Unterm roten und schwarzen Adler - Hans Bentzien - E-Book

Unterm roten und schwarzen Adler E-Book

Hans Bentzien

4,7

Beschreibung

Unter dem roten Adler Brandenburgs und dem preußischen schwarzen wurde Geschichte gemacht: provinzielle, deutsche, europäische. Heute, da Brandenburg wieder ein deutsches Bundesland geworden ist, muss seine tausendjährige Vergangenheit neu und dringend befragt werden. Hans Bentzien hat die Tatsachen möglichst selbst sprechen lassen: Überschaubar wird die aufsteigende Linie von der Markgrafenschaft über das Kurfürstentum und Königreich bis hin zum Kaiserreich und der Weimarer Republik. Die wichtigsten Gestalten Brandenburg-Preußens gewinnen Profil: der Große Kurfürst, Friedrich II., Gneisenau, Hardenberg oder Bismarck. Dennoch wird nirgends unterstellt, die preußische Geschichte sei die selbstherrliche Leistung einzelner überragender Menschen. Vielmehr erzählt Bentzien von zumeist dramatischen Konflikten: Jahrhundertelang musste sich das Herrscherhaus mit dem Adel und dem Bürgertum arrangieren. Oft floss Blut, manchmal wurden glänzende politische Vergleiche geschlossen. Fast immer hatten die Bauern die Zeche zu zahlen. Zwar fanden sie unter den Reformern der Napoleonischen Zeit, in den Freiherren Hardenberg und Stein zumal, leidenschaftliche und wirkungsvolle Anwälte, aber der Gegensatz zwischen Arm und Reich blieb, ja er verschärfte sich noch durch die Industrialisierung seit dem 19. Jahrhundert. Als Land der europäischen Mitte, zudem ehrgeizig auf Erweiterung bedacht, musste Preußen immer wieder Kriege führen, fast schicksalhafte wie den Dreißigjährigen oder solche um Territorialgewinn wie unter Friedrich II. Schließlich wurde zweimal die Brandfackel über die Welt geschleudert: 1914 und 1939. Obwohl dieser Wahnsinn längst nicht mehr im Namen Preußens geschah, war nicht zuletzt sein Ende der Preis dafür.

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Impressum

Hans Bentzien

Unterm roten und schwarzen Adler

Geschichte Brandenburg-Preußens für jedermann

ISBN 978-3-95655-483-4 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien erstmals 1992 im Verlag Volk & Welt Berlin.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2017 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Die Vorgeschichte

Es kommt darauf an, wann man das Jahr Null Brandenburgs ansetzt.

Das Land zwischen Oder und Elbe, Ostsee und Erzgebirge, im Osten des Reiches gelegen und daher eher nebensächlich von der Herrschenden behandelt, war als Ergebnis der neu gestaltenden Völkerwanderung in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitrechnung ein Land mit gemischter Bevölkerung, dominiert von slawischen Stämmen, hauptsächlich von den Hevellern und Lutizen. Sie beschäftigten sich mit Jagd und Fischerei, gelegentlich auch mit dem Anbau von Feldfrüchten. An Zahl der Einwohner gering, als Land ausgesprochen dünn besiedelt, galt es als ein Durchgangsland voller natürlicher Hindernisse, Sümpfe und Seen, das leicht zu verteidigen war. Slawen und Germanen, bereits zu Völkerschaften entwickelt, lebten nebeneinander, zumeist friedfertig, aber durchaus nicht immer, denn das Land hatte keinen starken Herrscher, der feste Grenzen gezogen hätte. So galt das Recht des Ansässigen, das, wie aus der Geschichte aller Völker bekannt ist, am meisten umstrittene Recht.

Immer wieder wurden meist örtliche Auseinandersetzungen um das beste Land geführt, um den günstigsten Platz, den sichersten Weg. Allgemein war das Land kulturell wenig erschlossen, es wurde nur von einer bedeutenden Straße durchzogen. Sie reichte von Berlin nach Magdeburg, ging über den interessanten Platz auf der Mitte des Weges mit einer Furt über die Havel, über Brandenburg.Von Berlin aus begannen Straßen an die Odermündung (Stettin), nach Hinterpommern und Pomerellen, dem späteren Westpreußen, nach Posen und Warschau und schließlich nach Breslau. Allerdings verlief die wichtigste Ost-West-Straße von Schlesien aus über Leipzig und Dresden. Berlin wurde also der natürliche Mittelpunkt des Gebietes, was schließlich den Ausschlag für seine Rolle als Hauptstadt gab. Von ähnlicher Bedeutung zeigten sich die Wasserstraßen Oder und Elbe und ihre Querverbindungen Spree und Havel. Mit einem heutigen und daher nicht ganz zutreffenden Begriff könnte man das Gebiet der späteren Mark Brandenburg als natürlich gut erschließungsfähig bezeichnen.

Staatlich gesehen waren die Dinge unklar, wie bei allen Ostgrenzen des Reiches. Vor tausend Jahren musste der deutsche König Heinrich I. (919 - 936) das Reich neu ordnen und »strukturieren«. Mit ihm regierte die Sachsen-Dynastie, unterstützt von den Franken. Zuerst fügte er aus der Erbmasse des sich auflösenden Westfranken Lothringen an Deutschland, dann schloss er mit den im Osten vordringenden Ungarn einen Waffenstillstand, den er dazu nutzte, die Ostgrenze militärisch zu befestigen und eine neue Waffe, den Panzer der damaligen Zeit, das gepanzerte Reiterheer, aufzubauen.

Mit ihm errang er an der Unstrut einen Sieg über die erneut nach Sachsen und Thüringen vordringenden Ungarn. Beteiligt waren alle deutschen Stämme, wodurch das Königtum gestärkt und in die Lage versetzt wurde, die Angriffe aus dem Osten 955 abzuwehren, endgültig durch die Schlacht auf dem Lechfeld unter der Leitung Ottos I.

Heinrich in Brandenburg

In diesen Jahren entscheidet sich auch die deutsche Vorherrschaft in unserem Brandenburger Gebiet, was wörtlich bedeuten soll, in dem Gebiet um Brandenburg. Hier nämlich rückt 929 das erste Heer Heinrichs ein, um die ansässigen Heveller zu besiegen und zu unterwerfen. Heinrich I. zieht danach weiter nach Süden, unterwirft die Daleminzier in der Nähe von Riesa und steuert auf Prag zu. Dort besiegt er den Herzog Wenzel von Böhmen und lässt sich von ihm huldigen.

Wenige Wochen nach der Besetzung Brandenburgs wehren sich zum ersten Mal die Obodriten und Wilzen, da die von den neuen Feudalherren verlangten Abgaben zu hoch sind. Das Königsheer schlägt die Aufständischen in einer ungleichen Schlacht bei Lenzen an der Elbe. Dieser Sieg sichert wie die Schlacht an der Unstrut die Ostgrenze zugunsten der deutschen Feudalen. Dennoch bleibt das schwache Land noch zwei Jahrhunderte lang ein Unruheherd, ähnlich den meisten Grenzregionen in West und Süd, in Nord und Ost. Im Schicksalsjahr 955 unterliegen im Norden an der Raxa (heute Recknitz) vier slawische Stämme (Obodriten, Wilzen, Zirzipaner und Tollenser).

Die Ostgrenze wird vorgetrieben

Mit der Königsmacht breitet sich das Christentum nach Osten aus, Zeichen dafür ist die Gründung des Erzbistums Magdeburg, dem ein großes Gebiet zugeordnet wird, neben Merseburg, Zeitz und Meißen auch die Bistümer Brandenburg und Havelberg. Politisch ist genauso wichtig, dass in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts, also vor tausend Jahren, zwei Markgrafenschaften in den Ostgebieten zwischen Elbe und Oder entstehen. Die nördliche reicht von der Unterelbe bis zur Peene und wird von Hermann Billung, den der König eingesetzt hat, regiert, und von der Mittelelbe bis zur Saale bildet Gero eine gefestigte Markgrafenschaft. Das militärische Ergebnis dieser Kämpfe um die Ostgrenze ist eine durch Burgen gesicherte Elblinie, von der aus die weiteren Gebiete östlich der Elbe gewonnen werden. Am Ende dieses Jahrtausends ist die Grenzlinie bis in das östliche Havelland und bis zur Neiße bei Guben vorgetrieben, die Lausitz durch Gero unterworfen, ja er fordert bereits Tribut für das Land östlich der Oder bis hin zur Warthe. Allerdings wurden die Eroberungen der deutschen Ritterheere durch kleinere und größere Aufstände der Slawen infrage gestellt, und so wollten die Kämpfe nicht enden, auch nicht die Wortbrüche, die Morde bei Gastmahlen und Verbrechen jeder Art. Die slawischen Stämme waren fast immer zersplittert, verfolgten keine einheitlichen Ziele und bekämpften sich untereinander, Zeichen für das Fehlen der Staatsbildung. Oftmals überlappen sich die Gebietsgründungen von Ost nach West. Das Bistum Lebus wird dem Erzbistum Gnesen unterstellt, die verschiedenen Stämme der Lutizen versuchen, einen Bund zu schließen, bis schließlich in den inneren Kämpfen zwei selbstständige Fürstentümer bestehen bleiben, in Havelberg unter Wirikind, in Brandenburg unter Pribislaw. Und dieser Pribislaw ist es, mit dem die Geschichte Brandenburgs eine neue Wendung bekommt. Wahrscheinlich hatte dieser kluge Fürst verstanden, dass sein Volk in den ständigen Kriegen aufgerieben würde. Sein deutscher Gegenspieler, Albrecht der Bär, muss ähnlich gedacht haben: Die ewigen Kämpfe erforderten zu viele Opfer unter der Ritterschaft, und eben diese Männer brauchte Albrecht, um die Nordmark zu besiedeln.

