Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk - Günter Krieger - E-Book

Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk E-Book

Günter Krieger

4,6

Beschreibung

Sommer 1349: Im Wald bei Merode, unweit der alten Kaiserstadt Aachen, wird ein junges Mädchen ermordet aufgefunden. Unter den abergläubischen Dorfbewohnern verbreitet sich schnell das Gerücht, der Teufel selbst sei am Werk. Doch es wird ein Verdächtiger festgenommen. Als man aber eine weitere Frauenleiche findet, sieht sich der ermittelnde Dorfherr Mathäus vor allerlei Probleme gestellt. Er und sein Freund Heinrich haben alle Hände voll zu tun, den komplizierten Fall zu lösen. "Teufelswerk" ist der erste Teil der Merode-Triologie rund um den Dorfherr Mathäus. Band 2 "Mönchsgesang" und Band 3 "Löwentod" sind als E-Book Edition im Dryas Verlag erhältlich. Mit dem Kauf dieses E-Books unterstützen Sie den Förderverein Schloss Merode. Für jedes verkaufte Buch fließt eine Spende von 25 Cent an den Verein zur Restaurierung von Schloss Merode.

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Günter Krieger

Teufelswerk

Historischer Krimiaus der Herrschaft Merode

Meinem Vater Hermann zum Gedenken

Dieses Buch ist ein Roman mit historischem Hintergrund. Die darin geschilderte Geschichte ist fiktiv. Ähnlichkeiten mit heute lebenden Personen sind nicht beabsichtigt und wären zufällig.

Protagonisten wie die Herren von Merode oder der Graf von Jülich sind historisch belegt, doch deren Charakterzüge frei erfunden!

Vorbemerkung

Im April des Jahres 1294 beschließen die Herren von Merode eine folgenschwere Erbteilung. Zwei Linien der Familie, die der »Scheiffarts« und die der »Werners«, residieren fortan gemeinsam auf der Burg, teilen sich Besitz und Herrschaft ihrer Ländereien für über sechs Jahrzehnte. Was nicht immer dem Frieden und der Eintracht zwischen den blaublütigen Vettern förderlich ist. Und auch den verunsicherten Bauern der »Herrschaft« macht dieser Zustand mitunter schwer zu schaffen …

Prolog

Nideggen, August 1338

Das Gemurmel der Leute brodelte durch die Gassen der Stadt. Von Soldaten des Markgrafen zurückgedrängt, reckten sie ihre Hälse, äugten, wippten und sperrten ihre Münder auf. Man bekam schließlich nicht jeden Tag einen Monarchen leibhaftig zu Gesicht. Gewiss, den Markgrafen selbst, den Herrn ihrer Stadt, den sah man oft genug. Aber was war schon ein Graf im Vergleich zum König von England, der in diesem Augenblick mit seinem prächtigen Gefolge auf dem Weg zur Burg war, wo Wilhelm von Jülich seinen hohen Gast empfangen würde. Wie ein Lauffeuer hatte es sich herumgesprochen, der Zug habe das Nixtor bereits passiert, der König und seine kleine Tochter seien in eine Sänfte gestiegen und näherten sich, flankiert von schwer bewaffneten Rittern, dem Zentrum der Stadt. Eduard, König von England, war auf dem Weg nach Koblenz, wo er auf dem Reichstag seinen Schwager, den Kaiser, zu treffen gedachte. Und Nideggen, Residenzstadt des Jülicher Grafen, hatte er als eine seiner Stationen auf dem Weg dorthin auserkoren.

Wer von all den Schaulustigen kannte schon die genauen Umstände, die Eduard veranlassten, den Wittelsbacher aufzusuchen? War da nicht Geld im Spiel? Der Engländer benötigte Bares für einen Krieg, den er in Frankreich führte. Undurchsichtige Bündnisverträge mit deutschen Fürsten spielten eine Rolle, ebenso Zahlungsversprechungen, Treueeide und weiß der Teufel noch was. Aber wen interessierte das? Wer durchschaute schon die Politik der Großen? Die machten ohnehin, was sie wollten, es war immer schon so gewesen und würde sich schwerlich ändern. Den Gemeinen blieb nur, den Prunk und den Glanz der Fürsten zu bestaunen, Hälse reckend dem Anmarsch der Macht entgegenzusehen.

„Sie kommen!“, kreischte ein feistes Weib. Sie saß auf den knochigen Schultern ihres dürren Gatten, der vergeblich versuchte, nicht zu wanken. Sofort kam Bewegung in die Menge.

