Mein Mann ist eine Sünde wert - Maeve Haran - E-Book

Mein Mann ist eine Sünde wert E-Book

Maeve Haran

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Beschreibung

Sie macht ihm das Angebot seines Lebens. Wird er darauf eingehen?

Was ist das Schönste an Paris? Für manche ist es der Eiffelturm, für andere die vielen Boutiquen. Doch für Georgie, die gerade ihren treulosen Ehemann verlassen hat, ist es das kleine schwarze Notizbuch ihrer Großmutter – und die charmanten Franzosen, die sie dadurch kennenlernt. Aber auch wenn es wunderschön ist bei Kerzenschein und Rotwein verwöhnt zu werden, ganz tief in ihrem Herzen sehnt sich Georgie nur nach einem: ihrem kleinen chaotischen Häuschen, ihren zwei putzmunteren Kindern – und nach Nick, dem Mann, mit dem sie dieses Tohuwabohu bis zuletzt teilte. Kurz entschlossen reist sie zurück nach England, und macht dem überraschten Nick ein durch und durch unsittliches Angebot …

Mit ihren turbulent-witzigen Geschichten über die Liebe, Freundschaft, Familie und die kleinen Tücken des Alltags erobert SPIEGEL-Bestsellerautorin Maeve Haran die Herzen ihrer Leser im Sturm!

»Maeve Haran erweist sich immer wieder als Spezialistin für locker-amüsante Geschichten mit Tiefgang!« Freundin

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Seitenzahl: 375

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Buch

Was ist das Schönste an Paris? Für manche ist es der Eiffelturm, für andere die vielen Boutiquen. Doch für Georgie, die gerade ihren treulosen Ehemann verlassen hat, ist es das kleine schwarze Notizbuch ihrer Großmutter – und die charmanten Franzosen, die sie dadurch kennenlernt. Aber auch wenn es wunderschön ist bei Kerzenschein und Rotwein verwöhnt zu werden, ganz tief in ihrem Herzen sehnt sich Georgie nur nach einem: ihrem kleinen chaotischen Häuschen, ihren zwei putzmunteren Kindern – und nach Nick, dem Mann, mit dem sie dieses Tohuwabohu bis zuletzt teilte. Kurz entschlossen reist sie zurück nach England, und macht dem überraschten Nick ein durch und durch unsittliches Angebot …

Autorin

Maeve Haran hat in Oxford Jura studiert, arbeitete als Journalistin und in der Fernsehbranche, bevor sie ihren ersten Roman veröffentlichte. »Alles ist nicht genug« wurde zu einem weltweiten Bestseller, der in 26 Sprachen übersetzt wurde. Maeve Haran hat drei Kinder und lebt mit ihrem Mann in London.

Von Maeve Haran bereits erschienen

Liebling, vergiss die Socken nicht · Alles ist nicht genug · Wenn zwei sich streiten · Ich fang noch mal von vorne an · Schwanger macht lustig · Und sonntags aufs Land · Scheidungsdiät · Zwei Schwiegermütter und ein Baby · Ein Mann im Heuhaufen · Der Stoff, aus dem die Männer sind · Schokoladenküsse · Mein Mann ist eine Sünde wert · Die beste Zeit unseres Lebens · Das größte Glück meines Lebens · Der schönste Sommer unseres Lebens

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Maeve Haran

Mein Mann ist eine Sünde wert

Roman

Deutsch von Eva Malsch

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Her Little Black Book«.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright dieser Ausgabe © 2020 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright der Originalausgabe © 2006 by Maeve Haran

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2006 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Buchgewand Coverdesign | www.buch-gewand.de unter Verwendung von Motiven von depositphotos.com: © 4masik; shutterstock.com: © s4svisuals

DN · Herstellung: sam

ISBN978-3-641-26305-8V001

www.blanvalet.de

1. Kapitel

»Wie oft hast du eigentlich Sex mit Dad?«

Georgie verschluckte sich an ihren Cornflakes, während der achtjährige Charlie eine Antwort erwartete, die großen Augen in gespielter Unschuld weit aufgerissen.

»Jake aus meiner Klasse hat gesagt, seine Eltern machen’s die ganze Zeit, und das ist echt igitt.«

Um eine ausdruckslose Miene bemüht versuchte Georgie, den Blick ihres Ehemanns Nick einzufangen und herauszufinden, wie er auf dieses Verhör reagierte, das ihr Sexualleben betraf. Aber er war vollauf mit seinem Laptop beschäftigt, dem er irgendeine wahnsinnig wichtige Info entlockte.

Seit Wochen nicht mehr, würde die ehrliche Antwort lauten. Sie hatte drei Kinder mit Terminkalendern, die das Pensum des Premierministers bei weitem übertrafen. Dazu kamen Nicks immer längere Überstunden und eine endlose Liste von Forderungen, die ihre Mutter an sie stellte, weil sie noch immer nicht verstand, dass erwachsene Töchter ein Recht auf ein eigenes Leben hatten. Für Sex blieb da nicht viel Zeit. Schuldbewusst verdrängte Georgie den Gedanken an die Abende, an denen sie irgendwelche Dinge im Haushalt in der Gewissheit erledigte, Nick würde tief und fest schlafen, wenn sie schließlich nach oben ging. Und nun musste sie sich wirklich und wahrhaftig den Kopf zerbrechen, um sich zu erinnern, wann sie tatsächlich zum letzten Mal Liebe gemacht hatten.

Vielleicht entwickelten sie sich allmählich zu einem jener eigenartigen Ehepaare, die es nur ein Mal im Jahr und in Schaltjahren zwei Mal trieben. Kaum zu glauben, dass sie kaum geschafft hatten, die Finger voneinander zu lassen, als sie sich vor siebzehn Jahren in der Hochschule für Design begegnet waren … Deutlich genug erinnerte sich Georgie, wie lasziv sie Nick über das vollständig versammelte Auditorium hinweg angestarrt hatte, ganz schwach vor Sehnsucht und in der verzweifelten Hoffnung, die Vorlesung würde möglichst bald aufhören, damit sie nach Hause laufen und ins Bett fallen könnten. Einmal hatten sie ein ganzes, von stürmischer Leidenschaft erfülltes Wochenende unter der Steppdecke verbracht. Und jetzt? Wie sie zugeben musste, fand sie es wesentlich aufregender, den Wäscheschrank in Ordnung zu bringen.

Zumindest besaß sie einen sehr ordentlichen Wäscheschrank.

»Was?«, fragte Nick, der endlich merkte, dass ihn seine ganze Familie mit ungewöhnlichem Interesse beobachtete. »Was?«

Nicks Augen fixierten die mit seinen eigenen, identischen blauen Augen seines ältesten Kindes Bella. Immer wieder staunte Georgie über die Ähnlichkeit, die zwischen Vater und Tochter bestand – nicht nur äußerlich, auch im Charakter.

»Ach, nichts Besonderes.« Wie üblich ritt die sechzehnjährige Bella der Teufel. »Charlie will nur wissen, wie oft du und Mum Sex habt.«

Ein paar Sekunden lang fragte sich Georgie, ob Nick explodieren würde.

Stattdessen zeigte sich in seinen Augen ein Ausdruck übertriebener Verwirrung, sodass er wie ein total verdatterter Dorftrottel aussah. »Sex?«, wiederholte er und musterte Charlie, als würde er auf eine nähere Erklärung warten. »Was ist Sex? Meinst du das, was sie im Discovery Channel tun?«

»Da-ad!« Kurzfristig aus dem Konzept gebracht, schien der Junge zu glauben, sein Vater hätte wirklich keine Ahnung von so grundlegenden Dingen. »Du musst doch wissen, was Sex ist.«

»Immerhin hast du drei Kinder«, warf der zehnjährige Rory ein, der sichtlich erfreut war, weil sein jüngerer Bruder ausnahmsweise verunsichert dreinschaute.

