Mehr Natur, weniger Chemie - Christoph Bachmann - E-Book

Mehr Natur, weniger Chemie E-Book

Christoph Bachmann

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Beschreibung

«So pflanzlich wie möglich, so synthetisch wie nötig – ein Satz, der weitaus mehr bedeutet, als man im ersten Moment vermuten würde.» Dieses Buch basiert auf 32 Jahren Berufserfahrung und wurde geschrieben sowohl für Laien, die sich für pflanzliche Behandlungen interessieren, als auch für Medizinalpersonen, die nach Anregungen für die Auswahl pflanzlicher Präparate bei der Behandlung ihrer Patienten suchen. Christoph Bachmann, Doktor der Pharmazie, schlägt hier eine Brücke zwischen natürlichen und synthetischen Arzneimitteln und zeigt auf einleuchtende Weise, dass und wie man viele Beschwerden mit pflanzlichen Arzneimitteln oder Anwendungen erfolgreich behandeln kann.

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Seitenzahl: 165

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DR. PHARM. CHRISTOPH BACHMANN

MEHR NATUR

WENIGER CHEMIE

So pflanzlich wie möglich,so synthetisch wie nötig

CAMEO

Es liegt in der Natur der Sache, dass im vorliegenden Werk verschiedene Arzneimittelhersteller bzw. Arzneimittel namentlich genannt werden. Es ist dem Autor ein Anliegen, hervorzuheben, dass diese Nennungen rein zu Informationszwecken erfolgen und zwischen dem Autor und den Herstellern keinerlei Abreden bestehen, welche dem Autor für entsprechende Nennungen wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Vorteile in Aussicht stellen würden.

Copyright ©2021 Cameo Verlag GmbH, Bern

Alle Rechte vorbehalten.