„Ruhig, Leute“, befahl einer der Soldaten, während er mit seinen Kameraden die Menschenmenge zurückdrängte. Auf der gegenüberliegenden Seite ging es nicht besser zu. Mühsam war es, eine Gasse offen zu halten, in der sich unbeeindruckt von dem ganzen Tumult zwei Köter rauften.

Hufgetrappel. Prachtvoll gewandete Ritter auf geschmückten Rössern näherten sich.

„Sie kommen!“, brüllte das Weib auf ihrem Logenplatz erneut.

„Wenn du absteigst, dicke Vettel, dann kann ich vielleicht auch was erkennen“, raunzte ein Kerl hinter ihr.

„Halt die Klappe!“

„Mutter, ich sehe kackende Pferde“, jubelte ein blond gelockter Knabe, als sei es seine Lebensaufgabe, danach Ausschau zu halten.

Die Rufe verstummten, als die Reiter die Gasse passierten. Ehrfurchtsvoll sah man zu ihnen hoch, bewunderte das in der Sonne glänzende Metall an ihren Körpern und die mächtigen Schwerter in ihren Scheiden. Die Ritter waren sich ihrer Erscheinung wohlbewusst, starrten ausdrucklos vor sich hin, ohne sich die Blöße zu geben, neugierige Blicke in die Menge zu werfen. Diese Pflicht fiel den königlichen Leibwächtern zu, die, gekleidet in grüne Weidmannstracht und bewaffnet mit Pfeil und Bogen, hinter der stolzen Reitergruppe hermarschierten.

„Ha, die sehen ja aus wie Waldmänner“, rief der blonde Knabe und erntete eine mütterliche Ohrfeige.

„Die Sänfte!“, verkündeten ein paar aufgeregte Stimmen. Wieder wurden die Hälse lang. Einige Leute stießen Jubelrufe aus. Andere zogen es vor, das Ganze lieber schweigend zu betrachten. Und niemand achtete auf den Irren in ihrer Mitte.

Niemand wusste hinterher, woher er gekommen war. Aber urplötzlich stand er auf der Straße, stimmte ein ohrenbetäubendes Kriegsgeheul an, stürmte auf die von acht Dienern getragene Sänfte zu.

„Tod dem König!“, schrie er. In seiner Hand blitzte ein Dolch. Schon sank einer der Träger zu Boden. Die Sänfte wankte. Ungläubiges Entsetzen in den Gesichtern der Umstehenden.

Es war einer der Soldaten des Markgrafen, ein blutjunger Kerl, der zuerst reagierte. Der Angreifer hatte bereits mit einer ansatzlosen Bewegung den seidenen Vorhang der Sänfte zerrissen, da traf ihn ein Schwerthieb in den Oberarm. Blut spritzte. Der Verletzte fluchte, stürzte sich wie ein Tobsüchtiger auf den Soldaten. Der aber hüpfte wieselflink einen Schritt zurück und schwang erneut sein Schwert, doch diesmal vermochte er den Attentäter nicht zu treffen. Dem Schlag ungestüm ausweichend, landete dieser nämlich in einem Pulk von Menschen. Ein heilloses Durcheinander entstand, Panik brach aus. Flink setzte der junge Soldat nach, doch ebenso rasch reagierte der Angreifer. Denn mit einem Mal besaß er einen lebenden Schutzschild, ein Mädchen, sechs Jahre alt vielleicht, zog es vor sich hin und streckte es somit dem sicheren Tod entgegen. Nur einen Wimpernschlag benötigte er für diese Feigheit, zu schnell für den Soldaten des Markgrafen: Sein Schwert bohrte sich bereits durch den weichen Leib des Kindes und drang blutverschmiert an seinem Rücken wieder heraus. Dann erst glitt es in den Brustkorb des Mannes.

Inzwischen hatte ein Heer von erregten Leibwächtern die Kämpfenden umringt. Fassungslos starrten sie auf das tote Mädchen und den röchelnden Sterbenden, aus dessen Mund sich ein roter Bach ergoss. In einer fremden Sprache schrien die Grüngewandeten sich gegenseitig Befehle zu. Der Mob am Straßenrand klatschte jubelnd Beifall. Ein Hüne, offensichtlich ein Offizier, ließ sich Bericht erstatten von einem Untergebenen, der mehrmals mit dem Kinn auf den immer noch keuchenden Soldaten des Markgrafen deutete. Das Gesicht des Hünen war blass, und er nickte knapp, als er erfahren hatte, was vorgefallen war. Mit der Andeutung eines Lächelns schritt er dem Jülicher entgegen.

„Ihr seid ein wirklicher Held, junger Herr“, sprach er mit angelsächsischem Akzent, „Ihr habt dem König von England und seiner kleinen Tochter soeben das Leben gerettet.“

Der Angesprochene antwortete nicht. Starrte tief atmend auf die blutige Klinge seines Schwertes.