Aus: »Magdeburger Schöffenchronik«: Die Gründung des Erzbistums

Als Kaiser Otto im Jahre 968 vom Tode seiner Mutter, seines Sohnes Wilhelm und anderer Bischöfe erfahren hatte, wurde er sehr betrübt und begann daran zu denken, dass auch ihm der Tod nahte und dass er, während er gegen die Ungarn kämpfte, Gott und dem heiligen Mauritius gelobt hatte, falls er siegte, wolle er in Magdeburg ein Bistum errichten. Er sandte nach dem damals erwählten Bischof von Halberstadt, damit er zu ihm nach Rom käme. Das geschah. Als Bischof Hildeward eingetroffen war, empfing ihn der Kaiser gnädig, eröffnete ihm seinen Herzenswunsch sowie sein Vorhaben von der Gründung des Bistums in Magdeburg und versprach ihm große Hilfe und Beistand. Der Bischof sprach, er wolle seinem Willen gerne folgen, und übergab ihm einen Teil seines Pfarrbezirkes, und zwar von der Ohre bis zur Bode und vom Friedrichsweg [bei Klein-Germersleben] bis zur Elbe. Der Kaiser bat ihn freundlich, er möge ihm doch mehr geben. Er trat ihm darauf das Gebiet zwischen dem Wildbach [bei Kelbra] und dem Salzsee [bei Mansfeld] und zwischen der Saale, der Unstrut, der Helme und dem Graben bei Wallhausen [nahe Sangerhausen] ab. Der Kaiser lachte und freute sich über diese Gabe. Er reichte dem Bischof seine Hand und verlieh ihm den Hirten- oder Bischofsstab von Halberstadt sowie die Seelsorge mit dem Zeichen des Stabes. Er beschenkte den Bischof Hildeward reichlich und sandte ihn zu dem Bischof nach Mainz, wo er geweiht wurde.

Danach ließ der Kaiser Ereke und seine Anhänger, die ihn in Quedlinburg ermorden wollten, enthaupten. Auch den Grafen Lothar wollte er töten lassen, doch die Fürsten baten für ihn. So nahm der Kaiser ihm seinen Besitz ab und schickte ihn als Gefangenen nach Bayern. Ein Jahr war er in Haft. Danach wurde ihm dafür die Huld des Kaisers vertraglich zugesichert, dass er eine große Geldsumme zahlte, sich mit den Vorwerken Santersleben und Gutenswegen [beide bei Magdeburg] freikaufte, als Buße für das, was er gegen den Kaiser verbrochen hatte, zur Ehre Gottes das Kloster in Walbeck [bei Helmstedt] stiftete und für dieses ein Zehntel seines Erbes opferte, von dem sich die Brüder, die jetzt Kanoniker heißen, kleiden und ernähren sollten.

Im selben Jahr sandte Kaiser Otto nach dem Abt von Magdeburg. Er hieß Richard und war der dritte Abt des Klosters, denn vor ihm waren Bischof Anno von Worms und Bischof Othwin von Hildesheim dort die Abte gewesen. Er wollte, dass der Abt Richard zum Bischof von Magdeburg eingesetzt würde. Während sich der Kaiser noch damit befasste, wurde ihm heimlich ein Brief in die Hand gesteckt. Diesen las der Kaiser, verzichtete auf den Abt und nahm Bischof Albert. Dieser war Mönch in Trier gewesen, ihn hatte der Kaiser früher zum Bischof ordinieren lassen und ihn, um das zu predigen, was geschrieben steht, zu den Russen geschickt, die ihn übel behandelt und vertrieben hatten. Er verlieh Albert das Erzbistum zu Magdeburg, das auch Parthenopolis [griech. Übers.] heißt, und sandte ihn zum Papst Johannes. Dieser bestätigte ihn, denn er war würdig, zu Ehren des heiligen Mauritius und all der anderen Heiligen, die in Magdeburg lagen. Er übergab ihm auch das Bischofsgewand, das bei der Messe getragen wird, und befahl dem Bischof von Mainz, er solle ihn einweisen. Das geschah am Tage des heiligen Lukas [18. Oktober],

Noch im Jahre 968, im vierten Jahr des Papstes Johannes und im siebten Jahre nach der Krönung Ottos sowie in dem Jahre, in dem der junge Kaiser Otto gekrönt wurde, befahl der Kaiser allen Fürsten in Sachsen, Weihnachten nach Magdeburg zu kommen. Das geschah. Der Papst erlaubte dem neuen Bischof, dass seine Mönche Amtstracht tragen konnten, was sie vorher nicht durften. So wurde Bischof Albert in großer Pracht auf seinen Bischofsstuhl gebracht, umjubelt von Pfaffen und Laien.

Schenkungsurkunde König Ottos III.

Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit. Otto, durch die Gunst der göttlichen Gnade König.

Der frommen Andacht aller unserer Getreuen, der gegenwärtigen (3.7.993) sowohl als auch der zukünftigen, sei Kund: Dass wir auf Veranlassung und Wunsch unserer geliebten Großmutter Adelheid, der erhabenen Kaiserin, sowie auf die Bitte unserer Getreuen, des ehrwürdigen Bischofs der Wormser Kirche Hildebald, des Markgrafen Eckhard, des Markgrafen Gero und des Grafen Lothar, unserer lieben Tante Mathilde, der ehrenwerten Äbtissin der Quedlinburger Kirche, von unserem Eigentum zwei Plätze gegeben haben, Poztupimi [Potsdam] und Geliti [Geltow] genannt, gelegen in der Hevellon geheißenen Provinz und auf der Insel Chotiemvizles, und dass wir eben diese Plätze mit allen rechtmäßig zugehörigen Nutzbarkeiten an Hörigen beiderlei Geschlechts, an Hausstellen, Gebäuden, bebauten und unbebauten Ländereien, Äckern, Wiesen, Feldern, Weiden, Wäldern, Jagden, Gewässern oder Wasserläufen, Fischereien, Mühlen, Wegen und Umwegen, Ausgängen und Eingängen, Erforschtem und zu Erforschendem und allem anderen Zubehör, wie es auch genannt werden mag, aus unserem Rechte in ihr Recht für immer übertragen haben, und zwar in der Weise, dass eben die vorgenannte liebwerte Äbtissin Mathilde, unsere teure Tante, fortan freie Macht haben soll, mit vorerwähntem, ihr von uns übertragenem Eigentum zu tun, was sie will, sei es, dass sie dasselbe abtreten oder vertauschen oder verkaufen oder lieber für sich behalten will.

Und damit diese unsere Schenkung in gegenwärtiger und in zukünftiger Zeit feststehe, haben wir diese darüber ausgefertigte Urkunde durch Aufdrückung unseres Siegels besiegeln lassen und mit eigener Hand, wie unten zu sehen, bekräftigt.

Handzeichen Herrn Ottos, des allerruhmreichsten Königs.

Beglaubigt. Hildebald, Bischof und Kanzler in Vertretung des Erzbischofs Willigis.

Die Gründung

1134

Aus dieser Konstellation ergibt sich ein weiterer Aspekt im Zusammenleben zwischen Slawen und Deutschen, der bessere, der friedliche. Albrecht I., allgemein genannt »der Bär«, zählte vierunddreißig Jahre, als er zum Markgrafen der Nordmark ernannt wurde (1134). Er sollte dem König dieses unruhige Gebiet unterwerfen. Damit erschien zum ersten Mal ein Askanier vom Westrand des Harzes in Brandenburg, und ihm gebührt der Ruhm, die Mark Brandenburg gegründet zu haben. Mit sicherem Blick erkannte er die besonders günstige Lage des Ortes Brandenburg zwischen den Havelarmen, im Mittelpunkt die Insel, auf der gut gesichert die Burg des Pribislaw stand, und mit ihm, der bereits zum Christentum übergetreten war, knüpfte Albrecht gleichberechtigte Beziehungen an. Wozu im Kampf um diesen entscheidenden Platz verbluten?

