Maybe this Kiss – Und mit einem Mal doch - Jennifer Snow - E-Book

Maybe this Kiss – Und mit einem Mal doch E-Book

Jennifer Snow

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Beschreibung

Die Liebe wartet in Glenwood Falls


Neil Healy ist stolz auf seinen Aufstieg in der Air Force, aber dass er für seinen neuen Job zurück in seine Heimat muss, schmeckt ihm gar nicht. Denn hier lebt noch immer seine große Liebe Becky Westmore - die Frau, über die er nie hinweggekommen ist. Und in einer Kleinstadt wie Glenwood Falls ist es nahezu unmöglich, Becky aus dem Weg zu gehen ...


"Humorvoll, bewegend und absolut verführerisch!" PUBLISHERS WEEKLY


Novella zur warmherzigen und sexy COLORADO-ICE-Serie von Bestseller-Autorin Jennifer Snow


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Seitenzahl: 207

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmung1234567891011DanksagungDie AutorinDie Romane von Jennifer Snow bei LYXLeseprobeImpressum

JENNIFER SNOW

Maybe this Kiss

Und mit einem Mal doch

Ins Deutsche übertragen von Richard Betzenbichler

Zu diesem Buch

Endlich hat Becky Westmore ihr Leben wieder im Griff. Nach dem Tod ihres Mannes musste sie für ihre Tochter stark sein und weitermachen. Da bringt die Rückkehr ihrer großen Jugendliebe Neil Healy alles aus dem Gleichgewicht. Auch nach mehr als zehn Jahren weckt der Air-Force-Pilot Gefühle in ihr wie kein Mann nach ihm …

Für meinen Bruder Charles – du bist selbstlos und mutig, und ich bin stolz, dass ich dich meinen großen Bruder nennen darf! Ich mag älter als du sein, aber du warst immer der Beschützer. Unser Land kann sich glücklich schätzen, dich zu haben!

1

Der Puck flog direkt auf ihr Gesicht zu. Einen kurzen Moment lang überlegte Becky, die im Tor stand, sich einfach treffen zu lassen. Ich könnte den erzwungenen Schlaf brauchen, dachte sie. Aber Verlieren gab es nicht für die Westmores, und in der letzten Sekunde, bevor der Puck sie erwischte, hob sie die behandschuhte Hand, pflückte ihn aus der Luft und beförderte ihn zurück aufs Eis.

Sie warf einen Blick auf die Anzeigentafel. Im letzten Drittel des Spiels in der Amateureishockeyliga blieben noch zehn Minuten. Nur noch zehn Minuten, und danach würde sie sich weigern, jemals wieder für den eigentlichen Torwart einzuspringen. Sie war eine zweiunddreißigjährige alleinerziehende Mutter mit einer To-do-Liste, die jeden Tag länger wurde; sie hatte für so etwas keine Zeit.

Als sie sah, dass ihr Bruder Jackson dem Stürmer der Fort Collins Renegades den Puck abnahm, entspannte sie sich ein wenig. Jetzt würde der Puck eine Zeit lang das Problem des gegnerischen Torwarts sein.

Sie behielt recht. Man hätte sie genauso gut in den verbleibenden Minuten vom Platz stellen können, denn sie musste keinen einzigen Schuss der Renegades mehr abwehren.

Als das Spiel zu Ende war, eilte sie mit ihrem Team zur Mittellinie. »Gutes Spiel, gutes Spiel«, sagte sie zu jedem gegnerischen Spieler, der nicht gerade leise etwas über einen unfairen Sieg in sich hineingrummelte.

Becky konnte es ihnen nicht verübeln. Die Glenwood Falls Hurricanes hatten Jackson im Team, einen früheren Hoffnungsträger der National Hockey League, und seinetwegen hatte kaum jemand eine Chance gegen sie. Seit vier Jahren führten sie jetzt ihre Spielklasse an, und sie fragte sich, wann die Liga einen Erlass herausgeben würde, der ihren Bruder vom Eis verbannte.