Der Cameo Verlag wird vom Bundesamt für Kultur

für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

Lektorat: Susanne Schulten, Duisburg

Umschlaggestaltung, Layout und Satz: Cameo Verlag GmbH, Bern

ISBN: 978-3-906287-91-1

eBook: CPI books GmbH, Leck

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorbemerkungen

1. Ohne Pflanzen keine Menschen

2. Homo sapiens und pflanzliche Arzneimittel

3. Klinische Studien und Erfahrung

4. Unterschiede zwischen pflanzlichen und synthetischen Arzneimitteln

5. Pflanzliche Arzneiformen

6. Verschiedene Phytotherapie-Systeme

Pflanzliche Anwendungen

7. Nervensystem

7.1 Unruhe, Nervosität, Schlaf

7.1.1 Baldrian

7.1.2 Melisse

7.1.3 Passionsblume

7.1.4 Hopfen

7.1.5 Hafer

7.2 Angst, Stress, Depressionen

7.2.1 Lavendel

7.2.2 Rosenwurz

7.2.3 Ginseng

7.2.4 Johanniskraut

7.3 Kognitive Störungen

7.3.1 Ginkgo

7.4 Schmerzen

7.4.1 Allgemeine Schmerzen

7.4.2 Kopfschmerzen und Migräne

7.4.2.1 Pestwurz

7.4.2.2 Ätherische Öle

Literatur

8. Atemwege

8.1 Sonnenhut

8.2 Weitere immunmodulierende Pflanzen

8.2.1 Taigawurzel

8.2.2 Propolis

8.3 Husten

8.3.1 Antitussiva

8.3.1.1 Eibisch

8.3.1.2 Malve

8.3.1.3 Spitzwegerich

8.3.1.4 Isländisches Moos

8.3.1.5 Sonnentau

8.3.1.6 Thymian

8.3.2 Expektoranzien

8.3.2.1 Efeu

8.3.2.2 Fichte/Tanne

8.3.2.3 Bartflechte

8.3.2.4 Holunder

8.2.2.5 Primel

8.3.2.6 Umckaloabo

8.4 Nebenhöhlenentzündungen

8.4.1 Inhalationen

8.4.2 Pflanzliche Präparate gegen Sinusitis

8.5 Schnupfen

Literatur

9. Verdauungsapparat

9.1 Übelkeit, Erbrechen

9.1.1 Ingwer

9.1.2 Weitere pflanzliche Anwendungen

9.2 Magenbrennen

9.3 Blähungen

9.4 Dyspepsien

9.4.1 Kamille

9.4.2 Enzian

9.4.3 Tausendgüldenkraut

9.4.4 Wermut

9.4.5 Schafgarbe

9.4.6 Kalmus

9.4.7 Artischocke

9.4.8 Löwenzahn

9.4.9 Mariendistel

9.4.10 Kombinationspräparate

9.4.11 Zusammenfassung Dyspepsien

9.5 Durchfall, Verstopfung

9.5.1 Durchfall

9.5.2 Verstopfung

9.5.2.1 Anthrachinonhaltige Präparate

9.5.2.2 Weitere pflanzliche Präparate

Literatur

10. Herz-Kreislauf-System

10.1 Herzschwäche

10.1.1 Weißdorn

10.2 Hoher Blutdruck

10.3 Tiefer Blutdruck

10.4 Arterielle Durchblutungsstörungen

10.5 Venenbeschwerden

10.5.1 Rosskastanie

10.5.2 Mäusedorn

10.5.3 Weinrebe

10.6 Hämorrhoiden

Literatur

11. Weibliche Geschlechtsorgane

11.1 Prämenstruelles Syndrom

11.1.1 Mönchspfeffer

11.2 Menopausale Beschwerden

11.2.1 Trauben-Silberkerze

11.2.2 Mönchspfeffer

11.2.3 Rotklee und Soja

11.2.4 Salbei

11.2.5 Sibirischer Rhabarber bzw. Rhapontikrhabarber

11.2.6 Nachtkerze

Literatur

12. Harnwege

12.1 Prostata-Vergrößerung

12.1.1 Weidenröschen

12.1.2 Kürbis

12.1.3 Afrikanischer Pflaumenbaum

12.1.4 Roggenpollen

12.1.5 Brennnessel

12.1.6 Sägepalme

12.2 Blasenbeschwerden

12.2.1 Arzneipflanzen gegen Blasenbeschwerden

12.2.2 Kombinationspräparate

Literatur

13. Bewegungsapparat

13.1 Arnika

13.1.1 Monopräparate

13.1.2 Kombinationspräparate

13.2 Spilanthes

13.3 Wallwurz

13.3.1 Monopräparate

13.3.2 Kombinationspräparate

13.4 Teufelskralle

13.4.1 Präparate

13.5 Weihrauch

13.6 Wärmende Anwendungen

Literatur

14. Haut

14.1 Hautverletzungen, Hautinfektionen

14.1.1 Kamille

14.1.2 Malve

14.1.3 Ringelblume

14.1.4 Zaubernuss

14.2 Ekzeme

14.2.1 Zaubernuss

14.2.2 Ballonrebe

14.2.3 Mahonie

14.2.4 Nachtkerze

14.2.5 Stiefmütterchen

14.3 Fieberblasen

Literatur

15. Nachlese

15.1 Augen

15.1.1 Augentrost

15.1.2 Zaubernuss

15.2 Hals und Rachen bei Erkältungen

15.2.1 Fertigpräparate

15.3 Heuschnupfen

15.3.1 Pestwurz

16. Schlussfolgerungen

Mein Dank