Das muss als ungewöhnlich angesehen worden sein, hatte aber ausschließlich positive Folgen. Der kinderlose Pribislaw vererbte sein Land an Albrecht, und der holte auf einem höheren Kulturniveau stehende Handwerker und Bauern aus dem Rheinland, aus Holland und Flandern nach Brandenburg, um das Land zu besiedeln und zu bearbeiten. Als Vergünstigung gewährte er ein besseres Siedlerrecht. Die Einwanderer hatten weniger, zeitweise gar keine Abgaben zu zahlen. Damit begann eine Siedlungspolitik, die sich bis ins 18. Jahrhundert fortsetzt und, wenn man die Einwanderung der Ostjuden dazu zählen will, bis ins 20. Jahrhundert reicht. Mit ihr verbunden war die Anerkennung unterschiedlicher Sitten und Gebräuche, der Beginn einer Toleranzpolitik. Ob Ketzer darunter waren, weiß man nicht, es ist aber durchaus möglich. Jedenfalls gab es schon Anfang des 11. Jahrhunderts in Deutschland Ketzerei, die mit dem Tode bestraft wurde.

Durch die Albrecht versprochene Erbschaft (1150) regiert Pribislaw in Brandenburg bis zu seinem Tode. In der Zwischenzeit besetzt Albrecht die Zauche, das Gebiet südlich Potsdams, das seinem Sohn Otto als Geschenk Pribislaws in die Wiege gelegt worden war. Die Erbschaft Brandenburg war gleich danach noch einmal umstritten, doch kann sich Albrecht behaupten, um 1157 sitzt er endgültig auf der Dominsel. Es ist das Geburtsjahr des Landes Brandenburg, als Geburtstag mag der 11. Juni gelten, an dem er sein Banner dort aufgepflanzt haben soll. Die Altmark, die Prignitz und das Havelland haben nun einen Mittelpunkt, aus der Nordmark wird die Mark Brandenburg. Doch Albrechts Pläne gehen weiter. In Verhandlungen mit polnischen Herzögen bahnt er eine Ehe zwischen seinem Sohn und einer Königstochter, Judith, an. Die Machtverteilung regelt er in Abkommen mit den sächsischen und pommerschen Fürsten. Brandenburg ist zum Herrschaftszentrum geworden. Der Ort wird ausgebaut, die adlig-feinen Prämonstratenser übernehmen Kloster und Dom, sie handeln wie ihr Herr Albrecht machtbewusst und klug.

Der Markgraf wird getragen von einem gestaffelten Lehnsystem. Ihm sind viele junge Adlige nach Brandenburg gefolgt, jetzt belohnt er sie mit Land und erlaubt ihnen den Bau von Burgen, mit denen sie ihre Wirtschaften schützen. Durch starke Wälle gesicherte Schlösser entstehen. Hier herrschen die Herren auf unterer und mittlerer Ebene, üben Gerichtsbarkeit über ihre Untertanen aus und verhalten sich treu zum Herrn ihrer Markgrafschaft, der wiederum dem König ein zuverlässiger Amtmann ist und dessen Auftrag, das Reich nach Osten zu sichern, erfüllt. Schließlich entwickeln sich in diesem System die rund fünfzig in Brandenburg-Preußen maßgebenden Familien, deren Namen man immer wieder begegnen wird, im Guten wie im Bösen.

Deutsche und Slawen

Albrecht der Bär blieb, wie auch sein Nachfolger, eingebunden in die von König Heinrich I. erklärte Reichsaufgabe, die Slawen zu besiegen, doch wie der König führt auch er keinen Kreuzzug. Die Politik der Ausrottung ist beendet, es muss gelernt werden, dass deutsche Siedler und Kaufleute und Priester sich ansiedeln und neben der ursprünglichen Einwohnerschaft arbeiten und Handel treiben. Trotzdem war es kein gleichberechtigtes Verhältnis. Die herablassend »Wenden« genannten Slawen galten anfangs nicht als vollwertige Einwohner, aber man duldete sie, und allmählich begannen die personellen und sachlichen Verbindungen, die zu einer Assimilation führten. Die meisten Brandenburger werden also ursprünglich von Slawen abstammen, worauf heute noch Familien- und Ortsnamen hinweisen. Die Landwirtschaft steigert ihre Produktivität, die Dörfer werden planmäßig angelegt, meistens als Straßendörfer, aber auch als Anger- oder Walddörfer. Für diese Pionierarbeiten gewährt der Markgraf besondere Freiheiten, Befreiung von Abgaben oder Frondiensten, Erbrechte und manchmal Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden. Die freien Bauern lösen sich, wenn die Bedingungen günstig sind, von den Feudalen, an den Verkehrsknotenpunkten entstehen Ansiedlungen und schließlich Städte. Die Klöster, besonders die der Zisterzienser, wirken nicht nur religiös, sie sind zugleich Stätten der materiellen und geistigen Kultur, sie lehren die Ziegelbauweise, verbreiten Dichtung und Gesang, predigen vom Himmel und verbessern den Boden. Schließlich bilden sich mit dem Geld auch Regeln für die Abgaben und Steuern heraus, die nach und nach zu Gesetzen führen. Wer in der Stadt wohnt, gilt nicht mehr als hörig: »Stadtluft macht frei!«

Diese kulturellen Fortschritte ziehen von den westlichen Gebieten in den Osten. In Magdeburg, Hildesheim und Quedlinburg werden schon Dome, in Gernrode wird die romanische Stiftskirche gebaut und in Brandenburg 1165 der Grundstein für den Dombau gelegt, nachdem bereits vordem die Pfarrkirche St. Gotthardt mit Mönchen aus Leitzkau besetzt und als Domstift eingerichtet worden war. In der Siedlung Brandenburg galt bereits seit 1170 das Magdeburger Recht, das allgemeine Stadtrecht des Mittelalters, das den Schöffenstuhl einführte. Trotz allem ist das Land noch sehr entwicklungsbedürftig und hinkt den besser entwickelten Gebieten westlich der Elbe hinterher.

Aus: Klosterregel der Benediktiner aus Hirsau

(Sie wurde zum Vorbild für die märkischen Zisterzienserklöster)

Der Novize muss auch die Zeichen sorgfältig lernen, mit ihnen spricht er in gewissem Sinne schweigend. Ehe er in den Konvent aufgenommen wird, darf er nur sehr selten sprechen. Die Orte aber, an denen im Kloster nach der Überlieferung und den Bestimmungen unserer Väter ein immerwährendes Stillschweigen zu beachten ist, sind diese: Kirche, Schlafsaal, Speisesaal, Klosterküche. Wird an einem dieser Orte, sei es bei Tage oder Nacht, nur ein Wort gesprochen und gehört, so muss man freiwillig um Verzeihung bitten. Kommt diese Nachlässigkeit nur zuweilen vor, so wird sie manchmal nicht bestraft. Wenn ein Novize nur ein Antifon oder ein Responsorium [liturgische Wechselgesänge] oder irgend so etwas ohne Buch spricht oder beim Sprechen nicht zugleich in das Buch sieht, dann wird das beurteilt, als hätte er das Stillschweigen völlig gebrochen. Im Sprechraume darf er nicht im Sitzen sprechen, außer mit dem Herrn Abte oder Prior. Auch wird niemals, wenn zwölf Lektionen sind oder im Sommer an gewöhnlichen Tagen vor Beendigung der Litanei oder im Winter vor Beendigung der Terz, dort oder in irgendeinem Raume des Klosters etwas gesprochen. Dies gilt auch für die Zelle der Novizen.

Sobald der Bruder das Zeichen zum Aufstehen vernommen hat, eile er sich zu erheben. Ehe er jedoch die Decke abwirft, ziehe er im Bette sitzend die Kukulle [das Obergewand] an und bedecke mit ihr seine Beine, ehe er sich vor sein Bett stellt. Er darf aber das Bett nicht nachlässig liegen lassen, er muss die Decke anständig darüber ausbreiten und es so in Ordnung bringen. Das Kopfpolster verbirgt er vollständig unter der Decke, dann bekleidet er sich mit der Flocke [oberdt. Bezeichnung für das Mönchsgewand, nach mittellat. »floccus« (Wollkutte der Benediktiner)] und weckt nötigenfalls mit Zischen die Brüder, die ihm zunächst liegen. Er erinnere sich auch immer daran, dass er nicht auf die Treppen des Schlafsaales spucken soll.

Innenpolitik mit fester Hand

Albrecht der Bär hatte den Territorialisierungsprozess energisch vorangetrieben, doch, als er 1170 in Stendal stirbt, nicht abgeschlossen. Noch fast hundert Jahre (bis 1250) sind seine Nachkommen damit beschäftigt. Sein Sohn, Otto I. (1170-1184), ist bestrebt, die Selbstständigkeit der Markgrafenschaft auszubauen, denn das Königslehen sieht erhebliche Rechte des Königs vor, die verschiedenen Eigentumsformen und unterschiedlichen Lehen stehen einer straffen Landesregierung entgegen. Er will, dass nur ein Herr dem König gegenüber lehnspflichtig ist, nämlich der Markgraf. Alle anderen sollen wiederum ihm untergeordnet und lehnspflichtig sein. Diese innenpolitische Aufgabe geht er geschickt an, doch es sind ihm nur vierzehn Jahre eigener Regierung beschieden. Otto II. (1184—1205) verstärkte die Ansiedlung von Einwanderern und übergab ihnen die Ländereien Barnim, Ruppin und Teltow, damit war das Gebiet nach Osten ausgedehnt, bis hin nach Oderberg und bis zur Uckermark. Besonders dieser nördliche Grenzstreifen war umstritten, denn die pommerschen Herzöge, unterstützt und geschützt vom dänischen König, machten Ansprüche geltend. Dahinter stand, schon seit Albrecht dem Bären, das Ziel, festen Zugang zur Ostsee zu erhalten, das allerdings lange nicht erreicht wurde.

