Meine besten Airlebnisse - Thomas Rupp - E-Book

Meine besten Airlebnisse E-Book

Thomas Rupp

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Beschreibung

Bei meinem Buch handelt es sich um autobiographische Erlebnisse, die spannend und amüsant vermittelt werden. Checkt ein und kommt mit mir nach Hongkong, London und Amsterdam. Aber Vorsicht, bitte anschnallen! Auf dem Weg dorthin und auch im Layover kommt es zu manchen Turbulenzen und auch turbulenten Abenteuern. Das ist mit Büroalltag nicht zu vergleichen! Viel Spaß dabei und nehmt es nicht zu ernst! Viel Spaß wünscht Euch Euer Thomas

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Seitenzahl: 190

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Meine besten Airlebnisse

VorwortMeine besten AirlebnisseImpressum

Vorwort

Eine Amerikanerin fragt die Stewardess, während sie nach unten zeigt, wo man die Eisberge von Grönland sieht: “Excuse me, Madam, is this the moon?“

Ein Amerikaner zeigt auf den Mond und fragt die Stewardess: “Is this the earth?“

So unglaublich manche Erlebnisse auch anmuten mögen, sie sind trotzdem wahr. Selbst die obigen Dialoge haben so stattgefunden. Manche Geschichten kann man einfach so erzählen, wie sie waren, dann wirken sie am besten. Bei anderen muss man mit Übertreibungen und überspitzten Formulierungen arbeiten, um mehr Würze hineinbringen zu können. Dann kommen sie besser zur Geltung. Bei meinen „Airlebnissen“ ist klar, dass ich nicht alles selbst erlebt habe, das wäre zu viel für ein Fliegerleben. Was ich aber bezeugen kann, ist die Tatsache, dass diese Anekdoten, so unglaublich manche klingen mögen, authentisch sind. Ich habe sie entweder am eigenen Leib erfahren oder sie sind mir genauso zugetragen worden. Oft sind diese realen Geschichten sogar besser als erfundene Geschehnisse oder Witze. Das heißt also, dass alles, was in meinem Buch verwendet wird, original und „mit garantiert echten Zutaten“ verarbeitet ist, nur wurden eben zum besseren Lesegenuss noch die nötigen Gewürze von mir hinzugefügt. Ich habe natürlich auch bei gewissen Nationalitäten, besonders bei der eigenen deutschen, bewusst mit einigen Stereotypen gearbeitet, um das Ganze unterhaltsamer zu gestalten. Auch gewisse Charaktere habe ich deswegen überzeichnet. Wenn sich trotzdem jemand mit einer Person beziehungsweise Gruppe identifizieren und angegriffen fühlen sollte, möchte ich mich aufrichtig bei diesen Leuten entschuldigen, da das keine Absicht ist und mich mit einer gewissen künstlerischen Freiheit verteidigen. Ich möchte nämlich niemand bewusst beleidigen. Deshalb sollte sich bitte niemand persönlich kritisiert fühlen. Ich bin auch keineswegs homophob. Ganz im Gegenteil: ich schätze meine homosexuellen Kollegen sehr wegen ihrer Feinfühligkeit und sensiblen Art und wegen der guten Zusammenarbeit mit ihnen. Ich würde bestimmt nicht meinen Beruf so lange ausführen, wenn ich nicht mit Flugbeleitern von der anderen Fakultät harmonieren würde, denn weit über fünfzig Prozent der männlichen Stewards haben diese sexuelle Gesinnung. Ich bin mir sowieso sicher, dass diejenigen von ihnen, die dieses Buch lesen, Spaß verstehen und sich auch in meine heterosexuelle Gefühlswelt hineinversetzen können. Deshalb werden sie meine Schilderungen und Kommentare auch richtig deuten. Das Buch darf eben nicht zu ernst genommen werden und sollte mit heiterem Gemüt gelesen werden, dann wird es bestimmt richtig aufgenommen.

