Menander und Glycerion - Christoph Martin Wieland - E-Book

Menander und Glycerion E-Book

Christoph Martin Wieland

0,0

Beschreibung

Menander und Glycerion ist ein Roman von Christoph Martin Wieland. Er erzählt eine fiktive Geschichte in der hellenistischen Antike, obwohl der Figur des Menander ein historisch realer Komödiendichter zugrunde liegt. Außer durch die für Wieland typische elegante sprachliche Form und den für ihn ebenso bezeichnenden Humor, der in immer neuen überraschenden Wendungen seine Figuren teils als Idealgestalten, teils aber gerade auch als Menschen mit Fehlern zeichnet, ist an diesem kleinen Roman bemerkenswert, dass die weibliche Protagonistin insgesamt dem männlichen Protagonisten weder geistig, noch körperlich, weder an Klugheit oder Ethos, mithin Charakter, noch an äußerlicher Schönheit oder Anmut unterlegen ist, im Gegenteil, der Autor lässt den zu Beginn scheinbaren Protagonisten Menander, am Ende im Vergleich zur nun gleichsam zur wahren Protagonistin gewordenen Glycerion, eher alt aussehen. Beider Charakter entwickelt sich im Laufe der Handlung, die über einige Jahre geht – insofern ist es zugleich ein Entwicklungsroman. Menander lernt dabei insbesondere seine Fehler und Grenzen kennen, Glycerion entwickelt sich vom unbedarften Mädchen aus der Provinz zu einer immer noch schönen, nun aber klügeren und charakterlich reiferen, dabei aber nach wie vor mental und emotional intelligenten und zugleich moralisch integren Frau. Christoph Martin Wieland (1733-1813) war ein deutscher Dichter, Übersetzer und Herausgeber zur Zeit der Aufklärung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 124

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Christoph Martin Wieland

Menander und Glycerion

Eine moderne Liebesgeschichte aus dem alten Griechenland

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-2542-2

Inhaltsverzeichnis

Vorbericht
I. Menander an Dinias
II. Menander an den Mahler Nicias
III. Menander an Dinias
IV. Nicias an Menander
V. Glycera an ihre Verwandte Nannion zu Sicyon
VI. Menander an Dinias
VII. Glycera an Nannion
VIII. Menander an Dinias
IX. Menander an Glycera
X. Menander an Dinias
XI. Glycera an Nannion
XII. Glycera an Menander
XIII. Glycera an Nannion
XIV. Menander an Dinias
XV. Glycera an Menander
XVI. Menander an Glycera
XVII. Nannion an Glycera
XVIII. Glycera an Nannion
XIX. Glycera an Leontium
XX. Leontion an Glycera
XXI. Glycera an Menander
XXII. Menander an Glycera
XXIII. Glycera an Menander
XXIV. Menander an Glycera
XXV. Menander an Dinias
XXVI. An ebendenselben
XXVII. Glycera an Leontium
XXVIII. Leontion an Glycera
XXIX. Glycera an Leontion
XXX. Glycera an ebendieselbe
XXXI. Menander an Dinias
XXXII. Glycera an Leontion
XXXIII. Leontion an Glycera
XXXIV. Glycera an Leontion
XXXV. Menander an Dinias
XXXVI. Menander an Glycera
XXXVII. Glycera an Menander
XXXVIII. Leontion an Glycera
XXXIX. Glycera an Leontion
XL. Glycera an ebendieselbe

Vorbericht

Inhaltsverzeichnis

Die Glycera oder Glycerion dieser Briefe ist eine ganz andere, als die Glycera des Athenäus, welcher selbst zu vermuthen scheint, daß es mehr als Eine berühmte Schöne dieses Nahmens gegeben habe. Die unsrige ist wenigstens zwanzig Jahre jünger, und mit der Stephanopolis oder Stephanoplokos (Kränzehändlerin oder Kränzeflechterin) des Mahlers Pausias, deren der ältere Plinius erwähnt, und mit der Glycera, welche Alciphron einen so schönen Brief an Menandern schreiben läßt, daß man ihn für ächt halten möchte, eine und ebendieselbe Person.