Augenscheinlich reichten dazu die inneren Kräfte noch nicht aus. Otto II. und sein Nachfolger Albrecht II. (1205-1255) mussten sich mit Gebietsansprüchen der Kirche herumschlagen, speziell des Magdeburger und Halberstädter Erzbischofs und ihrer Klöster, die auf die von ihnen gegründeten Orte Anspruch erhoben. Oftmals war die Kirche der Politik vorangegangen. Dieses Nebeneinander von Machtansprüchen war lästig und erforderte diplomatisches Geschick, doch zäh hielten die Markgrafen an ihrem Grundsatz fest, dass die Landesfläche zusammenhängend als Landesherrschaft betrachtet werden müsse, und setzten, wo sie nur konnten, ihre Anhänger als Lehnsmänner ein, die ihrerseits mit den örtlichen Kirchenvertretern rangen. Zwischen der weltlichen Macht und der Kirche zeigten sich schwere Diskrepanzen, wie überall im Reich beim Streit zwischen König und Papst. Doch schließlich entscheiden Tatsachen, und die menschenleeren Landstriche im Osten und Nordosten der Markgrafenschaft warteten geradezu auf neue Einwohner.

Die westlicher gelegene Altmark - wie wir sie nennen -, mit Stendal und Salzwedel, gehörte fest zur Herrschaft, um die anderen Gebiete wurde jahrzehntelang gerungen. Dabei gewann der Ort Berlin als Mittelpunkt zwischen Elbe und Oder aktuelles Interesse, denn für die weitere Erschließung des östlichen Teils der Markgrafenschaft war seine Lage der Schlüssel und außerdem sollte dafür gesorgt werden, dass die Wettiner von Süden her keine weiteren Ansprüche stellen konnten. Bis Mittenwalde wenigstens reichte der Anspruch der Askanier. Nun musste es darum gehen, die Städte auszubauen und zu befestigen, was zur Aufgabe der beiden Söhne Otto III. (1220-1267) und Johann I. des 1220 verstorbenen Albrecht II. wurde. Sie zogen die alten Pläne hervor, und es gelang ihnen, bis zur nördlichen Uckermark mit den Städten Templin und Prenzlau vorzustoßen, wieder ging es um den Zugang zur See.

Erweiterungen

Mit geschickter Heiratspolitik Markgrafs Otto III. - er heiratete Beatrix von Böhmen - wurde auch die Oberlausitz der Mark zugeschlagen; das war die Sicherung nach Süden. An der Oder gewannen die beiden Söhne Albrechts II. die Burg Lebus und das umliegende Land von der polnischen Krone, einen wichtigen Punkt an der Odergrenze. Nun war die Voraussetzung gegeben, in die östlich der Oder gelegenen Länder vorzustoßen, in die Neumark bis hoch zur Ostseeküste nach Rügenwalde in das Land um Stolp. Da die Odermündung bei Stettin nicht zu erlangen war, bot sich die Weichselmündung als Ostseezugang an, doch die Brandenburger stießen auf den Widerstand des Deutschen Ordens, als sie nach Danzig griffen.

Hatten sie sich übernommen? Es liegt auf der Hand, dass die Ausdehnungspolitik der Markgrafen von Brandenburg von 1170 bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts ihre Möglichkeiten überspannte, dass die Nachbarn sich regen würden, um einen Stopp zu erreichen. Das aber bedeutete unter den damaligen Verhältnissen unvermeidlich Krieg.

Bisher war Krieg im Wesentlichen vermieden worden, doch als der letzte regierende Askanier, Markgraf Woldemar (1281-1319), die Ausdehnungspolitik energisch weiterführte, sahen die Nachbarn nicht länger zu. Während er im Norden Verträge abschloss, sich mit dem Deutschen Orden und dem pommerschen Herzog verglich, um Zugang zur Ostsee zu erhalten, griff er im Süden den Markgrafen von Meißen an und nahm ihm Großenhain und Torgau. Dabei siegreich, erhob er gleich wieder im Norden Ansprüche, auf Stargard und Loitz, und diesmal verbündeten sich die Nachbarn unter der Führung des dänischen Königs Erich. Woldemar bestand zwar die Kämpfe, aber das Land musste große Opfer bringen, und die Staatskasse schrumpfte rapide. Die Lehnsleute waren oft nicht in der Lage, ihre Abgaben zu entrichten. An diesem Tiefpunkt starb 1319 Markgraf Woldemar und ein Jahr nach ihm der letzte Askanier, der zwölfjährige Heinrich.

Schacher

Nun fielen alle Nachbarn mit vermeintlichen Ansprüchen über das Land her, fast jeder gewonnene Grenzbereich wurde von den Anrainern zurückgeholt. Die wirren Jahre, in denen im Inneren chaotische Verhältnisse, geprägt durch das Faustrecht, herrschten, wurden durch eine Königsentscheidung beendet. Ludwig der Bayer betrachtete das Land als erledigtes Reichslehen und zog es ein. Damit war jedenfalls Klarheit geschaffen, doch erwies sich die Übertragung der Mark an den Prinzen Ludwig, er war 1324 gerade acht Jahre alt, lediglich als ein Manöver zur Stärkung der Hausmacht. Eine Verbindung zwischen Bayern und Brandenburg hatte es niemals gegeben, auch nicht territorial, es ging lediglich um die Verdrängung des Hauses Askanien durch das Haus Wittelsbach und allerdings um eine Stimme bei der Königswahl, denn der junge Ludwig war als einer der Reichsfürsten (Erzkämmerer) an ihr beteiligt.

Die Regentschaft hatte es schwer, das Land wieder zu ordnen, in der Praxis regierten die Vögte. Der märkische Adel murrte ob der Verhältnisse, der Bayer passte ihnen nicht - so tief können die Wurzeln von Antipathien reichen -, und folglich ging er in eine Widerstandshaltung gegen den ihm vorgesetzten Landeshauptmann, der überdies ihre Steuern aus dem Lande schaffte. Der dauernde Wechsel in der Herrschaft - die Wittelsbacher hatten besondere Probleme mit ihrer Erbfolge - zeigte immer deutlicher, dass eine innere Bindung an die Mark nicht zustande kam. In dieser Situation begann der Kaiser ein Auge auf das Land zu werfen. Der bayerische Markgraf Otto hatte eine Kaisertochter geheiratet, doch die Ehe war kinderlos geblieben, also erhob der Kaiser Ansprüche als Verwandter. Die Lausitz ging durch Kauf an Böhmen zurück, und schließlich kaufte Kaiser Karl IV. (1316 – 1378) im Jahre 1373 den Wittelsbachern alle Rechte an Brandenburg für eine halbe Million Gulden ab.

Die Mark Brandenburg wurde zum Schacherobjekt der Dynastien! Es hatte sich erwiesen, dass das Land von außen nicht regierbar war, es fehlte das Zentrum.

Wie es sich bei einem solchen Kauf gehört, ließ der Käufer eine Bilanz ziehen und inspizierte das Land 1377 höchstselbst. Er fand vor: 123 Städte, Burgstädte und Burgen, die zum großen Teil in der Hand des Adels waren und also dem Kaiser nicht gehörten. Seine Inspektion hatte vor allem das Ziel, die Einnahmen zu erhöhen, wozu er die notwendigen Anweisungen erließ. Er musste doch sein Geld zurückbekommen und die märkische Quelle springen lassen! Und außerdem benutzte er seinen Aufenthalt in Tangermünde - seither Kaiserpfalz -, um sich ein Bild von den Möglichkeiten im Norden zu machen. Das böhmisch-luxemburgische Reich wollte zum Meer. Der Kaiser fühlte, dass seine Tage gezählt waren, und vermachte die Markgrafenschaft seinen Nachkommen, von denen er annahm, sie würden seine Pläne ausführen. Doch er täuschte sich. Sie regierten noch weit uninteressierter von außen als die Wittelsbacher und betrachteten Brandenburg als melkende Kuh. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war es unter ihnen verteilt, verkauft und vergeben, die bedeutende Neumark an den Deutschen Orden verpfändet.