Sie nahm einen High Five von ihm entgegen und sagte: »Das war’s. Ich höre auf. Bitte mich nicht, in dieser Saison noch mal einzuspringen.«

Er fuhr mit ihr zusammen vom Eis. »Ach, komm schon, du spielst doch wahnsinnig gern.«

Sie zog die Handschuhe aus und schüttelte den Kopf, wobei ihr der etwas zu große Helm um die Ohren schlackerte. »Nein. Du spielst wahnsinnig gern Eishockey. Ich bin dauernd gezwungen einzuspringen, weil keiner von euch Trotteln Torwart sein will. Das war schon so, als wir noch Kinder waren«, fügte sie hinzu, womit sie auf ihn und ihre zwei Brüder anspielte, die es in die NHL geschafft hatten. »Ich habe mich damals dem Team zuliebe gefügt, und ich habe mich dem Team zuliebe gefügt, wann immer mich die Hurricanes gebraucht haben, aber diesmal meine ich es ernst, Jackson. Es ist der erste Dezember.«

»Ah, der Höllenmonat beginnt. Du tust dir das selbst an, das ist dir schon klar, oder? Du lädst dir alles Mögliche auf, und dann beschwerst du dich den ganzen Monat lang, dass du die Vorweihnachtszeit nicht wie alle anderen genießen kannst.«

Zum Teil stimmte das, aber es war ja nicht so, dass sie die Wahl gehabt hätte. Zusätzlich zu ihren eigenen Vorbereitungen war sie Vorsitzende der Widows of Heroes – einer Unterabteilung der Operation Homefront, die sowohl Familien von Militärangehörigen unterstützte als auch die Frauen und Kinder des Rettungspersonals. Zu dieser Zeit des Jahres verdoppelte sich die Arbeit. Auf ihren Schultern lastete eine Menge Verantwortung. Sie musste dafür sorgen, dass die Familien, die von der Unterstützung der Gruppe abhängig waren, diese auch bekamen. »Du darfst gern helfen.«

Er lachte. Inzwischen waren sie bei den Umkleideräumen angekommen. »Du würdest mich nie auch nur in die Nähe deiner perfekten Weihnachtsdekoration lassen. Tschau, Schwesterchen.« Damit verschwand er im Männerumkleideraum.

Becky seufzte und machte sich auf zu der leeren Frauenumkleide. Jackson hatte recht. Sie war selbst schuld an ihrem Vorweihnachtsstress, weil sie zu viele Aufgaben übernahm und sich dann einbildete, alle perfekt machen zu müssen, aber so war die Weihnachtszeit nun einmal …

Sie öffnete den Schrank, griff nach ihrem Handy und erschauerte. Der diesjährige zusätzliche Stressfaktor hatte eine Nachricht hinterlassen. Sie setzte sich auf die Bank, nahm Eishockeypolster und Helm ab und steckte alles in den Matchbeutel. Dann hörte sie ihre Mailbox ab.

»Hi, Becky, ich wollte nur mal hören, wie es mit den Änderungen an meinem Kleid vorangeht. Ich bin schon total gespannt darauf«, ertönte die Stimme von Holly, ihrer früheren Schwägerin.

Änderungen war eine Beschönigung. Das altehrwürdige weiße Gewand musste komplett umgeschneidert werden. Aber Holly hatte darauf bestanden, dass das Kleid ihrer zukünftigen Schwiegermutter genau das war, was sie für ihre Weihnachtshochzeit brauchte.

Becky schluckte den Kloß aus Schuld hinunter, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte. Tatsache war, dass sie sich noch kaum damit befasst hatte. Im November hatte ihr die Planung des Thanksgiving-Dinners für die Widows of Heroes eine Menge Zeit geraubt, und die Feste im Dezember würden noch mehr Arbeit bedeuten – das Kinderfest, die Weihnachtskörbe …

»Sag mir jedenfalls Bescheid, wann ich vorbeikommen kann«, lief die Nachricht weiter. »Ach ja, und auch, wann die Trauzeugen ihre Smokings anpassen lassen können.«

Das leicht ungute Gefühl in Beckys Magen verstärkte sich noch mehr. Sie hatte zugestimmt, die Schneiderarbeiten zu übernehmen, lange bevor ihr Exfreund Neil Healy zu einem der Trauzeugen bestimmt worden war. Als Air-Force-Pilot, der bis vor einem Monat in Florida stationiert gewesen war, hatte er seinem Cousin nicht einmal versprechen können, bei der Hochzeit dabei zu sein, und schon gar nicht, sogar an der Party teilzunehmen.

