Meine Mama weiß, was in den Städten vor sich geht - Radmila Petrović - E-Book

Meine Mama weiß, was in den Städten vor sich geht E-Book

Radmila Petrović

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Beschreibung

In meinem Dorf gibt es unterwürfige Frauen und tote Frauen. Nie habe ich ganz das Dorf verlassen, nie bin ich ganz in diese Wohnung eingezogen. Morgens denke ich zuerst darüber nach, wo ich bin und ob man ein stürmisches Pfeifen oder den Lärm im Herzen meiner Mutter hört. Du sagst, ich bin schön, aber auch irgendwie immer traurig, wie Prinzessinendonuts am Todestag. Auch ich wollte ein Blütenblatt sein, aber ich bin Gras, das aus dem Beton herauswächst; ich bin der Fluss Morava, der droht, sich in jedermanns Schuhe zu ergießen. Nichts macht dich stärker als eine Familie, in der Kinder wie Mais aufwachsen, vorausgesetzt, du überlebst es. Vielleicht weiß ich nicht einmal, ob ich mich noch mit etwas anderem verbunden fühle als mit dem Vers. Du schreibst auch. Gedichte für mich, Romane für sie. Aber egal, Poesie ist mir lieber. Meine Mama weiß, was in den Städten vor sich geht. Aber ich weiß, warum man in sie zieht.

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Seitenzahl: 52

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Die Herausgabe dieses Werks wurde gefördert durch TRADUKI, ein literarisches Netzwerk, dem das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten der Republik Österreich, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland, die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, die Interessengemeinschaft Übersetzerinnen Übersetzer (Literaturhaus Wien) im Auftrag des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport der Republik Österreich, das Goethe-Institut, die S. Fischer Stiftung, die Slowenische Buchagentur, das Ministerium für Kultur und Medien der Republik Kroatien, das Ministerium für Gesellschaft und Kultur von Liechtenstein, die Kulturstiftung Liechtenstein, das Ministerium für Kultur der Republik Albanien, das Ministerium für Kultur und Information der Republik Serbien, das Ministerium für Kultur Rumäniens, das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport von Montenegro, die Leipziger Buchmesse, das Ministerium für Kultur der Republik Nordmazedonien und das Ministerium für Kultur der Republik Bulgarien angehören.

Meine Mama weiß, was in den Städten vor sich geht

Radmila Petrović

AUS DEM SERBISCHEN VON PHILINE BICKHARDTUND DENIJEN PAULJEVIĆ

Sadržaj

Devojka koja ne veruje u mitove

Govorili su mi da je Beograd grad u kome nikog ne smeš da pogledaš u oči

Prase na Vol Stritu

Moja loza ima dar da skrati liniju života

Ekonomija žudnje

Krtičnjak

Pre polaska u školu znala sam šta je oduzimanje

Prokletstvo šume

Iznad tvojih ključnih kostiju

Četiri poljupca da spasemo svet

Zašto sestra plače?

Pesmu ne bih nazvala po ulici Požeškoj

Taj momak je spreman sve da ostavi, samo ne cigarete

Zdravo, tata, hrabra sam, samo, nisi nas vodio na more

Šuma, plug, jagorčevina

Ne umem toplije

Nemam s kim da pljujem u lavabo naizmenično pastu za zube

Trubači

Odjeci šume

Planina u plamenu

Kad me opišeš prijateljima kažu šta će ti to

Moja mama zna šta se dešava u gradovima

Pismo tati

Nigde utehe

Samo proveravam

Tetka kaže to je smrt za pravoslavlje

Igračke ste kupovali za sina

Ako ljubav, onda šta?

Njena haljina

Dva minuta bez poezije

Srpkinja sam, al’ mi Kosovo nije u srcu, nego ti

Brda

Sanjam oca i noževe, noževe, noževe

Do mog srca treba deset minuta kolima

Jezik bilja

Cvetin sin se nije ženio

Je l’ tuga sa sela?

Ako je ljubav, onda je ljubav

Samo želim nekog da rasklopimo traktor mog oca u tišini

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Das Mädchen, das nicht an Mythen glaubt

Man sagte mir, Belgrad ist eine Stadt, in der du niemand in die Augen schauen darfst

Das Ferkel auf der Wall Street

Meine Familie hat die Gabe, die Lebenslinie zu verkürzen

Die Ökonomie der Begierde

Maulwurfshügel

Noch vor der Einschulung wusste ich was Subtrahieren ist

Fluch des Waldes

Über deinen Schlüsselbeinen

Vier Küsse, damit wir die Welt retten

Warum weint die Schwester?