Die unhaltbaren Zustände in der Regentschaft wiederholten sich im Inneren des Landes. Praktisch hatten die stärkeren Adelsfamilien die Herrschaft übernommen, jeder kämpfte gegen jeden um das größere Stück, um ungesetzliche Zolleinnahmen, um Tributgelder, die ihm nicht zustanden, und dem reisenden Kaufmann und seinen Begleitsoldaten standen regelmäßig bewaffnete Kämpfe mit den Soldaten der Quitzows, die sich in diesem Bürgerkrieg besonders grausam hervortaten, auf den Weg. Das Land war nahe am Kollaps. So machten sich Vertreter der Städte - sie hatten unter den unsicheren Verhältnissen besonders zu leiden - auf den Weg in das ungarische Ofen (Budapest 8.7.1410) und verlangten vom König Sigismund entschiedene Maßnahmen, um das Land zu befrieden. Ihre Vorstellung muss entsprechenden Eindruck hinterlassen haben, denn bald entsandte der König seinen Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg in die Mark Brandenburg, einen Mann der festen Hand und unverbrüchlichen Königstreue, was er bei seinen diplomatischen Diensten in Vorbereitung der letzten Königswahl bewiesen hatte.

Er soll mit seiner Arbeit, Mühe und Macht die Mark, die leider (30. 4. 1415) seit langer Zeit durch Krieg und aus anderen Ursachen schwer verfallen und ins Verderben gekommen, wieder aufbringen.

Aus: Bestallungsurkunde für Friedrich I. (1372-1440)

Aus: Landbuch Karls IV. (1373)

In Brandenburg bestanden

72 größere Städte

51 Kleinstädte, Burgen mit Burgsiedlungen

In 175 Dörfern der Altmark sind 87,5 % des Hufenlandes zinspflichtiger bäuerlicher Besitz, darunter in der Zauche 84,9 %, im Havelland 77,2 %, in Teltow 81,7 %, im Barnim 77,9 %, in der Uckermark 79 %. Nur 6,7 % des Hufenlandes in diesen Gemeinden gehören den ritterlichen Eigenwirtschaften: Zauche 2,6 %, Havelland 15,1 %, Teltow 9,2 %, Barnim 12,9 %, Uckermark 14,3 %.

Folgende Adelsgeschlechter saßen an befestigten Orten:

Mittelmark:

Rochow in Golzow

Groben – Beuthen

Wulkow – Falkenhagen

Steglitz – Biesenthal

Lochen – Wriezen

Altmark:

Schulenburg - Betzendorf

Bartensleben - Wolfsburg/Marienthal (Kloster)

Alvensleben - Kalbe/Klötze

Jagow – Aulosen

Erxleben – Erxleben

Schenk – Flechtingen

Schenk – Arneburg

Prignitz:

Gans zu Putlitz

Rohr – Meyenburg

Bosel - Stavenow

Quitzow - mehrere in der Westprignitz

Uckermark:

Greifenberg – Greifenberg

Holtzendorff – Wernitz

Steglitz – Brüssow

Neumark:

Wedel - an mehreren Orten

Uchtenhagen – Zantoch

Osten – Driesen

Brederlow – Dertzow

Vockenrode - Sonnenburg

Beginn der Hohenzollernherrschaft

Als obersten Hauptmann und Verweser schickte ihn König Sigismund in das wirre Land. Es war im Wesentlichen ein Geschäft. Der König brauchte eine starke Hand und wusste, dass er von Friedrich nur nennenswerte Abgaben erhalten konnte, wenn auch der seinen Vorteil zog, und das war durch die versprochene Markgrafen- und spätere Kurwürde gegeben. Außer seiner Energie hatte Friedrich auch einen ansehnlichen Stammbaum: Er konnte zu seinen Vorfahren Kaiser Friedrich II. und König Rudolf von Habsburg zählen, zudem war er mit Elisabeth von Bayern vermählt, also mit den Wittelsbachern verwandt.

Vorab meldete sich ein Gesandter Friedrichs, um die Herausgabe der markgräflichen Burgen und der mit ihnen verbundenen Einkünfte zu verlangen, welche sich in den letzten hundert Jahren der lokale Adel angeeignet hatte. Die Adelsfamilien lehnten jedoch ab und schickten den braven Gefolgsmann Friedrichs, den Ritter Wend von Ileburg, wieder nach Hause. Was interessierte sie der Mann aus Nürnberg. Die gefährlichsten Raubritter, die Brüder Quitzow und Gans zu Putlitz, letzterer aus der Altmark, führten die Gegner des neuen Markgrafen an. Bisher hatten sie immer gewonnen. Diesmal sollten sie sich jedoch verrechnet haben. Friedrich, ein erfahrener Kriegsmann, wusste, dass man diesen Widerstand gründlich brechen musste und ließ sich auf keine Kompromisse ein. Als bei seiner Ankunft (22. 6. 1412) ein bedeutender Teil des Adels die Huldigung verweigerte - im Unterschied zu den Städten -, stand die Kraftprobe bevor. Landesrecht gegen Fürstenrecht, eine Verbindung zwischen beiden war bisher nicht gefunden.

Einer der Quitzows:

Was will der Fremdling in unserer Mark? Wir können den Nürnberger Tand hierzulande nicht brauchen! Und wenn’s ein Jahr hindurch Markgrafen von Nürnberg regnete, wir ließen sie nicht aufkommen!

Die Rebellen verbündeten sich mit den pommerschen Herzogen, und diese rückten im Herbst 1412 in Brandenburg ein. Am Kremmener Damm schlug Friedrich das gegnerische Heer und verschaffte sich damit zum ersten Mal Autorität. Doch er überschätzte den Erfolg nicht und sah sich nach einflussreichen Verbündeten um, die er im Magdeburger Erzbischof und im Askanier Rudolf fand, denn beide waren ebenfalls an einem gesicherten Durchgangsland interessiert. Der Sachse unterstützte ihn auf besondere Weise. Er lieh ihm die »Faule Grete«, ein furchtbares Geschütz, dem auch die stärksten Mauern - Plaue war mit vier Metern gesichert - nicht standhielten. Die sicheren Burgen erwiesen sich als einnehmbar.

Dietrich von Quitzow floh noch rechtzeitig, aber Hans von Rochow aus Golzow erschien im Büßergewand und warf sich Friedrich zu Füßen, den Strick um den Hals. Jetzt winselte er um sein Leben wie früher die Kaufleute vor ihm. Johann von Quitzow aus Plaue verschwand in den Havelsümpfen, wurde aber gefangen. Die Gardelegener Burg der Alvenslebener und die Beuthener, die auch den Quitzows gehörte, war für die fränkischen Ritter nur noch eine Routinesache. Nun verhielten sich die Schulenburgs und die Putlitz schon verträglicher, und der Raubritterkrieg genannte Feldzug gegen die Burgen verlief für Friedrich auf der ganzen Linie erfolgreich.

Nach Streiten jagte er gar sacht,

nach Frieden stand sein Begehr.

Loblied auf Friedrich I.

Landfrieden

Im März 1415 erließ Friedrich, als Markgraf Friedrich I. (1415 – 1440), in Tangermünde ein Landfriedensgesetz, auf dessen Grundlage die Friedensbrecher verurteilt wurden. Damit begann der lange Prozess der Rückgewinnung der von den Askaniern errungenen Ländereien und Rechte. In Konstanz übertrug Sigismund dem Markgrafen das Kurfürstenamt. Er war damit auch Reichskämmerer geworden, einer der sieben einflussreichsten Fürsten des Reiches, gemeinsam mit den Erzbischöfen von Trier, Köln und Mainz, dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem Herzog von Sachsen und dem König von Böhmen. Der starke Mann hatte die Erwartungen seines Herrn erfüllt. Altmark und Prignitz, Havelland und Zauche, Teltow und Barnim, Lebus und Sternberg und der südliche Teil der Uckermark waren fest in seiner Hand. Mit der Kirche und ihren Besitzungen herrschte sachliches Einvernehmen, die Bischöfe und Klöster begriffen sich als ein Teil des Landes. Nur zweimal noch war die neue Lage gefährdet. Zuerst, als 1419 die Kräfte aus dem Norden sich zusammentaten, um den neuen Brandenburger in die Knie zu zwingen. Doch nun wirkte die maßvolle Behandlung der einstmals störrischen Adligen. Zusammen mit Gans von Putlitz schlug der Kurfürst 1420 die feindliche Streitmacht bei Angermünde, und damit war ein weiteres Stück wieder bei der Mark. Der zweite Angriff kam vom Süden. Die Hussiten wollten zur Ostsee und gewannen eine Burg nach der anderen, bis sie vor Bernau gestoppt wurden, aber hier war Friedrich persönlich nicht anwesend. (Er führte das von den Hussiten bereits geschlagene kaiserliche Heer.) Vor Bernau war außer den Bürgern der Stadt auch sein Sohn Friedrich II. maßgeblich beteiligt, der in Abwesenheit seines Vaters in Brandenburg als Mitregent wirkte.