Neils Rückkehr nach Glenwood Falls nach zwölf Jahren Abwesenheit brachte sie völlig durcheinander. Sie hatte in all den Jahren oft an ihn gedacht. Sie hatte sogar ein- oder zweimal überlegt, sich mit ihm auf Facebook anzufreunden, meistens nach einem Glas Wein oder zwei … oder in Nächten, in denen sie sich ganz besonders einsam oder nostalgisch gefühlt hatte. Aber sie hatte sich nicht überwinden können, den Kontakt wieder aufzunehmen und auf ihn zuzugehen.

Jedenfalls hatte sie das Foto in seinem Facebookprofil viel zu lange angeschaut, um behaupten zu können, sie würde ihn nicht erkennen, wenn er ihr irgendwann über den Weg lief. Das Foto von ihm und einigen weiteren Offizieren der Streitkräfte, alle in Kampfausrüstung, hätte sie gern als Bildschirmschoner gehabt. Männer in Uniform waren in ihren Augen ohnehin der Hammer, und ihr Exfreund hob das Attribut »heiß« noch mal auf ein ganz neues Level. Genau deshalb hatte sie sich bisher an die Strategie gehalten, ihm aus dem Weg zu gehen. Dass sie auf der Militärbasis mit den Widows of Heroes arbeitete, hatte die Umsetzung dieser Strategie sehr schwierig gemacht, und sie nahm an, dass sie nur deshalb so erfolgreich gewesen war, weil er ihr ebenso aus dem Weg zu gehen versuchte wie umgekehrt.

Nun, ihre Vermeidungsstrategien würden ihnen bald auch nicht mehr helfen.

Sie seufzte, zog die Schlittschuhe aus und warf sie in ihre Tasche.

Als sie Neil das letzte Mal gesehen hatte, war er gerade von der Grundausbildung zurückgekehrt. Seit der siebten Klasse waren sie zusammen und unzertrennlich gewesen, und sie hatte jede Minute seiner Abwesenheit gehasst. Aber er hatte ihr versichert, die zehn Wochen würden rasch vergehen, und dann würden sie ihr gemeinsames Leben beginnen. Sie war damals zwanzig Jahre alt und unglaublich verliebt gewesen. Sie hatte gehofft, er würde recht behalten.

Als die Nachricht kam, dass man ihn in Miami stationieren würde und er innerhalb des ersten Jahres bereits seinen ersten sechsmonatigen Auslandseinsatz antreten müsse, war sie am Boden zerstört gewesen.

Miami war entsetzlich weit weg. Und Afghanistan hätte genauso gut ein anderer Planet sein können.

Neil hatte sie angefleht, mitzukommen, aber sie war mitten im dritten Collegesemester gewesen, und da man ihn ohnehin bald abkommandieren würde, hatte sie keinen Sinn darin gesehen, nach Miami zu ziehen. Ohne ihn in Glenwood Falls zu sein, wo sie Freunde und Familie hatte, war hart genug. Miami – ganz allein – wäre die Hölle geworden.

Sie hatte viel Zeit zum Nachdenken gehabt, während er fort war. Sie wusste, eine Fernbeziehung mit unsicheren Kommunikationsmöglichkeiten und Phasen wochenlangen Schweigens würde sie nicht aushalten. Die Gefahr, die Unwägbarkeiten einer militärischen Laufbahn, die Einsätze in Kriegsgebieten – allein bei dem Gedanken daran war ihr schlecht geworden. Und auch das unbeständige Leben, in dem sie vermutlich häufig von einer Militärbasis zur nächsten hätten ziehen müssen, traute sie sich nicht zu.