In dem Menander, den uns diese Briefe darstellen, werden griechischgelehrte Leser (wenn sie anders solchen Lesern in die Hände fallen sollten) alle die Züge wieder finden, die von dem Karakter des berühmten komischen Dichters dieses Nahmens theils aus den übrig gebliebenen Trümmern seiner Werke, nicht ohne eine Art von Divinazion, errathen oder geahnet werden können, theils von dem Herausgeber derselben, Le Clerc, aus alten Schriftstellern zusammengetragen worden sind.

Die sechs Jahre, worin diese Briefe geschrieben sein sollen, fallen zwischen die 116te und 117te Olympiade, in eine Zeit, wo Athen, die glänzende aber stürmische politische Rolle, die es 150 Jahre lang gespielt hatte, und die stolzen Ansprüche an die höchste Gewalt in Griechenland, aufzugeben genöthigt, an dem edlern Vorzug, die Pflegerin der Philosophie und der Musenkünste zu sein, sich allmählich begnügen lernte.

Daß es übrigens bei einem Sittengemählde, wie das vorliegende, um innere Wahrheit, um Verbindung aller Theile zu Einem harmonischen Ganzen, um Übereinstimmung der Personen mit sich selbst und dem Geist ihrer Zeit, und um eine, zwar nicht ängstliche, aber doch zu einem gewissen Grade von Täuschung unentbehrliche Beobachtung des Kostums und andrer karakteristischer Umstände mehr, als um strenge historische und chronologische Wahrheit zu thun sei, bedarf wohl kaum erinnert zu werden.

I. Menander an Dinias

Inhaltsverzeichnis

Du beschuldigest mich der Unempfindlichkeit gegen die Reitze des Geschlechts, dem Götter und Menschen huldigen; ich sei ein wahrer Weiberfeind, sagst du, ein Verwegner, der Amorn und seiner Mutter Trotz biete, mit Einem Wort, ein zweiter Hippolytus; und du zitterst in meinem Nahmen vor der Gefahr, die dein leichtsinniger Freund wenig zu achten scheint, wie jener Sohn der Amazone, ein klägliches Opfer der Rache dieser so leicht zürnenden Götter zu werden. Du thust mir großes Unrecht, lieber Dinias, und zitterst ohne Noth für mich; denn wie sehr auch der Schein gegen mich zeugen mag, ich bin eher alles andere als gefühllos gegen die Reitze unsrer Schönen. Seit meinem vierzehnten oder funfzehnten Jahre sah ich keine Panathenäen noch Eleusinien, wo ich mich nicht entweder in goldgelbes oder rabenschwarzes Haar, in einen milchweissen Nacken, oder in die runden Lilienarme und zierlichen Knöchel dieser oder jener jungen Korbträgerin verliebt hätte. Daß solche Liebesflämmchen eben so schnell wieder verwackelten, als sie sich entzündet hatten, versteht sich. Aber ist es meine Schuld, wenn unter allen Töchtern Athens noch keine meine Phantasie zu fesseln und mir eine dauernde Zuneigung einzuflößen vermocht hat? Wenn ich noch keine gesehen habe, die zur Liebe, in der edelsten Bedeutung des Worts, liebenswürdig genug war, ist es meine Schuld? Daß ich der Art von Liebe, die vom ersten Anblick zu einer unbändigen Leidenschaft aufbrennt, einem Menschen alle Gewalt über sich selbst raubt, und das Glück oder Unglück seines ganzen Lebens unwiederruflich entscheidet, daß ich dieser tragischen Art zu lieben unfähig bin, habe ich glücklicher Weise der Natur zu danken. Aber zeige mir ein Mädchen, aus deren Augen – blau oder schwarz, gleich viel! – eine kunstlose, offene, im Bewußtsein ihrer Unschuld freie und fröhliche Seele und ein reiner, zarter, angeborner Sinn für alles Schöne hervorblickt; zeige mir eine, deren Blicke weder frech umher schießen und die Männer zum Kampf herausfordern, noch, hinterlistig unter langen Augenwimpern emporschielend, zu verrathen wünschen, was sie zu verbergen gelehrt worden sind: zeige mir ein Mädchen, die, mit einer Rose im Haar und einem einfachen leichten Kettchen um den Hals, den prächtigsten Schmuck einer reichern Gespielin ohne Mißgunst ansieht: kurz, zeige mir ein Mädchen, wie ich zu Athen keines zu finden hoffen darf, unverfälscht an Seel und Leib, ohne Ansprüche, ohne Herrschsucht, ohne Lüsternheit, eine ächte Tochter der Natur, von den Grazien gepflegt, von den Musen erzogen, würdig geliebt zu werden und fähig wieder zu lieben, – und ich schwöre meine Freiheit auf immer in ihren Armen ab! Wahr ists, wir haben keine Gelegenheit, unsre Jungfrauen anders als an öffentlichen Festtagen zu sehen, wo sie im höchsten Staat, mit züchtig gesenkten Blicken und mädchenhaftem Stolz, wie ein Zug Schwäne, bei uns vorüber ziehen; es ist unmöglich sie eher kennen zu lernen, bis es uns zu nichts mehr helfen kann. Aber ich denke mich nicht zu irren, wenn ich von den Müttern auf die Töchter schließe; und daß unsre Frauen, im Durchschnitt genommen, viel besser geworden sein sollten, als Aristophanes und die andern Dichter der alten Komödie vor hundert Jahren ihre Ältermütter schilderten, scheint mir, nach allem was ich sehe und höre, nicht sehr wahrscheinlich. Gönne mir also, Freund Dinias, bis mir etwa durch mein gutes Glück ein so seltner Vogel in den Busen fliegt, meine gewohnte Art, keine zu lieben, weil ich in alle verliebt bin, oder (wenn du lieber willst) laß mir meine Freiheit und Gleichgültigkeit; und mögest du dagegen täglich neue Ursache finden, die Stunde zu segnen, da Amor und Hymenäus, in seltner Eintracht, dir mit den hochzeitlichen Fackeln ins Brautgemach leuchteten!