Meine besten Airlebnisse

Zwischen Himmel und Hölle

„Hast Du den schon gehört? Zwei Haifische unterhalten sich auf der Flugzeugtoilette nach einem Flugzeugabsturz, der eine säubert sich gerade mit den Klorollen-Haltern seine Eckzähne:

„Na, Tigerflossi, wie fandst Du die Fleischauswahl heute?“

„Ganz lecker, die kleinen Flugbegleiterinnen, die heute im Angebot waren, mein kleiner Weißer! Aber der Kopilot war ein bisschen zäh, zu viel Muskelfleisch. Du weißt schon, die pumpen sich gerne auf, um den Puppen an Bord zu gefallen. Die Flachsen hängen mir immer noch zwischen den Zähnen.“

„Das ist ja gar nichts, Flossi! Ich habe die Purserette gefressen. Stell Dir vor, die war so hohl wie die Boje, die ich letztes Mal verschluckt habe. Ich kann immer noch nicht richtig tauchen!!!“

Die mir gegenübersitzende Stewardess Uschi lacht laut und herzhaft auf, sie war es ja schließlich nicht, die bei dem Witz schlecht weggekommen ist. Sie ist eine hübsche Blondine mit zurückgebundenen Haaren, die feinen Locken können im straffen Dutt gerade noch ausgemacht werden. Sie entspricht genau dem Anforderungsprofil der Airline: jung, blond, gefärbte Haare, sehr schlank und nicht zu viel hinterfragend, zu neunundneunzig Prozent Vegetarierin. Nun ja, der Gänsebraten zur Weihnachtszeit ist zu verlockend, da bricht sie jedes Jahr ihre Prinzipien, gewiss nicht so schlimm, sie isst beileibe nur eine kleine Portion. Dafür bringt sie sonst immer brav ihre Tupperware samt selbstgestrichenen Stullen, Pastinake und Guacamole mit. Die Brotschnitten sind selbstredend mit geschrotetem Vollkornbrot gemacht und nicht zu vernachlässigen sind die geachtelte Tomate und die schön säuberlich und bissfertig geschnittene Möhre. Die zwei Plastikboxen haben locker noch Platz im Eiseinschub unter der Sektflasche, der Zitrone und dem für schlechte Zeiten kaltgestellten Hägen Dasz Eis der Kollegin. Es ist sicherlich ärgerlich, wenn einem Kollegen das ganze Sortiment später beim Aufmachen entgegenfällt. Aber was geht sie das an. „Selbst schuld! Warum stellt der sich auch so ungeschickt an, er weiß doch, dass die Eisbox immer voll ist!“, denkt sie sich.

Aber nicht nur hier passt sie voll ins Bild. Wie so viele ihrer blonden Mitstreiterinnen liest sieGalaundBunte,das qualifiziert sie für die vielen spannenden und kurzweiligen Gespräche auf Kurzstrecke, wie:

„Echt knackig, die Neue vom Pocher und viel niveauvoller als die Sandy!“

Oder: „Hast Du schon gehört, die Angelina hat sich schon wieder ihren Busen machen lassen!“

Sicher, sie ist selbst Schönheitsoperationen nicht abgeneigt, sie hatte sich sogar schon ihren Busen einmal in Seoul machen und ein bisschen Botox in die Lippen spritzen lassen. Aber das waren nur kleine Eingriffe. Nun gut, auf dem Rückflug musste sie tapfer sein, die Naht an der linken Brust war ein bisschen aufgerissen und es fing zu bluten an, aber das konnte sie leicht mit ihren zauberhaft aufdrapierten, hervorstehenden Lippen wieder weglächeln, sodass sie die Kolleginnen, die natürlich Verständnis für ihre unchillige Situation hatten, für sich einnehmen konnte. Sprechen konnte sie sowieso nicht so viel, weil die momentan wie Luftkissen aufgeblähten Lippenschläuche noch etwas in den Mundwinkeln spannten. Sie sagte nur: “Piiief änd Laaaf!“ Sie wollte eigentlich “Peace and Love!“ artikulieren, aber sie konnte eben ihre Schläuche nicht so schnell zusammenrollen, um es richtig hinzubekommen. Dafür akzentuierte sie umso mehr das Peace-Zeichen mit zwei Fingern der rechten Hand. Das war ja wohl unmissverständlich.