Sie hatte ihre Tränen hinuntergeschluckt und ihm eine Auszeit vorgeschlagen.

»Du meinst, wir sollen Schluss machen?« Unter seinem anklagenden Blick hatte ihr der Atem gestockt.

»Nein. Ich meine nur, dass wir uns lediglich ein bisschen Zeit nehmen sollten, uns zu überlegen, was wir beide wollen«, hatte sie trostlos erwidert, hin- und hergerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen.

»Ich dachte, du wolltest dein Leben mit mir verbringen.«

»Das will ich, aber ich weiß nicht, ob ich unter diesen Umständen stark genug bin, es hinzubekommen. Ich würde mich elend fühlen und jedes Mal, wenn du aufbrichst, krank vor Sorge sein, und du weißt, Unsicherheit halte ich nicht gut aus.« Sie war mit ihrem vorhersehbaren Kleinstadtleben vollauf zufrieden. Neil war anders. Er war so mutig, und er hatte immer davon gesprochen, dass er Glenwood Falls verlassen und die Welt sehen wollte. Naiv, wie sie war, hatte sie gehofft, diese unterschiedlichen Lebensentwürfe würden sich in Einklang bringen lassen, aber jetzt führten sie sie voneinander fort. »Und du fängst eine neue Arbeit an, schlägst ein neues Kapitel auf … vielleicht wirst du feststellen, dass du mich nicht mehr brauchst.«

Neil gehen zu lassen war das Härteste, was sie je getan hatte, aber sie musste daran glauben, dass es das Beste gewesen war. Als Teenager waren sie sehr verliebt ineinander gewesen, aber junge Liebe verflüchtigt sich oft, wenn man erwachsen wird, wenn das Leben kompliziert wird und man Entscheidungen treffen muss. Nur … dass ihr all das klar war, würde es auch nicht leichter machen, ihm jetzt wiederzubegegnen.

Sie seufzte, suchte ihre Sachen zusammen und verschloss den Schrank. Dann nahm sie ihr Handy und schickte Holly, die bestimmt schon auf ihre Antwort wartete, eine SMS, wobei sie auf die Frage nach den Trauzeugen bewusst keine Antwort gab.

Mach dir keine Sorgen wegen des Kleides. Ich verspreche dir, du wirst es nicht mehr wiedererkennen.

Vor allem nicht, wenn sie zu lange herumtrödelte und am Ende ein neues kaufen musste, um es für das alte auszugeben.

»Wozu trägst du eine Sonnenbrille?«, fragte Neils Kollege Blade, als er früh am nächsten Morgen ihr gemeinsames Büro auf der Militärbasis betrat. »Es ist schon seit einer Woche bewölkt.«

»Ich darf doch wohl noch hoffen, oder?«, murmelte Neil. Für ihn fühlte es sich an, als hätte er seit seiner Rückkehr nach Glenwood Falls letzten Monat kaum einmal auch nur den kleinsten Sonnenstrahl gesehen. Diese dicken, schweren Wolken machten einen depressiv. Der Blick vom Tal auf die Berge war eins der Dinge, die er während seiner Zeit in Florida vermisst hatte, aber bisher hatte er sie noch nicht gesehen. Er erinnerte sich noch an die kalten Winter in Colorado, aber normalerweise schien hier wenigstens die Sonne.

»Ich will dir ja nicht die Hoffnung nehmen, Mann, aber laut Wetterbericht gibt es erst mal jede Menge Schnee, bevor die Sonne wieder zum Vorschein kommt. Weiter mit dem Motorrad zu fahren heißt, das Schicksal herauszufordern.«

Neil wollte so lange wie möglich fahren, denn bei dem Gedanken, sein Motorrad einzumotten, wurde seine Depression gleich noch schlimmer. Aber der Schnee würde ihn zwingen, sich um einen anderen fahrbaren Untersatz zu kümmern. Einmal die Woche musste er zum Pueblo County Airport fahren, wo er künftige US-Kampfpiloten im Über- und Tiefflug ausbildete, und dafür brauchte er ein zuverlässiges Fahrzeug. Oder zumindest etwas mit einem Sicherheitsgurt. Seufzend verstaute er seinen Motorradhelm unter dem Schreibtisch.