»Hm … Hilf doch meinem Gedächtnis auf die Sprünge, Mrs. Morrison …« Skeptisch spähte Nick über den Frühstückstisch hinweg zu Georgie hinüber. »Wie haben wir diese drei entzückenden Sprösslinge gekriegt?«

»Ihr hattet Sex«, konstatierte Bella unverblümt, nachdem sie entschieden hatte, nun wäre das Geplänkel weit genug gegangen.

Aber Nick ging mit liebevollem Spott im Blick zielstrebig zu Georgie. »Meine Besprechung beginnt erst um neun. Haben wir genug Zeit, um noch ein Baby zu machen?« Dann zog er sie von ihrem Stuhl hoch, riss sie in die Arme und küsste sie gnadenlos.

Das war ein alter Gag in ihrer Ehe – er küsste sie, bis sie beinahe die Besinnung verlor und wie ein sterbender Goldfisch zappelte.

»Ni-ick!«, japste Georgie und führte ihre Goldfisch-Nummer vor. »Ich kriege keine Luft …«

Da ließ er sie los. »Okay, vielleicht später.« In einer gekonnten Groucho-Marx-Imitation hob und senkte er die Brauen.

»Ach, um Himmels willen!« Angewidert verdrehte Bella die Augen. »Nehmt euch ein Hotelzimmer. Oder nehmt euch besser keins. Fahr mich zur Schule, Dad. Dann könnt ihr euch wenigstens nicht aneinander vergreifen.«

Nick schlüpfte in sein Jackett. »Heute Nacht, Josephine?«

Mit einem unverschämten Grinsen zwinkerte er seiner Frau zu.

In diesem Moment gewann Charlie die Überzeugung, seine Eltern hätten endgültig den Verstand verloren. »Aber Mum heißt nicht Josephine, sondern Georgina.«

»Das war eine kulturelle Anspielung, blödes Balg«, belehrte ihn seine Schwester in müdem Ton. »Was dir vielleicht klar wäre, wenn du jemals diese Playstation abschalten würdest. Es bedeutet: Willst du heute Nacht mit mir ins Bett gehen?«

»Dreifaches Igitt!« Charlie schnitt eine Grimasse, als hätte man ihm einen Teller Spinat serviert.

»Nun siehst du, was man sich einhandelt, wenn man dumme Fragen stellt«, ätzte Bella und schnappte sich ihre Schultasche.

Glücklicherweise läutete in diesem Moment das Telefon, eine willkommene Ablenkung, und Rory rannte zum Apparat.

»Mum, es ist Granny Isabel!«, schrie er und hielt den Hörer hoch. »Sie will wissen, ob du dich dran erinnerst, dass wir den Hund übernehmen sollen, wenn sie zum Trekking nach Nepal fliegen!«

Stöhnend runzelte Nick die Stirn. Allein schon der Gedanke, er müsste Pet, die verhätschelte Hündin seiner Schwiegermutter, beherbergen, erwies sich als effektiver Lustkiller. »O Gott!«, jammerte er laut genug, sodass Isabel es zweifellos hörte. »Sag bloß nicht, der verdammte Shih Tzu zieht hier ein.«

Damit versetzte er Charlie in einen lautstarken Begeisterungstaumel. »Der verdammte Shih Tzu zieht hier ein!«, kreischte der Junge und tanzte in der Küche herum. »Der verdammte Shih Tzu zieht hier ein!«

»Sag Gran, ich rufe später zurück, Rory, und – ja, wir kümmern uns um den Hund.« Georgie wandte sich zu Nick. »Tut mir leid, ich hab vergessen, dir das zu erzählen. Die Hundepensionen sind überfüllt. Wenn wir nicht einspringen, fällt die Reise nach Nepal ins Wasser.«

»Klingt nicht besonders glaubhaft«, murrte Nick. »Ich wette, dieser fiesen, monströsen Kläfferin wurde von allen anderen Leuten wegen ihrer miserablen Manieren die Tür gewiesen.«

»Vielleicht«, gab Georgie zu und bezwang ihren Lachreiz. Pet zählte nicht gerade zu den sympathischen Hausgästen.

»Außerdem ist Rory allergisch gegen Hunde«, verkündete Nick, als wäre das ein unwiderlegbares Argument. »Von morgens bis abends wird er Rotz und Wasser heulen. Nicht wahr, Rory?«

Der arme, empfindsame Rory litt ständig unter irgendwelchen Wehwehchen, während seine beiden Geschwister noch nie im Leben auch nur einen einzigen Tag krank gewesen waren.

»Keine Bange, ich werde ihm Antihistamin geben. Er vergöttert Pet.«

»Klar, Dad«, bekräftigte Rory.

Da gab sich Nick geschlagen und zerzauste das blonde Haar seines älteren Sohnes. »Aber lass sie bloß nicht in dein Bett!«

Von einem untrüglichen Instinkt getrieben, steuerte Pet jedes Mal schnurstracks Rorys Schlafzimmer an und rekelte sich auf der Steppdecke. Weil der Junge zu gutmütig und zu glücklich über die Gesellschaft des Tieres war, stieß er es nicht runter. Prompt begannen seine Augen und seine Nase dann überzuquellen, als hätte man einen Wasserhahn aufgedreht.

Nick drohte Charlie mit dem Finger. »Und du setzt Pet nicht in die Mikrowelle, verstanden?«

Bei Pets letztem Hausbesuch hatte Georgie sie in allerletzter Sekunde aus der Mikrowelle gezerrt, bevor sie zu Hundeasche zerfallen war.

Rebellisch schob Charlie die Unterlippe vor. »Ich wollte doch nur das Fell trocknen lassen.«

»Nachdem ich inzwischen den Eindruck habe, ich müsste die Hoffnung auf Sex begraben, gehe ich besser zur Arbeit.« Grinsend hob Nick die Hände, um etwaige Vergeltungsmaßnahmen seiner Kinder abzuwehren. »Hat jemand meine Computertasche gesehen?«

Im Haushalt der Morrisons verschwanden regelmäßig irgendwelche Sachen, bevor sie Tage später mysteriöserweise genau dort wiederauftauchten, wo man sie deponiert hatte.

Schließlich entdeckte Nick die Tasche in der Diele unter einem Haufen aus Rucksäcken und Kricket-Schienbeinschützern. Obenauf hatte die Katze friedlich geschlafen, ohne die drohende feindliche Invasion in Gestalt eines Hundes zu erahnen.

Nick spähte in den staubigen Garderobenspiegel und rückte die Krawatte zurecht, die er sich nur für wichtige Besprechungen umband. Bei dieser Geste wirkte er jünger und ein bisschen unsicher, wie ein blutiger Anfänger auf dem Weg zu seinem ersten Job. Georgie lief in die Diele, um ihn zu küssen.

Vielleicht sollte diese Nacht wirklich zur Nacht aller Nächte avancieren. Sie erinnerte sich an die Flasche mit dem »Damn Sexy Massage Oil«, die Nick letztes Jahr in ihren Weihnachtsstrumpf gesteckt hatte. Solche Strümpfe tauschten sie traditionsgemäß aus.

»Wann kommst du heute Abend nach Hause?«, fragte sie.

»Wird’s der Mühe wert sein, Miss Scarlett?«, konterte er und versuchte ein zynisches Rhett-Butler-Lächeln.