„Ihr seid ein Held“, wiederholte der Hüne, „und man wird Euch für Eure Tat gebührend entlohnen!“

„Wird man das?“, erwiderte der Soldat tonlos, weil ihm offenbar klar wurde, dass weiteres Schweigen unhöflich gewesen wäre. Ein weiterer markgräflicher Soldat war inzwischen an seine Seite getreten.

„Um Himmels willen! Geht’s dir gut, Hein?“

Der junge Mann drehte mit einer langsamen Bewegung den Helm von seinem Kopf und strich sich durch das verschwitzte, dunkle Haar. „Warum denn nicht, Mätthes“, sagte er teilnahmslos, „es geht uns allen hervorragend: mir, dem König, seiner Tochter - allen.“

Der Hüne klopfte ihm anerkennend auf die Schulter, bevor er sich wieder seinen Leuten zuwandte und Befehle bellte. Die Sänfte des Königs war inzwischen von Schwerbewaffneten flankiert.

„Lang lebe der König!“, rief ein Spaßvogel aus der Menge.

1

Merode, Ende Juli 1349

Benno hielt den Bogen weit gespannt und pirschte leise durch das Unterholz, jederzeit bereit, den todbringenden Pfeil abzuschießen. So hatte er es sich von den Großen abgeschaut, so jagte auch der Herr Paulus, der Burgvogt. Paulus von Mausbach galt als der beste Schütze weit und breit; ihn hatte Benno sich als Vorbild auserkoren, zumindest was das Jagen betraf. Denn sonst war Paulus ein finsterer Mann, wortkarg und griesgrämig, außerdem fehlte ihm ein Teil seines rechten Ohres, was ihn umso gröber wirken ließ. Paulus war einer der mächtigsten Männer der Herrschaft, war er doch de facto der Vormund des zehnjährigen Rikalt.

Der junge Rikalt war ungeachtet seiner Jugend einer der beiden Herren von Merode. Benno durfte ihn seinen Freund nennen, obwohl seine Mutter Guta nur eine einfache Dienstmagd war. Es gab nicht viele Knaben seines Alters auf Burg Merode, das schmiedete zusammen, trotz aller Standesunterschiede.

Benno seufzte leise. Eines Tages würde man Rikalt zum Ritter schlagen; er selbst dagegen würde immer nur ein Dienstmann bleiben, ein Los, das Gott ihm vorherbestimmt hatte, wie Guta ihm eingeschärft hatte. Aber die Träume würde ihm keiner nehmen. Die Träume, in denen er auf einem schneeweißen Ross saß, in einer glänzenden Rüstung, in der Rechten ein prächtiges Schwert: Er befand sich in einem fernen Land, und Ungläubige mit krummen Säbeln umkreisten ihn mit wildem Gebrüll. Er aber ließ drohend sein Schwert kreisen und hieb sie alle nieder, Gott zur Ehr’, dem Teufel zur Ernte. Nein, diese Träume konnte ihm keiner nehmen.

Er war ein wenig außer Atem gekommen, denn sein Weg hatte ihn hügelauf geführt. Nun befand er sich auf einer Lichtung, und unten im Tal konnte er über den Wipfeln des Waldes die dunklen Zinnen der Burg Merode erkennen. Benno sah sich um. Noch immer war ihm kein Getier begegnet. Er setzte sich auf einen Baumstumpf, um zu verschnaufen. Vielleicht würden ihm ja ein paar unvorsichtige Hasen vor die Füße hoppeln.

Ehrfurchtsvoll betrachtete Benno den Bogen, den Rikalt ihm heimlich geliehen hatte. Er schauderte bei dem Gedanken, dass Paulus Wind von der Sache bekam. Denn der Bogen wurde wie eine Reliquie behandelt. Einst hatte er Rikalts Vater, Werner von Merode, gehört, der vor einigen Jahren gestorben war. Werner hatte das Kloster Schwarzenbroich gegründet, nachdem ihm bei der Jagd im Wald – jedenfalls erzählte man sich das – der Apostel Matthias erschienen war und ihn mit der Stiftung beauftragt hatte. Bei ebendieser Jagd hatte Werner den Bogen mit sich geführt.

Oft schon hatte Benno das Prunkstück bewundert. Und heute Morgen, nachdem er sich gründlich versichert hatte, dass niemand lauschte, hatte Rikalt gesagt: „Nimm ihn und schieß mir einen Fuchs. Oder zumindest einen Hasen!“ Benno hatte Bedenken geäußert, auf den Ärger hingewiesen, der ihnen drohte, wenn die Sache aufflöge. „Ich bin der Herr von Merode. Nicht Paulus!“, hatte Rikalt trotzig geantwortet.

