Mexify – Das magische Haus - Mexify - E-Book

Mexify – Das magische Haus E-Book

Mexify

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Beschreibung

Der Nachfolger des SPIEGEL-Bestseller-Erfolgs von Mexify! Auf ins Abenteuer! Nach seinem aufregenden Urlaub in der »Pension zum Hexenwalder Tal« möchte Mexi einfach nur den Rest seiner Ferien genießen. Doch die Eltern seines besten Freundes Fufu beschließen ausgerechnet jetzt, in dieselbe Pension zu fahren, aus der Mexi gerade erst entkommen war! Zunächst denkt Mexi, dass ihm einfach nur eine weitere Woche ohne Fufu bevorsteht. Aber er irrt sich gewaltig. Schon nach wenigen Tagen bekommt er keine Antworten mehr von seinem besten Freund. Als sein Handy dann eines Nachts wirre Nachrichten von Fufu empfängt, ist Mexi sich sicher: Irgendetwas ist passiert. Mexi muss handeln, und zwar sofort! Zusammen mit den beiden Möpsen Simba und Nala schleicht er sich aus dem Haus, um so schnell wie möglich zum Hexenwald zu gelangen – doch er kommt zu spät. Als er die Pension erreicht, ist Fufu bereits nicht mehr da. Die einzige Spur führt zurück in die »Wahre Welt« – und hinein in Mexis nächstes großes Abenteuer.

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Seitenzahl: 307

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MEXIFYDas magische Haus

MEXIFY

DAS MAGISCHE HAUS

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2021

© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Texte: Mexify, Claudia Kern

Redaktion: Mirka Uhrmacher

Umschlaggestaltung und Illustrationen: © Lian, Instagram: @lian_illustration

Satz: Achim Münster, Overath

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-96775-035-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96775-036-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96775-037-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Simba, Nala und die Welpen

Inhalt

Das zweite Häkchen

Dino-Ehrenwort

Irrfahrt

Zwei Welten

Spurensuche

Hinter der Tür

Die fremde Stimme

Hotdog und Avocado

Die Insel

Für einen Topf voll Gold

Das Geisterhaus

Im Gruselzimmer

Fufu!

Am Ende

Hinter den Kulissen

Licht und Dunkel

Enthüllungen

Gefangen im Schattenreich

Der letzte Verrat

Abwärts

Der Riese

Geständnisse

Notlügen

Das zweite Häkchen

Mexi ließ den Mauszeiger über den Bildschirm seines Computers gleiten. Jedes Icon forderte ihm zum Spielen auf. Bei manchen hielt er kurz inne, aber er konnte sich nicht aufraffen, sie anzuklicken. Dabei waren das alles seine Lieblingsspiele. Er sah sie vor seinem geistigen Auge und hörte sogar ihre Musik im Kopf. So viele Stunden hatte er in ihren Welten verbracht, doch auf einmal reizte ihn kein einziges Spiel mehr.

»Warum habe ich zu nichts Lust?«

Die Frage konnte er sich selbst beantworten.

»Weil alleine alles doof ist.« Er seufzte schwer.

Mexis Mopsrüde Simba, der sich auf seinem Schoß zusammengerollt hatte, öffnete träge ein Auge. Er schien zu spüren, dass es seinem Herrchen nicht gut ging. Auch das Mopsmädchen Nala, das bisher zufrieden in der Ecke gelegen und einen Kauknochen bearbeitet hatte, sah auf. Als Mexi ein zweites Mal seufzte, nahm Nala den Knochen ins Maul, trottete zum Stuhl und legte ihn neben den traurig herabhängenden Dinosaurierschwanz von Mexis Onesie.

»Das ist echt lieb von dir«, sagte Mexi und lächelte milde. »Aber ich glaube, der schmeckt dir besser. Wir Dinos stehen eher auf Schokolade.«

Nala legte den Kopf schief. Als ihr klar wurde, dass er das Geschenk nicht haben wollte, nahm sie den Knochen wieder ins Maul und kehrte auf ihr Kissen zurück. Simba schloss das Auge und schnarchte weiter.

Ihr seid immer zusammen, dachte Mexi. Das ist bestimmt schön.

Er nahm die Hand von der Maus und griff nach seinem Handy. Keine neuen Nachrichten. Trotzdem entsperrte er den Bildschirm und öffnete die Nachrichten-App. Das Chatfenster mit seinem besten Freund Fufu war ganz oben. Die Statusanzeige ließ ihn zum dritten Mal seufzen. »Zuletzt online heute um 07:05 Uhr« stand dort.

»Wo steckt der denn den ganzen Tag?«, murmelte Mexi. Es war schon früher Abend, und Fufu hatte noch immer nichts von sich hören lassen.

Mexi scrollte mit dem Daumen nach oben. Der Chatverlauf kam ihm wie eine Zeitreise vor. Da war die Nachricht, die ihm Fufu vor einigen Tagen geschickt hatte, als Mexi auf dem Rückweg aus den unfreiwilligen Ferien mit seinen Eltern war. Mexis Mutter war auf eine Werbemail reingefallen und hatte einen Kurzurlaub gebucht – genau wie Fufus Mutter wenige Tage später.

