Mediale Diskurse zur deutschen Prostitutionsgesetzgebung - Sebastian Steidle - E-Book

Mediale Diskurse zur deutschen Prostitutionsgesetzgebung E-Book

Sebastian Steidle

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Beschreibung

Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziologie - Familie, Frauen, Männer, Sexualität, Geschlechter, Note: 1,0, Universität Augsburg (Soziologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit beleuchtet die Diskurse zum Thema Prostitution und der deutschen Prostitutionsgesetzgebung. Sowohl 2001 wie auch 2014 fanden in den deutschen Medien intensive Debatte darüber statt, wie der Gesetzgeber und die Gesellschaft Prositution behandeln sollte. Diese Debatten analysiert die Arbeit und zeigt auf, durch welche Ideologien, Rollenerwartungen und Sexualitätsnormen die Wahrnehmung und Bewertung gegenüber Prostitution als deviantes Sexualverhalten konstruieren. Die Arbeit umfasst 60 Seiten. Sie folgt dem Forschungsprogramm der wissensoziologischen Diskursanalyse nach Reiner Keller und wurde von eben diesem mit der Note 1,0 bewertet. Dies macht die Arbeit nicht nur für Interessierte des Themas Prositution spannend, sondern auch für all jene, die sich für die wissensoziologische Diskursanalyse Interessieren.

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Inhaltsverzeichnis

 

Einleitung

1 Prostitution: Begriffsbestimmung

3 Lagebild Prostitution

3.1 Situation Global

3.2 Die Deutsche Prostituionsgesetzgebung

3.3 Zwangsprostitution

4 Forschungsstand

5 Methode

5.1 Untersuchungsgegenstand und Fragestellung

5.2 Forschungsmethode: Wissensoziologische Diskursanalyse

5.3 Datenerhebung und -auswertung

6 Die Debatte zum Prostitutionsgesetz 2001

6.1 „Abschied von der Doppelmoral“

6.2 Der liberale Diskurs

6.3 Die Bürgerliche Hure

6.4 Die dunkle Seite der Prostitution

7 Die Prostitutionsdebattte 2013

7.1 Das Scheitern des Prostitutionsgesetzes: „Das Rotlichtviertel Europas“

7.2 Die osteuropäische Zwangsprostituierte

7.3 Der egalitäre Diskurs

7.4 Der revidierte liberale Diskurs

8 Vergleich und ideologische Hintergründe der Prostitutionsdiskurse

8.1 Die Gesellschaftsbilder im liberalen und egalitären Diskurs

8.2 Der konservative Diskurs

8.3 Die Entdeckung des Freiers

8.4 Die (Re)Produktion geschlechtsspezifischer Sexualität

9 Fazit

Literaturverzeichnis

Verzeichnis des analysierten Textkorpus

 

Einleitung

Die vorliegenden Arbeit widmet sich dem Thema Prostitution. Ein Thema, dass ebenso Unbehagen wie Faszination auslöst. Als unzugängliche Subkultur in der alle geltenden Sexualitäts- und Geschlechternormen außer Kraft gesetzt sind, als Reich einer rohen Sexualität, losgelöst von aller sozial genormten Verknüpfung der Sexualität an Liebe, Zuneigung und Geschlechtersymetrie. Aber auch als Ort des Verbrechens, als Spiegelbild für die Herrschaft und Dominanz des Mannes in einer sexistischen Gesellschaft, als Ausdruck des allgemeinen Sittenverfalls und als Herabminderung der Sexualität in einer durchsexualisierten Gesellschaft, in der Sex zum kommerziellen Konsumobjekt verkommen ist, steht Prostitution ebenso im gesellschaftlichen Fokus, wie sie zugleich tabuisiert wird. Nach einem geschichtlichen Abriss der Prostitution und der Darstellung der heutigen Situation, geht es im Hauptteil der Arbeit um die medialen Diskurse zur Prostitutionsgesetzgebung. Analysiert wird die Debatte 2001, welche die Schaffung des Prostitutionsgesetzes zum Anlass hatte und der Debatte 2013, wo eben dieses Gesetz in starke Kritik geriet. Es soll der Frage nachgegangen werden, welcher Wandel und welche Konstanten in der Wahrnehmung und Bewertung in Bezug auf Prostitution zu verzeichnen sind und welcher gesetzliche Umgang daraus abgeleitet wird.