Georgie unterdrückte ein Kichern. »Ach, herrje, Mr. Butler, ich werde mal sehen, was ich tun kann!«

»Heiliger Himmel!« Bella packte ihn am Arm. »Benehmt euch doch ausnahmsweise wie normale Eltern. Oder schafft ihr das nicht?«

»Okay, ich werde mich so früh wie möglich loseisen, Georgie«, versprach Nick. »Aber du weißt ja, wie’s im Moment zugeht. In knapp drei Wochen bringen wir das B-&-B-Reisegepäck auf den Markt, und da fahre ich nach London.«

B & B bedeutete »Bag and Baggage«. Diese Handtaschen- und Gürtelfirma hatte Nick in London gegründet und in eine ausgebaute Scheune verlegt, als er mit seiner Familie aufs Land übersiedelt war.

Innerhalb weniger Jahre hatte sich B & B von einer Idee auf dem Küchentisch zu einem Unternehmen entwickelt, das exklusive Londoner Läden mit Taschen und Schuhen belieferte. Und jetzt – vorausgesetzt, alles lief planmäßig – würde die Firma den glanzvollen internationalen Markt für Reisegepäck erobern.

Von plötzlichem Neid erfasst seufzte Georgie leise. Anfangs hatte sie für B & B gearbeitet und die großen Kaufhäuser mit einem Koffer voller Warenproben abgeklappert. Aber dann expandierte die Firma. Drei Kinder beanspruchten ihre Mutter immer stärker. Eifrig bestrebt, diese Forderungen zu erfüllen, hatte sie ihrem Mann schließlich vorgeschlagen, er sollte jemanden einstellen. Dieser »Jemand« war eine smarte junge Diplomkauffrau namens Alison – nach den missglückten Probezeiten einiger anderer Anwärter.

Meistens war Georgie glücklich mit dem Schicksal, das sie gewählt hatte. Nur hin und wieder vermisste sie die aufregende Hektik der Geschäftswelt.

»Ja, das weiß ich, Nick«, stimmte sie zu. »Wir alle freuen uns mit dir, es wird ganz bestimmt ein Riesenerfolg.«

»Hoffentlich. Davon hängt eine ganze Menge ab.«

Nachdem Nick und Bella das Haus verlassen hatten, scheuchte Georgie ihre Söhne aus der Küche. Heute blieben sie daheim, weil ihre Lehrer ärgerlicherweise schon wieder an einer Weiterbildung teilnahmen. Sie eilte umher und räumte auf, holte ein Paar schmutzige Socken und Sneaker unter dem Küchentisch hervor und brachte halbwegs Ordnung ins übliche Chaos. Diesen Raum liebte sie. Durch die Glastür strömte das helle Licht der Frühlingssonne herein, illuminierte die Staubkörnchen, die leider Rorys allergische Reaktionen auslösten, und übergoss den zerkratzten alten Tisch mit goldenen Strahlen. Auf einem Ende döste die Katze Manky neben einem angeschlagenen, aber immer noch hübschen Krug voller frischer Blumen aus dem Garten.

Eigentlich müsste Georgie das Tierchen von der Tischplatte jagen. Sein Anblick an einer Stelle, wo absolute Keimfreiheit herrschen sollte, würde ihre Mutter Isabel schockieren. Aber Manky sah so zufrieden aus. Mochte die Küche auch nicht besonders hygienisch wirken und dringend einen neuen Anstrich brauchen – die Szenerie stellte eindeutig dar, was ein Immobilienmakler das »Herz des Hauses« nennen würde.

Andererseits …, dachte Georgie. In ihre heitere Stimmung mischten sich schwache Schuldgefühle. Wenn man eine dauerhafte Ehe anstrebte, sollte das Herz eines Hauses vielleicht im Schlafzimmer wohnen.

Reiß dich bloß zusammen, ermahnte sie sich und strich über Mankys Rücken, bis die Katze einen sinnlichen Buckel machte. Denk an Jerry Hall und den blödsinnigen Spruch, eine Frau müsste in der Küche eine süße Unschuld und im Bett eine Hure verkörpern. Die ist steinreich, über eins achtzig groß, sieht umwerfend aus – und was hat’s ihr gebracht?

Als sie sich an Nick und seine Groucho-Brauen erinnerte, verspürte sie einen wohligen Schauer. Warum sollten nur Jakes Eltern ihren Spaß haben?

»Mum!«, unterbrach Charlie ihren Tagtraum. Der Ruf drang aus dem angrenzenden Spielzimmer herüber, wo das Kind aus unerfindlichen Gründen wirklich und wahrhaftig Klavier übte. »Kriegen wir ein KitKat?«

»Ihr habt erst vor zehn Minuten gefrühstückt«, erwiderte Georgie. Sowohl Rory als auch Charlie besaßen statt eines Magens ein großes Loch im Bauchraum. Sie konnten eine üppige Mahlzeit verschlingen und kurze Zeit später schon wieder von unbändigem Appetit gepeinigt werden.

»Aber ich wachse.« Charlie erschien in der Küchentür und ließ die langen Wimpern klimpern. Obwohl erst acht Jahre alt, war er schon ein richtiger Charmeur – mit einem üppigen blonden Haarschopf, großen hellgrünen Augen und einer goldenen Haut, die den Eindruck erweckte, sie wäre eben erst poliert worden. Aber neben seinen zahlreichen Vorzügen bezauberte insbesondere eine unerschütterliche Überzeugung die Welt und würde ihn bis zu seinem letzten Atemzug begünstigen, nämlich sein fester Glaube, alles in seinem Leben wäre einfach großartig.

Also erlag Georgie wieder einmal Charlies Charme, der sie ebenso unbarmherzig attackierte wie der Hypnotherapeut Paul McKenna einen armen Zuschauer in seiner TV-Show: »Los, nun machen Sie schon.«

Wenn KitKats auch ernährungswissenschaftlich betrachtet absolute No-Go’s waren, so gehörten sie doch zu den größten Freuden des Lebens. Georgie würde sich sogar selber eins nehmen. Damit wollte sie sich für den Besuch bei ihrer Mutter stärken, den sie ertragen musste, um die gefürchtete Shih-Tzu-Hündin abzuholen. Zweifellos würde Isabel ihr einen langwierigen Vortrag über die Pflege und gesundheitsfördernde Betreuung von Ehemännern und Shih Tzus zumuten.

Sie rannte nach oben und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Auf diese Weise versuchte sie, einigermaßen in Form zu bleiben, statt im Fitness-Center zu schwitzen. Beim Friseur hatte sie einen Artikel über Carolina Herrera gelesen, die amerikanische Mode- und Parfum-Ikone, die den Lift ihres New Yorker Hauses hatte ausbauen lassen, weil es ihrer Figur so guttat, die Treppen rauf- und runterzusteigen. Zweifellos würden Georgie und Carolina sofort ihre Seelenverwandtschaft erkennen, sollten sie einander jemals begegnen. Das war eher unwahrscheinlich, denn Georgie wohnte bei Hadworth, fünfundzwanzig Meilen außerhalb von London, und Carolina im Nobelviertel Manhattan. Aber trotzdem …

Da Pet dazu neigte, sich schmutzig zu machen und die Leute anzuspringen, suchte Georgie in ihrem Kleiderschrank nach alten Jeans und zog schließlich welche hervor. Dabei fiel ihr Blick auf das korrekte Kostüm, das sie in ihren B-&-B-Tagen getragen hatte. Impulsiv nahm sie es heraus. Gar nicht so übel, obwohl die lange Jacke und der kurze Rock mittlerweile etwas altmodisch wirkten … Ihre Freundin Sarah berichtete von der Arbeitsfront, inzwischen seien Kostüme völlig out. Heutzutage würde die Karrierefrau diverse Stylings mixen, um ihre Individualität zu betonen und ein übertrieben geschäftsmäßiges Image zu vermeiden.

