Meer, Salzkaramell und Mord - Elisabeth Grimm - E-Book

Meer, Salzkaramell und Mord E-Book

Elisabeth Grimm

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Beschreibung

Caféinhaberin und Hobbydetektivin Lena hat genug von der Ermittelei. Sie braucht dringend Urlaub und reist mit ihrem Lebensgefährten Kriminalhauptkommissar Kimmel an die Ostsee. Dort erwarten sie nicht nur das Kreischen der Möwen, ein paradiesischer Strand und eisgekühlte Cocktails, sondern auch Kimmels nervige Exfrau. Will sie Kimmel zurückhaben oder warum weicht sie ihnen nicht von der Seite? Als dann auch noch eine Leiche auftaucht und Kimmel unter Verdacht steht, ist Lena kurz davor, selbst zur Mörderin zu werden. Ohne die Unterstützung ihrer 70-plus Freundinnen aus dem heimatlichen Ahrensloe fühlt sie sich fremd und verloren. Aber dann kostet sie Salzkaramell, lernt Dackel Cicero kennen und Verstärkung lässt nicht lange auf sich warten. Dies ist der fünfte Band der Serie um Lenas Café, in der die Pfälzerin Lena im verträumten schleswig-holsteinischen Ahrensloe Morde aufklärt. Jeder Band ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig gelesen werden.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Buch

Caféinhaberin und Hobbydetektivin Lena hat genug von der Ermittelei. Sie braucht dringend Urlaub und reist mit ihrem Lebensgefährten Kriminalhauptkommissar Kimmel an die Ostsee.

Dort erwarten sie nicht nur das Kreischen der Möwen, türkisblaues Meer, ein paradiesischer Strand und eisgekühlte Cocktails, sondern auch Kimmels nervige Exfrau. Will sie Kimmel zurückhaben oder warum weicht sie ihnen nicht von der Seite?

Als dann auch noch eine Leiche auftaucht und Kimmel unter Verdacht steht, ist Lena kurz davor, selbst zur Mörderin zu werden. Ohne die Unterstützung ihrer 70-plus Freundinnen aus dem heimatlichen Ahrensloe fühlt sie sich fremd und verloren. Aber dann kostet sie Salzkaramell, lernt Dackel Cicero kennen und Verstärkung lässt nicht lange auf sich warten.

Die Autorin

Elisabeth Grimm ist geboren und aufgewachsen in Rheinhessen und hat in Frankfurt am Main Psychologie studiert. Die Arbeit brachte sie in den hohen Norden und die Liebe hat sie dort ein Zuhause finden lassen. Als überzeugte Schleswig-Holsteinerin liebt sie die plüschigen Galloways (lieber auf der Weide als auf dem Teller) und die wunderbare Natur ebenso sehr wie Butterkuchen und Fliederbeersuppe mit Grießklößchen. Schließlich höllt Eten und Drinken Lief un Seel tosamen. Und natürlich sind neben ihrer Familie ihre Katze und Bücher der Mittelpunkt in ihrem Leben. Sie schreibt seit dem zwölften Lebensjahr, Cosy Crimes, Kinderbücher und einen Katzenroman.

Bisher von Elisabeth Grimm erschienen:

Dampfnudeln, Butterkuchen und Mord, Lenas Café, Band eins.

Achtsamkeit, heiße Maronen und Mord, Lenas Café, Band zwei.

Weihnachten, Fliederbeersuppe und Mord, Lenas Café, Band drei.

Liebe, Kirschpralinen und Mord, Lenas Café, Band vier.

Meer, Salzkaramell und Mord, Lenas Café, Band fünf.

Federweißer, Zwiebelkuchen und Mord, Lenas Café, Band sechs.

Jeder Band ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.

Als Emma Grimm:

Wo ist Oma Wagner? Nele und Kater Carlo ermitteln, Hörbuch für Acht- bis Elfjährige, gesprochen von Astrid Haag.

Elisabeth Grimm

Meer, Salzkaramell und MORD

LENAS CAFÉ

Ein norddeutscher Cosy-Krimi

Impressum

Originalausgabe

1. Auflage

© 2024 Elisabeth Grimm

Text: Elisabeth Grimm

Hindenburgstraße 52

23843 Bad Oldesloe

E-Mail: [email protected]

Alle Figuren und Ereignisse sind frei erfunden, Ähnlichkeiten sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Korrektorat: Tino Falke

Covergestaltung und digitaler Buchsatz:

Sarah Schemske (www.buecherschmiede.net)

Alle Rechte vorbehalten.

Es spielen mit

Lena, 42 Jahre alt, nach Schleswig-Holstein vertriebene Pfälzerin, Caféinhaberin und Hobbydetektivin

Klaus Kimmel, 48 Jahre, Kriminalhauptkommissar, Hobby: Essen, Essen und Essen

Das »demente Trio«:

Lotti, 76 Jahre, ehemalige Grundschullehrerin, trägt Blümchenblusen und ist der Fels in der Brandung

Ava, 73 Jahre, aber will es nicht wahrhaben

Hilde, 76 Jahre, von Rheuma geplagte »Kräuterhexe« des Dorfes und Tagesmutter von Naomi, ein Jahr, Lenas Enkeltochter und Florians Tochter

Kater Misti wird ungerechterweise auch Mistvieh genannt. Dabei ist er eine Seele von Kater

Florian, Lenas Sohn und alleinerziehender Vater, der seit Kurzem mit seiner Tochter Naomi, fast ein Jahr alt, bei Lena lebt

Frau Nolde, Lenas Tarotkarten legende Nachbarin, die gefühlt ununterbrochen an ihren Rosen schnippelt und schwarzsieht

Monika Kimmel, 47 Jahre, Kriminalhauptkommissarin, noch Ehefrau von Kommissar Kimmel und eine Nervensäge, die Lena gerne in der Sonne steht

Greta von Hansen, 60-plus und Hotelinhaberin der Perle in Tranitz

Mario von Hansen, Mittvierziger, der sich für einen Endzwanziger hält und ebenso benimmt

Tony Tamme, auch Drogentony genannt und stets gut gelaunter Bekannter von Lena

Waldemar und Otto, Antiquitätenhändler aus dem Pütt und verdächtig

Cesare Fiori, 60-plus, italienischer Witwer, Rentner und Reisender

Cicero Fiori, Dackel

Cordula Krämer, Hotelangestellte

Bruno Krämer, ihr 18-jähriger Sohn

Lefke von Heide, Brunos Freundin, jobbt in der Perle

Sandy, arbeitet in der Bonbonmanufaktur

Erna, liebt Karamell und nein, sie ist kein lebender Fliederbusch

Prolog

Der Wind trieb die Wellen genauso vor sich her wie die blonden Haare der jungen Frau, die blicklos die Weiten des Meeres erfasste.