1 Prostitution: Begriffsbestimmung

 

Das Wort „Prostitution“ hat seinen Ursprung im lateinischen Verb „prostituere“, was so viel „nach vorn stellen, zur Schau stellen, sich preisgeben, sich bloßstellen“ (Frohnert 1991: 98) bedeutet. Der Begriff bezeichnet die Verübung sexueller Handlungen an einer anderen Person gegen ein Entgelt.

 

Mit der Prostitution im heutigen Sinne similäre Formen finden sich bereits in den Naturvölkern als Brautpreis. Hier erhält Familie der Braut im Zuge der Eheschließung ein Entgelt von der Familie des Bräutigams (Frohnert 1991: 98). Aber auch in der Form der Gastprostitution, bei der die Frau verpflichtet ist, sich dem Gast ihres Mannes zur Verfügung zu stellen und der Tempelprostitution, bei der Frauen zur rituellen Huldigung einer Gottheit verpflichtet werden, sexuelle Handlungen zu vollziehen. Weiters ist von Prostitution auch das Mätressenwesen, als eine auf Dauer gestellte Art einer entgeltlichten sexuellen Beziehung unterscheiden. Um die Prostitution im heutigen Verständnis, gegenüber diesen Varianten, aber auch gegen sexuelle Gefälligkeiten innerhalb einer Partnerschaft, die mit dem Ziel erfolgen, daraus einen nicht-sexuellen Nutzen zu ziehen, oder der sexuellen Ausbeutung von Mägden und Sklavinnen, abzugrenzen, müssen weitere Einschränkungen vollzogen werden. Für die Prostitution im engeren Sinne, die man auch als gewerbliche Prostitution bezeichnen kann (Ringdal 2006: 19), ist charakteristisch, dass die gegen ein Entgelt angebotene sexuelle Handlung geschäftsmäßig ist, d. h., die sexuelle Beziehung ist zeitlich begrenzt und wird nicht nur einem einzelnen Mann, sondern der Männerwelt im Ganzen angeboten[1]. Die Prostituierte und ihr Kunde haben deshalb in der Regel keine persönliche Beziehung zueinander und bleiben dem anderen gegenüber Anonym (vgl. Girtler 2004: 277 f.). Dieser Definition nach spielt es keine Rolle, ob die Prostitution freiwillig geschieht oder wie groß der Anteil des Entgelts ist, den die Prostituierte erhält. In Unterscheidung zur sexuellen Verfügung über Sklaven verpflichtet sich der Kunde jedoch ein Entgelt, zu zahlen, unerheblich wer es erhält. 2 Historischer Abriss

 

Die ersten Schriftlichen Zeugnisse von Prostitution finden sich, in Form der Tempelprostitution im babylonischen Gilgamesch-Epos (Ringdal 2006: 16ff.). Aber auch in Indien, Ägypten, Kleinasien, Zypern und Griechenland wurden sakrale Formen von Prostitution zur Huldigung der lokalen Liebes- oder Fruchtbarkeitsgöttin vollzogen (Von Braun 2006: 30 ff.). Der kultische Geschlechtsverkehr wurde meist zwischen Priesterinnen und Priestern praktiziert. Aber auch Formen in denen Sklavinnen oder Jungfrauen zur Tempelprostitution verpflichtet wurden sind überliefert. Der griechische Historiker Herdot berichtet über Babylon, dass sich dort jedes Mädchen einmal in ihrem Leben vor den Tempel der Liebesgöttin Mylitta setzen musste, und nicht eher heimkehren durfte, bevor nicht ein fremder Mann ihr eine Geldmünze, gleich welchen Wertes, in den Schoß geworfen, und sie anschließend fernab des Heiligtums entjungfert hatte (ebd.). Zwar diente die Tempelprostitution einem höheren Zweck, da allerdings meist auch Geld eine Rolle spielte, kann man legitimerweise in einem weiteren Sinne von Prostitution reden. Die hinter den verschiedenen Ritualen steckende Intension war, dass durch die opfernde, heilige Hingabe der Frauen, die Götter milde gestimmt, und den Frauen Fruchtbarkeit verliehen werden sollte (Feustel 1993: 14). Darin lässt sich in dieser Form der sakralen Prostitution eine Substitution des Menschenopfers erkennen, sie stellt aber auch den Übergang zur profanen Prostitution dar (Von Braun 2006: 30).