Das Gedicht würde ich nicht nach der Požeškastraße nennen

Dieser Kerl ist bereit, mit allem aufzuhören, bloß nicht mit dem Rauchen

Hallo Papa, ich bin mutig, nur bist du nie mit uns ans Meer gefahren

Wald, Pflug, Primel

Ich kann es nicht wärmer

Ich habe niemand, mit dem ich abwechselnd die Zahnpasta ins Waschbecken spucken kann

Blasmusiker

Widerhall des Waldes

Der Berg in Flammen

Wenn du mich deinen Freunden beschreibst, sagen sie, was willst du mit der?

Meine Mama weiß, was in den Städten vor sich geht

Der Brief an Papa

Nirgends Trost

Ich hinterfrage nur

Meine Tante sagt, das ist der Tod für die Orthodoxie

Das Spielzeug habt ihr für den Sohn gekauft

Wenn Liebe, was dann?

Ihr Kleid

Zwei Minuten ohne Poesie

Ich bin Serbin, aber nicht der Kosovo ist in meinem Herzen, sondern du

Hügel

Ich träume vom Vater und Messern, Messern, Messern

Bis zu meinem Herzen sind es zehn Minuten mit dem Auto

Pflanzensprache

Zvetas Sohn hat nicht geheiratet

Ist die Wehmut vom Lande?

Wenn es Liebe ist, ist es Liebe

Ich wünsche mir nur jemanden, mit dem ich den Traktor meines Vaters in Stille auseinandernehmen kann

Vorwort

von Andrea Petković

Ich komme nicht von der Poesie, ich komme von der Prosa. Sicher, wie vermutlich jede Schreibende habe auch ich mich als Teenagerin zunächst an Gedichte gewagt, um die in mir plötzlich aufkommenden überbordenden Gefühle mit Worten zu zähmen. Ich stellte ziemlich schnell fest, dass es gar nicht so einfach ist, ein Gedicht zu schreiben. Geschweige denn ein gutes Gedicht. Radmila Petrović hat dieses Problem zum Glück nicht. Obwohl wir beide mit dem fast gleichen Nachnamen gesegnet wurden (oder gestraft, wie man’s nimmt), ist das Talent zum Gedichte-Schreiben durchweg einseitig verteilt. Wie Sie sich vielleicht denken können, zu meinen Ungunsten.

Mir tun die Teenager leid, die mit Radmilas Gedichten konfrontiert werden, denn auch sie werden denken, dass es leicht ist. So elegant, so leichtfüßig kommen die Verse über die Seiten getrabt. Sie lassen fast die Schwermut darunter vergessen.

Es ist egal, dass ich von der Prosa komme und von mir behaupte, nichts von Poesie zu verstehen, denn was Poesie vermag, kann ich hier Seite für Seite erleben, erfühlen, ertasten, erschmecken. Wie Radmila Petrovićs Worte Bilder zeichnen, skizzieren und doch punktgenau landen, kein Wort zu viel verwendend. Wie sie Geschmäcker meiner Kindheit heraufbeschwören, von Kirschen und Wassermelonen im Sommer, von Himbeeren und rakija. Wie sie ganze Familiendynamiken aufdecken und wieder verschleiern, etwas ahnen lassen und doch mysteriös bleiben.

Die Form, die die Bilder annehmen, mag sehr Balkan sein. Die Kohlstrünke und die Traktoren, die Hitze im Hochsommer, tanzende Menschen bei Beerdigungen, Blaskapellen und versteckte Messer in Hosentaschen. Aber die darunterliegenden Kämpfe um individuelle Freiheit, ums Erwachsenwerden, ums Emanzipieren von seinen Eltern und dem Dorf, in dem man aufgewachsen ist, sind universell. Die Entfremdung von den Menschen, die man liebt und mit denen man via Blut ein Leben lang verbandelt bleibt, die man aber, je erwachsener man wird, immer weniger versteht, die einen selbst von Tag zu Tag weniger verstehen, je erwachsener man wird, ist auf jeder Seite greifbar.