»Ich gehe jetzt«, sagte der junge Mann neben ihr, machte einen Schritt auf sie zu und streckte die Arme nach ihr aus.

Sie wich zurück, ohne ihm in die Augen zu sehen. Kraftlos ließ er seine Arme sinken, wandte sich um und entfernte sich mit langsamen, zögernden Schritten, die in ihren Ohren zu hallen schienen. Als diese längst verklungen waren, stand sie immer noch wie festge­froren im Augenblick. Sie hörte weder das Kreischen der Möwen noch das Rauschen der Brandung. Sie sah weder das Blau des Himmels noch des Meeres. Sie roch nicht die Süße der Heckenrosen noch das Salz des Wassers. Sie stand dort. Erstarrt. Leblos. Dann sank sie zu Boden und weinte. Sie hatte das Gefühl, nie mehr aufhören zu können.

Kapitel eins

Endlich Urlaub

Lena versuchte, sich auf die andere Körperseite zu drehen, stieß aber auf Widerstand. Im Halbschlaf drückte sie in die weiche, warme Masse neben sich und ein unwilliges Knurren erklang. Vorsichtig öffnete Lena ein Auge und schloss es schnell wieder. Es war viel zu hell. Und zu blau.

Wieso lag statt eines miauenden Katers ein hellblauer, relativ haarloser Berg neben ihr, der noch lauter schnarchte als ihr geliebtes Mistvieh, wie sie ihren rotbraunen Mitbewohner in ungünstigen Momenten zu nennen pflegte? Wenn er zum Beispiel während ihres Mittagsschlafes ihren Bauch als Trampolin benutzte, um hinter das Sofa zu gelangen. Oder wenn er ver­botenerweise auf dem Tisch stand und eben jenen Käsekuchen verputzte, auf den sie sich so gefreut hatte. Hm, Käsekuchen. Konnte man auch zum Frühstück essen. Oder doch lieber Brötchen? Schließlich hatte sie sich gerade erfolgreich um eine Kleidergröße reduziert, da musste der Kuchen bis zum Nachmittagskaffee warten. Morgens war etwas Solides besser. Vollkornbrötchen mit Rührei und Kräutern, ein paar Tomatenschnitze, Kaffee, ein frisch gepresster Orangensaft … Lena lief das Wasser im Munde zusammen.

Während sie vorsichtig versuchte, ihre Augen an die Helligkeit zu gewöhnen, die durch die riesigen Fenster mit Meerblick in das Zimmer drangen, erinnerte sie sich wieder daran, wo sie war. Zusammen mit dem blauen Schnarchmonster neben ihr, das sich im normalen Leben Kriminalhauptkommissar Klaus Kimmel nannte, war sie gestern Abend hier in Tranitz an der Ostsee in einer wunderschönen Zweizimmerferienwohnung nur wenige Meter vom Strand entfernt gelandet.

In der Nacht hatte sie geschlafen wie ein Murmeltier. Das war nach den Aufregungen der letzten Monate, in denen sie eine Leiche nach der nächsten gefunden und Kimmel sich als verheirateter Mann geoutet hatte, aber auch dringend nötig gewesen. Endlich Urlaub!

Lena hatte ihr Café im schleswig-holsteinischen Ahrensloe kurzentschlossen ihrem Sohn Florian und seiner neuen Flamme Samantha überlassen und sich zusammen mit Ehebrecher Kimmel hier eingemietet. Der seit vielen Jahren getrennt lebende Kimmel hatte sich angeblich nur aus steuerlichen Gründen nicht scheiden lassen. Lena hatte da so ihre Zweifel. Zu oft war ihr die im Gegensatz zu ihrer dunkel gelockten Rubens­figur klapperdürre Blondine Monika Kimmel in letzter Zeit über den Weg gelaufen. Kimmel behauptete, es läge lediglich daran, dass sie endlich die Scheidung in die Wege leiten wollten, aber Lena traute Monika nicht. Allein bei der Erinnerung, wie sie vor einigen Tagen völlig unverhofft und uneingeladen beim Grillen zu ihnen dazugestoßen war und Kimmel ständig angefingert hatte, musste Lena würgen. Brrr. Ekelig! Lena schüttelte sich und ein schwerer, warmer Arm legte sich auf sie.

»Nicht zappeln, schlafen!«, brummte das Arm­an­hängsel.

Aber da war nichts zu machen. Lena war wach. Hellwach. Leider war sie eher eine Lerche, während Kimmel eindeutig den Eulen, wenn nicht gar den Fledermäusen zuzuordnen war. Außerdem hatte sie Hunger. Energisch schob sie den Arm zur Seite, streckte sich, krabbelte aus dem Bett und trat ans Fenster.

Der Anblick war traumhaft, wie aus einem Reisekatalog. Als wären sie in der Karibik, strahlte ein türkisblaues Meer mit sanften weißen Schaumkronen vor dem hellen Strand unter einem wolkenlosen Himmel. Das leichte Rauschen der Wellen wurde nur übertönt vom Kreischen der Möwen. Und einem komischen Rumpeln. Lena stutze. Was war denn das? Es schien aus der Küche zu kommen. Ein Einbrecher? Nicht schon wieder irgendein Kriminalfall. Verdammt, sie hatte Urlaub. Sie holte tief Luft und nahm Kaffeeduft wahr. Kochten Einbrecher Kaffee? Eher nicht. Äußerst merkwürdig. Ob sie Kimmel wecken sollte? Der neigte dazu, unwirsch zu reagieren, wenn er vor neun aus dem Schlaf geholt wurde. Nein, so hatte sie sich ihren ersten Urlaubsmorgen nicht vorgestellt. Sie wollte in Ruhe Brötchen holen, mit dem Schnarchmonster frühstücken und sich dann noch mal ins Bett kuscheln. Frühstück ans Bett wäre auch eine Variante. Kurz blitzte die Erinnerung an ein Hotel in der Nähe des Pariser Eiffelturms in ihrer Erinnerung auf. Sie war gerade zwanzig und machte sich zusammen mit ihrem Ex-Mann Peter über ein ans Bett serviertes Tablett mit Croissants und Milchkaffee her. Luxus pur! Und danach … Lena grinste. Schiet auf gesundes Frühstück. Heute würde sie mit Schnarchi Croissants und Milchkaffee sowie diverse Extras im Bett genießen. Sie musste nur noch die Kaffee­fee aus ihrer Küche schmeißen. Bestimmt ein Service des nebenan liegenden Hotels »Tranitzer Perle«, zu dem die Ferienwohnung gehörte.

