Meine Amsel singt in Tamsel - Hans Bentzien - E-Book

Meine Amsel singt in Tamsel E-Book

Hans Bentzien

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Beschreibung

Das Buch ist bekannten und weniger bekannten Persönlichkeiten gewidmet, deren Leben die Geschichte Brandenburgs und seine Bewohner mitgeprägt haben. Der Leser lernt Carl August von Hardenberg, Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, Sophie Charlotte, Königin von Preußen und andere geschichtsträchtige Persönlichkeiten näher kennen. Aber auch zu Unrecht vergessene Menschen, wie den Fleischermeister Cassel aus Potsdam, den Erfinder des so gern gegessenen Kasslers, ruft Hans Bentzien wieder ins Gedächtnis. INHALT: Zwei Eichen, ein Förster und ein Feldmarschall — oder — Im neuen, alten Bundesland Carl August von Hardenberg — oder — Alles oder nichts Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, ein Maurer und die brandenburgische Toleranz Sophie Charlotte und die ersten preußischen Gelehrten Stellvertreter im Tod Anfänge der Demokratie Wieder: Der Alte Fritz — und gleich zweimal Pfingstreise nach Gusow Meine Amsel singt in Tamsel Rettung vor dem Hunger Kant über den Verstand „Turner, auf zum Streite“ Naturrecht und föderatives Staatensystem Der Mittelpunkt der Monarchie Das stehende Heer, seine Zuchtmeister und die Kopfsteuer Dr. Eysenbarth in Berlin Grabstein Seelenkäufer Machtpolitik und ihre Grenzen Die andere Linie Ausweglos Pücklers Ideal Zwischen Jüterbog und Berlin Sächsisches Gold Getauft? Kassler, Bockwurst und Eisbein Sauener Wald Chirurgen und Medicos

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Seitenzahl: 80

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Impressum

Hans Bentzien

Meine Amsel singt in Tamsel

Märkische Miniaturen

ISBN 978-3-95655-477-3 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien erstmals 1996 im Westkreuz-Verlag GmbH Berlin/Bonn.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2015 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Im vorliegenden Buch sind Beiträge von Hans Bentzien veröffentlicht, die für eine Sendereihe der Antenne Brandenburg verfasst worden sind.

Zwei Eichen, ein Förster und ein Feldmarschall — oder — Im neuen, alten Bundesland

Seit 1990 ist ein Teil der alten Mark Brandenburg nun ein Bundesland geworden, das wahlweise als „neu“ oder „jung“ bezeichnet wird. Doch zählt das Land seit tausend Jahren zum Deutschen Reich.

Ich möchte dazu beitragen, eine gewisse Identität der Brandenburger mit der wechselvollen Geschichte ihres Landes herzustellen und meine, dass dies am besten geschieht, wenn man in bunter Folge über Ereignisse und Persönlichkeiten erzählt und Zeitberichte heranzieht, nicht aber in Kleinigkeiten versandet. Es ist in fast allen Fällen unwichtig, wer wann wo einen Grundstein gelegt oder eine Straße freigegeben hat. Obwohl, diese Handlungen sind bei Landesherren oder anderen Politikern bis auf den heutigen Tag sehr beliebt. Mit freundlichem Lächeln für das Foto schneidet man ein Band durch, doch wenn der Laden pleite macht, ist keiner mehr zu sehen.

Allerdings gibt es auch symbolische Handlungen, die wir bewahren wollen: Etwa die geschichtsbewusste Tat des Försters Johann Weber vom Revier Senftenthal, gleich neben Chorin. Dort stand Anfang des vorigen Jahrhunderts noch ein dichter Eichenwald, in welchem sich die freiwilligen Landsturmjäger 1813 heimlich auf den Kampf gegen die napoleonischen Eindringlinge vorbereiteten, und mit ihnen schwor auch Johann, das Vaterland zu befreien. Nach dem Krieg kehrte er in sein Revier zurück und musste erleben, wie seine alten Eichen nach England verkauft wurden. Auch damals hatte der Staat kein Geld. Der Förster konnte den Verkauf nicht beeinflussen, doch eine große Eiche ließ er als Denkmal stehen. Als Erinnerung an die patriotische Aufwallung der Preußen lebt die harmonisch gewachsene Kroneneiche heute noch, 550 Jahre alt, mit geradem Stamm und 31,5 m hoch.

Weil wir gerade von Eichen sprechen: Wenn Sie von Gusow nach Werbig bei Seelow fahren, stoßen Sie auf ein inzwischen krankes Exemplar mit wichtiger Funktion: Die Derfflinger-Eiche diente als Markierung, um alte Grenzstreitereien ein für alle Mal zu beenden. Der alte Derfflinger soll heutzutage noch nachts hinter der Eiche hocken, um seinen Richterspruch zu kontrollieren. Doch das stimmt wohl nicht. Wahr aber ist, dass er reicher Schlossherr von Gusow war. Der bedeutende Feldherr des Großen Kurfürsten heiratete hierher und zog noch bis ins hohe Alter von 80 Jahren immer wieder aus, um seinem Herrn Ruhm und Ehre zu gewinnen wie seinerzeit gegen die Schweden bei Fehrbellin, zuletzt noch in Flandern gegen den französischen König. Als er 1695 im Alter von 87 Jahren in Gusow starb, war er sicher, nie etwas gegen seine Ehre getan zu haben. Müsse er aber das Süße und das Saure des Lebens vergleichen, so „sei es des Sauren viel mehr gewesen“. Dieses Verhältnis ändert sich wohl für die meisten Menschen bis auf den heutigen Tag nicht, wenn sie ehrenhaft leben wollen.