Es war schon seltsam, einen Freund von hohem Geblüt zu haben, einen Freund, dessen Urahn einst vom berühmten Kaiser Barbarossa, dem Kreuzfahrer, belehnt worden war. Ja, es war seltsam, aber es erfüllte Benno mit unbändigem Stolz. Vielleicht würde er eines Tages Rikalts engster Vertrauter sein, und vielleicht würden sie doch noch gemeinsam ins Heilige Land ziehen, um den wilden Muselmanen zu zeigen, wessen Gott denn nun der Mächtigere sei. Vielleicht sogar im Dienste des neuen Königs Karl, an dessen Krönungsfeier Rikalt vor wenigen Tagen teilgenommen hatte. Zusammen mit seinem älteren Vetter Konrad, dem anderen Herrn von Merode, sowie mit einigen ihrer Ritter und Knappen waren sie nach Aachen gereist. Rikalt hatte sogar einen Platz im Dom ergattert und die Krönungszeremonie aufmerksam verfolgt. Auf dem marmornen Sessel der deutschen Könige und Kaiser thronend, war dem Luxemburger vom Trierer Erzbischof die Krone aufs Haupt gesetzt worden. Und später, nach dem Gottesdienst, als die vornehmen Gäste im Domhof Spalier standen, hatte König Karl dem jungen Herrn von Merode einen Augenblick lang fest ins Gesicht geschaut – jedenfalls behauptete Rikalt dies voller Stolz.

Benno musste schmunzeln. Konnte er seinem Freund das wirklich glauben? Wie käme ein König dazu, einem Knaben so viel Aufmerksamkeit zu schenken, wenn ringsumher Bischöfe, Grafen und Fürsten zugegen waren? Andererseits: In Rikalts klugen Augen loderte ein geheimnisvolles Feuer, das Benno immer wieder in seinen Bann zog und wohl auch anderen, selbst einem König, nicht verborgen bleiben konnte. Vielleicht war es ja wirklich so gewesen. Mit diesem Gedanken schlief er ein.

Donner weckte ihn. Die Sonne war verschwunden, warmer Regen prasselte auf ihn herab. Benno war schon völlig durchnässt, er musste tief geschlafen haben. Wieder war er in jenem fernen Land gewesen und hatte für Gott gefochten. Wie ein Hohn erschien ihm deshalb der grelle Blitz, der die Bäume auf bizarre Weise erhellte. Mit einem Mal verspürte Benno Angst. Er wusste von einem Bauern aus Konzendorf, einem Hörigen Rikalts, der vor einigen Wochen auf dem Feld von einem Unwetter überrascht wurde. Ein Blitz hatte ihn getötet, seinen Körper auf grausame Weise entstellt, als habe der Teufel selbst ein grausames Strafgericht über ihn gehalten. Auch Lazarus, der Knecht eines Meroder Bauern, kam ihm in den Sinn, den gleichfalls einst der Blitz getroffen hatte. Anders als der Bauer aus Konzendorf hatte der Knecht das Unglück überlebt, war aber seitdem dem Wahnsinn verfallen. Den Namen Lazarus hatte man ihm erst nach diesem schmerzlichen Ereignis gegeben, kein Mensch wusste mehr, wie er eigentlich früher geheißen hatte.

Benno wollte zu den nahe gelegenen Bäumen laufen, um sich dort unterzustellen. Da fielen ihm die Worte ein, die der Burgvogt Paulus seinerzeit, als man vom Blitztod des Bauern erfuhr, hatte verlauten lassen, nämlich bei Blitz und Donner nicht den Schutz der Bäume zu suchen, sondern reglos und flach auf der Erde liegend das Ende des Gewitters abzuwarten.

Also ließ Benno sich auf die Erde fallen, klammerte sich an Werners Bogen und begann leise zu beten.

Das sommerliche Unwetter tobte nicht lange. Grollend war es bald in der Ferne verschwunden, und die Vögel des Waldes nahmen erneut ihre Gesänge auf. Ein herrlich reiner Geruch erfüllte die Luft. Die Sonne war wieder durchgebrochen, und ein bunter Regenbogen schmückte das launische Firmament.

Benno erhob sich langsam und betrachtete seine Kleidung: Sie war triefend nass, was er bei diesen Temperaturen freilich als wohltuend empfand. Sorgsam wischte er den Schmutz von der wertvollen Waffe, die er leider Gottes noch immer nicht benutzt hatte. Seine Mutter fiel ihm ein, die sich sicherlich schon um ihn sorgte. Also beschloss er seufzend, sich auf den Heimweg zu machen. Ohne sonderliche Hast schlenderte er den Waldweg zum Dorf hinab.