Ich vernehme ungern, daß die Besitznahme der Güter, die dir dein alter Oheim verlassen hat, dich länger in Euböa aufhalten werde als du gedachtest und ich hoffte. Eine so lange Trennung zu versüßen, sehe ich kein Mittel, als uns recht oft zu schreiben, und bis zum Wiedersehen einander alles durch Briefe mitzutheilen, was der Freund dem Busen des Freundes zu vertrauen wünschen mag.

II. Menander an den Mahler Nicias

Inhaltsverzeichnis

Du kennest ohne Zweifel ein Gemählde des Pausias von Sicyon, das unter dem Nahmen der Kränzehändlerin1 seit kurzem so viel von sich reden macht? Denn du mußt es nothwendig bei dem reichen Xanthippides, der es um eine beträchtliche Summe an sich gebracht, mehr als einmal gesehen haben. Der Besitzer hat mir erlaubt eine Abbildung davon nehmen zu lassen. Du würdest mich also dir sehr verbinden, lieber Nicias, wenn du jede andre Arbeit, die sich aufschieben läßt, bei Seite legen, und mir die Freundschaft erweisen wolltest, unverzüglich, so lange das Versprechen des Xanthippides noch warm ist, ein deines Pinsels würdiges Nachbild dieser Kränzehändlerin für mich zu fertigen. Über den Preis werden wir leicht einig werden; bestimme ihn so hoch, als du für billig hältst, es wird doch immer dein Schade sein, daß ich nicht so reich wie Xanthippides bin. Ich weiß, du wirst mich keine Fehlbitte thun lassen; nur, guter Nicias, laß mich auch nicht zu lange warten! Zehn Tage sind zehn Monate für einen so ungeduldigen Sterblichen als dein Freund Menander.