Aber alles, was sie machen ließ, war schließlich eh nichts im Vergleich zu anderen. Sie hatte von einem schwulen Kollegen gehört, der seine Pobacken in Seoul vergrößern hatte lassen und dann mit den frisch eingebauten Silikonkissen gleich wieder zurückgeflogen ist. Nun ja, die Konkurrenz schläft nicht, da hat er schon recht. Außerdem nagt die Schwerkraft im Alter am schwachen Fleisch, gerade hier in solch schwindelerregender Höhe im Flugzeug. Aber natürlich erhöht das auch immens den Druck auf die Airbags in der hinteren Stoßstange (das ist jetzt aber nicht zweideutig gemeint!!!). So kam es wie es kommen musste: Auf dem Rückflug gab es kleinere Komplikationen, es spannte am Hintern. Vielleicht hätte er doch die teurere Variante und nicht nur den Assistenzarzt nehmen sollen. Dann hätte er die sich selbst auflösenden Nähte bekommen, die hätten von Anfang an nicht so ins Fleisch eingeschnitten. Er hatte sich gleich gewundert. Aber das Billigangebot war so verlockend und ging viel schneller. Er musste schließlich unmittelbar wieder zurück. Aber jetzt war es zu spät. Der arme - aber dennoch kein Mitleid erregende Flugbegleiter - konnte sich nicht mehr bewegen, geschweige denn hinsetzen. Die anschließende, vom inzwischen unterrichteten Kapitän, eingeleitete Zwischenlandung konnte er nur auf dem Bauch liegend im Crewrest (der Schlafkoje für die Crew im unteren Kompartiment des Fliegers) ertragen, wo er sich dann nach dem Aufsetzen der Maschine unter harschen, vorwurfsvollen Worten seiner Vorgesetzten vor Schmerzen hin und her krümmte und gar nicht wusste, was die alle von ihm wollten. Tja, das war wohl sein letzter Flug als Steward der Lüfte. Uschi dachte sich, dass das völlig zu Recht sei. Dagegen war ihre Sache nur Peanuts!

Als nach dem Start die Anschnallzeichen ausgehen, bin ich über die neuesten Geschichten im Showbiz bestens unterrichtet. Ich habe der kompletten Konversation der beiden gegenübersitzenden Kolleginnen unfreiwillig folgen müssen. Sie haben sich teils exaltiert, teils in höchsten Tönen kichernd über die aktuellsten Skandale und Skandälchen einiger Filmgrößen und A- bis Z- Promis ausgelassen haben. Auch die Bewerberinnen des Bachelors und welche der heißen Frauen in der Gunst des Schönlings vorne liegen waren wichtige Themen: „Also da war ich schon gerührt, als der Bachelor Paul der Jenny eine Rose überreicht hat und sie ihn dann küssen durfte! Die passen soooo gut zusammen!“

Ich könnte es nicht beschwören, aber ich hatte den Eindruck, dass der armen Uschi beim Erzählen eine Träne über die Wange rutschte! Ich durfte auch erfahren, dass sich sogar eine Flugbegleiterin unter den Bewerberinnen befand und sie eine gute Figur abgäbe. Ich dachte mir, dass das ja logisch sei bei der gewiss vorbildlichen vegetarischen Ernährung.

Der Höhepunkt der geistreichen Konversation war aber der neueste Klatsch über gewisse Cockpitkollegen, die alle Plaudertaschen kannten und nicht wenige Beiträge begannen so: „Weißt Du schon, der so und so ist jetzt mit der dies und das zusammen! ….“