Lena streifte sich schnell ihre Jeans und ein T-Shirt über, öffnete die Tür zum Nebenraum, einem groß­zügigen Wohnzimmer mit offener Küche, und erstarrte.

Sie rieb sich über die Augen, blinkerte mehrfach, vielleicht hatte die frühe ungewohnte Helligkeit irgendwas mit ihrem Sehvermögen angestellt, aber das sich ihr bietende Bild änderte sich nicht. Leider. Eine perfekt geschminkte Dame mit hochgesteckten blonden Haaren, langen Perlenohrringen und braun gebranntem Dekolleté, das aus einem engen weißen Etuikleid hervorquoll, deckte den Küchentisch, auf dem bereits ein Korb mit frischen Brötchen stand. An sich eine gute Sache. Brötchen und Kaffee frei Haus. Wenn es sich nicht um Monika Kimmel gehandelt hätte.

»Ähem, Moin!«, sagte Lena, die in der Regel nicht auf den Mund gefallen war. Aber in diesem Moment war ihr Gehirn wie leer gefegt. Nicht nur die schöne Vorstellung vom Frühstück im Bett hatte sich verflüchtigt, ihr Kopf schien insgesamt eine Tabula rasa zu sein.

»Oh, guten Morgen Lena!« Freudestrahlend kam die in Parfüm getränkte Erscheinung auf Lena zu und begrüßte sie mit Küsschen links und rechts. Dann kicherte sie. »Da muss wohl jemand erst mal ins Bad. Keine Sorge, ich habe hier alles im Griff. Soll ich Klaus auch gleich wecken?«

»Äh, nein. Das mach ich dann schon. Wieso bist du hier?«

Es kicherte erneut. »Das werdet ihr mir nicht glauben. Ich erzähle es gleich beim Frühstück. Klaus wird Augen machen.«

Da wette ich drauf, dachte Lena, während sie ins Bad wankte. Kurz überlegte sie, ob sie sich nicht einfach ins Meer stürzen sollte. Zum einen glitzerte es verlockend und zum anderen hatte sie den unbändigen Wunsch, irgendwohin zu verschwinden. In ein Loch im Boden oder eben im Meer. Es würde doch wohl ein Fleckchen auf dieser verdammten Erde geben, wo Monika Kimmel nicht war. Während Lena ihre Zähne putzte, hatte sie das gruselige Bild vor Augen, wie sie friedlich auf dem Meeresgrund lag und ein kichernder Hai mit hochgestecktem blondem Haar und Perlenohrringen ihr ins Bein biss und fröhlich »Frühstück, Klausimaui!« rief. Ach nein, das war nur Monika, die ihren lieben Nochehemann gerade geweckt hatte.

Eine Katzenwäsche später konnte Lena einen müden Klausimausi ins Bad tapsen sehen, während sie an ihrem Kaffee nippte. Das war ihr gerade noch so von Monika gestattet worden, die offenbar Wert darauf legte, dass Lena in ihrem eigenen Feriendomizil mit dem Essen wartete, bis alle am Tisch saßen. Sowohl die lieben als auch die ungeliebten und definitiv ungebetenen Gäste.

Als Lena sich ein Brötchen nehmen wollte, hatte sie ihr knapp auf die Finger geklapst und kichernd gesagt: »Na, na, na, wo sind denn deine Manieren?«

Lena hatte schnell ihre Hand zurückgezogen und sich ihrem Schicksal ergeben. Dabei verstand sie sich selbst nicht. Ihr normales, mit süddeutschem Temperament ausgestattetes vorlautes Ich hätte Moni am liebsten eine gescheuert. Stattdessen hatte sie geschwiegen, sich einen Kaffee genommen und festgestellt, dass sich das jahrelange Meditationstraining nicht gelohnt hatte. Bisher hatte sie es nur einen Sekundenbruchteil lang geschafft, ihren ständig plappernden Affengeist zur Ruhe zu bringen. Trotz mühevoller Praxis und häufigen Übens konnte er einfach nicht seinen Schnabel halten. So viel Mühe hätte sie sich gar nicht geben müssen. Drei Minuten in Gesellschaft von Moni und ihr Hirn war wie durch die Schrottpresse gedrückt. Komplett geschrumpft mit nachhaltig gelöschter Festplatte. Während sie also an ihrem Kaffee nippte und hirnlos vor sich hindämmerte, plapperte es fröhlich um sie herum. Wie schön doch Tranitz sei, ein richtiger Geheimtipp, alles noch so authentisch, wenig Tourismus, sie und Klausimausi wären ja jedes Jahr mindestens ein, zwei Wochen hier gewesen, sie hätten es so genossen. Und das Essen in der Perle erst. Ob Lena wüsste, dass die sogar fast einen Stern geschafft hätten. Ach, wie gerne sie hier in Tranitz wäre … Bla, bla, bla.

Lena fixierte ihren Blick auf das Fenster. Aber auch dort draußen waren wie aus dem Nichts dicke Wolken erschienen und verdunkelten die Sonne. Zog ein Tiefdruckgebiet auf? Eines namens Moni?

Kapitel zwei

Sei doch nicht so

Am Abend saßen Lena und Klausimausi nach einem langen Strandtag im Garten der Tranitzer Perle. Die Perle lag genau wie das Gebäude mit den vier Ferienwohnungen, von denen Lena und Kimmel eine zur Perle hin gelegene mit Eckterrasse bewohnten, auf einer leichten Anhöhe, sodass man einen herrlichen Blick auf das Meer hatte. Die Sonne verteilte ihre letzten Strahlen wie eine orangerote Diskokugel, die sich glitzernd in den Wellen widerspiegelten. Es war ein herrlicher Juni­abend mit dem Geruch nach Sommer und Jasmin. Liebende schmiegten sich im romantischen Sonnenuntergang aneinander.

Jedenfalls die anderen. Lena und Kimmel saßen sich mit gerunzelter Stirn gegenüber und das lag nicht unbedingt an der Qual der Wahl der wirklich vielver­sprechenden Speisekarte.

Kimmels himmelblaue Augen blickten Lena über den Kartenrand hinweg an. »Jetzt guck doch nicht so böse. Es ist unser erster Urlaubstag.«

»Eben«, fauchte Lena. »Den hatte ich mir anders vorgesellt.«

Kimmel schaute sich irritiert um. Die rustikalen Holztische mit den weißen Stoffservierten und frischen Margeriten waren mit fröhlichen Familien und vor Glück leuchtenden Liebespaaren besetzt. Leichtes Gläser­klingen erfüllten neben dem Geschnatter der Gäste ebenso die Luft wie die Musik des Geigen­spielers, der leise im Hintergrund »La Paloma« erklingen ließ. Das Meer glitzerte, es gab einen Grillteller mit vier verschiedenen Fleischsorten auf der Speisekarte und das Bier schmeckte. Von seiner Warte aus war es perfekt.

»Gefällt es dir hier nicht?«, fragte er.

»Die Gegend und die Perle sind super«, musste Lena zugeben.

Kimmel krauste seine Stirn im angestrengten Nachdenken. Und diesmal ging es nicht um die Frage, ob er einen Grillteller oder ein Holsteiner Schnitzel bestellen sollte.

Lena verdrehte die Augen. »Du willst Kriminalkommissar sein? Dann denk doch mal nach. Es ist unser erster Urlaub und wer begrüßt uns morgens? Deine Ex.«

Kimmel rutsche unwohl auf seinem Stuhl hin und her und bestellte vorsichtshalber schnell ein weiteres Bier bei dem blonden jungen Mädchen, das sie bediente.

»Sehr gerne«, strahlte sie ihn an und er strahlte zurück.

Lena stöhnte. Männer. Die Aufmerksamkeitsspanne einer Amöbe.

»Schön hier, nicht?«, lächelte er nun auch Lena an.

»Nicht! Ganz genau! Vor allem nicht, wenn ich von deiner Ex in meiner Küche geweckt werde.«

Nun drehte er sein Bierglas in den Händen hin und her. Dann seufzte er und legte seine feuchte Hand auf Lenas. »Sie wollte uns doch nur eine Freude machen.«

Blitzschnell zog Lena ihre Hand weg und wischte sie an ihrem Hosenbein trocken. »Dein Ernst? Wer kommt auf die bescheuerte Idee, seinen Ex im Urlaub zu überfallen? Einfach in unsere Wohnung einzudringen. Ich habe einen halben Herzinfarkt bekommen«, übertrieb Lena mit blitzenden Augen.

»Es war offen. Und du lebst ja noch. Ich fand es auch nicht so toll. Aber heute Morgen war heute Morgen und jetzt ist jetzt. Lass und doch einfach den Abend genießen.«

»Würde ich ja gerne, wenn du Monilein nicht auch noch zum Abendessen eingeladen hättest.« Lena hatte das Gefühl, ihr Kopf würde gleich explodieren, und kippte schnell ihre Weißweinschorle hinunter, um Kühlung zu gewährleisten.

»Fräulein, bitte noch eine Schorle«, rief sie der vorbeieilenden Bedienung hinterher. Die blieb lächelnd stehen. »Sehr gerne. Ich bin übrigens Levke. Sie wohnen in einer der Ferienwohnungen, oder? Soll ich alles auf Rechnung schreiben?«

Lena lächelte sie an. »Lena, erfreut. Gerne auf Rechnung. Wir werden ja wohl noch öfter hier sein. Es ist so schön hier.« Sie ließ ihren Blick über die pink blühenden Heckenrosen am Ende des Gartens und den Jasmin schweifen. Es könnte perfekt sein.

Als Levke den Tisch verlassen hatte, versuchte Kimmel erneut, Lenas Hand zu nehmen. »Ich wollte sie nicht einladen. Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist. Wir haben über das Restaurant gesprochen und auf einmal waren wir mit ihr verabredet. Meinst du, mir gefällt das?«

Lena erwog, ihre Hand wieder wegzuziehen, ließ sie aber liegen. Sie wollte doch nur ein paar schöne Tage zusammen mit Klaus erleben. War das zu viel verlangt? Vielleicht hatte er recht. Sie musste nur noch diesen einen Abend ertragen und danach waren sie Monilein, wie Kimmel sie am Morgen aus Versehen genannt hatte, los. Es war zu ärgerlich, dass diese ausgerechnet parallel zu ihrem Urlaub eine Weiterbildung in der Nähe besuchte und sich in Tranitz eingemietet hatte. Genau wie Kimmel war sie Kriminalhauptkommissarin, allerdings in einem anderen Bezirk. Als sie gehört habe, dass Kimmel und Lena auch da seien, habe sie noch einen Tag drangehängt. Ein toller Zufall, oder? Lena tendierte definitiv zu oder.

»Ihr glaubt nicht, wie überrascht ich war, als Greta mir erzählt hat, dass du gerade hier Urlaub machst. Zusammen mit deiner Neuen, hihi.«

Hihihi. Lena war gar nicht zum Lachen zumute. Im Gegensatz zum gutmütigen und grundehrlichen Kimmel, naja fast grundehrlich, schließlich hatte er ihr verschwiegen, dass er noch verheiratet war, hatte seine Ex es faustdick hinter den Ohren. Und zwar nicht nur Hautfältchen vom offensichtlichen Lifting.

Als Monilein endlich in einem knallroten Chiffon­kleid, das viel mehr Busen zeigte, als sie bei ihrer schlanken Statur natürlicherweise haben konnte, ihren Auftritt hinlegte, hatte Lena sich mithilfe der dritten Weinschorle mit der Situation abgefunden und wunderte sich nur noch. Über so einiges.

Beispielswiese wie doof der kluge Kimmel sein konnte, wenn es um Monilein ging, die Lenas für eine berechnende Schlange hielt. Was wollte die plötzlich von Kimmel? Laut seiner Aussage hatten sie seit Jahren nur noch sporadischen Kontakt. War er nun, da er sich scheiden lassen wollte und eine Neue hatte, wieder attraktiv für sie? Lena konnte es sich gut vorstellen. Sie kannte diese Art Frauen, deren Interesse durch Konkurrenz belebt wurde. Sie kannte sie, aber mochte sie nicht. Was um Himmels Willen hatte man davon, anderen auf die Eier zu gehen? Lena erschloss es sich nicht. Sie war mehr für leben und leben lassen.

Lena fing an, ihre Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie langweilte sich. Die Monishow mit ihrem ganzen Klausi hier und Klausi da und erinnerst du noch dies und jenes und den Sex on the Beach …war einfach nicht ihr Ding. Lustig war allerdings, wie rot Klausimausi an der Stelle wurde. Trotzdem. Wer wollte sowas wissen? Lena bestellte einen Grappa. Jetzt mussten härtere Geschütze ran. Da war Weinschorle keine Option mehr.

Wenn man die beiden Kimmels ausblendete, war es richtig nett hier. Und interessant. Es gab zwei Bedie­nungen. Die süße kleine Lefke und eine Art Lena in dünn und verhärmt, Cordula, die ungefähr 30 Pfund weniger wog als die üppige Lena, aber die gleichen wilden dunklen Locken hatte, die sie mit vielen Haarnadeln in bewundernswerter Weise auf dem Kopf befestigt hatte. Lena, die in der Regel einen Pferdeschwanz trug, fehlte für so ein Kunstwerk einfach die Geduld. Cordula und Lefke schienen nicht die besten Freundinnen zu sein. Cordula hatte die unangenehme Angewohnheit, häufiger hinter der Rosenhecke am linken Ende des Gartens zu verschwinden, zu rauchen und Levke, die wie verrückt hin- und herrannte, anzumotzen, wenn sie irgendwas nicht schaffte. Nur um danach mit den Gästen zu flirten und ein dickes Trinkgeld einzustreichen.

Mario, ein Mittvierziger mit George Clooneys angegrauten Schläfen, etwas zu weit geöffnetem weißem Designerhemd und zu eng sitzenden Anzughosen hatte sie als Geschäftsführer am Vortrag begrüßt. Jetzt ging er von Tisch zu Tisch und machte Konversation. Zwischendurch fauchte er Cordula an und legte beschützend seinen Arm um Levke. Wenn er dachte, es bekäme keiner mit, dauerte die Umarmung besonders lange. Dummerweise hatte er sich in dem Punkt getäuscht. Cordula starrte ihn erst böse an und zog ihn dann wutentbrannt ins Haus. Schade, dachte Lena, die zu gerne Mäuschen gespielt hätte. Fröhlich bestellte sie sich noch einen Grappa und beobachtete das Pärchen am Nachbartisch. Auch sie schienen nicht so einträchtig, wie es das wunderbare Ambiente erwarten lassen würde.

Sie zickten sich in einer vermutlich osteuropäischen Sprache an und der, der offenbar Wladi hieß, denn so wurde er ständig wütend genannt, stolzierte mitten im Streit einfach davon und ignorierte sein genervtes Gegenüber.

»Wladi, was soll denn das. Lass uns doch …«, rief dieser.

Als er Lenas Blick auf sich ruhen sah, brach er ab, hob hilflos die Arme und zwinkerte ihr zu, bevor er Wladi hinterherlief. Ein bisschen bi schadet nie, dachte Lena nur und kippte ihren vierten Grappa. Mit seinen dunklen Augen und Haaren und dem blendenden Lächeln aus überkronten schneeweißen Zähnen hätte er gut aussehen können, wenn man auf den Typen schleimiger Kerl mit Goldkette im haarigen Ausschnitt unter dem 80er-Jahre-Hemd stand. Lena tat das eher nicht und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die ältere Dame, die direkt auf ihren Tisch zusteuerte.

Diese trug einen beeindruckenden grauen Dutt, der ihre Gesichtsmuskeln so fest zerrte, dass das alte Gesicht erstaunlich faltenfrei wirkte. Dicke Perlen schmückten die Ohren und eine dazu passende Kette lag über einem eleganten grauen Leinenkleid, über das sie noch eine rosafarbene Strickjacke gezogen hatte.

Sie wirkte wie eine Mischung aus pensionierter Grundschullehrerin und Operndiva. Elegant und einfach fies. Und dieser Eindruck täuschte keineswegs. Nachdem sie Monilein und Kimmel mit Umarmung und Küsschen links und rechts und kompletten Begeisterungstürmen begrüßt hatte, nickte sie Lena lediglich herablassend zu. Sie hielt es noch nicht mal für nötig, sich vorzustellen. Aber Lenas Spürsinn hatte sie ohne große Schwierigkeiten als die Inhaberin der Tranitzer Perle erkannt. Es hingen schließlich ausreichend viele Porträts von ihr im Foyer.

Zum Glück hatte auch ein furchtbarer Abend irgendwann ein Ende und Lena durfte neben einem laut schnarchenden Kimmel alkoholbetäubt in den Schlaf sinken.

Kapitel drei

Morgenstund hat Gold im Mund oder auch nicht

Am nächsten Mittag kuschelte Lena sich zufrieden an den schon wieder schnarchenden Kimmel. Es war fast wie zu Hause auf dem Sofa. Nur dass sie hier auf einer weichen Liege in der warmen Sonne vor sich hin brutzelte, während Klaus das Schnarchen ihres Katers Misti, der in der Regel auf ihrem Bauch oder hinter ihr in der Sofaecke lag, in zehnfacher Lautstärke imitierte.

Einen Anflug von Genervtheit über den dauerschlafenden oder essenden und laute, nervige Geräusche absondernden Kimmel hatte sie mit der Vorstellung überspielt, dass er ein riesiger Misti und genauso gemütlich und kuschelig war. Außerdem hatte sie Verständnis für ihn. Sie waren eben beide sehr erschöpft und der Vorabend mit Nervensäge Monika und viel zu viel Alkohol hatte sein Übriges getan.

Als sie ihren Kimmelberg wohlwollend musterte, öffnete er die Augen, zwinkerte ihr zu und zog sie eng an sich. Okay, er war wohl doch nicht ganz so müde wie gedacht. Lena schmiegte sich in seine Umarmung. Angesichts ihres sexlüsternen Affengeistes, der gerade das Kamasutra durchging, war sie froh, dass die Sonnen­terasse ihrer kleinen Ferienwohnung von Palisaden umgeben war.

»Juhuu!«, ertönte eine inzwischen leider wohlbekannte, viel zu hohe Stimme und ein dürrer Schatten schaffte es doch tatsächlich, sich zwischen sie und die Sonne zu stellen.

Sie spürte, wie Kimmel erstarrte und schuldbewusst von ihr abrückte. Sein Ernst? Das war seine verdammte Ex-Frau, naja, zumindest seine baldige Ex-Frau, hatte er etwa ein schlechtes Gewissen? Und was hatte diese Schlange schon wieder auf ihrer Terrasse zu suchen?

Lena erinnerte sich nur noch zu gut, wie sie am Morgen die komplette Ferienwohnung durchsucht hatte, um sicherzugehen, dass Moni sich nicht wie am Vortag irgendwo versteckt hatte und ihnen mit Brötchen bewaffnet auflauerte, um ihre traute Zweisamkeit zu stören. Nachdem die Wohnung komplett monisicher war, hatte Lena die Eingangstür abgeschlossen und sich zurück zu Kimmel ins Bett geworfen. Diesen Morgensex zumindest hatte ihr das olle Aastüch nicht versaut. Aber genauso wenig, wie sie etwas gegen ein zweites Frühstück einzuwenden hatte, hätte eine zweite Runde spezielle Gymnastik geschadet.

Lena starrte auf ein knallrotes, extrem stoffsparend produziertes Ministretchkleid. Sie runzelte die Stirn. Waren Wurstpellen jetzt in? Am liebsten hätte sie »Ja, wir wissen inzwischen alle, dass du 30 Pfund weniger wiegst als ich, nun schwing deinen dürren Schlangenpopo weg von meiner Terrasse« gesagt, aber sie beschränkte sich darauf, die Augen zu verdrehen, denn wie üblich kam Kimmel ihr zuvor. Was eigentlich nur bei Moni üblich war, sonst war er eher die Variante Schlaftablette.

Er sprang wie von der Tarantel gestochen auf, begrüßte Moni mit der albernen Rechts-Links-Küsserei und fragte immerhin sichtlich irritiert, was sie denn schon wieder hierher verschlage.

»Klausimaui, ich brauche dringend deine Hilfe. Ich habe einen so verflixten Fall, bei dem ich nicht weiter komme. Weißt du noch, wie wir früher immer stundenlang über den Fällen gebrütet haben? Und dann, eins, zwei, drei, hatten wir die Lösung. Ich dachte, ich nutze die Gunst der Stunde, dass du hier in der Nähe bist, und wir setzen uns einfach mal zusammen.«

Dann lächelte sie Lena, sofern man das Verziehen der verhärmten Mundwinkel als Lächeln bezeichnen konnte, von oben herab an. »Lenaschatz, es macht dir doch nichts aus?«

Lena wusste gar nicht, wohin mit ihren widerstreitenden Gefühlen. Neben dem Stich im Herzen bei der Erwähnung der gemeinsam gelösten Fälle, war sie stinkwütend. Zusammen zu ermitteln hatte sie und Kimmel von Anfang an verbunden und nun war das nichts Besonderes mehr. Und diese Frechheit, sie Lena­schatz zu nennen! Moni schämte sich weder für die Fadenscheinigkeit ihrer Ausrede noch dafür, schon wieder hier aufzutauchen. Außer ihrer verstorbenen Mutter hatte es noch nie jemand geschafft, sie dermaßen sprachlos zurückzulassen. Moni war so schweinedreist, dass Lena keine Ahnung hatte, wie sie damit umgehen sollte. Zumal Kimmel sie um Zurückhaltung im Sinne einer schnellen und unkomplizierten Scheidung gebeten hatte. Sonst hätte sie diese Teewurst einfach von ihrer Terrasse geschoben, mit dem freundlich gemeinten Hinweis, doch bitte dorthin zu gehen, wo der Pfeffer wächst. Wobei, ob Teewurst mit Pfeffer gut schmeckte? Eher nicht, entschied Lena und vernahm ein deuliches Knurren ihres Magens. Mochte er Moni genauso wenig wie sie, oder war es einfach Hunger? Egal. Sie erhob sich stumm und ging ins Haus, um sich ein Kleid und Crocs überzustreifen, ihren Rucksack zu nehmen und das Haus zu verlassen.

»Ich gehe kurz einkaufen«, informierte sie Kimmel, der schon mitten im Gespräch mit Schlangenmoni war, und warf die Tür hinter sich zu.

Während sie an der Strandpromenade entlangging, hatte sie weder ein Auge für das türkis glitzernde Meer, noch konnte sie sich am weißen Strand oder den glücklich lachenden Kindern um sich herum erfreuen. Sie kochte. Und nicht nur, weil es so warm war. Aber mit jedem Meter, den sie weiter ging und sich in der viel geübten Achtsamkeit übte, indem sie versuchte, sich auf die Schönheit ihrer Umgebung, die Wärme der Sonne auf ihrer Haut, die angenehme leichte Meeresbrise, zu konzentrieren, spürte sie, wie ihre Wut kleiner und kleiner wurde. Bis sie sich lediglich müde und leer fühlte. Besonders in der Körpermitte, so um den Bauch herum.

Was für ein Glück, dass sie gerade vor einer Strandbar stand. Es war sogar ein Thekenhocker frei. Hier ging die Theke nicht in Richtung Bar, sondern gewährte vollen Meerblick. Lena bestellte sich einen Sex on the Beach und kicherte. Dann eben so. Dann bestellte sie noch einen. Beim dritten war das Gefühl der Leere dem der Leichtigkeit gewichen. Scheiß doch auf Klausimausi und Schlangenmoni. Das Meer glitzerte, die Sonne strahlte, der Barmann war nett, hui, jetzt legte er sogar den Arm um sie. Lachend wandte Lena sich um und blickte in das strahlende Gesicht der Reinkarnation von Elvis Presley, versehen mit den strahlend blauen Augen von Terrence Hill. Das war doch nicht der Barkeeper, das war …

»Nein!«, rief sie und fiel ihm um den Hals.

»Aber auf jeden Fall«, antwortete Drogentony, ein Bekannter aus Ahrensloe, der entgegen seines Rufes Lenas maßgeblicher Meinung nach ein echt netter Kerl war, und drückte sie, was das Zeug hielt. Das war fast noch besser als ein menschlicher Misti und Sex on the Beach.

Endlich war es genauso wie sie sich Urlaub vorgestellt hatte. Frei und unbeschwert, mit strahlender Sonne und einem kräftigen Cappuccino, den sie nach dem ganzen Alkohol nötig hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt einen dermaßen glücklichen Nachmittag gehabt hatte, und Tony schien es ähnlich zu gehen. Immer wieder warf er ihr tiefblaue Blicke zu. Er war so eng zu ihr gerückt, dass sie sich notfalls an ihn lehnen konnte, so zur Sicherheit, falls sie cocktailbedingte Probleme mit dem Gleichgewicht bekam oder der Stuhl anfangen sollte, zu kippeln. Bei diesen Thekenstühlen auf dem unebenen Untergrund der Holzbohlen wusste man ja nie.

»Was machst du denn hier? Urlaub?«, fragte Lena ungläubig, da das verschlafene Tranitz so gar nicht zu Tony passte. Irgendwie konnte sie ihn sich besser am Ballermann oder in Hawaii vorstellen.

Tony nickte in Richtung Straße, wo ein glänzender, blauer Oldtimer parkte. Es war ein Jaguar XK 150. Lena pfiff durch die Zähne.

»Lust auf eine Runde?« Tony blinkerte anzüglich und völlig übertrieben mit den Wimpern.

Lena lachte. »Nein, danke und danke.«

»Schade, es lohnt sich.« Er blinkerte erneut.

»Das ist aber nicht deiner, oder?«, fragte Lena und ignorierte das Geflirte.

»Leider nein. Ich habe ihn restauriert und bin auf dem Weg zum neuen Besitzer. Es ist ein echtes Goldstück, Baujahr 1958, beige Ledersitze, super in Schuss.« Er musterte den Wagen verliebt.

»Und dann hast du hier einen kleinen Zwischenstopp eingelegt und genießt das Auto noch ein paar Tage?«, fragte Lena.

»Ich mag es hier«, sagte Tony.

»Kommst du aus der Gegend?« Lena wunderte sich. Tony wirkte hier wie ein Pfau unter Hühnern. Zum grundgediegenen Kimmel passte das Umfeld sehr viel eher.

»Ich bin in Kiel aufgewachsen. Erst in letzter Zeit bin ich häufiger hier. Ich …« Tony unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Ach das spielt keine Rolle. Ich habe auch Verwandte hier, aber in erster Linie bringe ich das Auto nach Polen. Ich habe es wieder in Schuss gebracht. Ist der Hammer, oder?« Tony strahlte vor Stolz.

»Absolut«, stimmte Lean ihm zu. »Aber dass du es ausgerechnet nach Polen verkaufst …«

Tony wich ihrem Blick aus. Dann sagte er: »Es ist meine neue Geschäftsidee. Es gibt viele heruntergekommene Oldtimer im Ostblock. In der Regel aber nicht so hochwertige. Auf dem Rückweg nehme ich einen alten Käfer mit, den ich fit mache. Interessiert?«

Lena dachte an die blaue Knutschkugel, mit der sie beim letzten Mordfall in Ahrensloe, zusammen nach Kiel gefahren waren, um zu ermitteln. Der alte VW hatte ihr definitiv gefallen, war aber eher ein Sammlerstück, als ein Auto für den Alltag. »Deine Preise kann ich mir nicht leisten, Tony.«

Er zuckte mit den Schultern. »Komm doch einfach mit mir. Dann kannst du wenigstens ein paar Tage Cabrio fahren. Polen ist wunderschön. Und nicht nur Polen.« Er grinste sie frech an.

»Oder komm endlich nach Hause«, ertönte da die angegrätzte Stimme eines puterroten Kimmels im Hawaiihemd neben ihr. »Ich warte seit Stunden, dass du vom Einkaufen wiederkommst. Ich habe mir Sorgen gemacht.« Er warf Tony einen bitterbösen Blick zu. »War wohl nicht nötig. Ich hätte es wissen können, dass du dich mal wieder mit irgendeinem Knastbruder verbrüderst.«

»Hui, nu mal langsam. Ich bin ehrenwerter Geschäftsmann«, entrüstete Tony sich.

»Klar und ich bin der Weihnachtsmann.«

»Eher der Bumann!« Tony ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er schob seine Sonnenbrille hoch, warf seine Elvistolle nach hinten und strahlte Kimmel aus seinen tiefblauen Augen mit anbetungswürdigen Grübchen an. »Kimmel, altes Haus, auch ein Käffchen?«, fragte er.

Kimmel wandte ihm wortlos den Rücken zu und zog Lena grob vom Hocker. »Wir gehen jetzt nach Hause.«

Lena sah, wie ein Schatten über Tonys Gesicht lief und er die Muskeln anspannte. Beruhigend legte sie ihre Hand auf seinen Arm. Eine Klopperei hätte ihr gerade noch gefehlt. Sie stand auf und zückte ihr Portemonnaie.

»Lass stecken, geht auf mich.« Tony grinste Kimmel herausfordernd an.

»Danke. Nicht nötig.« Während Kimmel und Tony weiterstritten, wer denn nun Lenas Rechnung übernehmen durfte, ging diese kopfschüttelnd zur Bedienung, drückte ihr einen Fünfzigeuroschein in die Hand und machte sich auf den Weg zurück zur Ferienwohnung. Ehrlich gesagt, fühlte sie sich gar nicht gut. Waren sie hier nicht an der Ostsee? Was fiel der Sonne ein, dermaßen heiß auf ihren Kopf zu brennen? Und diese komischen Pflastersteine auf dem Bürgersteig schlängelten sich schief und krumm dahin. Da! Jetzt hatten sie sich sogar bewegt. Fasziniert versuchte Lena, stehen zu bleiben, um die lustigen Linien zu beobachten. Aber das war gar nicht so leicht. Offenbar hatten sie hier nicht nur auf dem Wasser, sondern auch an Land heftigen Seegang. Lena fühlte, wie sich Kimmel gerade noch stützend bei ihr einhakte, bevor sie vollends den Halt verlor.

»Sag mal spinnst du? Wie viel hast du denn getrunken? Du hast ja noch nicht mal zu Mittag gegessen«, schimpfte Kimmel.

Lena kicherte. »Ist der Herr Kommissar mal wieder miesepetrig? Ich hatte Cocktails, meine Wohnung war leider von einem Monster belagert.«

»Au!« Lena hielt sich den schmerzenden Arm. Kimmel war abrupt stehen geblieben.

»Wie bitte? Was meinst du?«, fragte er mit hochge­zogenen Augenbrauen.

Lena versuchte sich loszumachen, aber der Griff an ihrem Arm war felsenfest. Sie zuckte die Schultern. Dann fing sie an zu singen. »Monilein hat Scheiß am Bein. Und der Klaus ist ’ne Maus. Ei da Daus«, gefolgt von einem veritablen Hustenanfall. Es war nun mal nicht so einfach, gleichzeitig auf diesem wankenden Boden zu balancieren, Lieder zu komponieren und dabei Lachanfälle zu bekommen.

Anstatt ihr zu helfen, musterte Klausimausi sie nur aus eisblauen Augen und sagte: »Lütte Sünn bestraft de leve Gott up de Steed.«1

Kapitel vier

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben oder verfluchen

Als Lena am frühen Abend endlich ihren Rausch ausgeschlafen hatte, erinnerte sie sich nur noch vage, wie sie in die Ferienwohnung gelangt war. Sie hielt sich ihren dröhnenden Schädel, während sie in die Küche wankte. Dort fand sie gnädigerweise eine Packung Kopfschmerztabletten, eine Tüte mit Franzbrötchen und eine Thermoskanne mit Kaffee auf dem Tisch. Eine kurze Dusche, 600 mg Ibuprofen und drei Tassen Kaffee später gelang es ihr, Brötchen kauend, den Zettel zu entziffern, der auch auf dem Tisch gelegen hatte. Sie freute sich. Die Scharfstellung ihrer Augen war gerettet. Zwischendurch, als das Bett so wankte und alles verschwommen war, hatte sie daran ernsthafte Zweifel gehegt.

Die Botschaft selbst war leider nicht erfreulich.

»Bin schon mit Moni zum Abendessen. Warte nicht auf mich. Du kommst ja gut ohne mich zurecht.«

Uih, dachte Lena. Wie humorlos! Und dann kicherte sie. Sie konnte nichts dafür. Schuld hatte ihr Affengeist. Der sang nämlich ununterbrochen: »Monilein hat Scheiß am Bein und der Klaus ist ’ne Maus, ei der Daus.«

Da sie ja auch irgendwas essen musste, machte sie sich auf den Weg in die Perle. Wer weiß, vielleicht traf sie dort auf Klausimausi und Monilein? Das wäre fein. Total nett. Aber sowas von. Komischerweise hoffte sie eher auf Drogentony. Wieso denn nur?

Von Moni und Kimmel war in der Perle weit und breit nichts zu sehen. Leider auch nicht von Tony. Lena zuckte die Schultern. Dann würde sie eben allein essen. Besser als in schlechter Gesellschaft. An diesem Abend arbeitete ein gutaussehender junger, dunkelhaariger Mann mit dunklem Teint und freundlich funkelnden Augen im Service.

»Guten Abend. Mein Name ist Bruno. Sie wohnen in Ferienwohnung drei, nicht wahr? Wollen Sie noch auf Ihren Mann warten?«

Lena lächelte ihn an. Wie nett es hier war. Sie kannte es sonst nur aus amerikanischen Serien, dass der Kellner sich vorstellte. In der Perle war eben alles anders. Klein, aber fein und sehr persönlich. »Ich bin Lena. Und ich speise allein, so wie’s aussieht.« Dass ihr angeblicher Mann mit seiner angeblichen Ex zusammen gegessen hatte, hielt sie für überflüssig zu erwähnen.

Sie genoss eine Riesenportion Spargel mit Sauce Hollandaise, Salzkartoffeln und Katenschinken und genehmigte sich dazu jede Menge Mineralwasser und ein kleines Glas Grauburgunder. Nur so, damit der Kater etwas zu tun hatte.

Dann beobachtete sie die Leute um sich herum.

Das homosexuelle Paar am Nachbartisch schien sich am heutigen Abend wieder zu vertragen und jede Menge Spaß zu haben. Glückspilze. Na ja, war eben nicht jeder eine nachtragende Miesmuschel. Sie prosteten Lena fröhlich zu und luden sie ein, sich zu ihnen zu setzen.

Lena zögerte kurz, dann nahm sie lachend an.

Otto und Waldemar kamen aus Düsseldorf. »Aber wir sind fast alle zwei Monate für ein paar Tage hier. Man gönnt sich ja sonst nichts. Sylt ist einfach so out, findest du nicht auch, Lenaschatz?«

Waldemar, der einen leichten Akzent und vermutlich östliche Wurzeln hatte, zwinkerte ihr zu, als Lena ansetzte sich über die dämliche Anrede, die sie schon zu Hause in Ahrensloe, wo sie von Stammgästen in ihrem Café genauso genannt wurde, wie die Hölle nervte, zu beschweren.

Was soll’s, wenn er es zu weit trieb, nannte sie ihn eben Waldi. Mal sehen, ob er dann immer noch lachte.

Davon abgesehen, hatte sie einen netten Abend. Otto und Waldemar erzählten von interessanten Ausflugszielen und Lokalen in der Gegend und Lena beobachtete nebenbei, was sich in der Perle so abspielte. Offenbar war hier nicht nur zwischen ihr und Kimmel dicke Luft. Wo man doch annehmen sollte, dass die frische Ostseebrise schnell für Klärung sorgte. Wenn sie die bösen Gesichter und das Rumgezicke richtig interpretierte, waren Mario und Cordula ein Paar, aber im Dauerstreit. Ab und an drehte Hotelchefin Greta hoheitsvoll ihre Runden, ohne auch nur einen leeren Teller auf dem Rückweg mitzunehmen. Ihre Aufgabe bestand offensichtlich ausschließlich im Residieren. Mit kurzen bösen Blicken dirigierte sie ihr Personal und auch ihren Sohn hin und her, während sie selbst keinen Finger rührte. Als Cordula sich zum Rauchen hinter die Hecke verziehen wollte, genügte ein kurzer scharfer Blick von Greta und diese kehrte augenrollend um und ging Tische abräumen.

Waldemar hatte Lenas Blick verfolgt und lachte. »Der alte Drachen hat alle voll im Griff. Ich kann nur raten, in Deckung zu gehen, wenn sie kommt. Ich durfte gestern Abend beobachten, dass du nicht zu ihren Lieblingen gehörst.«

Lena seufzte. »Nein, sie steht eher auf geliftete Blondinen. Muss ich ernsthaft Angst haben?«

»Gästen hat sie, soweit ich weiß, noch nie was getan, aber man munkelt, dass ihr Ex-Mann vor vielen Jahren unter mysteriösen Umständen verstorben ist.«

Lena lachte und zog prompt einen bösen Blick vom anderen Ende des Gartens auf sich. »Oh nein, warum erzählt ihr so einen Scheiß? Nun hat sie mich bemerkt und kommt auf mich zu. Hilfe!« Schnell kippte sie den letzten spärlichen Rest Wein herunter. Es war schlimmer als in der Grundschule. Ihre damalige Lehrerin, die auch noch eine Freundin ihrer verstorbenen Mutter war, schien sie aus unerfindlichen Gründen auf dem Kieker gehabt zu haben, und es gab fast keinen Tag, an dem Lena nicht mit »Extraaufgaben, damit du lernst, aufmerksamer dem Unterricht zu folgen, anstatt Papierflieger zu basteln« nach Hause kam.

---ENDE DER LESEPROBE---