III. Menander an Dinias

Inhaltsverzeichnis

Freue dich, oder traure über deinen Freund – welches von beiden mögen die Götter wissen! – deine Drohung geht in Erfüllung. Amor und Aphrodite scheinen eine schwere Rache an mir nehmen zu wollen. Ich bin, seit meinem letztern an dich, so unvermuthet – wie ein Knabe am Rand eines Bachs Schmetterlinge haschend ins Wasser herabglitscht – bis an den Hals in Liebe hinein geplumpt – Menander verliebt? rufst du. – Ja, mein Freund, und in ganzem Ernst verliebt. Aber in wen? – Das ist eben das Schlimmste! Nicht in die spröde Königin der Götter, wie Ixion; nicht in ein Marmorbild, wie Pygmalion; nicht in mich selbst, wie Narcissus – Ich bin – um dich nicht länger rathen zu lassen – in eine kleine, von Pausias mit Wachsfarben gemahlte Blumenhändlerin verliebt. Lache nicht, Dinias! die Sache ist ernsthafter, als du dir vorstellst. Höre nur, wie es damit zuging.

Ich habe ein kleines Geschäft mit Xanthippides, dem Sohn des weiland reichen Wechslers Pythokles, abzuthun. Er führt mich in eine mit Gemählden ausgezierte Halle. Ich spreche mit ihm von unsrer Angelegenheit, ohne mich um die Gemählde zu bekümmern, die ich schon mehr als einmal gesehen habe. Aber im Weggehen fällt mein Blick von Ungefähr auf ein drei Palmen hohes Bild, das mir neu ist, und mich schon von fern durch den Glanz und die Harmonie seiner Farben anzieht. Ich nähere mich ihm und betracht' es mit immer steigendem Entzücken. Es ist, sagte Xanthippides, wie du siehst, ein enkaustisches Gemählde von der Hand des berühmten Pausias, das ich vor Kurzem um drei Tausend Drachmen gekauft habe. Man weiß nicht, was das Schönere darin ist, das junge Mädchen, oder der Blumenkranz, den sie in ihrer niedlichen Hand emporhält, um zu dem großen Korb voll ähnlicher Kränze, der neben ihr steht, Käufer einzuladen. Ich gebe alle Blumen in der Welt, und wenn auch keine Wurzelfaser und kein Samenkörnchen von ihnen übrig bleiben sollte, um das Mädchen, rief dein unweiser Freund. Xanthippides lachte, und schien sich nicht wenig darauf einzubilden, der Besitzer eines Stücks zu sein, das einem Schüler des weisen Theophrasts einen solchen Wunsch auspressen konnte. Das Mädchen nennt sich Glycera, fuhr er fort; sie ist eine Sicyonerin, und nährt sich und ihre alte Mutter vom Verkauf der Blumenkränze, die sie mit einer zuvor unbekannten Kunst zusammenzusetzen weiß. Sie ist meine Lehrmeisterin in der Blumen-Mahlerei, sagte mir Pausias, und wirklich scheint es unmöglich, eine größere Mannichfaltigkeit von Blumen mahlerischer zusammen zu ordnen, als du in diesen Kränzen siehest, welche Pausias aufs sorgfältigste von den ihrigen abgebildet hat.

