er sie gelesen hatte, dass er darum wusste, wie wenig Sinn es für ihn und für Elsa hatte, an diesem frischen, kalten Märztag so zu tun, als wären sie noch zwanzig und hätten alles vor sich.

Seltsam, dachte er plötzlich, die linke Seite war etwas besser als die rechte. Normalerweise war es doch umgekehrt, denn das Eisenkorsett, das er als Kind wegen seines schiefen Rückgrats tragen musste, hatte zwar seinen wachsenden Oberkörper gestreckt, aber zugleich noch schie­fer gemacht, und darum schlief er meist auf der rechten Seite, zu Hause, in Prag, in der Ufergasse, mit dem Gesicht zum Fenster. So konnte er wenigstens gleich morgens beim Aufwachen sehen, wie der Tag werden würde, hell oder dunkel, schön oder schwer, doch hier auf dem Schiff lag er seit der Abfahrt in Constanța immer lieber mit dem Gesicht zur Wand, auf der leicht wunden, schmerzenden linken Hüfte, und stellte sich vor, dass draußen nichts war, absolut gar nichts.