Als Kampfpilot der U. S. Air Force hatte er das Glück gehabt, seinem Land zwölf Jahre lang von der warmen, sonnigen Militärbasis in Miami aus zu dienen. Für seine Beförderung zum Lieutenant Colonel hatte er allerdings nach Colorado zurückkehren müssen.

Sein Vorgesetzter hatte geglaubt, ihm einen Gefallen zu tun, als er die Formalitäten im Eiltempo erledigt hatte, damit Neil schon zu den Weihnachtsfeiertagen zu Hause sein konnte. Tatsache war allerdings, dass er, seit seine Großmutter vor ein paar Jahren gestorben war, hier außer seinem Cousin Cliff keine Familie mehr hatte. Wieder zurück zu sein führte ihm diese Leere nur umso deutlicher vor Augen.

Weihnachten war ein Anlass zum Feiern, eine Quelle der Begeisterung in einer ansonsten sehr ruhigen Stadt, in der nicht viel passierte. Dies war nicht der Ort, an dem sein einsames Herz sein wollte.

»Tut mir leid, dass ich gestern Abend nicht beim Eishockeyspiel war«, sagte Blake und warf ihm mehrere Aktenhefter über neue Rekruten auf den Schreibtisch. »Ich habe gehört, du hast dich wacker geschlagen.«

Wenn er mit »wacker geschlagen« meinte, dass Neil es geschafft hatte, sich auf dem Eis auf den Beinen zu halten, dann schon. Als Teil der zusätzlichen Aufgaben an seiner neuen Arbeitsstelle hatte er unfreiwillig auch eine Position im Eishockeyteam der Air Force übernommen, obwohl er, seit er seine Heimat damals verlassen hatte, nie wieder auf Schlittschuhen gestanden hatte. Inzwischen zog er das Surfen als Freizeitbeschäftigung vor. Sich den Hintern abzufrieren, fünf Kilo Eishockeyausrüstung mitzuschleppen und dauernd aufzupassen, dass man nicht auf die Nase fiel, reizte ihn nicht mehr. »Spielt überhaupt irgendjemand gut gegen einen Westmore?«, fragte er, denn er sah nicht ein, sich die Alleinschuld an der Niederlage seines Teams zuschieben zu lassen. Jackson Westmore war quasi ein Profi-Spieler. Er war jahrelang bei der Colorado East Coast Eishockeyliga gewesen, bis er schließlich aufgegeben hatte, weil ihm klar geworden war, dass er über die Lokalligen nicht hinauskommen würde. Jetzt trainierte er das örtliche Juniorteam, und sämtliche Spieler der Erwachsenen-Amateurliga stöhnten, wenn sie gegen die Hurricanes antreten mussten.

»Stimmt auch wieder.«

»Spielt Becky eigentlich noch?«, konnte Neil sich nicht verkneifen zu fragen. Seine Exfreundin hatte früher fast so viel gespielt wie ihre Brüder, weil ihre eishockeywütige Familie sie dazu gedrängt hatte. Sie war fantastisch im Tor, hatte den Sport aber nie so ernst genommen, dass es für die Fraueneishockeyliga gereicht hätte.

In den vier Wochen, die er jetzt wieder hier war, war er ihr noch nicht über den Weg gelaufen – was vor allem daran lag, dass er alle Orte mied, an denen sie sich vielleicht aufhalten mochte. Vor einer Woche hatte er beim Thanksgiving-Dinner einen Blick auf sie erhascht und sich sofort aus dem Staub gemacht. Kein noch so leckerer Truthahn war es wert, sich einer Begegnung auszusetzen, die nur äußerst peinlich sein konnte.

Es war lange her, dass sie sich getrennt hatten, und inzwischen sollten sie einander eigentlich entspannt begegnen können. Doch sobald er daran dachte, dass sie an den meisten Wochentagen im Bürgerbüro arbeitete – nur drei Straßen weiter –, schnürte sich ihm die Kehle zu.