Tja, offenbar kennt man sich untereinander. Sichtlich erschöpft von dem ganzen Tratsch und von der Anstrengung, krampfhaft an etwas anderes zu denken oder einen schönen Ohrwurm in den Kopf zu bekommen, um mich abzulenken, während die Flugbegleiterinnen sich so lautstark und schnatternd über die Galaweisheiten unterhielten, gehe ich, sobald es möglich ist, zu meinem Arbeitsbereich in der Businessclass. Ich komme dabei an Chris vorbei, ein sehr netter Kollege. Er winkt mich mit erhobenem Arm und affektiert angewinkelter rechter Hand aufgeregt herbei und haucht mir in hoher, singender Intonation zu: „Hoffentlich wird der Flug nicht wieder so anstrengend! Immer diese vollen Flüge, das ist nichts für mich! Aach nee wirklich!“ Er macht jetzt mit seiner rechten Hand eine abwinkende, wegwischende Bewegung nach vorne. Das Ganze unterstreicht er mit einem verzerrten, gequälten Gesichtsausdruck und geneigtem Kopf, als ob ihm etwas ganz Schlimmes widerfahren wäre! Man könnte fast Mitleid kriegen!

„Mein einziger Trost ist der Kaviar in der Firstclass. Da hab` ich mir gleich eine Dose reservieeert und auf Eis gelegt, man kann nie wissen! Der ist ja soooo lecker!“

Dieses Mal hat er zum Nachdruck seine linke Hand komplett im 90 Grad-Winkel abgewinkelt und fügt hinzu, so als ob er für sich ein zusätzliches positives Zeichen zum Anfang eines sehr langen und nervenaufreibenden Fluges schaffen wollte: „Hast Du übrigens den heißen Schlingel in der ersten Reihe rechts gesehen? Das ist schon ein unverschämt aufreizender Süßer, findest Du nicht auch?“ Anscheinend weiß mein netter Kollege nicht mehr, dass ich hetero bin. Aber ich glaube, selbst wenn es der Fall wäre, würde er mich das fragen. Ich kann mich sogar noch daran erinnern, wie er mir das letzte Mal, als wir geflogen sind, offenherzig erzählt hat, dass seine Oma ihn gefragt hat:

„Aber mein Junge, das ist doch saublöd bei Euch! Wenn ihr Sex habt, dann könnt ihr euch ja nicht mal in die Augen schauen!“

Er hat sie natürlich ausgelacht und dann aufgeklärt:

„Menno Oma! Das geht sehr wohl! Ich muss doch nur seine Beine spreizen, seinen Po ein bisschen an den Beinen nach oben ziehen und ihn von vorne rannehmen! Du Dummerchen!“

Das klingt freilich logisch und dennoch möchte ich mir das so gar nicht bildlich vorstellen! Man kommt in meinem Beruf öfters mit homosexuellen Männern in Kontakt, diese sind aber sehr feinfühlig (ich würde sagen, manchmal sensibler als Frauen, sogar zickiger und launischer, wenn sie zu viele weibliche Gene besitzen) und merken folglich schnell, ob man dieselben Sexpraktiken wie sie selbst bevorzugt oder eben nicht. Deswegen werde ich so gut wie nie von diesen Kollegen angemacht und es kann mitunter äußerst lustig mit schwulen Stewards sein.

Einmal bin ich im Layover in San Francisco mit zwei freundlichen schwulen Kollegen nach Castro, dem Schwulenviertel, mitgegangen, da einer der Flugbegleiter seine Schwester dabeihatte. Ich wähnte mich dadurch in gleichgesinnter Gesellschaft und machte den Spaß mit, weil ich annahm, dass die Schwester auch hetero war. Wir kamen gleich gut ins Gespräch und als sie mich dann auf dem Hinweg nach Castro fragte, ob ich schon einmal etwas mit einem Mann gehabt hätte, verneinte ich. Darauf beichtete sie mir, dass sie sehr wohl etwas mit einer Frau gehabt hätte (frei nach dem Motto: „I kissed a girl and I liked it!“) und sie es ziemlich gut gefunden hatte. Ich hatte jetzt das dringende Bedürfnis umzudrehen. Aber wir waren schon fast am Ziel angekommen. Das merkte man daran, dass, wenn wir an einem Restaurant vorbeikamen, sich alle Hälse der darinsitzenden Männer wie die von Graugänsen im Zoo simultan in unsere Richtung bewegten. Das Ganze wurde von lüsternen Blicken begleitet, wie man sich gut vorstellen kann. Oder bildete ich mir das bloß ein, weil ich mich beobachtet fühlte? Ehe ich mich versah, führte uns der Weg schnurstracks in einen Sexshop, wo ich dann sofort umdenken musste: Es standen keine aufreizenden Frauenmodelle mit Strapsen in den Schaufenstern, sondern Männer mit Stringtangas und Muskelshirts. Das erinnerte mich an die „Rocky Horror Picture Show“. Mieder und Reizwäsche waren, glaub ich, auch noch zu sehen. Ich entsinne mich nicht mehr genau. Aber eines ging mir nicht mehr aus dem Kopf, weil es so abstrus war: da waren Dildos in Originalgröße von „Stars“ mit selbstsprechenden Namen wieLong Dong SilveroderGold Digger. Die waren wirklich eins zu eins nachgebildet mit jeder Ader und jeder Sehne und Minimum zwanzig Zentimeter lang, das ist kein Witz. Aber mein Brechreiz steigerte sich erst ins Unermessliche, als ich in den Fernsehern, die an der Wand hingen, Schwulenpornos sah. Bei diesen vergnügten sich mehrere Männer miteinander, wobei sie irgendwie ineinander verknäult waren. Nun ja, ich sage nur: die Dildos brauchten sie dazu nicht.