Index

Anmerkungen

Vorwort

Die Anfrage des Verlags, ob ich ein Buch zum Thema «Mehr Natur, weniger Chemie» schreiben könne, erreichte mich genau im richtigen Moment, denn ich war gerade dabei, mich nach 32 Jahren Tätigkeit als Apotheker zurückzuziehen und meine Apotheke zu schließen. Diese Frage erschien mir daher wie eine Aufforderung, mein pharmazeutisches Vermächtnis zu verfassen. Immer wieder habe ich in den letzten 32 Jahren versucht, zwischen Natur und Wissenschaften zu vermitteln und die leider oft allzu tiefe Kluft zwischen natürlichen und synthetischen Arzneimitteln zu überbrücken; immer wieder habe ich in unzähligen Beratungsgesprächen gesagt: «So pflanzlich wie möglich, so synthetisch wie nötig.» Es ist wahrscheinlich kaum ein Tag vergangen, ohne dass Ratsuchende diesen Satz in meiner Apotheke zu hören bekamen. Und er bedeutet weitaus mehr, als man im ersten Moment vermuten würde.

Wenn man Pharmazie oder Medizin studiert, dann erfährt man sehr viel über die Wirkungsweise und die Anwendungsmöglichkeiten synthetischer Wirkstoffe. Dieses Wissen begann sich vor etwa 150 Jahren zu entwickeln, als vor allem Apotheker und Chemiker begannen – zumeist von Naturstoffen ausgehend –, synthetische Wirkstoffe herzustellen. Dieses Wissen wächst seither immer weiter und wird durch wissenschaftliche Studien vertieft. Zudem erbringt die moderne Medizin erstaunliche Leistungen und hat auf allen Gebieten bewundernswerte Fortschritte gemacht; speziell zu erwähnen ist hier die Onkologie, die Lehre von den Tumoren. Obwohl Tumore und ihre Entstehung uns in vielen Fällen noch immer Rätsel aufgeben, können heute viele Krebserkrankungen im Gegensatz zu früher geheilt werden, und die sogenannte Fünfjahresüberlebensrate – also der Prozentsatz der Patienten, die fünf Jahre nach Ausbruch einer Tumorerkrankung noch leben – steigt ständig.

Aber was ist mit dem Erfahrungswissen früherer Generationen? Leider vernachlässigen heute die Universitäten bei der Ausbildung von Medizinalpersonen, vor allem von Ärzten und Ärztinnen, diesen wichtigen Aspekt; die Studenten lernen kaum etwas darüber. Und trotz einer in den letzten Jahren durchaus merkbaren, wenn auch noch sehr zaghaften Trendwende vertritt immer noch die Mehrheit der Ärzte- und Apothekerschaft die Ansicht, pflanzliche Arzneimittel seien kaum wirksam, und «richtige» Arzneimittel gäbe es erst seit der Entstehung der pharmazeutischen Industrie und universitären Forschung. Und so besteht die Gefahr, dass bei den Fachleuten die Fähigkeit verloren geht, in ihrer Arbeit volksmedizinische Überlieferung und wissenschaftliche Erkenntnisse zu vereinen.

Mit dem vorliegenden Buch möchte ich dieser Meinung entgegenwirken und zeigen, dass man viele Beschwerden mit pflanzlichen Arzneimitteln oder pflanzlichen Anwendungen erfolgreich behandeln kann. Untermauern werde ich meine Ausführungen immer wieder mit wissenschaftlichen Studien, in denen die Wirksamkeit einer ganzen Reihe von pflanzlichen Präparaten nachgewiesen wurde.

Und ich möchte auch Folgendes betonen: Es geht nicht um die Frage «Natur oder Chemie?». Denn auch natürliche Inhaltsstoffe von Arzneipflanzen besitzen eine chemische Struktur. Darum möchte ich nicht zwischen Natur und Chemie unterscheiden und vermitteln, sondern zwischen «natürlichen», d. h. pflanzlichen, Wirkstoffen und in der Natur nicht vorkommenden, also «synthetischen», Wirkstoffen. Diese werden von den meisten Menschen jedoch «chemische Wirkstoffe» genannt. Also werden wir hier immer den schon zitierten Satz «So pflanzlich wie möglich, so synthetisch wie nötig» verwenden.

Des Weiteren werde ich bei der Beschreibung von Beschwerden und den pflanzlichen Möglichkeiten zu ihrer Behandlung Markennamen von Arzneimitteln erwähnen, welche in der Schweiz zugelassen und im Handel sind, und die Leserinnen und Leser können sich in deutschen oder österreichischen Apotheken erkundigen, wie die entsprechenden Präparate in diesen Ländern heißen. Im ganzen deutschen Sprachraum sind viele pflanzliche Arzneimittel erhältlich.

Es kann aber vorkommen, dass ich bei einer Anwendung nicht alle für diese Indikation zugelassenen Präparate erwähne. Das spricht aber überhaupt nicht gegen die Wirksamkeit und Qualität dieser Arzneimittel – bei bestimmten Themen kann ich wegen der Fülle der erhältlichen Medikamente einfach nicht alle nennen.

Ich werde keine Dosierungen nennen und unerwünschte Wirkungen nur sehr ausnahmsweise, denn das würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Wenn jemand eines der in diesem Buch erwähnten Arzneimittel anwenden möchte, so rate ich dazu, sich vorher von einer Fachperson gründlich beraten zu lassen. Medizinalpersonen, welche Kranken ein Arzneimittel verschreiben oder geben, sind vom Gesetz her dazu verpflichtet, über Wirkungen, Nebenwirkungen und alle anderen Aspekte Auskunft zu geben, und zwar in einer verständlichen Sprache. Aber auch bei größter Sorgfalt können sich kleinere Fehler oder Unzulänglichkeiten einschleichen – ob in einem Beratungsgespräch oder eben hier in diesem Buch. Man möge mir dies verzeihen. Auch habe ich diesen Text nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, ohne jeden Interessenskonflikt, und habe für die Erwähnung bestimmter Präparate bzw. die Nichterwähnung von Konkurrenzprodukten keinerlei Zuwendungen erhalten.

Ich wähle in diesem Buch in der Regel die männliche Form von Personen und Berufen des Gesundheitswesens. Natürlich sind damit auch alle Frauen gemeint. Dies ist selbstverständlich, zumal bei den Medizinalberufen der Anteil der Frauen ständig zunimmt, was ich persönlich sowohl notwendig als auch hocherfreulich finde.

Luzern, im Frühling 2021

Dr. pharm. Christoph Bachmann

MEHR NATUR

so synthetisch wie nötig

Vorbemerkungen

1. Ohne Pflanzen keine Menschen

2. Homo sapiens und pflanzliche Arzneimittel

3. Klinische Studien und Erfahrung

4. Unterschiede zwischen pflanzlichen und synthetischen Arzneimitteln

5. Pflanzliche Arzneiformen

6. Verschiedene Phytotherapie-Systeme

1. Ohne Pflanzen keine Menschen

Im Alltag aller Menschen spielen Pflanzen eine wichtige Rolle. Ob jemand in einer Großstadt lebt, weit fort von der freien Natur, oder – eng mit ihr verbunden – auf einem Bauernhof, ist nicht entscheidend. Jeder Mensch ist sein Leben lang ständig auf Pflanzen angewiesen. Ja, man kann sagen, dass es Homo sapiens ohne Pflanzen gar nicht gäbe.

Vor etwa 550 Millionen Jahren kam es dann zur sogenannten kambrischen Explosion. Darunter versteht man den Teil der Erdgeschichte, in dem innerhalb kurzer Zeit viele neue Lebensformen entstanden und damit auch die ersten Tierarten, die sich von den gemeinsamen Vorfahren der Pflanzen und Tiere trennten. Hätten sie sich nicht von Pflanzen ernähren können, wäre die Entwicklung zu den Primaten, dann zu den Hominiden und schließlich zum Homo sapiens nicht möglich geworden.

Beim Homo sapiens standen Pflanzen neben Tieren schon immer auf dem Speisezettel. Interessanterweise dient nur ein kleiner Teil der äußerst vielfältigen Pflanzenwelt als Nahrung. Ich habe einmal gelesen, dass nur etwa 30 Arten zu den regelmäßig von Menschen verspeisten Pflanzen gehören.

Schon viel früher lebende Vorfahren des Homo sapiens bildeten Kulturen und vertieften so ihre Abhängigkeit von den Pflanzen. Der Mensch stellte zuerst aus behauenen Steinen Werkzeuge und Waffen her. Doch schon bald lernte er auch aus Holz Spieße, Speere und viele Werkzeuge herzustellen.

Ein entscheidender Kulturfortschritt gelang den Menschen, als sie lernten, mit Feuer umzugehen, und fähig wurden, mit Brennholz das Feuer «aufzubewahren». Die ersten Kleider stellten sie aus Tierfellen her. Doch vor etwa 30’000 Jahren kam die Fähigkeit des Webens hinzu, des Herstellens von Gewebe aus den Fasern von Flachs. Als der Mensch nicht mehr nur in Höhlen lebte, sondern begann, Häuser zu errichten, spielten Pflanzen wieder eine entscheidende Rolle. Holz lieferte einen entscheidenden Teil des Baumaterials.

Inzwischen wurden aus den Jäger- und Sammlerstämmen sesshafte Bauern, die gelernt hatten, Pflanzen zu züchten und anzubauen. Weiter lernte der Mensch aus Holz Schmuckstücke und Musikinstrumente (Trommeln, Pfeifen, einfache Streich-instrumente) herzustellen. Man könnte sagen: Je höher die menschlichen Kulturen entwickelt waren, umso größer war die Rolle, die Pflanzen im Alltag spielten.

Und dann kam die Kunst der Parfumherstellung dazu. Der Mensch lernte, aus pflanzlichen Düften wohlriechende Öle und Salben zu machen. Eine weitere Verwendung von Pflanzen stellen die Gewürze dar, die in Europa seit der Jungsteinzeit Verwendung fanden. Pfeffer, Knoblauch, Koriander und Kümmel beispielsweise hatten einen hohen Handelswert.

Erst im 20. Jahrhundert verloren Pflanzen zugunsten von Metallen und speziell von Kunststoffen zum Teil wieder ihre Bedeutung als Werkstoffe.

2. Homo sapiens und pflanzliche Arzneimittel

Krankheiten sind etwas Natürliches und kommen bei allen Lebewesen vor. Der Grund einer Erkrankung ist entweder eine krankhafte Veränderung von Gewebe oder die Fehlfunktion eines Organs. Bei den krankhaften Veränderungen eines Gewebes kann es eine harmlose Entzündung sein, die nach einiger Zeit wieder verschwindet. Es kann sich aber auch um einen gut- oder bösartigen Tumor handeln. Letzteres war für die betroffene Personen in früheren Zeiten meistens ein Todesurteil. Eine ständig tropfende Nase ist eine lästige Fehlfunktion der betroffenen Nasenschleimhaut, sicher aber kein bedrohlicher Zustand. Wenn aber zum Beispiel der Pankreas, die Bauchspeicheldrüse, kein Insulin mehr produziert, dann führt das unbehandelt zum baldigen Tod des Patienten.

Krankheiten können durch eine Infektion ausgelöst werden, den Befall durch Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder andere ein- oder mehrzellige Lebewesen. Aktuell zeigt die Corona-Pandemie uns das auf dramatische Weise. Krankheiten können auch altersbedingt auftreten, durch den Verschleiß von Gelenken und Organen. Sie können die Folge eines ungesunden Lebensstils sein (Rauchen, zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung) oder sie können auch einfach keine eindeutig erkennbare Ursache haben.

Ganz bestimmt war Homo sapiens schon von Anfang an mit Krankheiten konfrontiert. Und obwohl die Zeugnisse von ersten Arzneimitteln nur einige Tausend Jahre zurückreichen, bin ich überzeugt, dass unsere Vorfahren schon viel früher gelernt haben, viele alltägliche Erkrankungen zu behandeln. Natürlich standen sie lebensbedrohlichen Infektionen, Tumoren und ähnlichen Erkrankungen mehr oder weniger hilflos gegenüber. Und schon eine aus heutiger Sicht harmlose Blinddarmentzündung, die mit einer Operation von maximal 30 Minuten aus der Welt geschafft wird, hat die Betroffenen früher nur allzu schnell dahingerafft. Homo sapiens ist ein hochintelligentes Wesen, kann genau beobachten, Misserfolg von Erfolg unterscheiden und daraus seine Schlüsse ziehen. Weiter kann er bei Teilerfolgen durch Überlegungen Strategien entwickeln, welche mit weiteren Erfolgen zum Ziel führen. Und ein weiteres, sehr wichtiges Element war und ist dabei der Zeitfaktor.

Die Hektik der heutigen Zeit und der Druck, bei medizinischen Behandlungen sofort Erfolg zu erringen, waren damals überhaupt noch nicht vorhanden. Erkenntnisse über die therapeutische Verwendung von Heilpflanzen wuchsen im Verlauf von Generationen, wenn nicht sogar im Verlauf von Hunderten oder Tausenden von Jahren. Durch Beobachtung von Tieren und anschließender Selbstanwendung oder durch die zufällige Entdeckung der Wirksamkeit gewisser Pflanzen merkte der Mensch, dass diese bei bestimmten Beschwerden zum Beispiel eine lindernde Wirkung ausübten. Vielleicht brauchte es wieder die Erfahrung mehrere Generationen, bis man merkte, dass das Kauen von Kamille zwar bei Verdauungsbeschwerden eine positive Wirkung hat, dieser Nutzen aber wegen der Unverdaulichkeit der Pflanzenfasern relativ gering war. Irgendeinmal kam dann die wahrscheinlich zufällig gewonnene Erkenntnis dazu, dass der Presssaft der Pflanze, allein angewandt, deutlich mehr Nutzen bringt. Und wie erfuhr der Mensch, dass das Kochen des Presssaftes im heißen Wasser noch mehr Vorteile bringt? Wir wissen es nicht, aber: Irgendwann war – voilà – der erste Kamillentee entstanden.

Bei Verletzungen, Schürfungen und infektiösen Hauterkrankungen wurden zuerst Pflanzen, zum Beispiel Ringelblume (Calendula officinalis), auf die betroffenen Stellen aufgetragen. Und der Mensch merkte, dass die Wunden dadurch schneller heilten. Außerdem entstanden durch das Auflegen der Pflanze weniger häufig Wundinfektionen. Und wie lange dauerte es, bis der Mensch lernte, Pflanzen zu einem Brei zu zerstoßen, in dem die wirksamen Inhaltsstoffe nun frei lagen und somit besser wirken konnten?

Natürlich mussten – und müssen immer noch – auch unzählige Umwege genommen und Sackgassen überwunden werden, bis wichtige Erkenntnisse gewonnen und neue Methoden gefunden wurden. Wie oft wohl haben Menschen leuchtende, schwarze Beeren in der Annahme gegessen, etwas Nahrhaftes zu sich zu nehmen, und sind an einer Vergiftung mit Tollkirsche (Atropa belladonna) gestorben? Und sicher brauchte es viele Generationen, bis genießbare Beeren von giftigen unterschieden werden konnten. Menschen, welche in alpinen Regionen lebten, hatten vielleicht schon die heilsame Wirkung von Gelbem Enzian (Gentiana lutea) erkannt. Wie viele aber starben, weil sie den Enzian mit dem Weißen Germer (Veratrum album) verwechselten, bis die Höhlenbewohner gelernt hatten, diese beiden Pflanzen zu unterscheiden? Enzian hat verdauungsfördernde Eigenschaften, der Germer kann jedoch aufgrund seiner Alkaloide (einer Art von Inhaltsstoffen), hier besonders im Wurzelstock, zu Krämpfen, Kollaps und im Extremfall zum Tod führen.

Aber der Faktor Tod spielte damals eine ganz andere Rolle als heute. Homo sapiens war in der Frühzeit seiner Existenz ständig mit dem Tod konfrontiert, auf der Jagd, bei Begegnungen mit Raubtieren, durch Unfälle im täglichen Kampf ums Überleben oder kriegerische Auseinandersetzungen. Das sehr niedrige Durchschnittsalter unsere Vorfahren – sie wurden wahrscheinlich kaum älter als 35 Jahre – und die hohe Säuglingssterblichkeit sorgten dafür, dass unsere Urahnen eine ganz andere Beziehung zum Tod hatten als dies heute bei uns der Fall ist. Ich möchte damit nicht sagen, dass Verstorbene nicht betrauert worden wären – aber zynisch ausgedrückt, jeder Tod, eben auch einer durch Vergiftung mit einer Pflanze, bedeutete auch einen Zuwachs an Erfahrung.

Fatalismus war und ist hilfreich für das Leben unter extremen Bedingungen – wenn der Hunger groß ist, setzen sich Menschen auch in eine Nussschale von Boot, um auf einem Fluss inmitten von Krokodilen zu fischen.

In der heutigen Zeit spielt die Evidenz eines Arzneimittels eine wichtige Rolle (vgl. weiter unten). Evidenzbasierte Medizin erhebt ausdrücklich die Forderung, dass bei einer medizinischen Behandlung patientenorientierte Entscheidungen nach Möglichkeit auf der Grundlage von empirisch nachgewiesener Wirksamkeit getroffen werden sollen, und die wissenschaftliche Aussagefähigkeit klinischer Studien wird durch Evidenzgrade beschrieben. Die evidenzbasierte Medizin soll eine «patientenzentrierte Wissenschaftlichkeit» darstellen.

Der frühe Homo sapiens verfügte natürlich noch nicht über naturwissenschaftliche Kenntnisse im heutigen Sinne und betrieb noch keine moderne Forschung. Seine Labore waren die positiven und negativen Wirkungen, welche Pflanzen bei ihm auslösten, seine Datenbanken die Erfahrung von Generationen aus Jahrhunderten und Jahrtausenden. Langsam, langsam – für heutige Verhältnisse und Bedürfnisse unerträglich langsam – wurden Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt, oft nur auf lokal beschränkter Ebene und nicht, wie heute, in einem atemberaubenden Tempo um die ganze Welt verbreitet, kaum dass sie gewonnen sind.

3. Klinische Studien und Erfahrung

Ich möchte nun klinische Studien und Erfahrungen miteinander vergleichen. Mit klinischen Studien wird die oben erwähnte Evidenz erreicht. Neue Arzneimittel und Behandlungen haben nur eine Chance, von der etablierten Medizin anerkannt und von den Krankenkassen bezahlt zu werden, wenn ihre Wirksamkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit mittels wissenschaftlicher Studien nachgewiesen werden können. Diese werden aber immer aufwendiger und sind inzwischen so teuer geworden, dass zumeist nur noch etablierte Pharmafirmen in der Lage sind, große klinische Studien in Auftrag zu geben.

Als die Methode der klinischen Studien noch in den Kinderschuhen steckte, wurde eine Anzahl Patienten ausgewählt, welche an einer bestimmten Krankheit litten. Diese wurden in zwei Gruppen eingeteilt, von denen der einen das zu überprüfenden Medikament verabreicht wurde, das sogenannte Verum. In der anderen Gruppe erhielten die Personen ein wirkungsloses Scheinpräparat, ein sogenanntes Placebo. Sofern in der Ve-rumgruppe die Heilungsrate wesentlich größer war als in der Placebogruppe, galt dies als wissenschaftlicher Wirkungsnachweis. Wenn die betroffenen Patienten nicht wissen, ob sie in der Verum- oder in der Placebogruppe sind, spricht man von einer Blindstudie, und wenn auch die behandelnden Ärzte dies nicht wissen, spricht man von einer Doppelblindstudie. In diesem Fall erfahren nur unabhängige, an der ärztlichen Behandlung nicht beteiligte Fachleute, welche die Resultate auswerten, welche Patienten in der Verum- und welche in der Placebogruppe waren.

Im Verlaufe der Zeit sind die Anforderungen an klinische Studien immer größer geworden, und an einer modernen Studie ist mittlerweile eine beachtliche Zahl von Fachleuten beteiligt. Zuerst erstellen Spezialisten das Studiendesign, also den Plan der Studie, der das Studienziel beschreibt sowie die verschiedenen Etappen der Studie, die zu diesem Ziel führen sollen. Ein wichtiger Teil des Studiendesigns ist die Anzahl der Patienten, welche nach immer komplizierter werdenden Einschluss- und Ausschlussregeln ausgewählt werden. Dann erfolgt die Rekrutierung von Probanden, wie man die Patienten einer Studie nennt. Die Anzahl der benötigten Probanden ist sehr wichtig, damit die Resultate überhaupt aussagekräftig sind, wenn man sie auf die Häufigkeit der in einer bestimmten Bevölkerungszahl auftretenden Krankheitsfälle bezieht. An der eigentlichen Studie nehmen neben den Prüfärzten verschiedene Fachleute teil, welche zum Beispiel die Zufälligkeit der Randomisierung – der Einteilung der Probanden in eine der Studiengruppen unter Verwendung eines Zufallsmechanismus – garantieren und ebenso die Verblindung des Verums und des Placebos. Die so gewonnenen Studienresultate werden wiederum von Fachleuten ausgewertet, die man Biostatistiker nennt. Unabhängige Fachleute durchmustern die Studie nach allfälligen Fehlern, welche die Resultate verfälschen können. Ein solcher Fehler wird Bias genannt.

Eine spezielle Art von Studien stellen Meta-Analysen dar – hier werden in der Fachliteratur publizierte Studien miteinander verglichen und zum Teil neu ausgewertet. Klinische Studien sind wichtig, und ihr Nutzen soll hier in keiner Weise in Frage gestellt werden. Eine Studie mit einem positiven Resultat stellt dem entsprechenden Präparat ein wichtiges Zeugnis für seine Wirksamkeit aus. Publizierte Studien müssen aber kritisch überprüft werden.

Denn gerade auf dem Gebiet der Phytotherapie gibt es Negativstudien – also Studien, die eine bestimmte Wirksamkeit verneinen –, die haarsträubende methodische Fehler aufweisen. Ich werde weiter unten ein solches Beispiel erwähnen. Aber wie soll man mit den vielen pflanzlichen Präparaten umgehen, deren Wirksamkeit bisher nicht oder nur mit älteren Studien ohne moderne Anforderungen überprüft wurde? Ein bisher ungeprüftes oder nicht ausreichend geprüftes Präparat, ob pflanzlicher oder synthetischer Art, sollte keinesfalls als unwirksam bezeichnet werden. «Bisher ungeprüft» heißt nämlich nur, dass bis dato die wissenschaftlichen Daten für eine klare Aussage fehlen, und es ist durchaus möglich, dass bald folgende klinische Studien ein positives Resultat ergeben, also die Wirksamkeit eines Präparates wissenschaftlich untermauern. Die Aussage «unwirksam» darf nur bei Präparaten gemacht werden, welche mit einer Studie, im Idealfall mit mehreren methodisch korrekt durchgeführten klinischen Studien als unwirksam erkannt wurden.