»Du wirst es nicht glauben«, hatte Fufu geschrieben, »aber meine Mutter hat auch so eine E-Mail bekommen wie deine. Und jetzt wollen meine Eltern in diese schreckliche Pension!«

Damit war die »Pension zum Hexenwalder Tal« gemeint, in der Mexis Eltern eigentlich bloß einen ereignislosen Kurzurlaub hatten verbringen wollen. Die Pension, die einer alten Frau namens Oma Zinkenzuck gehörte, hatte sich allerdings rein zufällig als Portal in eine fremde Welt voller Hexen, Grasdrachen und anderer merkwürdiger Wesen entpuppt! Eine Welt, aus der Mexi kurzerhand seine Eltern retten musste – die davon aber nichts mehr wussten, denn durch einen Schlafzauber hatten sie absolut gar nichts mitbekommen. Während sie friedlich schlummerten, bestritt Mexi das größte Abenteuer seines Lebens. Er träumte auch eine Woche nach seiner Rückkehr immer noch von all den fantastischen Dingen, die er zusammen mit Simba, Nala und seiner neuen Freundin Yuki erlebt hatte. Yuki war die Enkelin von Oma Zinkenzuck und ebenfalls eine waschechte Hexe. Aber das alles war eine lange Geschichte. Eine, die er weder seinen Eltern noch seinem besten Freund Fufu erzählen konnte, so unglaublich war sie. Mexi konnte selbst kaum fassen, was passiert war, obwohl er die ganze Zeit über live dabei gewesen war! Aber hier, in seinem Zuhause, in der normalen Welt, kam ihm das ganz weit weg und seltsam vor.

Mexi hob den Kopf, als er ein Scheppern und Klappern aus der Küche hörte. Seine Mutter war seit dem Urlaub völlig besessen vom Kochen. Sie schob es auf Oma Zinkenzucks Kochkünste, von denen sie sich schwer beeindruckt gezeigt hatte. Aber Mexi vermutete, dass auch ihr unfreiwilliger Aufenthalt in der »Wahren Welt«, wie sie die Hexen nannten, damit zu tun haben musste. Dort hatte ein uralter Koch namens Puffi für ein wichtiges Fest die seltsamsten Dinge zu essen und zu trinken zubereitet. Elfenlimonade, Sandkekse, Fischflossen, Algensalat, Leuchtpilze und hundert Jahre alte Soße. Das hatte sich seine Mutter vielleicht unterbewusst eingeprägt. Nach ihrer Rückkehr hatte sie sich jedenfalls bei gleich drei Online-Kochkursen angemeldet und schaute jede Kochsendung im Fernsehen – je exotischer, desto besser. Heute Abend sollte es einen malaysischen Fisch-Eintopf geben. Es roch schon jetzt so komisch, dass Simba gerade seine Nase in den Falten von Mexis Onesie vergrub. Das war kein gutes Zeichen.

Mexi kehrte zu seinem Chat mit Fufu zurück. »Alles gut, Fufu«, hatte er damals geschrieben. »Es ist zwar langweilig, aber das Essen ist der Hammer.«

Er machte sich keine Sorgen, dass auch sein bester Freund in die Wahre Welt stolpern könnte. Mexi hatte alle gerettet, in der Pension war es wieder sicher, und Oma Zinkenzuck würde jetzt bestimmt besser aufpassen. Das Einzige, vor dem er Fufu im Chat warnte, war die schlechte Verbindung im Hexenwalder Tal. Handynetz hatte man praktisch gar nicht, und die Internetverbindung funktionierte meist nur über ein altes Kabel, das aus der Wand kam. »ISDN« hatte Oma Zinkenzuck das genannt. Mexi wusste nicht, was die Abkürzung bedeutete. Er wusste nur, dass die Verbindung unerträglich langsam war und zudem noch absolut instabil.

Er scrollte weiter nach unten zu einer späteren Nachricht an Fufu.

»Seid ihr schon da?«

Auf eine Antwort hatte er über zwei Stunden warten müssen.

»Ja«, schrieb Fufu nach einer halben Ewigkeit zurück. »Und ich weiß jetzt, wofür ISDN steht: Ich suche das Netz.«

Fufu beschwerte sich in den kommenden achtundvierzig Stunden, wann immer das Kabel aus der Wand genug Internet ausspuckte, um eine Nachricht zu versenden. Er beschwerte sich über die knarzenden Bodendielen, die ausgelatschten Teppiche, die hässlichen Tapeten und die laute Standuhr im Flur, deren Ticken ihn bis in den Schlaf verfolgte. Außerdem über die ganzen anderen Gäste, Familien mit plärrenden Kindern oder ältere Leute, die ihm ständig in die Wangen kneifen wollten. Die ganze Werbung von Frau Zinkenzuck hatte offensichtlich Wirkung gezeigt, und die Pension war bestens besucht, was Fufu allerdings nur nervte. Zu allem Überfluss schien es auch noch seltsames Ungeziefer zu geben, das immer genau dort krabbelte, wo Fufu gerade nicht hinguckte, sodass er es immer nur im Augenwinkel vorbeihuschen sah. Er fühlte sich regelrecht beobachtet von den kleinen Biestern. Und zu guter Letzt war da dieser schlecht gelaunte Kater namens Buckel, der die Pension unsicher machte und Fufu immer anfauchte.