 

Nicht-sakrale Formen der Prostitution sind seit dem 7. Jahrhundert vor Christus belegt (Frohnert 1991: 99), eine neue Dimension erreichte sie durch den athener Staatsmann Solon, der 594 v.Chr. das erste staatliche Bordell errichten ließ, dessen zahlreiche weitere folgen sollten. Zum einen in der Absicht Einnahmen für den Staat zu generieren, zum anderen aber auch mit dem Ziel, ehrbare Frauen vor Belästigungen zu Schützen (Girtler 2004: 282; Ringdal 2006: 76). Neben den staatlichen Bordellen begannen sich auch private Bordelle und ein Straßenstrich zu etablieren. Auch männliche Prostituierte boten ihre Dienste feil, wenn ihre Zahl auch deutlich geringer war. Die Dirnen und Stricher in diesen Bordellen und auf dem Straßenstrich rekrutierten sich meist aus Sklavinnen und Unfreien, aber auch aus freigelassenen Sklavinnen und Frauen aus der Unterschicht. (Ringdal 2006: 79) Ihre Kunden stammten in der Regel ebenfalls aus den niederen Gesellschaftsschichten, während sich für das Bürgertum eine eigene Form der Prostitution zu konstituieren begann, den sogenannten Hetären. Sie bestachen mit ihrem Charme und ihrer Bildung und ließen sich ihre Gesellschaft, die weit über den sexuellen Verkehr hinausging teuer Vergüten. Die Hetären waren bei ihren Kunden durchaus wählerisch, genossen mitunter hohes Ansehen und waren in die athener Oberschicht integriert. Oftmals gingen sie längerfristigen Beziehungen zu angesehenen athener Bürgern ein, von welchen sie sich aushalten ließen (Ringdal 2006: 79; Girtler 2004: 284f.).

 