„Tja, nicht jedermanns Sache!“, sagte Gabriele (eigentlich Gabriel, aber ich nannte ihn Gabriele mit südländischem Akzent wegen seiner Latinoherkunft und seinem süßen weiblichen Gehabe).

„Aber ich find`s schon sexy!“, fügte er an und rieb genüsslich an einem zu groß geratenen Dildo. So, ich hatte mittlerweile genug von männlichem Sexspielzeug, Gestreichle und Gestöhne - ich musste hier raus! Zum Glück hatten die anderen ihre Einkäufe und ihren Flirt mit dem (süßen?) maximalpigmentierten Verkäufer erledigt und wir hatten inzwischen alle Lust auf ein kühles, frisch gezapftes Bierchen. Ich nicht unbedingt in einer der benachbarten Bars, es hätte ruhig wieder zurück in unsere Hotelgegend gehen können. Aber nun waren wir schon mal hier, da konnte man nichts machen: mitgefangen, mitgegangen! Also führte uns der Weg in einen schummrig beleuchteten Nachtklub.

Als wir an der Bar angekommen waren, wurde lustigerweise als erstes unser einziges Mädchen von einer kurz geschorenen Kampflesbe angemacht. Ich war erleichtert, als Cara, so hieß unsere Begleitung, ihr einen Korb gab. Anscheinend lag ihre Präferenz doch beim anderen Geschlecht. Oder hing ihre Ablehnung nur mit dem abschreckenden Aussehen der kahl geschorenen und offenherzigen, vollbusigen „Schönen“ zusammen? Egal, wir kauften uns auf jeden Fall ein Budweiser und machten uns auf zum hinteren Bereich des Nachtlokals, der mit Lasern beleuchtet war. Mehrere Fernseher waren dort aufgehängt und Discokugeln drehten sich in allen Farben und in alle Richtungen und schufen die wildesten Lichteffekte. Vielleicht gab es auch ein paar verliebte, sich selig in die Augen schauende Tänzer, ich erinnere mich nicht mehr genau. Vielleicht waren da auch sehr männliche, sich hart an der Lende (oder wo anders?) anfassende Paartänzer; ich weiß es nicht mehr. Vielleicht waren da Stripper auf der Bühne, die die Zunge genüsslich gen potentiellen Opfern herausstreckten? Aber das muss ja nicht zwangsläufig so sein und das wären Stereotype, die mir zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich weitergeholfen hätten! Es liefen gefühlvolle, sentimentale Lieder vonBronsky BeatundFrankie Goes to Hollywood, so viel ist verbrieft. Plötzlich wurde mir klar, dass diese melodiösen Songs, die vor einigen Jahren sehr aktuell gewesen waren und durchaus als Mainstream galten, von Homos zum Teil viel mehr verehrt wurden als von Heteros, dass Lieder wie „Barcelona“ vonFreddie Mercuryregelrechte Hymnen für Schwulegewesen sein mussten. Glücklicherweise verlief der Abend relativ ruhig für mich, sodass außer ein paar Avancen von Klubgästen in Richtung meiner homosexuellen Begleiter und ein paar verbotener und schnell zurückgewiesener heimlicher Berührungen im Vorbeigehen nichts weiter zu berichten war. Ein junger Mann saß sich an unseren Tisch neben meine schwule Begleitung. Aber er war ganz nett und nicht aufdringlich. Die homosexuelle Gemeinschaft tauschte auch noch Telefonnummern und E-Mails aus, aber ansonsten war der Abend angenehm ereignisarm. Für mich war meine Unternehmung an sich schon Abenteuer genug, sodass ich erleichtert mit den anderen zurück ins Hotel fahren konnte.