Denn Friedrich I. war seit 1416 nicht mehr im Lande, außer bei Kriegszügen. Und so wiederholt sich, wenn auch in modifizierter Form, die verderbliche Praxis, von außen zu regieren. Als er versucht, seinen Sohn Friedrich mit einer polnischen Erbprinzessin zu vermählen, setzt er sich wegen der Reichsinteressen am Ordensland zu seinem Herrn Sigismund in Widerspruch, was auch zur Folge hatte, dass dieser nach dem Aussterben der Askanier zornig verbot, den sächsischen Kurfürstentitel mit dem brandenburgischen zu vereinigen. Die Wettiner erhielten den Zuschlag - eine für die deutsche Geschichte problematische Entscheidung. Und noch einmal gegen Friedrich entschied sein ehemaliger Gönner Sigismund, in dem er die Uckermark an die Pommernherzöge als Lehen gab.

Von der Cadolzburg in Ansbach aus konnte Friedrich die Angelegenheiten Brandenburgs nicht richtig betreiben. Zu diplomatischen Niederlagen kam noch der Spott wegen der militärischen Niederlage vor Burg Vierraden. Seine Gegner, die Pommern, griffen ihn so vehement an, dass er die geborgte Artillerie im Stich lassen musste. Das war wohl der letzte Anstoß dafür, dass er die Stände in Rathenow versammelte und die Regierung seinem Sohn Johann übertrug. Seitdem kümmerte er sich um Franken und das Reich und schloss mit dem König seinen Frieden. In Brandenburg vergaß man ihn bald. Noch einmal, gegen Ende seines Lebens, er starb 1440, griff er nach der Königskrone, doch umsonst. So war er immer hin und her geschwankt zwischen Reichspolitik und Landespolitik, er fühlte sich nur als Amtmann, als Verwalter, und außerdem ging es ihm vor allem um sein Haus Hohenzollern, dessen fränkische Linie er anführte, Brandenburger ist er nicht geworden. Sein Verdienst lag darin, dass er den Landesadel für sein Haus gewinnen konnte. Seither gab es keine beherrschenden Fehden mehr zwischen dem Landesherrn und den einflussreichen Kräften des Territoriums, wenn der Wind auch manchmal stärker blies, als wir heute denken. Es handelte sich aber, wie auch am Beginn des 15. Jahrhunderts, um Auswüchse der Adelsherrschaft, die vom Landesherrn energisch bekämpft wurden, nie aber wurde der Adel selbst infrage gestellt. Im Gegenteil, von nun ab verbinden sich die großen Familien immer enger mit dem Staat, treten in seine Dienste und verhalten sich ihm gegenüber loyal.

Was uns heute bedeutsam erscheint, wurde wahrscheinlich von den Zeitgenossen als die übliche Methode angesehen, den Familienbesitz zu mehren, das machten alle so, warum nicht auch die Hohenzollern. 1437 verfügte das Familienhaupt, Friedrich I., wie sein Besitz geteilt werden sollte. Zum letzten Mal wurden Verfügungen getroffen, die zum Schaden des Landes ausschlagen mussten. In allen Landesherrschaften wurde der Besitz immer wieder an die Söhne unterteilt, und die einzelnen Teile wurden immer weniger einträglich, überdies entstanden daraus Ungerechtigkeiten und Streitereien. Auf diese Weise kam der deutsche Flickenteppich zustande. Jedenfalls verfuhr auch Friedrich so und verfügte, dass sein Sohn Friedrich II. (1440—1470) und dessen jüngerer Bruder (er hieß ebenfalls Friedrich) gemeinsam die Mark und Kur regieren sollten, während Franken geteilt wurde. Und auch die gemeinsam regierenden Söhne teilten sich für eine Zeit von sechzehn Jahren die Verantwortung in der Mark.

Aus: Nürnberger Gesetzbuch (Goldene Bulle)

(Sie regelt auch die Rangordnung der Kurfürsten. Nachstehend die Abschnitte, in denen der Kurfürst von Brandenburg erwähnt ist.)

Sitzordnung der weltlichen Kurfürsten bei feierlichen Reichshandlungen

10. 1. 1356: Wir setzen ferner fest, dass, sooft von nun an ein Reichstag abgehalten wird, bei jeder Zusammenkunft, das heißt, im Rat, bei der Festtafel und bei allen anderen Gelegenheiten, bei denen der Kaiser und Römische König mit den Kurfürsten zusammensitzt, zur Rechten des Kaisers und Römischen Königs unmittelbar neben dem Erzbischof von Mainz oder dem von Köln, das heißt, neben demjenigen, der nach Lage des Tagungsorts und der jeweiligen Kirchenprovinz gemäß dem Wortlaut seines Privilegs zur Rechten des Kaisers sitzen soll, der König von Böhmen als gekrönter und gesalbter Fürst den ersten Sitzplatz, unmittelbar nach ihm der Pfalzgraf bei Rhein den zweiten einnehmen soll. Zur Linken aber, unmittelbar neben demjenigen der vorerwähnten Erzbischöfe, der zur Linken seinen Sitzplatz hat, soll den nächsten Platz der Herzog von Sachsen und nach ihm den letzten der Markgraf von Brandenburg haben.

Ausübung der Erzämter

Der Markgraf von Brandenburg soll bei Abhaltung des Reichstages dem Kaiser und Römischen König das Wasser zum Waschen der Hände reichen, und der König von Böhmen den ersten Trunk, ohne dass dieser freilich nach dem Inhalt der Privilegien seines Königreiches verpflichtet wäre, bei Ausübung seines Dienstes seine Königskrone zu tragen, es sei denn, es geschehe aus freiem Willen. Der Pfalzgraf bei Rhein hat die Speisen aufzutragen, und der Herzog von Sachsen soll das Amt des Marschalls wahrnehmen, wie es seit alters üblich ist.

Über die Erbfolge der weltlichen Kurfürsten

Unter den zahllosen Sorgen, die Wir Uns täglich um das Wohl des Heiligen Reiches machen, das Wir nach dem Willen des Herrn mit Glück und Hingabe regieren, bedrängt uns immer wieder die Frage, auf welche Weise die ersehnte, heilsame und dauernde Eintracht unter den Kurfürsten des heiligen Reiches herbeigeführt und ihre Herzen in aufrichtiger Liebe und Freundschaft erhalten werden können, denn ihre Einsicht und Klugheit wird um so rascher und leichter Ruhe und Frieden im ständigen Wandel der Zeit bringen, je weniger zwischen ihnen Unfriede und Zwietracht herrschten und je aufrichtiger ihre gegenseitige Zuneigung erhalten bleibt, alle Unsicherheit beseitigt und je eindeutiger das Recht des einzelnen Kurfürsten festgelegt wird. Es ist weithin bekannt und in der ganzen Welt über jeden Zweifel erhaben, dass die erlauchten Kurfürsten, der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg - der eine kraft seines Königreichs und die anderen kraft ihrer Fürstentümer - bei der Wahl des Römischen Königs und künftigen Kaisers zusammen mit ihren Mitkurfürsten geistlichen Standes Wahlrecht, Sitz und Stimme haben und mit diesen zusammen die wahren und rechtmäßigen Kurfürsten des heiligen Reiches sind und auch als solche betrachtet werden.

Damit unter den Söhnen der vorerwähnten weltlichen Kurfürsten in Zukunft kein Anlass zu Zwietracht und Streit über die Ausübung des Wahlrechts, der Stimme und die vorerwähnte Befugnis entsteht, auch das allgemeine Wohl nicht durch gefährliche Verzögerungen beeinträchtigt wird, und da Wir überdies den Wunsch verspüren, künftigen Gefahren mit Gottes Hilfe wirksam zu begegnen, bestimmen Wir und gebieten mit kaiserlicher Gewalt durch dieses für immer geltende Gesetz, dass nach dem Tode eines weltlichen Kurfürsten Wahlrecht, Stimme und Befugnis zu solcher Wahl jeweils auf seinen rechtmäßigen erstgeborenen, dem weltlichen Stande angehörenden Sohn, wenn dieser nicht mehr am Leben sein sollte, auf den erstgeborenen Sohn dieses Erstgeborenen, sofern dieser ebenfalls dem weltlichen Stande angehört, ohne jede Einschränkung und ohne jeden Willen übergehen soll.

Über die Rangordnung der weltlichen Kurfürsten bei feierlichen Prozessionen und durch wen die Reichskleinodien vorangetragen werden sollen

Um auch die Rangordnung der weltlichen Kurfürsten bei feierlichen Aufzügen zu regeln, an denen der Kaiser und Römische König teilnimmt, wovon Wir oben geredet haben, bestimmen Wir, dass, wenn ein Reichstag abgehalten wird und die Kurfürsten mit dem Kaiser und Römischen König bei irgendwelchen Handlungen oder Feierlichkeiten bei einem feierlichen Aufzug einherschreiten und hierbei die kaiserlichen und königlichen Kleinodien vorangetragen werden, der Herzog von Sachsen das Schwert des Kaisers und Königs tragen und dem Kaiser und König in der Mitte zwischen diesem und dem Erzbischof von Trier voranschreiten, der Pfalzgraf bei Rhein mit dem Reichsapfel zur Rechten und der Markgraf von Brandenburg mit dem Zepter zur Linken des Herzogs von Sachsen in gleicher Reihe einherschreiten, der König von Böhmen aber dem Kaiser und König unmittelbar, ohne dass irgendjemand zwischen beiden geht, folgen soll.

Der Ritterstand

Politisch setzten sie die Bestrebungen ihres Vaters fort, ja sie festigten das Land Brandenburg eigentlich erst richtig. Dazu gehörte die Garantie für die gefahrlose Benutzung der Straßen durch die Nachbarn, mit anderen Worten, die weitere Dämpfung der Raubgelüste des Adels und die bisher versäumte Unterwerfung der Städte. Friedrich begann mit seinen Standesgenossen (15. 8. 1443). Er legte über seine eiserne Rüstung, die er unter einem Umhang immer getragen haben soll, einen Hermelinmantel und stellte sich vor den versammelten Adel in die Marienkirche auf dem Harlunger Berg bei Brandenburg, um den »Orden von unserer lieben Frauen Kettenträger« zu stiften. Sein Zeichen war neben der Jungfrau Maria ein Schwan, daher hieß er üblicherweise Schwanenorden. Die adligen Herren Schulenburg, Bredow, Alvensleben, Jagow, Waldow, Schlieffen, Arnim, Sparr und die anderen nahmen aus den Händen des Markgrafen den Orden an. Der Träger wurde verpflichtet, »nach seinem Stande ehrbar zu leben, sich vor aller Missetat Unfug und Unehre treulich zu bewahren, alle Streitigkeiten dem Urteil der Gesellschaft zu unterwerfen, dagegen die von anderen ohne Grund angetastete Ehre der Genossen zu verteidigen«. Friedrich II. verordnete somit dem brandenburgischen Adel ein Sittengesetz und stellte den Gesetzesbrecher außerhalb der Gesellschaft. Diese Stunde war sicherlich der notwendige Friedensschluss, verbunden mit einer annehmbaren Unterwerfung unter den Landesherrn. Der Legende nach soll Johann Quitzow vor Friedrich gekniet haben und mit einem Schlag des Schwertes auf seine Schulter in den Sittenorden aufgenommen worden sein. Die Zeiten des Raubrittertums schienen vorbei, doch es dauerte noch lange, bis sich der im Westen schon kräftige Humanismus in der östlichen Provinz durchsetzte.

Aus: »Ritterspiegel« von Johannes Rothe

Es gibt heute dreierlei Arten von Rittern (um 1420): Die ersten taugen nicht ein Ei, denn sie haben weder Ehr noch Gut. Zu diesen bösen Rittern gehören die, die ehrlos auf den Straßen rauben und morden.

Die zweiten, die sich auch Ritter nennen, tragen Lehen von Edelleuten, sind aber auch ihre Güter frei, so halten sie sich nicht, wie es ihrem Stande zukommt. Sie sind schlechte Christen, machen viele zu Witwen und Waisen und nähren sich nur vom Rauben und anderen unehrlichen Sachen.

Die der dritten Art allein sind edel, sie werden zu Rittern, wenn ihre Fürsten zu allgemeinem Nutzen und für eine gerechte Sache Krieg führen. Oder sie ziehen zum Heiligen Grab und lassen sich dort zum Ritter segnen. Solche Leute sehe ich als fromme Ritter an.

Der Ritter soll gegen seinen Freund weich sein wie das lautere Gold, den Bösen soll er immer feind sein, so ist er weise und kühn. Wer gegen die Seinen allezeit hart und ungut ist, der hat eine schlimme Art an sich, sein Adel liegt im Dreck. Der Ritter soll gegen sein Hausgesinde kein Löwe sein, er könnte sie sonst ungetreu finden. Er soll auch nicht zu hart gegen sie sein, sonst könnten sie sich darauf verlassen und ihm den Gehorsam verweigern. Er trachte nach dem rechten Maß.

Wenn einer Ritter geworden ist, so soll er ein Gefolge von Knechten haben, zumindesten einen Knecht, der ihm ständig aufwartet. Der Ritter soll tugendhaft und gerecht sein, sich in harter Zucht halten und sich vor Trunkenheit hüten, zu allen Tugenden soll ihn sein Knecht mahnen, denn darin liegt all sein Adel.

Stolze Städte

Den Städten erging es ähnlich, zum Beispiel Berlin und Köln, den an der Spree gelegenen Schwesterstädten. Wie alle Städte hatten sie während der Raubritterzeit erhebliche Selbstständigkeit erlangt, mussten sie doch sich vor den ständigen Überfällen schützen. So lehnten sie es selbstbewusst ab, den Kurfürsten mit seinem Gefolge zu empfangen und im Rathaus zu begrüßen, sie hatten mit eigenen Waffen so manchen Raubritter gefangen und hingerichtet und den verfolgten Handwerkern Schutz und Gewerbe in ihren Mauern geboten. Und nun sollten sie einem Herrn schwören? Ihnen genügte der Roland, das Zeichen des Marktrechts und der eigenen Gerichtsbarkeit. Gerade darum ging es: Wer sprach das Recht?

In einem Streit zwischen Berlin und Köln spielte sich Friedrich ungebeten als Schlichter auf, aber er kam nicht mit kleinem Gefolge, sondern mit sechshundert Rittern, und entgegen der alten Verpflichtung, unbewaffnet in der Stadt zu erscheinen, trugen alle Waffen. Unter diesem Druck verwarf er die alten Privilegien (1442-1448) und legte fest, dass auch die gewählten Räte und Bürgermeister seiner Bestätigung bedürften und verpflichtet seien, den Anweisungen seiner Regierung zu folgen. Als Zeichen für die neue Rechtssituation der Stadt wurde der Roland beseitigt und der Bau eines kurfürstlichen Schlosses verfügt. Er begann 1443, wurde aber immer wieder durch Gewaltsamkeiten der Berliner unterbrochen. Die schließlich aufgezogenen Wachen wurden vertrieben, Mauern abgerissen, Gerüste umgeworfen. So ging das fünf Jahre lang, die Spannungen wuchsen, eine Urfehde hatte begonnen, wurde jedoch nach 1448 vorläufig beigelegt, die Berliner mussten klein beigeben. Mit der anschließend in drei Jahren (bis 1451) errichteten landesherrlichen Zwingburg - der Vorläuferin des in den fünfziger Jahren abgerissenen Berliner Schlosses - gingen die Selbstständigkeit der Stadt und alle alten Rechte verloren, darunter die Mitgliedschaft in der Hanse.

In der Lausitz gewann Friedrich II. die Länder Cottbus, Peitz, Teupitz und Bärwalde zurück, die bereits unter den Askaniern zur Mark gehört hatten, und auch die an den Deutschen Orden verpfändete und inzwischen stark verluderte Neumark kaufte er wieder für Brandenburg. Nur in Pommern kam er nicht voran. Als der letzte Herzog von Pommern-Stettin 1464 starb, standen sich an seiner noch offenen Gruft die rivalisierenden Parteien gegenüber, der Kurfürst von Brandenburg und der Herzog von Pommern-Wolgast. Ritter Franz von Eickstett griff nach Helm und Schild des Verstorbenen, und Wolgast erhob damit den Anspruch. Die Brandenburger zogen die Waffen. Zwar konnte ein blutiger Streit am Grabe vermieden werden, doch die Verhandlungen verliefen ergebnislos.

Nun begann ein langer Grenzkrieg mit Verwüstungen auf beiden Seiten, und ohne sein Ziel erreicht zu haben, starb Friedrich im Jahre 1470 auf seiner fränkischen Plassenburg. Er hatte das Land etwas vergrößert, doch hinterließ er 100 000 Gulden Schulden.

Schon ein Jahr früher hatte er die Regentschaft seinem Sohn übertragen. Die Last der recht langen Regierungszeit - er musste seinen Vater seit den zwanziger Jahren ständig in der Mark vertreten - hatten ihn gebeugt, die Kräfte waren verbraucht.

Aufruhr wegen Bier

Sein Sohn Albrecht Achilles (1470-1486) zog mit dem Ruf, ein mutiger Krieger zu sein, im Jahre 1470 in Brandenburg ein. Als Kind Achilles hatte er bereits zwölf Jahre in Tangermünde gelebt, dann aber zog er als junger Ritter des Königs in die Kriege seiner Zeit, kämpfte gegen den polnischen König Kasimir in Böhmen und Schlesien und folgte dann dem Ruf Kaisers Friedrich III. gegen die Türken, wobei er sich als Reichshauptmann auszeichnete. Weil die Heirat seiner Tochter mit einem polnischen Königssohn dem Kaiser missfiel, zog sich Albrecht Achilles auf seine fränkischen Besitzungen zurück. Allerdings veranlasste ihn auch hier der Ehrgeiz, seine Länder Ansbach und Kulmbach mit den Städten und Bistümern um Nürnberg zu einem Herzogtum zu vereinen, doch die reichen Nürnberger und Würzburger machten nicht mit, sodass er sich in dauernde, erfolglose Händel verwickelte. Dabei allerdings zeigte er persönlichen Mut. In einer Schlacht gegen die Nürnberger soll er trotz tapferer Wehr zusammengebrochen, unter einem Berg von Leichen und Verwundeten hervorgezogen worden sein, und als man ihn auf einem Wagen vom Schlachtfeld fahren wollte, stieg er wieder auf sein Pferd und sprach zu den Umstehenden den legendären Satz: »Ein Fürst darf in der Schlacht nicht fahren!«

1470: Nirgend kann ich rühmlicher sterben als auf dem Schlachtfelde!

Albrecht III. Achilles (1414-1486)

Der hochgewachsene Ritter könnte so recht nach dem Geschmack der märkischen Adligen gewesen sein, doch mit seinem Selbstbewusstsein als Krieger - er war beim Sturm auf Gräfenberg zuerst über die Sturmleiter in die Stadt geklettert und hatte alle Gegner abgewehrt, bis er Hilfe bekam - brachte er zugleich eine gehörige Portion Überheblichkeit ins Land, die er auch die märkischen Ritter spüren ließ. Als die Stendaler Bürgerschaft ihm zur Begrüßung ein Festmal ausrichtete, ließ er die Vertreter der anwesenden märkischen Stände nicht am Tische Platz nehmen, an dem bereits die ganze Gefolgschaft aus Franken saß. Die Einheimischen durften zusehen.

Das nahmen sie ihm übel, besonders aber beklagten sie, dass der neue Kurfürst ein strenger Finanzmann war. Unter seiner Regierung wurde eine genaue Rechnungslegung eingeführt. Er wollte die Schulden seines Vaters abbauen, und sein aufwendiger Lebenswandel mit mittelalterlichen Ritterturnieren und anderen Waffenspielen musste auch finanziert werden. Dazu benötigte er immer neues Geld, beging allerdings den Fehler, den trinkfreudigen Märkern eine Biersteuer aufzuerlegen, was in den Städten zu offenem Aufruhr und jedwedem Widerstand führte. Die gegen ihn gerichtete Stimmung mag auch dazu geführt haben, dass er sich auf die Stammburg der fränkischen Hohenzollern, die Cadolzburg, zurückzog und seinem Sohn Johann die Statthalterschaft übertrug. Allerdings wurde er streng beaufsichtigt und von kenntnisreichen kurfürstlichen Räten unterstützt. Ihre Verwaltungskunst steigerte die Einnahmen um fast fünfzig Prozent.

Albrecht Achilles wurde noch zu vielfältigen Kriegsdiensten ins Land gerufen, denn die Grenzen im Norden und im Osten waren unruhig geblieben. Als er sich nach Franken zurückzog, begannen die Streitigkeiten, vorgetragen von Norden (Pommern) und Osten (Schlesien) her, ja, sogar Frankfurt an der Oder und die Lande in der Zauche waren bedroht und wurden im Frühjahr 1478 zeitweise von Hans von Sagan erobert.

Albrecht ließ sich noch ein Vierteljahr Zeit, dann kam er mit fünfhundert fränkischen Rittern und zweitausend Söldnern und wandte sich, abgeschirmt durch die märkischen Ritter unter seinem Sohn, gegen die Pommern. Kurz vor Stettin musste er allerdings halten. Die Adligen dieses Landstriches, die Brüder Schulenburg, forderten den Waffenstillstand, denn sie wollten ihre Dörfer und Besitzungen schonen. So wurden die Pommern zwar zurückgedrängt, ein Landgewinn aber wurde nicht erzielt, vielmehr der alte Stand in einem Vertrag bestätigt.

Denn er war der Fürsten zu Frieden oder Krieg stets mächtig.

Chronist Kantzow über die Rolle des jüngeren Schulenburg

Im Herbst zog Albrecht gegen die südliche Bedrohung. Der von den Ungarn gestützte Hans von Sagan erlitt durch Johann, den Sohn Albrechts, bei Krossen eine Niederlage, damit wurden außer Krossen auch Züllichau, Bobersberg und Sommerfeld gewonnen und nicht unwichtige Eroberungen in Schlesien gemacht. Die Ostgrenze war gesichert.

Ich bin ein Vogel im Fluge, dem man beide Flügel abhauet.

Johann, beim Einfall Hans von Sagans

Unteilbares Land

Mit Albrecht Achilles ist auch ein wichtiges Hausgesetz der Hohenzollern verbunden (1473), die »Dispositio Achillea«. Es besagt, dass die Mark Brandenburg als unteilbares Gut in der Linie des ältesten Sohnes nach dem Rechte der Erstgeburt fortgeerbt werden müsse, die fränkischen Besitzungen Ansbach und Bayreuth sollten an die jüngeren Söhne fallen. Diese einschneidende Festlegung sollte sich für Brandenburg, das nach und nach anwuchs, günstig auswirken.

Albrecht Achilles hatte den Besitz erhalten und etwas gemehrt, eine funktionierende Verwaltung eingeführt, die Ostgrenze gesichert und die Unteilbarkeit des Landes verfügt. Er starb 1486 bei der Kaiserwahl Maximilians I. in Frankfurt am Main, im damals hohen Alter von zweiundsiebzig Jahren.

Sein ältester Sohn Johann (1486-1499), mit den Problemen des Landes durch seine Statthalterschaft gut vertraut, führte ohne einen Bruch die Politik des Vaters weiter. Statt der Waffen bevorzugte er die Kunst des Wortes, er galt als gebildet und beredt. So verläuft seine Herrschaft nach außen ohne aufsehenerregende Händel. 1490 kaufte er die Herrschaft Zossen und rundete damit das Gebiet im Süden ab. Die Beziehungen zu den Pommerherzögen blieben gespannt, doch friedlich. Bogislaw X. von Pommern sammelte Punkte beim Reich. Sein Ziel bestand in der Beendigung der Lehnsherrschaft zu Brandenburg, und er erreichte es, zumal er sich der Verbündeten Polen, Dänemark und Böhmen - alle seit langem Gegner Brandenburgs -, versicherte. Im Falle der Erbschaft allerdings sollte Pommern an Brandenburg fallen, aber das war nur eine theoretische Annahme.

Johann trug den Beinamen Cicero, den Namen des klassischen römischen Juristen und Staatsphilosophen, was wohl darauf hindeutet, dass er eine über dem niedrigen Niveau seiner märkischen Adligen stehende Bildung besessen haben muss, nachgewiesen ist es nicht, jedenfalls hat er die Gründung einer Landesuniversität betrieben, die nach seinem Tode in Frankfurt/Oder (1506) entstand. Melanchthon hat ihn dafür gerühmt, und wahrscheinlich erhielt er von ihm in der überschwänglichen Sprache der Humanisten den Beinamen als Fürstenlob.

Eine neue Steuer

Bekannter wurde er dem Volk als Erfinder einer neuen Steuer. Schon damals war die Besteuerung des Alkohols beliebt, allerdings nicht ohne Probleme für die Innen- und Finanzpolitik. Kurzum, Johann erließ zwei Jahre nach seinem Regierungsantritt eine Bierziese genannte Verbrauchssteuer, die einen regelrechten Aufruhr, den Bierkrieg, hervorrief. In der Altmark schäumten die Wogen besonders hoch, und die Stendaler Tuchmacher erschlugen gar die kurfürstlichen Steuereintreiber. Das ließ sich Johann nicht bieten. Er zog vor die verschlossenen Stadttore, öffnete sie nach Belagerung und griff sich die Anführer, von denen er fünf hinrichten ließ. Die Stadt verlor ihre Privilegien, und die Biersteuer wurde auf das Doppelte erhöht.

Sprecht Ihr aber nur »Ja, Herr«, so wähnt der junge Herr, es sei alles gut, und lebt in Saus und Braus, bis dass er nichts behält.

Albrecht über die Verschwendungssucht seines Sohnes zu seinem Kämmerer

Der Adel stärkt sich

Abgesehen von dieser Kraftprobe mit den Städten regierte er ruhig in Übereinstimmung mit dem märkischen Adel, der aber begann, seine Rechte gegenüber den Bauern auszudehnen.

Entgegen der alten Praxis, das Land den Bauern zur Bearbeitung zu überlassen und die dafür üblichen Abgaben zu verlangen, eigneten sich die Adligen selbst mehr und mehr auf gewaltsame Weise das Land an, was bedeutete, dass die Bauern zu Frondiensten herangezogen wurden und nicht mehr in vollem Maße frei waren. Die Einschränkung ihrer Rechte wurde mit Scheingründen bemäntelt, in Wirklichkeit handelte es sich um arge Verstöße gegen das Landesgesetz. So wandelte sich der Adel aus einer Kriegerkaste, die eigentlich die Bauern sowie das Land vor Mord und Überfällen schützen sollte und dafür Zins bekam, in eine Landbesitzerklasse, die sich mit dem Land auch die Rechte nahm, die Botmäßigkeit der Bauern zu erzwingen.