Während die gemeinen Huren trotz einer toleranten Grundhaltung gegenüber Prostitution ein marginalisiertes Leben führten, genossen die Hetären ein hohes Ansehen und hatten oftmals sogar einen höheren Status als bürgerlichen Ehefrauen. Selbige mussten ein Zurückgezogenes Leben führen, derweil die Hetären an dem sonst für Männer vorbehaltenen öffentlichen Leben teilnahmen (Ringdal 2006 79ff.). Prostitution galt als fester Bestandteil der griechischen wie auch der römischen Gesellschaft, in deren Augen sie, durch die Befriedigung der männlichen Bedürfnisse, einen wichtige Aufgabe für die Allgemeinheit erfüllte (Feustel 1993: 30). Berühmt ist der Ausspruch des Römischen Senators Cato, der einem bekannten Patrizier den er aus dem Bordell kommen sah entgegnete: „Ich ehre dich für deine Tugend! Denn wenn eure Adern vor Lust anschwellen, ist es besser, ihr geht dort hinein – als euch an unseren ehrbaren Frauen zu vergreifen“ (Ringdal 2006: 86). Das Aufsuchen von Prostituierten war für römische Bürger mit keinerlei Makel behaftet, solange sich der Mann dabei diskret verhielt und der Hurerei fernab von seiner Ehefrau und seinen weiblichen Familienangehörigen nachging (Girtler 2004: 283 ff.) Mit der Christianisierung Roms wurde der Umgang mit Prostitution, wie auch mit promiskem Verhalten im Allgemeinen, rigider. Unter Kaiser Justian wurde es Patriziern Verboten Prostituierte zu heiraten. In öffentlichen Badehäusern wurde die Geschlechtertrennung eingeführt und die Tempelprostitution kam endgültig zum Erliegen. Zeitgleich wurde aber auch ein Rechtschutz vor Vergewaltigungen eingeführt und Heime errichtet, in denen ehemalige Prostituierte bekehrt werden sollten (Ringdal 2006: 128). Die Hure wurde zur Sünderin erklärt. Hierbei spielte es keine Rolle, ob eine Frau sich bezahlen ließ oder nicht. Promiskes Verhalten einer Frau genügte um sie als Hure anzuprangern. (ebd.: 144). Trotz der sexualfeindlichen Botschaft des Christentums und der gesellschaftlichen Ächtung der Dirnen, hatte auch im Mittelalter Prostitution ihren festen Platz in der europäischen Gesellschaft. Ort der Prostitution waren Badehäuser oder sogenannte Frauenhäuser, wie sie, unter Duldung der Kirche, in jeder größeren Stadt zu finden waren (Girtler 288ff.). Es herrschte die von Augustinus formulierte Vorstellung, der sich dabei explizit auf die römische Tradition berief: „Verbannt man Huren aus der menschlichen Gesellschaft, verbreitet sich die Geilheit überall“ (Ringdal 2006: 154). Prostitution sei, als „kleineres Übel“ zu tolerieren, „um ein größeres Übel, die Unzucht mit ehrbaren Frauen und Mädchen zu verhindern“ (Von Braun 2006: 35). Erst im Spätmittelalter sollten die von kirchlicher Seite propagierte Sittlichkeit aufgeweicht werden. Jungen Männern wurde unverhohlen der Bordellbesuch, als Option ihre Bedürfnisse zu stillen, nahegelegt. Zusammen mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft und dem expandieren der Städte, führte dies zu einer Blüte im Bereich des käuflichen Sex (Ringdal 2006: 160f.). Frauen aus sozialen Randgruppen sahen oftmals keine andere Alternative als sich zu prostituieren. In den streng patriarchalischen Gesellschaften der Antike und des Mittelalters war es für Frauen die nahezu einzige Möglichkeit Geld zu verdienen und ein freies, von Männern unabhängiges Leben zu führen. Allein im Paris des 15. Jahrhunderts kamen auf seine rund 100.000 Einwohner 4.000 in Zünften organisierte Prostituierte und schätzungsweise ebenso viele unorganisiert agierende Dirnen (ebd.: 167). Die Prostituierten waren zwar stigmatisiert wurden aber dennoch toleriert. Sie mussten sich, mit einer von Stadt zu Stadt abweichenden Kleiderordnung von den ehrbaren Frauen unterscheidbar machen. Elementare Rechte, wie das Erbrecht oder das Recht vor Gericht auszusagen, wurden ihnen verwehrt (ebd.: 168ff.). Anders als in der Antike, blieb die homosexuelle Prostitution, in der katholischen Lehre eine weitaus größere Sünde, als die heterosexuelle Prostitution, ein äußerst seltenes Randphänomen.

 

Mit der Reformation wurde auch die katholische Sexualmoral in Frage gestellt. Für den Protestantismus waren Zölibat und Jungfräulichkeit nicht mehr das höchste zu erstrebenden Gut. Der Ehe als Fundament der Gesellschaft wurde allerdings eine noch zentralere Funktion beigemessen als es im Katholizismus der Fall war. Zur selben Zeit brach mit der Syphilis eine Geschlechtskrankheit über Europa herein, für deren Existenz zuvorderst die Prostituierten verantwortlich gemacht wurden. Für Luther war die Hure ein, außerhalb der Gesellschaft stehendes Wesen, vom Teufel gesandt um Sünde und Verderben über die Christenheit zu bringen (ebd.: 205). Ziel der Protestanten war es der Unmoral Einhalt zu gebieten. Die katholische Kirche wollte derweil beweisen, dass sie in der Reinheit ihrer moralischen Ansprüche den Protestanten in nichts nachstehe. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mussten weiten Teilen Europas die Frauenhäuser schließen und es wurden Heime für die reuigen Sünderinnen gegründet. In manchen Gebieten wurde zeitweise sogar die Todesstrafe für Prostituierte verhängt (ebd.: 210ff.). Doch das Zeitalter der restriktiven Prostitutionspolitik währte nur kurz. Schon im 17. Jahrhundert sollte es, mit dem Auftreten eines neuen Prostituiertenthypus, der Kurtisane, zu einem erneuten Aufschwung kommen. Die Kurtisane erinnert in ihrem Habitus unzweifelhaft an die Hetären der Antike. Sie ist gebildet, eloquent und wählerisch was ihre Kunden betrifft. Ihre Kunden setzten sich aus der höfischen Aristokratie und dem aufstrebenden Bürgertum zusammen (ebd. 218ff.).