Aber zurück zu unserem Flug, der übrigens ganz voll ist und nach Hongkong geht: Kaum in der Businessclass angelangt, beginnt auch schon der Service. Es gibt heute ein Galleybriefing (das ist eine kurze Servicebesprechung in der Flugzeugküche der Businessclass), weil wir eine Neue haben, die muss genau eingewiesen werden. Was wir ihr gleich erzählen müssen, ist, dass wir altmodische Tetrapaks geladen haben, weil ein Engpass beim Tomatensaft besteht. Bei diesen fiesen Kartons muss man zuerst ein Luftloch hineinbohren, um den Unterdruck im Pack auszugleichen. (Das ist vergleichbar mit den Dosenmilchbüchsen, bei denen man auf der einen Seite ein Loch ins Blech bohren muss, um etwas auf der anderen Seite herauszubekommen.) Ich wusste gar nicht, dass solche Saftkartons überhaupt noch existieren! Aber gut, das ist ein wesentlicher Punkt in der Einweisung. Wie es in solchen Fällen jedoch immer kommen muss, ist unsere kleine Freundin bei ihrem ersten Service in der Business Class so aufgeregt, dass sie beim Tomatensaft an das Gesagte nicht mehr denkt und ganz serviceorientiert den Karton heftig schütteln will, bevor sie ihn serviert, um das Fruchtfleisch harmonisch in der Packung zu verteilen und den Fruchtanteil nach oben zu befördern. Leider hat sie nicht bedacht, dass eine Kollegin das besagte Luftloch zum besseren Ausgießen schon vorbereitet hat, sodass die rote zähflüssige Flüssigkeit ungehindert hervordringen kann. Das macht sie dann auch gewaltig. Ich möchte nun kurz das sich mir bietende Bild für Götter schildern:

Wie in Zeitlupe spulte sich das unvermeidliche Drehbuch des Schreckens vor mir ab. Bei der ersten kräftigen Ausholbewegung nach hinten musste bereits das blütenweiße Hemd von Hr. Dr. h. c. Weißgerber dran glauben. Außerdem konnten herunterlaufende, feuerrote Schlieren auch am Ohr und der Nase des besagten ehrenwerten Herren ausgemacht werden. Das anschließende feine Rinnsal den Rücken entlang arbeitete sich langsam und sicher bis in die Ritze des Allerwertesten des hochdekorierten Gelehrten mit dem eleganten Nadelstreifenanzug vor. Es konnte freilich nur von dem feinen Herrn selbst in vollen Zügen genossen werden und verbarg sich leider dem aufmerksamen Auge des zwischen Entsetzen und Verzückung hin und her gerissenen Zuschauers. Der anschließende Schlenker nach vorn konnte wieder in voller Pracht vom ganzen Publikum mitvollzogen werden, betraf dann aber eher die selbstbewusste, hochnäsige Dame im Pelz zwei Reihen weiter vorne, übrigens die Frau des vornehmen Senators Hr. Dr. von und zu Hochwald. Das Ganze wäre ja noch zu ertragen gewesen, wenn nicht die anschließende Rechte unserer bemitleidenswerten Kleinen eine volle Breitseite auf den schlafenden HON (das ist ein honourable, also ein ehrenwerter Herr) gespritzt hätte. Nun gab es kein Halten mehr: Es folgte eine schnelle Kombination aus rechten Hämmern und danach noch eine Rechtslinks-Kombination, die zur Entlastung der vorher beanspruchten Hand gedacht war. Das waren jetzt alles Wirkungstreffer: Zuerst trafen sie in schneller, willkürlicher Reihenfolge die Brille von Mr. Gold, dem Star Alliance-Member der United Airlines, dann die Glatze eines Professors; ein unwürdiges, weil gänzlich unangemessenes und absurd irreales Bild, wie die schleimige Brühe über die zuvor glänzend polierte Platte herunter triefte. Dann hätte er sich das ja gleich sparen können! Die nächste, jetzt beidhändige Kombination - die Kraft der zarten Kollegin ließ inzwischen etwas nach, was verständlich und deshalb auch zu entschuldigen war - bespritzte in rascher Abfolge ein Schoßhündchen, einen jugendlichen Schreihals, ein Baby und eine in ihre Arbeit am Computer versunkene Frau samt Laptop. Es war wie auf einem surrealen Bild von Picasso, das aus einem Albtraum stammte und auf dem - vermeintlich zur Betonung des Schreckens - bewusst Blut verspritzt wurde. Dasselbe mussten sich die Gäste denken, denn sie waren sprachlos. Jeder war total erschrocken und schaute entsetzt (nicht zu verwechseln mit schadenfroh!) auf den Schaden des anderen, sodass die Gäste wie in einem Schockzustand zunächst gar nicht realisierten, dass sie selbst betroffen waren! Als die Flugbegleiterin zum ersten Mal bemerkte, was sie angerichtet hatte, war ihr bewusst, dass die Situation mit Entschuldigungen nicht mehr gut zu machen war. Sie lief heulend vor Entsetzen in die Galley. Sie konnte doch nichts dafür und warum musste ihr das auf dem allerersten Flug in der Businessclass passieren? Vroni - so war ihr Name- war inzwischen nicht mehr von uns erfahreneren Flugbegleitern zu beruhigen, sie hatte einen Weinkrampf, einem Kleinkind nicht unähnlich. Wir schlossen sie in die Arme und versuchten, sie aufzumuntern. Wir sagten ihr, dass wir in die Kabine gehen würden, um mit den Gästen zu reden und um ihnen Reinigungsgutscheine als Entschädigung für den erlittenen Schaden zu überreichen. Es war auch gut, dass wir gleich in die Kabine gingen, denn immer noch waren die Gäste seltsam benommen vom Überraschungseffekt, um nicht zu sagen Schock, und nahmen die Gutscheine willenlos und regungslos an, ohne sich aufzuregen oder zu protestieren. Für die Neue war es allerdings wie ein Trauma.

Später hörte ich, dass sie aufgehört hätte. Den Rest hat ihr anscheinend die Belastung der Kurzstrecke gegeben. Da muss man nämlich immer entweder ganz früh aufstehen oder bis in die Puppen herumfliegen, sodass man bis zum Wakeup Call schlafen muss, weil man vom Vortag noch so fertig ist. Das Letzte, das ich von der Kollegin gehört habe, ist folgende Geschichte: Sie war nach der Probezeit auf die Kurzstrecke eingewiesen worden. Dort hatte sie ein paar anstrengende Touren mit mindestens vier Flügen am Tag. Nun ja, sie glänzte schon damals eher durch Schönheit als durch Fleiß. Diese Umläufe machte sie wohl einige Male widerwillig mit. Als sich dann aber auch noch die Tour änderte und ihre Crew nicht nach London, sondern nach Hannover fliegen musste, war das zu viel für sie. All die herbeigesehnten, im Kopf schon ausgemalten und bis ins Detail vorgeplanten Shoppingtouren mussten ausfallen. Sie hatte sich sogar eine Einkaufsroute zurechtgelegt. Natürlich wäre sie in die Oxford Street gegangen, das war ja nur einen Katzensprung vom Crewhotel entfernt. Dort hätte sie aber nicht, wie alle vermutet hätten, gleich die Edelboutiquen aufgesucht. Nein,siehätte zuerst nach den Schnäppchen im Primark geschaut, sie war ja clever. Der Rundweg hätte sie zum TK Max geführt, wo es immer Markenware zu Schleuderpreisen gibt. Darauf wäre sie locker und flockig, ein Liedchen trällernd, in den neuen trendigen Sachen die Oxford Street entlangspaziert, wo sie dann Powershopping im H&M und Zarah zelebriert hätte. Eine Handtasche und ein Paar Schuhe hätten mindestens dran glauben müssen! Vielleicht sogar noch ein Top, wenn sich das passende gezeigt hätte. Ansonsten hätte sie es dann noch einmal in Barcelona probiert. Da konnte man auch immer sehr günstige Chucks und Jacken finden, viel günstiger und schicker als in Deutschland. Komplettiert hätte sie ihren Shoppingtrip mit einem Streifzug durch den Piccadilly Circus, um am Ende wieder zur heiß geliebten Oxford Street zurückzukehren und das Ganze mit einer Chai Latte mit Kokosmilch und Karamellgeschmack im Starbucks abzurunden. Das wäre so spitze gewesen!