Das kleine rötliche Etwas, das Benno aus seinen Augenwinkeln wahrnahm, ließ ihn im Schritt verharren. Langsam und vorsichtig wandte er seinen Kopf: Das Eichhörnchen dort hinten am Stamm der Buche bot die letzte Gelegenheit, Rikalt nicht zu enttäuschen. Entschlossen spannte er den Pfeil in die Bogensehne, legte an. Ich muss es treffen, ich muss!, dachte er, während die Spitze seiner Zunge sich durch den energisch geschlossenen Mund nach draußen schob. Dann spreizten sich seine Finger …

Dumpf schlug der Pfeil ins Holz. Flink wie eine aufgescheuchte Elfe verschwand das Eichhörnchen in der Baumkrone.

Der Junge stieß einen Fluch aus. Sein Schuss hatte das Tier nur um eine Handbreit verfehlt. Enttäuscht zog er los, den Pfeil aus dem Baumholz zu ziehen. Hoffentlich würde sich wenigstens Rikalts Spott in Grenzen halten.

Fast schon hatte Benno den Baum erreicht, als er einige Schritte zu seiner Linken ein braunes Bündel entdeckte. Wer kann es sich leisten, seine Kleidung hier liegen zu lassen?, ging es ihm durch den Kopf und er erinnerte sich an den Tag, als Guta ihn windelweich geprügelt hatte, weil sein Wams im Wassergraben der Burg versunken war. Doch plötzlich beunruhigte ihn eine Ahnung. Das war nicht bloß Kleidung. Jemand steckte darin!

Zunächst zögerte Benno, dann schritt er entschlossen auf das seltsame Bündel zu. Später bereute er es bitter, denn die starren Augen der Toten, die da in grotesker Haltung vor ihm lag, sollten ihn noch lange Zeit in seinen Träumen verfolgen. Diese starren Augen, die ihm einen Vorwurf machten, als sei er verantwortlich für das Leid, das hier stattgefunden haben mochte.

Mit einem hellen Schrei des Entsetzens floh Benno von dieser Teufelsstätte.

2

Das Gewitter sorgte nicht lange für eine klärende Reinigung der Luft. Am späten Nachmittag lag wieder dumpfe Schwüle über der Herrschaft.

Mathäus, der Dorfherr von Merode, hatte sich in der Stube seines kleinen Hauses verschanzt. Zwar war die Luft hier nicht nennenswert erträglicher, aber wenigstens konnte man sich so vor der Unbarmherzigkeit der gleißenden Sonne schützen. Ein Klotz aus Lindenholz, der vor ihm auf dem Tisch lag, bestimmte die Gedanken des Dorfherrn. Erstmals seit einer Woche gönnte er sich etwas Muße. In den vergangenen Tagen hatten ihn seine Pflichten sehr vereinnahmt. Beide Herren von Merode, sowohl Konrad als auch der junge Rikalt, waren nicht daheim gewesen, hatten in Aachen den Krönungsfeierlichkeiten des Königs beigewohnt. Erst gestern waren sie zurückgekehrt. In der Zwischenzeit hatten die Bauern von Merode es nicht versäumt, ihn mit Myriaden von Kleinigkeiten zu behelligen, ganz so, als hätten sie geduldig und bewusst den Reisezeitpunkt der beiden Herren von Merode abgewartet. Hühner, die der Nachbar angeblich gestohlen hatte, fremde Säue, die mutwillig Gemüsegärten ruiniert haben sollten, ein dubioses Testament, das auf geheimnisvolle Weise aufgetaucht war und diesen und jenen enterbte, was die Betroffenen wiederum in rasenden Zorn versetzte – mit nichts hatte man ihn verschont. Ach, die Leute konnten wie Kinder sein. Darin standen die Bewohner des Unterdorfes, deren Grundherr Rikalt war, denen des Oberdorfes am Hahndorn – nämlich Konrads Leuten – in keiner Weise nach. Mathäus seufzte. Sein bescheidenes Häuschen lag genau zwischen diesen Welten, eine lächerliche Trutzburg auf einer unsichtbaren Grenze. Aber so musste es sein, nur so konnte er sich den Respekt beider Parteien erhalten. Er schüttelte den Kopf und massierte seine entblößten Füße, um die Gedanken frei zu machen von solchen Nichtigkeiten, die für manchen guten Mann den Sinn der Schöpfung in Frage zu stellen vermochten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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