Seit dieser Stunde, mein Dinias, ist es mit deinem Menander nicht wie es sollte. Das verwünschte kleine Blumenmädchen, mit seinem kindischen runden Gesichtchen und mit seinen unschuldigen Schelmenaugen, sitzt mir immer vor der Stirn, folgt mir wohin ich gehe, und mischt sich in alle meine Gedanken; ich kratze, ohne recht zu wissen was ich thue, ihren Nahmen in alle Bäume, und träume alle Nächte von nichts als ihr. Bald seh ich sie als die Göttin der Blumen am Ilyssus wandeln; bei Tausenden entsprossen sie dem Boden unter ihren Blicken, und steigen, sich um ihre schönen Knöchel schmiegend, aus ihrem Fußtritt einpor. Zephyr fliegt mit offnen Armen auf sie zu, sie liebkosen sich, und ich vergehe vor Neid und Mißgunst. Bald sitzt sie, einen Blumenkranz flechtend, mir gegenüber; ich lese ihr eine Scene aus meiner Andria, die an den nächsten Dionysien gegeben werden soll; sie lächelt mir Beifall zu, und bindet mir, mit einem Kuß, der mich zum Jupiter macht, ihren Kranz um die Schläfe. Kurz, ich schäme mich sogar, dir, dem schon so lange alle meine Gedanken offen stehen, zu bekennen, wie verdächtig es in meinem Kopf aussieht. Erinnere mich nicht an die strengen Forderungen, die ich neulich zu den Bedingnissen machte, unter welchen ich mich einer dauerhaften Anhänglichkeit an ein weibliches Wesen fähig halte. Frage mich nicht, woher ich wisse, daß die Blumenhändlerin der Ausbund aller jungfräulichen Tugenden sei, die ich verlangte. Ich sehe Alles, was schön und gut ist, aus ihren Augen, aus jedem Zug ihres lieblichen Gesichts, aus ihrer Miene und Stellung, kurz aus ihrem ganzen Wesen hervorblicken. Der weise Sokrates hat Recht; ein schöner Leib bürgt für eine schöne Seele. Und gesetzt auch, es wäre anders, warum sollte ich meinem Gefühl nicht glauben? Im schlimmsten Falle wage ich wenig oder nichts dabei; ich habe doch eine Zeitlang die süßeste Täuschung als Wahrheit genossen, und bin, wenn mir die Augen endlich aufgehen, um eine Erfahrung reicher, die in der bloßen Erinnrung noch süßen Genuß gewährt.

Das Unglück ist nur, daß ich diese Erfahrung nie machen werde; denn Sie lebt zu Sicyon, und ich bin an Athen gebunden. Wie darf ich hoffen, daß Sie, die von mir nichts weiß, zu mir nach Athen kommen werde, da ich, den ihr bloßes Bild schon bezaubert, nicht zu Ihr kommen kann? Was aus einer so seltsamen Art in die Ferne zu lieben werden soll, mag der delphische Apollo errathen! Oder begreifst du etwas davon, Dinias?

IV. Nicias an Menander

Inhaltsverzeichnis

Deinem Begehren soll Genüge geschehen, Menander, so gut als ein enkaustisches Gemählde sich mit Saftfarben kopieren läßt; nur so schnell, als du wünschest, geht es nicht an, weil ich ein schon lange bestelltes großes Stück in der Arbeit habe, das ich nicht bei Seite legen kann. Aber ich habe dir etwas zu berichten, was dir das Warten vermuthlich sehr erleichtern wird. Vor einigen Tagen ist die junge Sicyonerin, von deren Bilde die Rede ist, in eigner Person zu Athen angelangt. Sie nennt sich Glycera, und ist wirklich das reitzendste Mädchen, das ich je gesehen habe. Lebe wohl.

V. Glycera an ihre Verwandte Nannion zu Sicyon

Inhaltsverzeichnis

Ich lebe nun beinahe einen Monat in dem schönen Athen, und mir ist ich lebe unter den Göttern. Was ich für ein Kind war, als ich mir einbildete, Sicyon sei eine schöne und große Stadt! Izt, da ich Athen gesehen habe, dünkt mich jenes ein Dorf und diese die einzige Stadt in der Welt. Mit jedem Schritt glänzt dir ein Tempel oder eine auf zierlichen Säulen ruhende Halle, oder ein Gymnasion, oder ein andres öffentliches Prachtgebäude in die Augen; überall siehst du dich von ehrwürdigen Denkmählern des Alterthums und den herrlichsten Werken der neuern Kunst und des reinsten Geschmacks umgeben, und du würdest (wie es mir erging) vor Vergnügen in Entzückung gerathen, wenn du die Propyläen, das Parthenon und das Odeon des Perikles zum ersten Mal sehen solltest.

Meine Mutter hat (wie es unsre Umstände mit sich bringen) ein kleines Häuschen in der Vorstadt Piräus