Ach so: ... sollten Sie einen Herrn im Frack sehen, so denken Sie daran, dass auch dafür der alte Derfflinger verantwortlich zeichnet. Als gelernter Schneider maß er seinen Reitern bequeme Röcke an, und aus diesem Reitrock entstand schließlich der Frack der Zivilisten.

Im Schloss Gusow finden Sie Erinnerungen an den alten Schlossherrn, gutes Essen und ein Quartier.

Carl August von Hardenberg — oder — Alles oder nichts

Am Rande des Oderbruchs liegt das respektable Fürstenschloss des Staatskanzlers Carl August von Hardenberg, in dem er allerdings kaum gewohnt hat. Sein eigentlicher Wohnsitz stand nicht weit davon entfernt, im Tempelberg, Landkreis Oder-Spree. Als er 1809, drei Jahre nach seiner Verbannung als „Feind Frankreichs“, aus Riga wieder nach Hause kam, fand er das Schloss leer. General Davout hatte alle Möbel und Sammlungen als Kriegsbeute nach Paris abtransportieren lassen. Hardenberg musste sich bei seinen Bauern Tisch und Stuhl leihen.

Schlimmer als ihm aber erging es dem Land. Die Niederlage von Jena und Auerstedt war nicht zum Anlass geworden, dass der König Friedrich Wilhelm III. den unter Bürokratismus und Selbstüberhebung fast erstickten Staat entschlossen reformierte. Resigniert schrieb der leidenschaftliche Aufklärer und Reformer Hardenberg am Neujahrstag 1810 in sein Tagebuch: „Es ist mein inständiger Wunsch, nicht noch einmal gegen meinen Willen in den Wirbel gezogen zu werden. Nur die Pflicht könnte mich zu einer Rückkehr bewegen. In der Zurückgezogenheit auf dem Lande zu leben ist jetzt der Inbegriff meiner Wünsche.“

Nun war er auf der Rückfahrt aus Hannover, wo er bei seinem Bruder die Festtage verbracht hatte. In Beeskow fing ihn der König ab, an seiner Seite Scharnhorst. Im Renaissance-Flügel der Burg fand eine für Hardenberg unbefriedigende Unterredung statt. Der König verlangte seinen Wiedereintritt in den Regierungsdienst, doch war er nicht bereit, die alte, unfähige Mannschaft zu entlassen. Daran aber führte angesichts der Staatskrise, der Finanzpleite, kein Weg vorbei. Napoleon drängte auf Tributzahlungen, wie immer waren die Kassen leer, und so verlangte er Schlesien als Bezahlung. Das aber durfte auf keinen Fall sein, da sei der Alte Fritz vor! Hardenberg sollte die Kassen füllen, hatte er doch bereits früher einen umfassenden Plan ausgearbeitet. Über seinen Nachrichtendienst erhielt Napoleon von den personellen Überlegungen des Königs Kenntnis — und billigte sie. Die Hoffnung auf Geld löste den alten Bann, sich nur 40 Meilen vom Hof entfernt aufzuhalten. Indes, der preußische König tat sich noch immer schwer, die Bürokraten zu feuern. Hardenberg blieb hart, er verlangte die ganze Regierung. Als sein Name genannt wurde, zog die Berliner Börse deutlich an. Das bestärkte den Sechzigjährigen in seiner Haltung, und er schrieb dem König: „Alles oder nichts!“ Andernfalls würde er sich nach Tempelberg zurückziehen. Schließlich gab Friedrich Wilhelm III. nach und ernannte ihn zum Staatskanzler.

Königin Luise gratulierte: „Meine Freude ist unaussprechlich, dass dem König und dem Lande ein so kluger und vortrefflicher Mann, dem nur Gerechtigkeit widerfährt, wiedergegeben wird.“

Wer heute in Tempelberg nach Erinnerungen in dieser Sache sucht, wird es schwer haben. Dort weiß niemand mehr etwas von dem bedeutenden Politiker aus dieser kleinen Gemeinde.

Die Burg Beeskow wurde teilweise im Krieg zerstört, dabei auch der Renaissance-Flügel, ist aber respektabel restauriert und dient als Kulturhaus des Kreises Oder-Spree und Galerie der DDR-Kunst (große Sammlung).

Das Schinkelsche Schloss in Neuhardenberg gehört heute dem Verband der Sparkassen.

Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, ein Maurer und die brandenburgische Toleranz

Oft hören wir von der brandenburgischen Toleranz, von der Duldsamkeit anderen Meinungen gegenüber. Diese Haltung war weitgehend ökonomisch bestimmt. Wollte man qualifizierte Arbeitskräfte aus anderen Ländern ins Land holen, musste man ihre religiösen Riten und Bräuche akzeptieren, abgesehen von den steuerlichen Vorteilen, die man gewährte. So lebten bald Christen lutherischer, reformierter und katholischer Religion mit Hugenotten, Juden und Anhängern von Sekten nebeneinander, ohne sich eifernd zu befehden. Kurfürsten und Könige hielten Intolerante im Zaum, die Beamten waren angewiesen, die Toleranz-Prinzipien einzuhalten. Allerdings bezieht sich das auf die Juden nur bedingt, sie bekamen erst 1812 im Zuge der preußischen Reformen die staatsbürgerliche Gleichstellung.

War die so geübte Toleranz nur auf die Religionen bezogen? In erster Linie gewiss. Aber auch bei sonstigen Willensäußerungen konnte man, wenn man entschieden auftrat, Duldung finden. Oft wird der Fall des Obristen Johann Friedrich Adolf von der Marwitz aus Friedersdorf bei Seelow angeführt. Im Herbst 1760 hatten 40 000 Österreicher und Russen für einige Tage Berlin besetzt und begannen auf die Nachricht hin, Friedrich würde auf dem Anmarsch sein, die Schlösser Niederschönhausen und Charlottenburg zu plündern.

Als ein paar Wochen später die preußische Armee in Sachsen bei Oschatz stand, befahl Friedrich nach dem Grundsatz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, das Lustschloss Hubertusburg seines Intimfeindes Brühl, des sächsischen Ministers, zu plündern. Marwitz weigerte sich und argumentierte, als seine beutehungrigen Kavalleristen murrten: Selbst eine streunende Freischar würde wegen Plünderungen bestraft. Täte es die Garde, wäre sie nicht besser, da sie ihre Ehre befleckte.

Nun, ein anderer Offizier bekam den Befehl und führte ihn aus, nicht ohne die Beute mit dem König zu teilen. Und was geschah dem Friedersdorfer? Wurde er wegen Verweigerung eines Königsbefehls an die Wand gestellt? Nichts dergleichen. Er blieb Gardeoberst, versuchte dreimal, den Dienst zu quittieren, wurde aber nicht verabschiedet, sondern Jahre danach als Generalmajor entlassen. Schützte ihn seine Tüchtigkeit, der Mangel an guten Offizieren, der Name des alten Adelsgeschlechts? Wahrscheinlich kommt alles zusammen. Dem ebenfalls bekannten Yorck von Wartenburg ging es in ähnlicher Situation ganz anders. Er wurde degradiert.

In der Dorfkirche von Friedersdorf steht der Grabstein an einer Wand, von der aus nach dem Krieg der zerschossene Altarraum durch eine Mauer abgetrennt wurde. Der Maurer wusste sich zu helfen, ohne den Stein zu beschädigen. Er nahm Lehm. Jetzt, nachdem auch diese Mauer gefallen ist, kann man wieder lesen: „Er (Marwitz) sah Friedrichs Heldenzeit und kämpfte mit ihm in allen seinen Kriegen. Wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brachte.“

Nach dem Siebenjährigen Krieg schlossen Kaiserin Maria Theresia, Zarin Katharina und König Friedrich II. den Frieden auf Schloss Hubertusburg. Um das Fell Sachsens stritten sie sich weiter. Sollte heute das Fand Brandenburg ein Denkmal für seine verfassungsmäßig geschützte Toleranz suchen? Es steht bereits in der Kirche von Friedersdorf.

Die Kirche wird restauriert, kann aber besucht werden. Der Grabstein ist überarbeitet und in gutem Zustand.

Sophie Charlotte und die ersten preußischen Gelehrten

Das geistige Leben in Preußen lag nach dem Dreißigjährigen Krieg völlig darnieder. Es ist das Verdienst einer Frau, dass es wieder einen Aufschwung nahm.

Der Kurfürst Friedrich Wilhelm III. und nachmalige König Friedrich I. sah Wissenschaft und Kunst nur als Schmuck seines Königtums, wie man es heute auch noch von Potentaten kennt. Seine Königin aber, Sophie Charlotte, nutzte die ihr gegebenen, bescheidenen Möglichkeiten in Schloss Lietzenburg, heute Charlottenburg, kluge Männer an den Hof zu binden. Fast vergessen sind die Disputationen des Jesuiten Vota mit den Refugies Lenfant und Beausobre, deren überschäumende Hitze sie steuerte und dämpfte. Doch diese Streitereien brachten das Land nicht weiter. Seit 1760 stand Sophie Charlotte, die Gemahlin des Kurfürsten Friedrich Wilhelm III., im Briefwechsel mit dem Philosophen, Mathematiker, Physiker und Techniker Gottfried Wilhelm Leibniz, einem der letzten Universalgelehrten der Neuzeit.

Er mag ihren Wissensdurst nicht ganz ernst genommen haben, denn die nachmalige Königin beklagt sich in einem Brief: „Ich liebe diesen Mann, aber ich möchte mich fast darüber betrüben, dass er alles mit mir so oberflächlich behandelt. Er setzt Misstrauen in meinen Geist.“