»Sie springt ab und zu als Torwart ein, wenn sie keinen haben.« Blake sah ihn fragend an. »Hast du schon mit ihr geredet, seit du wieder hier bist?«

In dieser kleinen Stadt, wo fast alle miteinander in die Schule gegangen waren, war es kein Wunder, dass Blake sich noch an ihre Geschichte erinnerte. Sie waren schon in der Junior-Highschool zusammen gewesen, seit er sie zum Winterball eingeladen hatte, und ihre Beziehung hatte Jahre gehalten, bis er zur Air Force ging.

Alle hatten gedacht, sie würden heiraten und schon bald ein Haus voller Kinder haben.

Aber die Dinge hatten sich nicht so entwickelt, wie alle – einschließlich seiner Selbst – das erwartet hatten. »Nein …« Sein Handy piepste, um eine eingehende SMS zu vermelden. Er sah nach und stöhnte.

Holly. Cliffs Verlobte. Schon wieder.

Dass er zugestimmt hatte, Trauzeuge für seinen Cousin zu sein, würde ihn noch umbringen. Er hätte wirklich darauf bestehen sollen, dass seine Versetzung nicht beschleunigt wurde.

Warst du schon bei Becky? Wegen deines Smokings?

Das war schon das dritte Mal diese Woche, dass sie ihn das fragte. Er konnte es nicht mehr lange hinauszögern, aber seine Lust darauf hielt sich in Grenzen. Ja, es war lange her, aber er war nie ganz über sie hinweggekommen. Er wusste, über kurz oder lang würden sie sich begegnen, aber er hatte eher auf Letzteres gehofft.

Und keinesfalls so. War es schon zu spät, um sich seiner Rolle bei der Hochzeit zu entziehen?

Noch nicht. Mache ich aber bald, schrieb er zurück.

»Worauf wartest du? Ist die Hochzeit nicht schon in ein paar Wochen? Gehst du Becky aus dem Weg?« Blake hatte den Text über Neils Schulter hinweg mitgelesen.

In einer kleinen Stadt gab es keine Privatsphäre. Nicht die geringste. Neil schob das Handy in die Tasche. »Bis jetzt.«

2

Die Waschmaschine meldete sich im selben Moment, als auch der Geschirrspüler anfing zu piepsen.

Seufzend stand Becky auf. Wenn sie Hollys Kleid bis zum 23. Dezember fertig bekam, wäre das ein Weihnachtswunder.

Sie zog das Teil, an dem sie gearbeitet hatte, aus der Nähmaschine heraus und legte es beiseite. In der Perlenverzierung fing sich das spätabendliche Licht, das durch die Jalousien fiel. Sie verließ das Nähzimmer und schloss die Tür hinter sich. »Taylor, such dir eins aus: Wäsche oder Geschirr«, rief sie über den Flur.

»Ich kann nicht. Ich mache Hausaufgaben«, kam als Antwort zurück.

Ja, klar doch. Als Becky die Schlafzimmertür öffnete, bestätigte sich ihr Verdacht: Ihre Tochter wickelte gerade das neue rote Eishockeyband, das sie sich von ihrem wöchentlichen Taschengeld gekauft hatte, um die Kelle ihres Schlägers. »Wäsche oder Geschirr?«, fragte Becky.

Die Achtjährige seufzte, legte den Schläger ab, als wäre er aus Porzellan, und folgte ihrer Mutter in den Flur. »Geschirr«, murmelte sie.

»Prima. Danke.«

Brummelnd ging ihre Tochter in die Küche, und Becky schob das leise Schuldgefühl beiseite, das sie beschlich. Sie wünschte, sie würde Taylors Hilfe nicht so oft brauchen. Aber da ihre Arbeit für die Widows of Heroes ihre Tage auffraß und sie die Näharbeiten, die sie annahm, damit das Geld reichte, meistens am Abend erledigte, und zudem die Hausarbeit machen, eine Tochter allein erziehen und irgendwie zwischendrin noch Zeit fürs Essen und Schlafen finden musste, brauchte sie einfach Unterstützung.

Sie hatte keine Ahnung, wann sie auch noch die Zeit finden sollte, die Weihnachtsdekoration aufzuhängen, aber sie wollte nicht wieder – wie im letzten Jahr – bis zur letzten Minute damit warten. Sie hatten den Baum an Heiligabend geschmückt, entgegen ihrer Tradition, sich Filme anzuschauen und heißen Kakao zu trinken. Das Weihnachtsfest hatte etwas Hektisches gehabt, als würde es nur nebenbei mitlaufen. Dieses Jahr nicht, dachte sie und schob ihre To-do-Liste, dieses um die Ecke schielende Riesenmonster, energisch beiseite. Aber ohne die Hilfe ihrer Tochter würde sie es nicht schaffen.

»Kinder sollen ruhig im Haushalt helfen. Ihr hattet auch immer eure Aufgaben«, hatte ihre Mutter gesagt, als Becky ihr von ihren Schuldgefühlen erzählte, aber das hatte es ihr nicht unbedingt leichter gemacht.

Der Unterschied war, dass Beverly Westmore ihren Kindern Aufgaben zugeteilt hatte, damit sie lernten, Verantwortung zu tragen. Becky hingegen war von der Hilfe ihrer Tochter abhängig, und die Tatsache, dass das kleine Mädchen mit vier Jahren seinen Vater verloren hatte … nun, vermutlich trug es so schon genügend Verantwortung, mit der es sich auseinandersetzen konnte.

Becky straffte die Schultern, schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter und betrat den Waschraum.

Und glitt in seifigem Wasser aus.

Sie landete so hart mit dem Hintern auf dem Boden, dass ihr beinahe die Luft wegblieb. Was zum Teufel war hier los? Die Waschmaschine bebte heftig und gab ein seltsames Rattern von sich. Oben quoll Wasser heraus, und rings um den Deckel hatten sich Blasen gebildet.

Becky zog sich am Türrahmen hoch und riss rasch den Stecker der außer Kontrolle geratenen Waschmaschine aus der Steckdose. Das Rattern und Beben hörte auf.

Mist. Ein kaputtes Gerät war das Letzte, was sie vor den Feiertagen brauchte.

Mit dem Geld von Robs Polizeipension und ihrem Gehalt von den Widows of Heroes kamen sie so weit über die Runden, aber üppig war es nicht, und Taylor hatte sich in ihrem Brief an den Weihnachtsmann eine Menge teurer Eishockeyausrüstung gewünscht.

Es wurde Zeit, dass sie sich auf ihre handwerklichen Fähigkeiten besann. Sie rollte die Ärmel ihres Sweatshirts hoch und öffnete den Deckel.

»Brauchst du Hilfe?«

Beim unerwarteten Klang einer tiefen männlichen Stimme zuckte sie zusammen und verlor erneut auf dem feuchten Boden das Gleichgewicht. Zwei Hände packten ihre Schultern und hielten sie fest, und sofort wünschte sie sich, er hätte sie fallen lassen. Als sie sich umdrehte, um Neil ins Gesicht zu schauen, waren ihre Wangen rot angelaufen.

Sein Profilbild wurde dem umwerfend gut aussehenden Mann, der da vor ihr stand, nur begrenzt gerecht. Die Zeit hatte für ihn gearbeitet. Sein damals noch jungenhaftes Gesicht war jetzt von einer ausdrucksstarken Schönheit, nach der sich so manche Frau in der kleinen Stadt umdrehen würde. Sofort verspürte sie einen Anflug von irrationaler Eifersucht. Sein hartes, eckiges Kinn mit der gerade richtigen Menge an Bartstoppeln hatte sie schon immer überaus anziehend gefunden. Und in seinen dunkelbraunen Augen, aus denen er sie ein wenig unsicher ansah, spiegelte sich auch die alte Vertrautheit, als wäre nicht ein Tag vergangen, seit sie zuletzt hineingeschaut hatte.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Ein Versuch, eine körperliche Barriere zu errichten, die der inneren entsprach, die sich sofort um ihr Herz herum aufgebaut hatte, als sie spürte, welche Gefühle ihr Ex noch in ihr auslösen konnte. »Was tust du hier? Wie bist du hier reingekommen?« Auch wenn sie in einer Kleinstadt lebte, sperrte sie ihre Tür doch immer ab. Ihr Mann war Polizist gewesen, und von ihm hatte sie gelernt, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen.

»Deine Tochter hat mich reingelassen.« Er ließ den Blick über das Chaos schweifen. »Waschmaschinenprobleme?« Er zog seine Jacke aus, unter der ein enges schwarzes T-Shirt zum Vorschein kam, das auf einer Seite lässig in seine die Hüften betonende Jeans gesteckt war.

»Ach nein … das ist kein …« Sie biss sich auf die Zunge. Schon jetzt erinnerte sie sich nicht mehr an die Frage. Was hatte es bloß mit diesen kräftigen, muskulösen Armen auf sich, dass sich ihr Gehirn bei dem Anblick in Brei verwandelte?

Vielleicht war es die Erinnerung, wie sich diese Arme anfühlten, wenn sie sich um sie schlossen?

»Lass mal sehen.« Neil schob sie zur Seite und trat vorsichtig in das am Boden stehende Wasser. Es schwappte unter seinen Stiefeln und durchnässte den ausgefransten Saum seiner Jeans.

Motorradstiefel. Er hatte immer von einem Motorrad geträumt. Schon in jungen Jahren war er ein Adrenalinjunkie gewesen. Sein erstes Geländemotorrad hatte er mit vierzehn Jahren gehabt, und ihn darauf zu sehen, hatte ihren Teenagerhormonen den Rest gegeben. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie sie sich nachts aus dem Haus geschlichen hatte, um mit ihm über leere, unbefestigte Straßen zu rasen, fest an ihn geklammert; und wie sie in der Nähe des Flusses gehalten und herumgemacht hatten … »Das ist nicht nötig, ich hab das im Griff.«

Er tat, als hätte er nichts gehört, öffnete den Deckel, schaute in die Maschine und steckte den Arm bis zum Bizeps ins Wasser. Ein Bizeps, der sexy, straff und noch von der Sonne Miamis gebräunt war.

»Echt, du hast doch sicher Besseres zu tun. Falls ich es nicht selbst hinbekomme, hole ich einen Handwerker.« Seit Jackson die Hoffnung auf eine Eishockey-Karriere aufgegeben hatte, verdiente er sich seinen Lebensunterhalt damit, alte Häuser zu kaufen, zu renovieren und weiterzuverkaufen. Er hatte sich zu einem brauchbaren Handwerker entwickelt, und in Fällen wie diesem wandte sie sich immer an ihn.

»Lass nur, jetzt bin ich ja schon mal hier.« Es klang nicht, als wäre er darüber sonderlich glücklich.

Nun, ihr ging es nicht anders. Mit einem Besuch von dem heißesten Typen, bei dem sie je weiche Knie bekommen hatte, hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Und garantiert hätte sie ihn nicht eingeladen, hereinzukommen und sich ihren unaufgeräumten Waschraum anzusehen. Aber da stand er nun, mitten in einer Wasserlache, den Arm in ihrer Waschmaschine versenkt, und sah aus wie ein erotisches Geschenk des Handwerkerhimmels.

Und sie trug eine Star-Wars-Schlafanzughose und ein Grumpy-Cat-Sweatshirt mit der Aufschrift: DASHING THROUGH THE SNOW … GET THE F*CK OUT OF MY WAY.

Nicht gerade der Aufzug, in dem man seinem Ex über den Weg laufen möchte.

Sie würde Taylor noch einmal einschärfen müssen, dass man Fremde nicht ins Haus ließ.

»Ich glaube, ich habe das Problem gefunden.« Er zog ein dünnes, schwarzes, spitzenbesetztes Stoffteil aus der Maschine. »Das hatte sich um das Rührwerk gewickelt.« Er faltete den Stringtanga auseinander und dehnte das Bündchen zwischen den Händen. »Hübsch.«