Als dann aber dieser heiß ersehnte Traum wie eine Seifenblase zerplatzte, war das der Tropfen auf den heißen Stein für sie, der alle Dämme brechen ließ (das muss traurigerweise auch wörtlich genommen werden, ich kann mir gut vorstellen, was sie in der Nacht durchgemacht hat!). Sie erschien am nächsten Tag zu ihrem Frühaufsteher in Hannover folgerichtig nicht zum Pickup. Die restliche Crew inklusive Kapitän war ratlos und rief in ihrem Zimmer an, aber da ging keiner dran, anscheinend war sie gerade auf dem Weg nach unten. Aber zur großen Verwunderung der Mannschaft erschien sie nicht in Uniform und schön zurechtgemacht, wie man das erwarten durfte, sondern in privater Kleidung. Auf die Frage, ob sie nicht wüsste, dass sie ganz normal arbeiten müsste, sagte sie nur sehr bestimmt und mit einem Ton der Endgültigkeit: „Ich habe heute Nacht mit meinem Vater telefoniert und er hat mir gesagt, ich müsste das hier nicht machen! Er hat gesagt, so früh müsste ich nicht aufstehen und so viele Flüge am Tag müsste ich schon gleich gar nicht machen, das sei unmenschlich! Er hat auch ganz klar gesagt, ich müsste auf mich achten, da ich später noch studieren solle. Er hat recht! Ich will modeln. Der wenige Schlaf ist nicht gut für meinen Teint. Ich kann es mir auch nicht leisten, immer mehr Augenringe zu bekommen. Das steht mir nicht gut zu Gesicht!“

Man kann sich vorstellen, in welche Richtung ihre Stupsnase zeigte und wie ihre offenen Haare herumgeworfen wurden, als sie das genüsslich pointiert und selbstbewusst verkündete.

Darauf antwortete der Pilot, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte, nur lakonisch: „Das ist richtig! Du musst nicht mitfliegen und deine Gesundheit riskieren! Das ist nichts für Dich! Du bleibst dann einfach hier und legst Dich wieder hin!“ Er machte sich nicht einmal die Mühe, ihr zu erklären, dass das für immer gemeint sei und dass sie sich privat einen Flieger suchen müsse. So hoffnungslos war der Fall. Na ja, man kann es nicht allen immer recht machen, die Fliegerei ist kein Wunschkonzert!

Als sich die Gäste auf dem Flug endlich alle Schäden und Verunreinigungen mit unserer Hilfe beseitigt haben, geht der Service seinen normalen Lauf. Soweit man dies nach solch einer Episode noch sagen kann. Nach dem gemeinsamen Abendessen der Crews in den Galleys und der Wachen- und Pauseneinteilung begeben sich dieCrewmemberauf ihre Positionen oder ins Crewrest. Ich dagegen werde von den Piloten ins Cockpit gebeten, da sie mich genauer befragen wollen über mein Horrorerlebnis in Bombay. Ich bin im Jahr 2008 nämlich während meinesLayoversin der indischen Metropole in einen Terroranschlag geraten. Das möchten sie im Cockpit jetzt näher erfahren. Also muss ich ihnen nochmals die spannende Geschichte erzählen: