Mehr. Zahlen. Jeden. Tag. - Micael Dahlen - E-Book
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Mehr. Zahlen. Jeden. Tag. E-Book

Micael Dahlen

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Beschreibung

Wann machen uns Zahlen stärker und wann schwächer? Wann täuschen sie uns? Und was haben Zahlen damit zu tun, ob jemand bei der Arbeit Klopapier stiehlt?

Zahlen scheinen uns rational, verlässlich, überprüfbar und objektiv. Wir zählen alles: Unsere Kalorien, Schritte, Freunde. Wir bewerten Filme, Restaurants, Taxifahrer. Wir messen und vergleichen. Schon vor mindestens 40.000 Jahren haben Menschen mit Zahlen gerechnet, aber in der digitalen Welt hat unser Umgang mit Zahlen und Daten ein ganz neues Level erreicht.

Zahlen dringen weiter und weiter in unser Leben vor, in alles, was wir tun und sind. Sie beeinflussen, welche Entscheidungen wir treffen, wie wir uns verhalten und was wir denken, wahrnehmen und fühlen. Ob wir es wollen oder nicht: Zahlen haben Macht über uns. Und sie spielen auf wirklich jedem erdenklichen gesellschaftlichen Level eine Rolle.

Die Wirtschaftsprofessoren Micael Dahlen und Helge Thorbjørnsen zeigen, wie berechenbar wir geworden sind. Basierend auf ihren Forschungsergebnissen helfen sie uns zu erkennen, wie sich Zahlen in unsere Köpfe und Körper einschleichen, und wie wir das sogar für uns nutzen können. Das ist ungemein faszinierend, manchmal beängstigend, vor allem aber sehr unterhaltsam.

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Erwachen wir aus der numerischen Trance!

Zahlen scheinen uns rational, verlässlich, überprüfbar und objektiv. Wir zählen alles: unsere Kalorien, Schritte, Freunde. Wir bewerten Filme, Restaurants, Taxifahrer. Wir messen und vergleichen. Schon vor mindestens 40000 Jahren haben Menschen mit Zahlen gerechnet, aber in der digitalen Welt hat unser Umgang mit Zahlen und Daten ein ganz neues Level erreicht.

Zahlen dringen weiter und weiter in unser Leben vor, in alles, was wir tun und sind. Sie beeinflussen, welche Entscheidungen wir treffen, wie wir uns verhalten und was wir denken, wahrnehmen und fühlen. Ob wir es wollen oder nicht: Zahlen haben Macht über uns. Und sie spielen auf wirklich jedem erdenklichen gesellschaftlichen Level eine Rolle.

Die Wirtschaftsprofessoren Micael Dahlen und Helge Thorbjørnsen zeigen, wie berechenbar wir geworden sind. Basierend auf ihren Forschungsergebnissen helfen sie uns zu erkennen, wie sich Zahlen in unsere Köpfe und Körper einschleichen und wie wir das sogar für uns nutzen können. Das ist ungemein faszinierend, manchmal beängstigend, vor allem aber sehr unterhaltsam.

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel Sifferdjur – hur siffrorna styr våra liv bei Volante, Stockholm, und wurde für die englische und deutsche Ausgabe 2022 von den Autoren aktualisiert.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2023 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Julia Sterthoff

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-30036-4V001

www.koesel.de

Ganz unschuldig sehen sie aus, wie sie so dastehen, die Zahlen. Eine einsame Ziffer auf einem Bildschirm oder einem Blatt Papier. Dein Kontostand, dein Puls oder die Anzahl deiner Schritte bis zur Mittagspause.

 1590  97  3467

Zahlen sind konkret, exakt und eindeutig. Sie sind ehrlich, kontrollierbar und neutral. Eine aufgeklärte Gesellschaft stützt sich auf Zahlen, nicht auf Gefühle. Zahlen schaffen Transparenz, Verlässlichkeit und Beweise. Sie sind relevant, rational und objektiv.

 0  55  7,9

Zumindest dachten wir das. Stattdessen stellt sich heraus, dass sie verführerische, manipulative, ablenkende kleine Teufel sind.

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Zahlen führen uns in die Irre und lügen. Sie verzerren und verführen. Sie spalten und herrschen. Sie haben sich überall hineingeschlichen – und sind dabei, dein Leben in Beschlag zu nehmen. Wir lieben sie, wir sind abhängig von ihnen. Doch die Zahlen sind dabei, alles ganz gewaltig durcheinanderzubringen.

Das weißt du nur noch nicht.

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INHALT

Vorwort

1 DIE GESCHICHTE DER ZAHLEN

Zahlenmystik

Der Vater der Zahlendemie

Zahlen, die wir lieben und hassen

Numerologie und Idiotie

2 ZAHLEN UND KÖRPER

Magische Zahlenschwellen

Zahlen und Altern

Blame it on the SNARC

Ein, zwei, drei – viele?

3 ZAHLEN UND SELBSTBILD

Puls und Geld

Doping und Dopamin

Die Hölle der Vergleiche

I am a Traveller

4 ZAHLEN UND LEISTUNGEN

Schlanker, gesünder, schneller?

Dein Herz – deine Daten?

Big Brother

Zu Risiken und Nebenwirkungen …

5 ZAHLEN UND ERFAHRUNGEN

Das bewertete Leben

Hat mir das eigentlich gefallen?

700000 – und dann kommst du …

6 ZAHLEN UND BEZIEHUNGEN

Ratenapping

Partnerschaft – Performance

7 ZAHLEN ALS WÄHRUNG

Der Moralkompass der Zahlenfanatiker

Game on!

Geld in der Matratze

Zahlenkapitalismus

8 ZAHLEN UND WAHRHEIT

Die einzige Wahrheit, die wir brauchen?

Falsche Zahlen – echte Nachrichten

Echte Likes – falsches Vertrauen

9 ZAHLEN UND GESELLSCHAFT

Zahlen, die hängen bleiben

Von den Zahlen getäuscht

Falsche Zahlen

Die Zahlen werden falsch interpretiert

Zahlenmarathon

Krankenwagen und Parkwächter

Messen, zählen, interpretieren, verbessern

10 ZAHLEN UND DU

Zahlen sind nicht ewig

Zahlen sind nicht universell

Zahlen sind nicht korrekt

Zahlen sind nicht genau

Zahlen sind nicht objektiv

Zahlen sind (trotz allem) fantastisch

Quellen

Über die Autoren

VORWORT

Unsere Tage sind gezählt.

Buchstäblich. Alles, was wir im Laufe des Tages so tun, ist gezählt. Die Tage, an denen wir uns mit anderen treffen. Die Tage, an denen wir arbeiten, lernen, verreisen. Die Nächte, in denen wir schlafen. Unsere Telefone, Social-Media-Profile, E-Mail-Programme und Apps berechnen das alles, Tag für Tag.

Wie viele Schritte bist du heute gegangen?

Wie viele Freunde hast du?

Wie gut ist der Fahrer des Autos, das du angefordert hast und in das du gleich einsteigen wirst (früher nannte man das Taxi)?

Das alles weißt du, denn dafür gibt es Zahlen. Der Schrittzähler zählt deine Schritte für dich. Facebook zählt deine Freunde. Die Fahrtenvermittlungs-App spuckt eine Durchschnittsbewertung aus.

Noch vor ein paar Jahren warst du in dieser Hinsicht völlig ahnungslos. Aber heute gibt es für alles, was du tagsüber so tust, einen Rechner. Für nachts auch, übrigens. Falls du wissen willst, wie lange du geschlafen hast, wie tief, wie oft du aufgewacht bist, geschnarcht hast, dich hin- und hergedreht hast (oder »sozial aktiv« warst), gibt es auch dafür Messinstrumente. Sucht man im App-Shop nach »Rechner« oder »Zähler«, kann man scrollen, bis man eine Hornhaut auf den Fingerspitzen bekommt. Googelt man nach Tracking-Apps, erhält man weit über eine Million Treffer.

All diese Rechner und Zähler sind ein Symptom dafür, dass in unserem Leben etwas im Umbruch ist.

Quasi neulich noch kamen wir ganz hervorragend durch den Tag, ohne zu wissen, wie viele Schritte wir zurückgelegt hatten. Hatten wir eine gute Zeit mit unseren Freunden, ohne sie durchzuzählen. Aber sobald wir das Ganze in Zahlen präsentiert bekommen haben, wurden uns diese Zahlen plötzlich wichtig. Wir begannen, über diese Zahlen nachzudenken, uns über sie zu freuen, uns immer mehr Gedanken über sie zu machen, sie zu vergleichen und uns mit ihnen zu identifizieren. Sie brachten uns dazu, mehr Schritte zu machen. Den Freundeskreis zu erweitern. Wegen der wenigen Schlafstunden nervös zu werden (und vermutlich genau deswegen noch länger wach zu liegen). Als ob unser Leben davon abhinge.

In dem Moment, als wir die Durchschnittsbewertung des Fahrers angezeigt bekamen, wurde sie uns auch wichtig. Während wir uns früher damit zufriedengegeben haben, dass uns ein Taxi von A nach B brachte, kann eine schlechte Bewertung nun dazu führen, dass wir uns noch einmal überlegen, ob wir überhaupt nach B wollen. Noch vor Kurzem meisterten wir unseren Alltag ganz hervorragend, ohne die Bewertung des Fahrers, des Servicepersonals und aller anderen zu kennen, aber plötzlich achten wir darauf, liken und bewerten sie sogar selbst. Und ebenso schnell, wie wir damit begonnen haben, alles und jeden zu bewerten, von unseren Kollegen über unsere Freunde und Dates, haben wir auch angefangen, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir wohl selbst bewertet werden. Wir unterhalten uns nervös mit Fahrern, mit denen wir früher keine zwei Worte gewechselt hätten, weil wir befürchten, sie könnten andernfalls unsere Durchschnittsbewertung als Fahrgast senken. Googelt man nach Rating-Apps, bekommt man noch eine Million Treffer mehr.

Es handelt sich um eine Entwicklung epidemischen Ausmaßes. Wir befinden uns in einer Zahlendemie, in der sich die Zahlen in immer mehr Bereiche unseres Lebens einschleichen, in alles, was wir tun und sind, unser Verhalten, unsere Entscheidungen und auch unser Denken, Fühlen und Wohlbefinden beeinflussen.

Im Laufe der Jahrhunderte haben wir Menschen uns darauf konditioniert, automatisch und instinktiv auf Zahlen zu reagieren. Selbst wenn wir uns wirklich bemühen würden, keine Zahlen mehr zu verwenden, würden wir das wahrscheinlich nicht schaffen. Wir sind Zahlentiere. Wir verfügen zwar über dieselben Grundinstinkte wie andere Tiere, was uns aber etwa von Affen und Katzen unterscheidet, ist, dass wir unsere animalischen Instinkte mithilfe der Zahlen umprogrammiert haben (sogar auf Zellniveau, wie wir später sehen werden).

Allerdings war bei der Evolution des Menschen wahrscheinlich nicht vorgesehen, dass wir es jemals mit so vielen und so großen Zahlen zu tun bekommen würden, wie uns nun plötzlich zur Verfügung stehen. Schätzungen zufolge generieren wir heute jeden einzelnen Tag mehr Zahlen als die gesamte Menschheit von der ersten Tontafel in Uruk vor mehr als 5000 Jahren bis 2010 zusammengenommen.

Mehr. Zahlen. Jeden. Tag.

Was macht das eigentlich mit uns?

Diese Frage stellten wir, Micael und Helge, uns bei unseren Vorlesungen und Forschungsarbeiten über das Leben, Verhalten, die Motivation und das Schicksal der Menschen immer öfter. Also beschlossen wir, der Sache nachzugehen und die Antwort zu finden. Oder genauer gesagt: die Antworten, Plural. Mehrere Jahre widmeten wir uns Recherchen, Untersuchungen, Laborexperimenten, Feldstudien, Tests, Interviews und Beobachtungen, und die (häufig ziemlich erstaunlichen) Ergebnisse haben wir in diesem Buch zusammengestellt.

Hier erfährst du, wie sich Zahlen körperlich auf dich auswirken – das kann sogar so weit gehen, dass sie dich langsamer oder schneller altern lassen. Wie Zahlen dein Selbstbild beeinflussen und dazu führen, dass du dich besser oder schlechter fühlst. Wie sie dein Erleben einfärben, ja sogar dein Schmerzempfinden. Wir werden auch zeigen, wie Zahlen zu einem maßgeblichen Faktor für deine Leistung geworden sind und wie sie in deine Beziehungen eindringen.

Einige Effekte sind gut (beispielsweise dass Zahlen tatsächlich eine Leistungssteigerung bewirken), einige schlecht (beispielsweise dass es den Einzelnen weniger wichtig ist, was sie leisten). Einige sind ein wenig unangenehm (beispielsweise dass Zahlen unter Umständen Depressionen auslösen können), und viele sind lustig (beispielsweise dass bestimmte Zahlen die Wahrscheinlichkeit steigern, dass du links abbiegst).

Wir hoffen, dass dieses Buch hilft, sich all dieser Effekte bewusst zu werden, sodass du dir die guten zunutze machst, den schlechten entgegenwirkst und die unheimlichen hoffentlich niemals zu spüren bekommst. Damit du dich besser fühlst, schönere Erfahrungen machst, mehr aus deinen Beziehungen herausholst (deine Partnerin oder dein Partner, ob gegenwärtig oder zukünftig, wird es dir danken!) und ein gesünderes Leben führst.

Außerdem liefern wir noch eine ganze Menge Geschichten zum Weitererzählen. Beispielsweise darüber, warum eine bestimmte Trikotnummer nötig war, damit Michael Jordan GOAT werden konnte (beziehungsweise Greatest of All Time, wie die Basketballexperten sagen, also der weltbeste Basketballspieler und nicht etwa eine Ziege, wie die englische Abkürzung vermuten ließe). Wie Schrittzähler eine Immobilienblase hervorrufen können. Warum die Wahrscheinlichkeit, einen Strafzettel für Falschparken zu bekommen, kurz vor Weihnachten deutlich höher ist als während des restlichen Jahres. Wie ein Buch über die Genetik der Fliegen binnen 24 Stunden zum teuersten Buch der Welt wurde, oder was Jesus und Kim Jong II gemeinsam haben (Spoiler: Die Frisur ist es nicht) und wie das das Leben von Milliarden Menschen beeinflusst hat.

»Doch das war noch lange nicht alles«, wie es in der Werbung immer so schön hieß. Wir werden außerdem genauer betrachten, wie die Zahlendemie uns nicht nur auf der individuellen Ebene beeinflusst (und so »nur« ist das auch wieder nicht …), sondern auch als Gesellschaft insgesamt. Schließlich haben sich die Zahlen ja auch immer mehr in die Politik eingeschlichen. Im selben Augenblick, in dem Politikern eine unmittelbare Rückmeldung über die Anzahl ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer ermöglicht wurde, fingen sie an, ihre Botschaft in Echtzeit anzupassen, um möglichst hohe Quoten zu erreichen. So umschmeichelten sie die Öffentlichkeit immer mehr, versprachen mehr, wurden immer provokanter und ähnelten zunehmend Karikaturen. Begannen, Mauern statt Brücken zu bauen (oder dies jedenfalls zu versprechen/anzudrohen). Sie ahnen, auf wen wir abzielen? Donald Trump war ein deutliches Symptom der Zahlendemie. Die Kampagne, die ihn zum Präsidenten machte, war vollumfänglich zahlengesteuert; es wurde Algorithmen überlassen, aus den Tweets und Aussagen diejenigen auszuwählen, die die meisten Klicks und Verbreitungszahlen lieferten.

Die Zahlen entwickelten sich zu einer Wahrheit, die Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen beeinflusst, sowohl in Unternehmen als auch im öffentlichen Sektor. Leichter zu bemessende und in Zahlen zu fassende Angelegenheiten werden priorisiert, etwa die Beleuchtungsstärke an einem Arbeitsplatz anstelle des Wohlbefindens der Belegschaft, um einmal ein eher lustiges Beispiel zu nennen, auf das wir später noch zu sprechen kommen.

Für uns als Wirtschaftsprofessoren liegt außerdem die Feststellung nahe, dass der epidemisch gestiegene Zugang zu Zahlenmaterial diese Daten zu einer Währung an sich macht. Etwas, das wir miteinander tauschen, über das wir verhandeln und feilschen können. Likes, Swipes, Bewertungen, Punkte, Verhaltensdaten. In gewisser Hinsicht kann man das als etwas Gutes betrachten – eine Alternative zu Geld, die die Unterschiede zwischen Arm und Reich nivelliert und allen die Chance zum Aufbau von Kapital ermöglicht. So lohnt es sich, freundlich zu sein, viele Freunde zu haben und sich mitzuteilen. Was aber geschieht, wenn die Zahlen zu einer Art neuen Währung werden, wir aber die schlimmsten Eigenschaften des Geldes beibehalten und in einen völlig neuen Zusammenhang bringen? Wenn es auf einmal möglich ist, den Preis einer Freundschaft festzulegen? Likes zu kaufen und zu verkaufen? Es besteht das Risiko, dass wir gewissermaßen zu nach immer höheren Quoten gierenden Zahlenkapitalisten, ja schlechthin unmoralisch werden. Amüsanterweise zeigt eine unserer Studien, dass Menschen, die ungewöhnlich viele Likes für ein Instagram-Bild bekommen, stärker dazu neigen, bei der Arbeit Kopierpapier zu klauen.

Wir werden zeigen, wie Zahlen uns deprimiert, narzisstisch und unmoralisch, aber auch motiviert, stark und warmherzig machen können. Du wirst zudem auch bald erfahren, wie sich bestimmte Zahlen im Gehirn festsetzen und unbewusst beeinflussen, wie viel du für ein Haus, ein Auto oder eine Flasche Wein auszugeben bereit bist.

Und wir werden erklären, warum wir Menschen uns gegenüber Zahlen manchmal so verhalten, als hätten sie eine eigene Persönlichkeit und ein Geschlecht.

Zahlen können gefährlich, aber auch großartig sein, und uns geht es ganz bestimmt nicht darum, dass man keine Zahlen mehr verwenden soll; das ist nicht unser Ziel. Schließlich lieben wir Zahlen (sonst hätten wir als Wirtschaftswissenschaftler nie so lange überlebt). Zahlen sind eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte. Wenn wir den Archäologen glauben, waren Ziffern das Erste, was die Menschen überhaupt für wichtig genug hielten, um es aufzuschreiben. Die erste bekannte Schrift der Welt ist eine Tontafel, die im ehemaligen Mesopotamien ausgegraben und auf 3200 v. Chr. datiert wurde und auf der Buch über den Eingang unterschiedlichster Waren im Tempel der Hauptstadt Uruk geführt wurde. Anders ausgedrückt, eine Art Excel-Tabelle in Ton.

Seitdem folgen uns die Zahlen durch die Geschichte. Nicht nur in Sachen Buchführung, sondern auch in Kultur, Religion, Sprache, Zeitrechnung und Zivilisation. Doch in den letzten Jahren ist die Anwendung der Zahlen regelrecht explodiert.

Sind wir etwa der Verzifferung anheimgefallen?

Aufgrund der exponentiellen Entwicklung der Technologie sind wir in der Lage, in einem ganz anderen Maß Zahlen zu generieren als noch vor einigen Jahren. Laut der TOP-500-Liste hat sich die Rechenstärke unserer Computer seit dem Jahr 2010 um das 60- bis 100-Fache gesteigert. Dem mooreschen Gesetz entsprechend bedeutet das, dass sie in den letzten 50 Jahren jedes Jahr je nach Zählweise in einer Größenordnung um 20 bis 200 Prozent gestiegen ist. Noch vor drei Jahrzehnten hätte die Rechenleistung der Computer in unseren Händen, die wir Telefone nennen, über 100000 Euro gekostet. Und diese Telefone können wir mit unendlich vielen Rechnern, Zählern und Apps bestücken, dazu gibt es Betriebssysteme, Server und die Cloud, die alles, was wir tun, rund um die Uhr, überall, andauernd, registrieren und speichern.

Vor einigen Jahren standen wir, Micael und Helge, zusammen auf einer Bühne und stellten 500 Führungskräften eine einfache Frage: »Was wäre für Sie am schlimmsten – eine Woche ohne Alkohol, ohne Sex, ohne Freunde, ohne Geld oder ohne Ihr Smartphone?« Das Ergebnis war so klar wie besorgniserregend: Eine Woche ohne Smartphone war das deutlich Schmerzhafteste, das sich die Anwesenden vorstellen konnten.

Aber eigentlich ist das auch gar nicht so verwunderlich, oder? Nach und nach haben wir das Telefon immer mehr in unser Leben und unsere privatesten Angelegenheiten miteinbezogen. Unsere Gesundheit, unser Geld, unsere Arbeit, unsere Freunde, unsere Urlaube. Alles. Und im Gegenzug verpasst uns die Technologie fortlaufend eine Dosis dessen, von dem wir alle im Laufe der Zeit immer abhängiger geworden sind: Zahlen. Zahlen für alles und alle, in allen Formen und Varianten.

Eine weitere Erklärung für die Zahlendemie ist, dass es in unserem Leben einen Überfluss an in Zahlen darstellbaren Dingen gibt. Wir haben mehr und tun mehr. Laut einer amerikanischen Statistik hat sich die durchschnittliche Wohnfläche des Menschen in den letzten Jahrzehnten fast verdreifacht, der Konsum hat sich mehr als verdoppelt, und die Amerikaner geben jährlich über 24 Milliarden Dollar nur für die Lagerung ihres ganzen Krams aus. Wir haben mehr Berufe und wechseln öfter die Arbeitsstelle (laut dem statistischen Dienst SCB wechselt jeder zweite Schwede innerhalb von fünf Jahren den Arbeitsplatz, verglichen mit den früher üblichen beinahe lebenslangen »Golduhrkarrieren«). Gleichzeitig ist die Freizeit in den OECD-Ländern um ungefähr zwei Stunden pro Woche, in Norwegen und Schweden gar um das Doppelte gestiegen. Und das war noch vor Corona und dem Anstieg des Homeoffice-Anteils, der dazu geführt hat, dass viele über noch mehr Freizeit verfügen. Als wäre das noch nicht genug, haben wir pro Tag noch mehr in Zahlen zu fassende Stunden »Wach-Zeit«: Finnischen Forscherinnen und Forschern zufolge ist diese Zeit in den vergangenen zehn Jahren von durchschnittlich 16 auf 17 Stunden angestiegen, während im Rahmen einer amerikanischen Studie bekannt wurde, dass der Anteil der Menschen, die höchstens sechs Stunden schlafen (also über 18 Stunden Wach-Zeit verfügen) in den letzten Jahrzehnten um 30 Prozent angestiegen ist.

Mit diesem Überfluss geht eine gesteigerte Unsicherheit einher. Schon 2008 prägte Micael in seinem Buch Nextopia den Begriff einer »Welt der beliebigen Verfügbarkeit«, in der einfach alles jedem überall und zu jeder Zeit verfügbar ist. Damals ergab eine Google-Suche nach »buy shoes« 500000 Treffer. Heute spuckt dieselbe Suche fast 6000000 Ergebnisse aus. Egal wonach wir suchen, ob es nun Konsumgüter sind, Aus- oder Fortbildungen, freie Stellen, Freizeitbeschäftigungen, Restaurants, Mitfahrgelegenheiten oder Menschen, mit denen wir uns verabreden wollen: Das Angebot hat sich mehr als verzehnfacht. Wie soll man sich da entscheiden?

All das hat sicher ebenso wie die allgemein zunehmenden Einschlafschwierigkeiten und der angestiegene Stress Anteil daran, dass die Schlafstunden statistisch gesehen weniger werden, nicht zuletzt unter Jugendlichen. Und es trägt dazu bei, dass wir sogar noch stärker dazu neigen, Zahlen zu vertrauen, nach dem Motto »Mehr ist besser«, weil wir hoffen, dass häufigere und bessere Bewertungen unsere Entscheidungsangst lindern.

Mit dem Anstieg des Überflusses wächst auch der Wettbewerb um unsere Entscheidungen und unsere Aufmerksamkeit. Zahlen werden zu einem spielentscheidenden Wettbewerbsfaktor, der Autorität verheißt. Unternehmen füllen ihre Werbemittel mit aufsehenerregenden Zahlen, damit wir genau ihre Produkte kaufen (dass der Padelschläger 27 Grad mehr Spin schafft, klingt gut, aber was genau soll das eigentlich bedeuten?). Die Nachrichtenanstalten polieren ihre Schlagzeilen mit Zahlen auf, damit wir an ihren Beiträgen hängen bleiben (»Heute 10 Prozent mehr Tote durch Covid-19!«, wer kann sich dagegen schon wehren?). Die Politiker benutzen sie als Argument, um uns ihre Wahrheiten zu verkaufen (»Mit 30000 neuen Wohnungen haben wir einen elementaren Beitrag zur Daseinsvorsorge geleistet!«). Wir selbst benutzen Zahlen in allen möglichen Bereichen, ob wir nun ausgemusterte Kleidung weiterverkaufen oder unsere Couch vermieten oder auf Partnersuche gehen, und hoffen, dass sich die anderen aufgrund unserer hohen Durchschnittsbewertung für uns entscheiden. Zahlen brauchen keine langatmigen Erklärungen und sind nicht subjektiv (glauben wir jedenfalls), wir reagieren unmittelbar auf sie und verstehen sie auch sofort (glauben wir jedenfalls).

An diesem Punkt stehen wir jetzt also gerade.

Unsere Tage sind wirklich gezählt. Buchstäblich.

Das muss nicht heißen, dass unsere Tage auch im übertragenen Sinn gezählt sind. Es gibt größere Bedrohungen für die Existenz der Menschheit als die Zahlendemie (Virusepidemien, beispielsweise. Die Klimakrise. Die vielen Hunderttausend Asteroiden, die das Sonnensystem durchqueren und die Erde zu treffen drohen – ach, vergessen wir das einfach gleich wieder, das macht die Sache auch nicht unbedingt besser …) Aber unsere Tage zu zählen und zu bemessen, macht das unsere Existenz nicht vielleicht ein wenig ärmer?

Mit diesem Buch wollen wir die Welt nicht vor den Zahlen retten, sondern darauf aufmerksam machen, wie du von den Zahlen beeinflusst wirst und dabei helfen, dass die Vermessenheit der Welt dein Leben nicht ärmer macht. Vielleicht stellst du fest, dass bestimmte Lebensbereiche ganz gut ohne Werte und Zahlen auskommen. Oder zumindest ein kleines Zahlen-Detox vertragen könnten. Wir jedenfalls glauben, dass es uns allen besser ginge, wenn wir gegen die Zahlendemie geimpft wären, damit wir uns bewusst dafür entscheiden können, wie wir mit ihnen umgehen wollen.

Betrachte dieses Buch als deine Impfung gegen die Zahlen.

Und jetzt legen wir los.

Kurzer Zeitsprung in die Vergangenheit. Die erste »Excel-Tabelle« in Sachen Buchhaltung für den Tempel in Uruk kann auf 3200 v. Chr. datiert werden, aber die Geschichte der Zahlen reicht erheblich weiter zurück. Tatsächlich beginnt sie vor etwa 40000 Jahren. Das muss man sich mal vorstellen. Denn so alt sind die ältesten Kerbhölzer oder Rechenstäbe, die die Archäologie entdeckt hat. Aus Knochenresten gefertigt, sind sie die frühesten sicheren Indizien dafür, dass wir Menschen anfingen, etwas zu zählen – und der Beginn all dessen, das darauf folgen sollte.

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Auf dem sogenannten Lebombo-Knochen, der in den Siebzigerjahren in den Bergen Swasilands (heute: Eswatini) gefunden wurde, befinden sich 29 Kerben. Manche behaupten, das könnte darauf hindeuten, dass afrikanische Frauen die ersten Mathematiker aller Zeiten waren und die Zählstöcke dazu benutzten, ihren Menstruationszyklus aufzuzeichnen. Ob das stimmt, werden wir nie herausfinden, weil der Knochen nach der 29. Kerbe abgebrochen ist. Vielleicht war er ja ursprünglich länger?

Auch in Europa hat man einige richtig alte Zählstöcke gefunden. Der berühmte »Wolfsknochen« wurde 1937 in der damaligen Tschechoslowakei gefunden und erwies sich als etwa 30000 Jahre alt. Auf dem Knochen befinden sich volle 55 Zählzeichen, die in Gruppen zu jeweils fünf Kerben angeordnet sind.

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Der Wolfsknochen kann in vielerlei Hinsicht als der allererste Computer der Menschheit betrachtet werden. Mit einem solchen Rechenstab konnte man sowohl zählen als auch Zahlen aufschreiben, um dadurch Ordnung zu schaffen und einen Überblick zu bekommen. Man konnte die Anzahl der Individuen innerhalb einer Gruppe im Auge behalten, die Anzahl der Beutetiere und der Habseligkeiten und später auch Rechnungen im Zusammenhang mit dem Tauschhandel durchführen. Fast überall auf der Welt (auf die Ausnahmen kommen wir gleich noch zu sprechen) entwickelten Menschen langsam, aber sicher die Fähigkeit, zu zählen und Berechnungen anzustellen, und begannen, Zahlen Bedeutung und Wert beizumessen.

Schnell wurden wir abhängig von den Zahlen, unter anderem, weil sie bei der Verwaltung von Gesellschaften und im Handel so absolut notwendig wurden. Die erste Schreibtafel aus Mesopotamien verdeutlicht genau das – auf ihr finden sich Aufzeichnungen von Zahlen und Berechnungen. Und zack, waren die Ökonomen geboren. Vier für dich und fünf für mich.

Nun ist es ja eigentlich nicht so, dass wir Menschen die Zahlen erfunden hätten. Es gab sie ja bereits. Für jemanden, der gerne etwas zählen möchte, sind die Natur und auch der menschliche Körper eine wahre Goldgrube. Finger und Zehen, Beutetiere, Eier. Wahrscheinlich waren das die ersten Dinge, die wir Menschen zu zählen begannen. Andere Zahlen und Muster in der Natur sind etwas komplizierter und schwerer zu erkennen, Pi etwa oder die Zahlenfolge des Fibonacci, die eigentlich eine Spirale ist. Wenn man die Samen in einem Zapfen genau betrachtet, sieht man, dass sie ebenfalls spiralförmig angeordnet sind: fünf Spiralen in die eine Richtung und acht in die andere. Auch bei Sonnenblumen sind die Samen spiralförmig angeordnet: 21 in die eine Richtung, 34 in die andere. Zähl ruhig nach! Und wenn du das nächste Mal im Supermarkt einen genaueren Blick auf einen Kopf Romanesco (so eine Art Brokkoli) wirfst, kannst du auch dort die Fibonacci-Spiralen finden und nachzählen. Ein in mathematischer Hinsicht ganz erstaunliches Gemüse, das wie der Rest der Natur voller Zahlen und Muster steckt.

1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377 …

Apropos Fibonacci. Wenn man in der Schule etwas über dieses Phänomen lernt, kann das Gehirn ganz schön auf Touren kommen. Ich erinnere mich, dass ich als begeisterter Oberstufenschüler in den Achtzigerjahren auf einmal anfing, überall nach solchen Spiralen und Zahlenfolgen Ausschau zu halten. Und wer suchet, der findet, wie wir alle wissen. Blütenblätter von Blumen? Fibonacci. Muster auf Grunge-T-Shirts? Fibonacci. Ananas (äußerst beliebt in den Achtzigerjahren, sogar auf Pizza)? Fibonacci. Die Form von Ohren, Galaxien – alles. Fibonacci.

Und dann stellte sich auch noch heraus, dass auch der Goldene Schnitt, den wir im Fach bildende Kunst kennenlernten, mit der Fibonacci-Folge zu tun hat. Wir lernten, dass der Mensch den Goldenen Schnitt als etwas Schönes und Harmonisches wahrnimmt. Mithilfe eines Taschenrechners und eines Lineals fanden wir heraus, wie Kunstschaffende im Laufe der Geschichte den Goldenen Schnitt in ihren Kompositionen nutzten.

Vielleicht entwickelte unser Lehrer beim Thema Fibonacci irgendwann so was wie einen Tunnelblick (oder einen Spiralblick?). Da wir bei demselben Lehrer auch Sportunterricht hatten, bekamen wir eine fächerübergreifende Aufgabe: Wir sollten den Goldenen Schnitt an uns selbst messen. Der Länge nach. Und falls sich jetzt jemand fragt, was dabei herauskam: Bei den meisten lag der Goldene Schnitt ziemlich genau in der Mitte des Bauchnabels. Außer bei dem armen Kristian mit den langen Beinen.

Helge

Anthropologen zufolge entspringt das menschliche Zahlenverständnis unserer Faszination für unsere eigenen Hände – fünf Finger an jeder Hand. In vielen Gesellschaften wurde die Entdeckung »Eine Hand entspricht fünf Dingen« zu einer intellektuellen Superkraft, die die Entwicklung beschleunigte. Verrückt, was? Da guckte sich jemand seine Hand an, überlegte ein Weilchen, besprach das Ganze mit seinem Kumpel – und Simsalabim, wurde das Verständnis für ungefähr alles, von Zahlen über Handel bis hin zu genaueren Karten, mal eben kräftig angekurbelt. Es ist ausgesprochen intuitiv und einfach, mit den Fingern zu rechnen. Sowohl Kinder als auch Erwachsene tun es bis heute. Die Zahl der Finger und Zehen entwickelte sich auch zur Grundlage vieler Zahlensysteme (oder Ziffernsysteme, je nachdem) alter Kulturen, die eben genau auf den Zahlen 5 und 10 basierten. Genau wie der Wolfsknochen.

Mit der Entdeckung der Zahlen konnten wir Menschen einander plötzlich Mengen zeigen und miteinander verhandeln, Gewinne berechnen, Buch führen und sogar Steuern und Abgaben einführen. Im Rekordtempo entwickelten wir uns von anderen Arten weg. Zoologen glauben, dass auch einige andere Säugetiere bis drei oder vier zählen können, aber das sind Peanuts im Vergleich zu unseren Vorfahren, die plötzlich sowohl mit fünf als auch mit 5000 klarkamen.

Zahlen und das Verständnis von ihnen wurden unfassbar wichtig, als wir Menschen anfingen, Tauschhandel zu treiben, gesellschaftliche Strukturen schufen und immer dichter beieinander lebten. Die Fähigkeit, zählen zu können, ist auch eine Voraussetzung für Gier, Verhandlungen und Status. Will man es im Leben zu etwas bringen, muss man zählen und vergleichen können. Deshalb haben verschiedene Kulturen im Laufe der Zeit unterschiedliche numerische Systeme mit einem jeweils etwas anderen Rhythmus oder einer anderen Basis entwickelt. Unser Dezimalsystem oder das hinduistisch-arabische Zahlensystem, wie es auch genannt wird, hat als Grundrhythmus die 10. Das binäre Zahlensystem, mit dem alle modernen Computer arbeiten, fußt auf der 2. Hier wird alles als Kombination zweier Ziffern notiert: 0 und 1. Im urzeitlichen Babylon gab es interessanterweise ein Zahlensystem mit der 60 als Basis. Dieses System wurde für die Berechnung der Zeit relevant – Sekunden, Minuten und Stunden –, aber auch für das Messen von Winkeln in einem Kreis. In so gut wie jedem anderen Zusammenhang jedoch war das babylonische Zahlensystem reichlich unpraktisch. Es verfügte nicht einmal über ein Zeichen für null.

Im Laufe der Geschichte gab es eine ganze Reihe unterschiedlicher Zahlensysteme mit den Grundrhythmen fünf und zehn, basierend eben auf der Anzahl der Finger und Zehen, die der Mensch mit der Zeit an sich bemerkt hat. Eigentlich ist es intuitiv doch ganz einfach zu verstehen, wie diese ersten Zahlsysteme zustande gekommen sind, oder? Die römischen Zahlen basieren auf dem Grundrhythmus fünf: V steht für fünf und L für 50. Aber dieses Zahlensystem war gleichzeitig extrem kompliziert und schwerfällig. Ein Blick auf alte Uhren und Jahreszahlen genügt. Immerhin befinden wir uns in den MMXXer-Jahren!

Übrigens: Die Römer versetzten der Entwicklung der Zahlen und der Mathematik in der Welt einen mächtigen Dämpfer. Als sie in Griechenland einfielen, ging es ihnen um Macht, nicht um Zahlen. Das römische Zahlensystem war für das Zählen und Rechnen zu kompliziert, funktionierte aber einwandfrei, wenn man wissen wollte, wie viele Menschen man getötet hatte. Als die Römer Archimedes umbrachten und das römische Zahlensystem einführten, hat dies die Entwicklung sowohl der Mathematik als auch anderer Wissenschaften stark verlangsamt. Die römischen Ziffern wurden in ganz Europa verbreitet und waren über 500 Jahre lang das vorherrschende Zahlensystem. Fällt dir der Name eines berühmten römischen Mathematikers ein? Nein? Überrascht uns kaum bis gar nicht. Es gibt nämlich keinen.

Als Wirtschaftsprofessor betrachte ich Zahlen oft als eine Sprache, mithilfe derer man kommuniziert, plant und festlegt, wie Ressourcen geteilt, genutzt und gehandelt werden. Vor diesem Hintergrund ist es wirklich faszinierend, dass sich die Menschheit (oder zumindest der größte Teil davon) auf eine gemeinsame Art der Verwendung von Zahlen geeinigt hat. Ich meine, wie viele Sprachen gibt es auf der Welt? Ein Blick auf Wikipedia verriet mir, dass es mehr als 100 Sprachen sind, die von mindestens fünf Millionen Menschen gesprochen werden. Das sagt doch sicher etwas darüber aus, wie instinktiv wir Zahlen gebrauchen?

Ich persönlich bin nebenbei bemerkt nicht davon überzeugt, dass das heute verwendete Zahlensystem das bestmögliche ist. Besonders gut gefällt mir das Zahlensystem, das im Mittelalter von den Zisterziensermönchen in Frankenreich verwendet wurde und das verschiedene Zahlzeichen für Einer, Zehner, Hunderter und so weiter vorsieht. Jeder, der sich schon an komplizierteren Kopfrechenaufgaben probiert hat, weiß, dass es das schnellere und effizientere System ist.

Micael

Glücklicherweise ist das Römische Reich schlussendlich gefallen und die Leute durften endlich das viel vernünftigere hinduistisch-arabische dezimale Zahlensystem benutzen. So konnte die Innovationsfähigkeit des Menschen (und der Rechenbedarf) wieder blühen und gedeihen.

Und sie gedieh. Also, die Innovationsfähigkeit. Und wie.

Mithilfe der Zahlen und der Mathematik haben wir Menschen erstaunliche Dinge bewerkstelligt. Die Zahlen stecken ja wirklich hinter allem, von den Pyramiden und dem ersten Flug zum Mond bis hin zu jedem einzelnen Computer und Smartphone auf der Welt. An dieser Stelle kommen wir auf das zu sprechen, was die Zahlendemie gerade jetzt so gefährlich und wichtig macht. Den tödlichen Cocktail, wenn man so will: die Kombination aus der dem Menschen innewohnenden Faszination für und seine Abhängigkeit von Zahlen und der Tatsache, dass die Zahlen plötzlich von der Leine gelassen wurden und sich nun überall wiederfinden. Und die Zahlen haben Macht über dich, ganz egal, ob du Mathematik liebst oder hasst. Allen Zahlen und Zahlensystemen ist nämlich eines gemeinsam: Sie üben (und zwar schon immer) einen ganz enormen Einfluss auf die Gedanken, den Glauben und Aberglauben der Menschen aus.

Entschuldige, aber es fällt mir ein bisschen schwer, die Frage, ob unser aktuell gängiges Zahlensystem vielleicht nicht das allerbeste ist, einfach abzuhaken. Vor einigen Jahren war ich auf einer Konferenz, wo zwei britische Informatikprofessoren ein neues System vorstellten, das sie »interaktive Zahlen« nannten. Das ist gar nicht so einfach zu erklären, ich habe es selbst noch nicht ganz durchschaut, aber grob gesagt geht es darum, dass digitale Zahlen (und im Großen und Ganzen sind ja heutzutage alle Zahlen digital) sich, während wir sie eingeben, selbst korrigieren sollen, je nachdem, wie plausibel sie im Verhältnis zu anderen Zahlen sind, die wir zuvor eingegeben haben. Das Problem ist nämlich, dass wir so häufig Fehler machen (verglichen mit der Zeit, als wir Zahlen noch von Hand aufgeschrieben haben): Wir tippen die falsche Zahl, drücken versehentlich eine Taste zu lange und geben eine Zahl doppelt ein, lassen ein Leerzeichen aus, setzen ein Komma falsch und so weiter und so fort. Eine Messung der Augenbewegungen ergab, dass Menschen beim Eintippen von Zahlen 91 Prozent ihrer Aufmerksamkeit auf die Tastatur richten und nur 9 Prozent auf die Zahlen auf dem Bildschirm.

Die beiden Professoren illustrierten das mit einem Beispiel aus Norwegen: 2007 verlor Grete Fossbakken 500000 Kronen, die sie auf das Bankkonto ihrer Tochter überweisen wollte; das Geld landete jedoch ganz woanders, weil sie dummerweise auf die falsche Taste gedrückt hatte. Offenbar passiert das in 0,2 Prozent aller Banktransaktionen (zusammengenommen ergibt das einen ganz schönen Haufen Geld …). Ein anderes Beispiel ist der Brite Nigel Lang, der 2011 festgenommen wurde, weil er unter dem Verdacht stand, kinderpornografisches Material geteilt zu haben, allerdings fanden sich auf seinem Computer keine solchen Bilder. Irgendwann stellte sich heraus, dass die Polizei einen Tippfehler bei der IP-Nummer des gesuchten Computers gemacht hatte. Lang wurde später eine Entschädigung von 60000 Pfund Sterling zugesprochen.

Micael

ZAHLENMYSTIK

Wir Menschen sehen überall Zahlen: in Worten, Zeichen, Namen, Wolken und in der Natur. Zusammenhänge finden wir überall dort, wo wir sie finden wollen