Georgie legte die Jeans beiseite und schlüpfte in die Kostümjacke, die immer noch erstaunlich attraktiv aussah, obwohl sie seit Charlies Geburt im Schrank vor sich hin gammelte.

Zu ihrem Leidwesen bereitete ihr der Rock eine Enttäuschung. An der Stelle, wo sie den Reißverschluss hochziehen müsste, klaffte eine hässliche, etwa acht Zentimeter breite Lücke. Seufzend trat sie vor den Spiegel.

»Du hast dich gehen lassen, Georgie Morrison«, warf sie dem Spiegelbild mit den ausladenden Hüften vor. »Um der Wahrheit ins Auge zu blicken – du bist eine langweilige Ehe- und Hausfrau geworden.« Dass sie diesen Tadel laut ausgesprochen hatte, war ihr gar nicht aufgefallen.

»Also, ich finde dich nicht langweilig, Mum«, protestierte Rorys Stimme hinter ihr. »Ich meine, du bist die hübscheste Mum von der Welt …« Unsicher verstummte er, als würde diese Formulierung nicht genügen, um die einzigartigen Reize seiner Mutter zu beschreiben.

In Georgies Kehle entstand ein dicker Kloß. Wie konnte sie dem Leben nachtrauern, das sie aufgegeben hatte, selbst wenn ihre Hüften in die Breite gingen – wo sie doch mit so viel Liebe dafür belohnt wurde.

»Komm her, Rory, Darling.« Ganz fest drückte sie ihn an sich. »Und du bist der netteste zehnjährige Sohn, den sich eine Mutter nur wünschen kann.«

»Charlie sagt, ich bin ein mieser Wichser.«

»Hör nicht auf ihn. Dein Bruder weiß nicht einmal, was das ist.«

»Doch, Mum, das weiß er.«

Mit diesem Kind musste Georgie unbedingt mal ein ernstes Wort reden.

Die Fahrt zum Haus ihrer Eltern, wo sie Pet abholen musste, dauerte nur zehn Minuten. An einem so schönen, sonnigen Tag war es unmöglich, sich nicht des Lebens zu freuen. Ende Mai – das war schon immer ihre liebste Jahreszeit gewesen. Der Himmel leuchtete in klarem Blau, die Abende waren lang und hell. Da konnte man endlos Fußball spielen, im frisch gemähten Gras liegen oder auf den Stufen sitzen, die zum Garten hinabführten, und gut gekühlten Weißwein trinken. Unglücklicherweise meistens ohne Nick, was neuerdings mit seinem ständig wachsenden Arbeitspensum zusammenhing …

Als Rory in Charlies Alter gewesen war, hatte Nick gar nicht schnell genug nach Hause kommen können, um die Gesellschaft seiner Familie zu genießen. Jetzt war er immer so schrecklich beschäftigt.

Sie öffnete das Autofenster und lauschte dem Vogelgezwitscher. Irgendwo gurrten Ringeltauben. Lachend flatterte ein Specht vorbei. Amselweibchen tirilierten Liebeslieder für ihre Gefährten oder ermahnten Raubvögel, ihre Brut in Ruhe zu lassen. Was sie empfanden, verstand Georgie nur zu gut. Komisch, wie sehr sich Häuser und Nester glichen … In der menschlichen und in der tierischen Welt gab es immer jemanden, der auf eine Chance zum großen Angriff wartete.

»Hi, Granddad!«, schrie Charlie und kurbelte hektisch sein Fenster herunter. Soeben hatte er als Erster die gebeugte Gestalt entdeckt, die im kleinen Hintergarten seiner Großeltern arbeitete.

Bill, Georgies Vater, hob den Kopf. Auf seine Schaufel gestützt, winkte er zurück. »Sind das meine beiden Gehilfen, die ich da drüben im Auto sehe? Wenn ihr herkommt und buddelt, gebe ich jedem von euch einen Shilling.«

Da schauten Rory und Charlie ihn an wie ein Fußball-Agententeam, dem man soeben die lausige Ablösesumme von einer Million für seinen Starspieler angeboten hatte.

»Nur einen Shilling?«, rief Charlie entrüstet.

»Also gut, ein Pfund?«, schlug Bill vor und fand sich mit der galoppierenden Inflation ab.

Immer noch unbeeindruckt, zögerten die beiden Jungs.

»Nimm dich in Acht, Dad«, mahnte Georgie belustigt. »Die bringen dich noch um deine Pension.«

»Wo ich doch nur ein armer alter Rentner bin«, appellierte Bill an das gute Herz seiner Enkel. »Eigentlich solltet ihr mir die Schufterei kostenlos abnehmen.«

Schließlich einigten sie sich auf einen Kompromiss – Charlie und Rory würden sich ein Pfund teilen, als Draufgabe handelten sie noch eine Fahrt auf dem Traktor-Rasenmäher aus.

Georgie musste nicht fragen, wo ihre Mutter steckte, denn sie würde stets die gleiche Antwort bekommen. Unentwegt organisierte Isabel ein lokales Event – von der Kirchenfeier über die Hundeschau oder den Flohmarkt zu Gunsten der Wasserhilfe in Afrika bis zum alljährlichen Seniorenausflug des königlichen Gartenbauvereins. Wenn sie nicht unterwegs war, saß sie daheim und telefonierte. Unermüdlich verkörperte sie das Idealbild einer viel beschäftigten Frau.

Deshalb fehlte ihr die Zeit – oder die Geduld –, um die Rolle einer aktiven Großmutter zu spielen. Genauso, wie sie früher keine Zeit für den Job einer aktiven Mutter gefunden hatte … Das versuchte Bill auszugleichen. Wann immer seine Enkel zu Besuch kamen, war er pausenlos verfügbar. Lächelnd beobachtete Georgie, wie ihre Söhne auf den Rasenmäher kletterten. Die Gesellschaft ihres Granddads genossen sie jedes Mal in vollen Zügen. Durch ein Fenster sah sie ihre Mutter telefonieren und winkte ihr zu.

Ihr Leben lang war Isabel um sechs Uhr dreißig aufgestanden. Noch im Morgenmantel machte sie das ganze Haus sauber. Danach trank sie eine Tasse Tee im Badezimmer, führte den Hund spazieren. Bevor sie ihn ins Haus brachte, spritzte sie ihn mit dem Gartenschlauch ab und rieb Teebaumöl in sein Fell. In ihrer Kindheit hatte sich Georgie darüber geärgert, ihre Mutter schien den Hund inniger zu lieben als ihre Tochter oder den Ehemann und auch viel aufmerksamer zu betreuen. Dadurch erzielte sie das unbeabsichtigte Resultat, dass Vater und Tochter einander immer näherkamen. Sobald der Hund versorgt war, griff Isabel zum Telefon und begann, irgendwas zu organisieren.

Als Hausfrau vergeudet sie ihr Talent, dachte Georgie, eigentlich müsste sie die UNO leiten.

Und nun überlegte sie unwillkürlich, wie oft die beiden wohl Sex hatten. Ihrer Mutter eine solche Frage zu stellen – das war unvorstellbar. Genauso gut könnte man Mrs. Thatcher fragen, ob sie Denis manchmal einen blies, oder die Königin, ob sie multiple Orgasmen zu- stande brachte.

»Hast du schon alles für den großen Trekking-Urlaub gepackt, Dad?«, erkundigte sie sich.

»Allerdings. Willst du meinen Rucksack sehen?« Bill führte sie in die Diele mit der Eichentäfelung. Hier drinnen war es nach dem blendenden Sonnenschein dunkel, und es roch nach Möbelpolitur und nach Pfingstrosen. Der Duft ihrer Kindheit …

Am Fuß der Treppe lag ein riesiger Rucksack.

»Das willst du doch nicht wirklich tragen?« Der Umfang des Gepäcks und das offensichtliche Gewicht verblüfften Georgie. Wenn ihr geliebter Vater einen Herzanfall erlitt …

»Dort gibt’s Sherpas, oder wie immer man diese Leute nennt.«

»In Nepal, aber nicht am Gatwick Airport.«

»So schlimm ist das nicht. Schau mal, ich zeig’s dir.« Bill legte den Rucksack auf die Stufen und begann, die Riemen über die Schultern zu ziehen. Plötzlich hielt er inne. Das Gesicht aschfahl, starrte er ins Leere. »Tut mir leid. Böse Erinnerungen. Dieses schwere Ding erinnert mich an meine Zeit bei der Army. O Gott, wie ich das gehasst habe!«

»Dass du bei der Army warst, begreife ich nicht«, gestand Georgie. »Wo du doch so ein eingefleischter Individualist bist! Du verabscheust jede Art von Obrigkeit und alles, was mit Kriegen und Soldaten zusammenhängt. Als ich klein war, hast du sogar Mash und Sergeant Bilko abgeschaltet.«

»Tatsächlich? War ich so fanatisch? Das wusste ich gar nicht. Jedenfalls war’s der größte Fehler meines Lebens, mich bei der Army zu melden.«

»Warum hast du’s dann getan? Damals gab’s keinen Krieg.«

»Das weiß nur der Himmel. Um die Welt zu sehen? Um was zu erleben? Vielleicht dachte ich, das würde einen Mann aus mir machen. Oder ich klammerte mich an irgendwelche anderen Klischees. Wie auch immer, es war grundfalsch.«

»Und warum bist du so lange dabeigeblieben?«

»Weil sie’s mir verdammt schwer machten, den Dienst zu quittieren. Man musste sich freikaufen und ein Vermögen dafür zahlen. Damals waren wir völlig pleite.«

»Wie hast du dich trotzdem rauslaviert?«

»Deine Mutter hat mich freigekauft.«

»Womit? Hast du nicht gerade gesagt, ihr wärt pleite gewesen?«

»Sie nahm einen Job als Übersetzerin an. Wie fabelhaft sie Französisch spricht, weißt du ja. Während ich in Deutschland stationiert war, flog sie nach Paris, um zu arbeiten. Das waren die längsten drei Monate meines Lebens. Aber als sie zu mir kam, erlöste sie mich von der Army. Ich versprach ihr, sie würde nie wieder einen Penny verdienen müssen, und ich hielt mein Wort. So viel musste ich an deiner Mutter wiedergutmachen.«

Nach all den Jahren hörte Georgie immer noch die tiefe Dankbarkeit aus seiner Stimme heraus.

»Deshalb wollte ich mich mit einer großen Überraschung revanchieren«, erklärte er. »Bald feiert sie ihren Siebzigsten, und ich gebe eine große Party für sie. Da kommen alle Leute, die wir kennen. Die Einladungen habe ich schon verschickt.« Er öffnete die Schublade des Tischchens, das neben der Garderobe stand, und reichte seiner Tochter ein Kuvert. »Für euch. Würdest du mir einen Gefallen tun, während wir verreist sind? Machst du die Antworten auf und versteckst sie in meinem Schreibtisch?«

»Natürlich.« Heiße Liebe zu ihrem Vater durchströmte Georgies Herz. Würde Nick sich auch so viel Mühe geben, wenn sie siebzig war? Andererseits – würde sie ihre Familie verlassen, so wie es ihre Mutter getan hatte, und im Ausland Geld verdienen, wenn ein völlig verzweifelter Nick seinen Job wechseln wollte? Wahrscheinlich nicht.

»Mum!«, unterbrach Charlie ihre Gedanken, mittlerweile vom Traktor-Rasenmäher gelangweilt. »Darf ich ein paar Möhren ausbuddeln?«

Von oben bis unten mit Erde bedeckt, grinste er sie an, schob blonde Ponyfransen aus der Stirn und machte sich noch schmutziger. In seinen hellgrünen Augen funkelte es boshaft, und Georgie fragte sich plötzlich, ob der Hund wirklich nur wegen eines unschuldigen Versehens in der Mikrowelle geschmort hatte. Womöglich war ihr Sohn ein engelsgleicher Psychopath wie in einem Hollywood-Horrorfilm.

»Okay, Charlie.« Zu ihrem Vater gewandt, fragte sie: »Braucht Ma noch lange? Ich wollte mir nur die versiegelte Order für Pets Betreuung abholen.«

»Anscheinend ist sie vollauf beschäftigt.« Bill schaute zu seiner Frau hinüber, die immer noch telefonierte. »Im Augenblick geht’s um die Senkgrube im Dorf, die öfter gereinigt werden soll. Deshalb verhandelt sie mit dem Gemeinderat. Wenn der Wind in die falsche Richtung weht, spürt man die Nähe der Mitmenschen viel zu deutlich. Ganz zu schweigen von den Toiletten gewisser Leute.«

»Tut mir leid, ich muss jetzt gehen. Kommt, Jungs, ich habe alle Hände voll zu tun.«

Rory und Charlie stöhnten. Was das hieß, ahnten sie. Öde Supermärkte und ein endlos surrender Staubsauger.

»Wenn du willst, lass die beiden hier«, schlug Bill vor, »ich bringe sie später nach Hause.«

»Willst du ihnen wirklich so viel Zeit opfern? Deine Reisevorbereitungen …«

»Oh, ich bin bestens organisiert. Alles erledigt. Nimm ein bisschen Gemüse mit. Wäre doch schade, wenn’s verdirbt.«

Beladen mit Salatköpfen, Frühlingszwiebeln, Möhren und den ersten kostbaren Erdbeeren, stieg Georgie in ihr Auto und fühlte sich wie Pomona, die römische Obst- und Gemüsegöttin.

In aller Eile erledigte sie ihre Einkäufe, fuhr nach Hause und genoss den Luxus ihrer unerwarteten Freizeit. Genau genommen müsste sie die Küche saubermachen und entscheiden, was sie zum Abendessen kochen sollte. Aber die Sonne sandte verführerische Strahlen in ihre Richtung. Im Garten entfalteten die Rosen ihre ganze Pracht. Georgie hatte den grünen Finger ihres Vaters geerbt. Seit sie vor zehn Jahren mit ihrer Familie hier herausgezogen war, hatte sie ein unansehnliches Fleckchen Erde voller Unkraut und Dornen, alter Sofas und entsorgter Gefriertruhen in ein vorstädtisches Paradies verwandelt. Dank endloser Fußball- und Kricketpartien sah der Rasen ein bisschen fleckig aus. Doch das hatte Georgie mit einer Rabatte aus hohem Fingerhut, Rittersporn und Malven, die im Halbkreis um den Spielplatz herumführte, geschickt kaschiert.

Am anderen Ende hatte sie eine Rosenlaube errichtet, die von der Statue eines Liebespaars bewacht wurde – bei einem Flohmarkt erstanden. Die Statue erinnerte Georgie an all die Volkslieder über schöne Jungfrauen, die an Sommertagen spazieren gingen und dem Gesang der Vögel lauschten. Unglücklicherweise handelten dieselben Lieder von gewissenlosen, liebestollen Bauernburschen, die den schönen Jungfrauen auflauerten, um sie der Unschuld zu berauben und fürs Leben zu brandmarken.

Georgie schaute auf ihre Uhr. Zeit für den Lunch. Von einem köstlich lasterhaften Gefühl getrieben, lief sie in die Küche, nahm eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank und füllte ein Glas.

Nur ein Wein aus dem Supermarkt. Aber an einem solchen Tag, draußen im Sonnenschein und ohne Kinder, würde der Tropfen wie Nektar schmecken. Sie setzte sich in ihre Laube, wo diverse Rosensorten ganz unterschiedliche Düfte verströmten. Hellrosa Adélaïde d’Orléans hüllte sie in Schlüsselblumenaromen, Rambling Rector entsandte mit jedem Windhauch würziges Ingwerparfum.

Während sie im Sonnenlicht an ihrem Wein nippte, dachte sie an Nick und das eheliche Sexualleben. Offenbar gewöhnte man sich den Sex mit der Zeit ab, und dann war es wahnsinnig schwierig, wieder damit anzufangen. Teilweise lag’s an den Kindern. Besonders Rory hatte einen sechsten Sinn für jene Momente entwickelt, wo Sex in der Luft lag, und prompt an mysteriösen Ohren- oder Bauchschmerzen gelitten. Und jetzt, wo es endlich mal knisterte, musste Nick nach London verschwinden.

Plötzlich ging ihr ein Gedanke durch den Sinn. Sollte sie Nick begleiten? Lorna, ihre Schwiegermutter, würde sich nur zu gern um die Kinder kümmern. Bei jeder Begegnung versuchte sie, Georgie einen Kurzurlaub mit Nick einzureden. Hotels wirkten immer sexy. Irgendetwas hatten diese Minibars und winzigen Toilettenartikel an sich. Und dass jemand anderer das Bett aufgeschlagen hatte, turnte Georgie an. Selbst wenn Nick beschäftigt war – abends würde er sicher Zeit für sie finden. Vielleicht konnte sie ihm sogar bei der Arbeit helfen. Mit plötzlichem Feuereifer nahm sie die Einkaufsliste aus ihrer Tasche und notierte auf der Rückseite, was sie alles mitnehmen würde.

»Georgina! Georgina, wo zum Teufel steckst du?« Gnadenlos unterbrach die gebieterische Stimme ihrer Mutter den beglückenden Tagtraum subtil wie eine Dampfwalze, die eine gezuckerte Mandel überrollte.

Hastig versteckte Georgie ihr Weinglas hinter einem Begonientopf. Wäre ihre Mutter ein anderer Mensch, würde sie ihr ein Glas Wein anbieten, und sie würden den Tag gemeinsam genießen. Aber Isabel setzte sich nie, schwatzte nie, und zu Mittag trank sie niemals Alkohol.

Nun tauchte sie hinter den Rosenbüschen auf, das kurz geschnittene weiße Haar untadelig frisiert. Wahrscheinlich verbrachte sie viel mehr Zeit beim Friseur als ihre Tochter. Zu einer eleganten beigen Hose und einer passenden Weste trug sie eine blütenweiße, frisch gebügelte Bluse. Geradezu bravourös hatte Isabel das schwierige Problem gelöst, vor dem alle Frauen über sechzig standen. Wie zog man sich an, ohne altmodisch zu wirken oder sich mit einem übertrieben jugendlichen Stil lächerlich zu machen?

»Um Himmels willen, Georgina!« Niemand außer ihrer Mutter nannte sie Georgina. »In deiner Küche sieht’s grauenhaft aus! Wie eine Müllhalde! Auf der Arbeitstheke leckt eine schwarzweiße Katze an der Butter …«

Damit erregte sie Georgies Unmut, weil Manky eine getigerte Katze war.

»Und ich wette, du hast noch nicht einmal überlegt, was du Nick heute Abend servieren wirst.« Isabel lebte immer noch in jener eigentümlichen Welt, wo eine Ehefrau ihrem Herrn und Meister ein anständiges Menü auftischte, für das sie sich den ganzen Tag in der Küche abgerackert hatte. In Georgies Haus sah die moderne Realität anders aus. Hier entschieden sich Rory und Charlie allabendlich um sechs für schlichte Pasta mit Butter. Bella erhitzte ihre Fast Food meistens selber in der Mikrowelle und aß vor ihrer Lieblingsserie Hollyoaks. Während Georgie die Koteletts briet, trank sie zu viel Wein. Dann kam Nick nach Hause, verspeiste sein Dinner und schlief vor dem Fernseher ein.

»Also wirklich, Georgina, du musst dich endlich zusammenreißen.« Mit gerunzelter Stirn musterte Isabel das nicht besonders attraktive Haar ihrer Tochter, das zugegebenermaßen eine Auffrischung an den Wurzeln brauchte, aber nach Georgies optimistischer Meinung ein gewisses anrüchiges Flair à la Cameron Diaz erzielte.

Der Blick ihrer Mutter schweifte zur nicht ganz sauberen Leinenhose und zum zerknitterten hellrosa Hemd, das sogar ziemlich schick gewirkt hätte, wäre es gebügelt worden. Eine unrealistische Vorstellung, denn der Bügelwäscheberg hatte inzwischen Empire-State-Dimensionen erreicht.

»So ungern ich mich auch einmische, Georgina …« Absoluter Schwachsinn! Nichts auf dieser Welt tat Isabel lieber, als überall ihr Nase hineinzustecken. »Trotzdem muss ich es erwähnen – du bemühst dich nicht um ein Heim, in das man freudig zurückkehrt. Wenn ein Mann nach Hause kommt, wünscht er sich friedliche Ruhe und Ordnung. Sonst sieht er sich woanders um.«

Warum ist sie so unerträglich, fragte sich Georgie. Niemals fiel es ihrer Mutter ein, anerkennend zu betonen: »Wie schön dein Garten ist!« Oder: »Was für wunderbare Rosen in diesem Krug auf dem Tisch stehen!« Nicht einmal: »Charlie ist ja richtig charmant geworden!«

Entschlossen raffte Georgie ihre gesamte Geistesgegenwart zusammen und hievte sich aus dem Liegestuhl hoch – zweifellos eines der unwürdigsten Unterfangen im Leben. Als sie aufstand, blieb ein Hosenbein irgendwie an der Armstütze hängen, und sie verlor beinahe das Gleichgewicht.

Isabel schüttelte den Kopf. Wie so oft trug sie jene spezielle Miene zur Schau, die besagte: Offensichtlich bist du bei deiner Geburt vertauscht worden. »Ich habe dir eine Liste mitgebracht. Darauf steht alles, was Pet während meiner Abwesenheit braucht. Am Morgen trockenes Brot. Nicht mehr. Und denk daran – sie ist an zwei Spaziergänge pro Tag gewöhnt. Noch etwas …«

»Danke, meine Liebe, dass du meinen Hund übernimmst, obwohl dein Mann allein schon seinen Anblick hasst?«, schlug Georgie sarkastisch vor, was ignoriert wurde.

Isabel gab ihr ein Blatt Papier. »Hier steht der Name unseres Reiseführers, wenn du uns in Nepal kontaktieren musst. Nur im äußersten Notfall. Bei dieser Tour sind Handys nicht erlaubt, weil wir das einundzwanzigste Jahrhundert hinter uns lassen wollen.«

Wie viele Meilen trennen Nepal von England, überlegte Georgie. Sicher nicht genug …

»Morgen früh brechen wir auf. Deshalb ist es wohl am besten, wenn Pet schon jetzt hierbleibt. Fällt dir irgendetwas ein, das wir noch besprechen sollten?«

Plötzlich drängte es Georgie zu erwidern: »Ja, meine Kindheit. Warum hast du deine verdammten Hunde Dad und mir immer vorgezogen?«

Doch sie konnte sich die Reaktion ihrer Mutter nur zu gut ausmalen. »Wer dürfte mir das verübeln?«

Und außerdem, erinnerte sich Georgie, ist das schon viele Jahre her. Jetzt war sie ein großes Mädchen und führte ein eigenes glückliches Leben. Man sollte seinen Eltern nicht bis in alle Ewigkeit Vorwürfe machen. Nicht einmal, wenn sie sich wie ihre Mutter benahmen. »Nein, abgesehen von der Frage, wann ihr zurückkommt.«

»Am Neunundzwanzigsten.«

Fast ein Monat mit Pet. Andererseits auch fast ein ganzer Monat ohne Isabels kritische Kommentare, die darauf hinausliefen, Georgie würde alles in ihrem Leben falsch machen. Kein schlechtes Geschäft … Nur ihren Vater würde sie vermissen.

»Also dann – auf Wiedersehen, Georgina.« Die Mutter hielt ihr eine kühle, gepuderte Wange hin, um sich küssen zu lassen. »Oh, da wäre noch etwas …« Mit Röntgenaugen inspizierte sie den Begonientopf. »Musst du wirklich schon mittags trinken?«

Während Georgie die Hundeleine umklammerte, stieg Isabel in ihr Auto. Mit Leidensmiene beobachtete Pet ihr Frauchen. Sobald der Wagen aus ihrem Blickfeld verschwand, begann sie gellend zu bellen.

Georgie trug sie in die Küche und schaute in die verschleierten, überzüchteten Augen. »Das müssen wir sofort klarstellen, du Biest – einen Monat lang wirst du nicht kläffen. Oder ich verfrachte dich selber in die Mikrowelle.«

Ein letztes Mal bellte Pet und leckte über Georgies Hand.

»Wie bedrohlich das klingt! Muss ich den Tierschutzverein anrufen?«

Georgie drehte sich um und sah ihre Schwiegermutter Lorna durch die Hintertür eintreten.

Bei Komikern von altem Schrot und Korn mochten Schwiegermütterwitze immer noch hoch im Kurs stehen. Aber Georgie wollte nichts dergleichen hören. In ihrem Leben zählte Lorna zu den eindeutigen Pluspunkten – genau das Gegenteil ihrer Mutter. Warmherzig, hilfsbereit und sehr eigenständig hatte sie Nick und seine Schwester großgezogen, ohne zu klagen oder über ihren Exmann zu lästern. Als Maler und Kunstdozent hatte er, ziemlich vorhersehbar, die meisten seiner Studentinnen ins Bett gelockt, bevor er mit der reichsten und hübschesten davongerannt war.

Die Eltern der Studentin hatten ihn dazu überredet, die Kunst aufzugeben und in das Auktionsunternehmen einzusteigen, das der Familie gehörte. Jetzt sah Lorna ihn nur noch selten. Nick hatte erzählt, sein Vater sei fett geworden, ein aufgeblasener Wichtigtuer und besessen von der Idee, die Kunst als Investment zu betrachten.

»Großer Gott!« Lorna schnitt eine Grimasse, und Georgie glaubte, das Missfallen würde dem ungespülten Geschirr gelten. Aber darauf schien ihre Schwiegermutter nicht zu achten. Stattdessen erregte Pet ihren Widerwillen. »Ich wusste gar nicht, dass ihr euch einen Hund zugelegt habt.«

»Haben wir nicht. Wir passen nur auf ihn auf, weil meine Eltern zum Trekking nach Nepal fliegen.«

»Wie grässlich!«, stöhnte Lorna. »Noch mehr Oldies, die ihre perverse Abenteuerlust nicht bezähmen können! Überall tauchen sie auf, von Goa bis Gambia. Die werden in meinem Reisebüro ›graue Vagabundentölpel‹ genannt. Also, ich will meinen Ruhestand im hintersten Surrey mit einem großen G&T verbringen, und mich nur aus meinen vier Wänden bewegen, um Tennis zu spielen oder meinen Bridgeclub zu frequentieren.«

»Freut mich zu hören. Ich möchte dich nicht verlieren.« In aufrichtiger Zuneigung lächelten sich die beiden Frauen an.

»Soeben hat sich meine Mutter mit einer messerscharfen Lektion verabschiedet«, seufzte Georgie. »Ich lasse mich gehen, und ich müsste Nick mit einem exquisiten Dinner verwöhnen. Sonst läuft er mir davon.«

»Was für ein Quatsch! Du tust viel mehr für Nick als deine Mutter für Bill. Wahrscheinlich muss sich dein armer Dad eines Tages von Hundefutter ernähren. Mein Sohn kann von Glück sagen. Sicher weiß er das.«

»O Lorna, du bist einfach wunderbar! Am liebsten würde ich dich in einem Schraubglas einmachen. Meine Mutter hält mich für eine Schlampe. Bis zum Lunch lungere ich mit einer Flasche Gin in der Hand im Morgenmantel herum.«

»Das würde Nick gar nicht merken. Immerhin ist er bei mir aufgewachsen – erinnerst du dich?«

»Hi, Lorna, wie geht’s?« Völlig unerwartet stürmte Bella in die Küche.

Wenn Lorna auch nicht besonders eitel war, zog sie es vor, mit ihrem Vornamen angeredet zu werden, statt mit »Gran« oder »Grandma«.

Verwirrt zuckte Georgie zusammen. »Du meine Güte, ich dachte, du wärst in der Schule.«

Seit Bella begonnen hatte, für ihre Abschlussprüfung zu büffeln, zerrte sie ganz gewaltig an den Nerven ihrer Mutter. Georgie war an Kinder gewöhnt, die morgens zur Schule gingen, nachmittags nach Hause kamen und ihr die Chance gaben, im Garten zu arbeiten oder Romane zu lesen und die Küche zu ignorieren – wenigstens bis zum Lunch. Jetzt besuchte Bella die sechste Klasse der Oberstufe und verbrachte nur ein bis zwei Stunden täglich in der Schule, kehrte zu unvorhersehbaren Zeiten heim und jammerte, wenn Georgie den Computer benutzte. Oder sie behauptete, es sei nichts zu essen da, obwohl ihre Mutter erst am Vortag eingekauft und den Kühlschrank vollgestopft hatte.

»Hi, Mum, was gibt’s zum Dinner?«

»Wer weiß?«, entgegnete Georgie. »Der große Michelin-Chefkoch im Himmel hat mir sein Menü noch nicht zugeflüstert.«

»Heißt das – schon wieder Pasta?« Bella fing Lornas Blick ein.

»Schau bloß nicht mich an!«, mahnte Lorna und lachte. »Meine Kinder haben ein paar Reste aus dem Hundenapf gegessen.«

Dankbar lächelte Georgie ihr zu. In Wirklichkeit plante sie eine große Fleischpastete im Kartoffelteig, mit der sie es irgendwie schaffte, die unterschiedlichen kulinarischen Forderungen ihrer Familie zu erfüllen. Von einem kräftigen Rotwein begleitet, war das sogar ein brauchbares Dinner für Nick und sie selbst.

»Wo sind die Jungs?«

»Bei Granddad. Bald werden sie heimkommen. Deine Großeltern reisen morgen in aller Herrgottsfrühe ab.«

»Fährst du sie zum Flughafen?«

»Nein, dem Himmel sei Dank«, erwiderte Georgie. »Schon vor drei Monaten haben sie ein Taxi bestellt. Meine Mutter will so was immer möglichst früh regeln.« Grinsend zwinkerte sie Lorna zu.

Als ihr Vater Rory und Charlie nach Hause brachte, fühlte sie sich plötzlich einsam und verlassen bei dem bedrückenden Gedanken, sie würde ihn fast einen Monat lang nicht sehen. Seine Anwesenheit in ihrem Leben und die bedingungslose Liebe, die er ihr schenkte, boten ihr immer wieder beruhigende Sicherheit.

Ebenso gerührt, nahm er sie in die Arme.

»Bye, Granddad!«, schrien die Jungs.

»Vergiss nicht, nach Yetis zu suchen.« Bella küsste ihn. »Oder treiben sich die in Tibet rum?«

»Jedenfalls werde ich Augen und Ohren offen halten.«

»Gute Reise.« Zu ihrer eigenen Verblüffung beneidete Georgie ihren Dad. Wie traumhaft musste es sein, einfach davonzufliegen, von Kindern und allen Pflichten erlöst, und in einem neuen Morgen voll goldener Gipfel zu landen, unter einem atemberaubend blauen Himmel … Welch eine sonderbare Welt, in der es die ältere Generation war, die genug Zeit und Geld hatte und grenzenlose Freiheit genoss …

Nachdem sich Bill und Lorna verabschiedet hatten, bereitete Georgie die Fleischpastete zu, räumte die Küche auf und ging in den Garten, um Rosen zu pflücken. Weil sie so köstlich dufteten, ließ sie sich hinreißen und sammelte so viele, dass sie drei Vasen füllen konnte.

Damit erzielte sie eine erstaunliche Wirkung – wie aus einem Hochglanzmagazin. »Georgina Morrison verrät ihre Geheimnisse und erklärt, was den vergammelten Schick eines familiären Zuhauses ausmacht.« In der Tat – ihr Heim sah nachahmenswert aus, gemütlich und wohnlich, mit Kinderzeichnungen an den Wänden, Krügen voller Rosen, Charlies Hausaufgaben, auf einem Ende des großen Kiefernholztisches ausgebreitet, und Rorys Skateboard in einer Ecke. Sogar Pets Korb neben dem Sideboard trug zur behaglichen Atmosphäre bei. Ausnahmsweise saß sie darin, kläffte nicht und wirkte richtig dekorativ.

An diesem Abend deckte sie den Tisch besonders sorgfältig mit Kerzen und Stoffservietten.

Misstrauisch beobachtete Bella, wie ihre Mutter eine Flasche vom besten Rotwein entkorkte, um ihn atmen zu lassen. »Ich dachte, den willst du für eine besondere Gelegenheit aufheben.«

»Nun, vielleicht ergibt sich heute Abend eine besondere Gelegenheit.«

Bella setzte ihre spezielle Miene auf, die besagte: Erzähl mir um Himmels willen nicht, was für eine.

Dann überraschte Nick sie alle, weil er früher als üblich nach Hause kam. Um weitere Pluspunkte zu sammeln, las er Charlie eine Geschichte vor, spielte Schach mit Rory und ließ ihn sogar gewinnen.

Als Georgie das oft so kummervolle Gesicht des Jungen vor Freude strahlen sah, durchströmte sie eine Welle heißer Liebe zu ihrem Ehemann, der so großmütig auf seinen Sieg verzichtete. Sie neigte sich zu ihm und flüsterte in sein Ohr: »Untersteh dich, unsere Nacht zu vergessen, Napoleon.«

Die Groucho-Brauen zuckten auf und ab. »Wie könnte ich, Josephine?«

Nach dem Essen scheuchte sie die Kinder mit geradezu unanständiger Geschwindigkeit in die Betten. Glücklicherweise war Bella bereits in ihr Zimmer gegangen.

»Gute Nacht, Rory«, murmelte sie, küsste seine Stirn und deckte ihn zu. »Gute Nacht, Charlie.«

»Nacht, Mum«, lautete die schläfrige Antwort. »Sag Napoleon, ich wünsche ihm schöne Träume.«

Dunkle Schatten verbargen Georgies Lächeln.

Während Nick im Badezimmer seine Zähne putzte, zog sie sich hastig aus und schlüpfte unter die Steppdecke, damit er keine Chance bekam, vorzeitig einzuschlafen.

Aber er hatte noch mehr Überraschungen auf Lager. Wie Napoleon einen Arm in der Schlinge, einen schwarzen Zweispitz auf dem Kopf, kam er aus dem Bad. Sonst trug er nichts.

»Das habe ich in einem Laden für Scherzartikel gefunden«, verkündete er, schlug die Decke zurück und legte sich zu ihr.

»Oh, wie nett …« Georgie spähte nach unten, wo noch eine Überraschung wartete. »Da sehe ich jemanden strammstehen.«

2. Kapitel

Am nächsten Morgen stand sie vor allen anderen auf und ging nach unten. Zur Feier des großen Ereignisses beschloss sie, für die ganze Familie Pfannkuchen zu backen.

Nachdem sich Georgie und Nick geliebt hatten, war die alte Intimität triumphal zurückgekehrt. Eng aneinandergeschmiegt, hatten sie die Nacht verbracht, wie Löffel in einer Besteckschublade. Genauso wie vor all den Jahren … Wenn er herunterkam, würde sie erklären, dass sie ihn nach London begleiten wollte. Betonte er nicht immer wieder, sie müssten sich etwas spontaner verhalten?

»Wow, Mum, Pfannkuchen!«, jubelte Charlie.

»Krieg ich den ersten?«, bat Rory.

»Offenbar bist du gut gelaunt, Mum«, kommentierte Bella und wandte blitzschnell den Kopf ab. »Untersteh dich, mir zu erzählen, warum!«

»Ich frage mich«, bemerkte Charlie unschuldig und leckte Ahornsirup von seinem Löffel, »ob Jake heute Morgen auch Pfannkuchen isst.«

»Die bekommt er wahrscheinlich jeden Tag«, murmelte Bella und warf ihrer Mutter einen viel sagenden Blick zu.

Aber in diesem Moment gab es nichts, das Georgies heitere Stimmung trüben konnte.

Beladen mit einem Jackett, Papieren und der Aktentasche betrat Nick die Küche. Lächelnd legte er seine Sachen beiseite und küsste Georgie. »Hallo, meine Süße … Oh, das sieht verlockend aus.«

»Dein Frühstück brutzelt noch im Backofen.«

Nach ein paar Minuten nahm er seine Pfannkuchen heraus und ertränkte sie in so viel Sirup, dass sie in einem goldenen See verschwanden.

»Vermutlich muss jemand seine Energiereserven aufstocken«, meinte Bella sarkastisch.

Nick grinste und ignorierte sie. »Habt ihr inzwischen vergessen, dass ich nächste Woche einige Tage in London verbringen werde?«, fragte er, den Mund voller Pfannkuchen. »Am Dienstag führen wir unser Gepäck im Harrods und im Selfridges vor und am Mittwoch in den anderen großen Kaufhäusern.«

Als Georgie die Begeisterung aus seiner Stimme heraushörte, erkannte sie, wie schmerzlich sie die Zusammenarbeit mit ihm vermisste.

»Klar, ich weiß, das klingt idiotisch«, platzte sie heraus, »aber ich möchte mitfahren. Deine Mutter könnte sich ein paar Tage um die Jungs kümmern. Dauernd versichert sie mir, wie gern sie hierherkommen und ihre Enkel betreuen würde.«

Bis Nick antwortete, dauerte es eine Weile. Aber seine Miene sagte alles – fast panisches Entsetzen. »Natürlich würde ich mich freuen, wenn du mich begleitest«, versuchte er, Georgie zu beschwichtigen. »Aber wir sind total ausgebucht. Nonstop Besprechungen und Präsentationen, dann geht’s Hals über Kopf ins East End, zu einer Exportfirma …« Unbehaglich verstummte er.