Mexi verriet weder, dass Buckel eigentlich Yukis Onkel aus der Wahren Welt war, noch, dass dieser dort sogar sprechen konnte, auf zwei Beinen lief und meist noch schlechtere Laune hatte. Auch wenn er das wirklich gern getan hätte. Stattdessen freute er sich einfach, dass sich Fufu gut mit Yuki zu verstehen schien. Sie und das Essen von Oma Zinkenzuck waren die einzigen beiden Dinge, über die er sich nicht beschwerte.

Mexis letzte Nachricht war von gestern Abend: »Es sind nur noch vier Tage!«, hatte er geschrieben. »Du packst das schon. Denk an all die Spiele, die wir danach zocken werden!«

Darauf hatte er bisher keine Antwort bekommen. Die zwei Häkchen neben der Nachricht verrieten ihm zwar, dass sie angekommen war, aber sie blieben grau. Gelesen hatte Fufu sie also nicht.

Er hat bestimmt nur schlecht geschlafen und verpennt jetzt den halben Tag, tröstete sich Mexi, aber das merkwürdige Gefühl wurde er dadurch nicht los. Dass Fufu um sieben Uhr morgens schon wach gewesen sein sollte, sich aber trotzdem noch nicht gemeldet hatte, kam ihm wirklich seltsam vor. Es gab ja so rein gar nichts, was man in der Pension machen konnte.

Er zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte.

»Abendessen ist fertig!«

Simba wäre vor Schreck fast von seinem Schoß gerutscht. Geistesgegenwärtig schob ihm Mexi die Hand unter den runden Mopshintern und setzte ihn auf den Boden. Nala lief bellend um den Schreibtischstuhl herum. Als Mexi aufstand und die Tür öffnete, quetschte sie sich an ihm vorbei, um als Erste in die Küche zu kommen. Simba trottete gähnend hinter Mexi her. Nach seinem Nickerchen war er noch nicht ganz wach.

In der Küche stellte Mexis Mutter gerade einen großen Wok auf den Tisch. Darin blubberte und dampfte eine pfützengraue Flüssigkeit. Tintenfischarme drängten sich an den Rändern. Es sah aus, als würden sie versuchen, ihrem Schicksal zu entkommen. Hier und da glaubte Mexi so etwas wie eine Rückenflosse zu erkennen, die durch die trübe Brühe schwamm. Er musste an die Flopper denken, die er in der Wahren Welt gesehen hatte und deren Flossen dort als wertvolles Zahlungsmittel dienten.

»Lebt das noch?«, fragte Mexis Vater entsetzt, als er am Tisch Platz nahm.

»Natürlich nicht.« Mexis Mutter winkte ab. »Lebende Tintenfische sind sehr schwer zu bekommen.«

Simba und Nala hoben schnuppernd ihre schwarzen Stupsnasen. Dann schüttelten sich beide und niesten. Mexis Vater schaute sehr verständnisvoll zu den beiden Hunden hinunter. Seine Nase kräuselte sich ebenfalls verdächtig, aber er blieb tapfer, schaufelte sich den Teller voll Reis, benetzte die Suppenkelle mit ein paar Tropfen Eintopf und träufelte sie vorsichtig auf den Reisberg. Er wartete einen Moment, als würde er befürchten, dass sich der Eintopf wie Säure durch den Teller fraß.

»Willst du denn keinen Tintenfisch?«, fragte Mexis Mutter.

»Vielleicht bei der zweiten Portion«, sagte er ausweichend.

Mexi blieb vor dem Tisch stehen und betrachtete den Eintopf. »Das sieht schon …« Er hielt inne, als seine Mutter ihn drohend anstarrte. Er schluckte. »… interessant aus. Total interessant.«

Er zog den Stuhl zurück und wollte sich gerade setzen, als aus seinem Zimmer ein kurzer Piepton erklang. Mexi sprang auf. Das war bestimmt Fufu! »Gleich wieder da«, stieß er hervor und lief mit auf und ab hüpfendem Dinosaurierschwanz zurück in sein Zimmer.

»Mexi!«, rief seine Mutter ihm nach. »Du musst doch was essen!«

»Später!« Mexi wartete, bis die Hunde auch im Zimmer waren, dann warf er die Tür ins Schloss und griff nach seinem Handy. Das Chatfenster mit Fufu leuchtete auf. Na endlich, dachte Mexi erleichtert. Er würde Fufu gleich erzählen, dass ihn diese Nachricht vor dem ekligsten Eintopf aller Zeiten bewahrt hatte.

Er öffnete die Nachricht – und erstarrte.

»Irgendwas stimmt hier nicht, Mexi.«

Sein Blick glitt nach oben. Fufu war schon wieder offline. Sein mulmiges Gefühl wurde stärker.

»Geht es dir gut?«, schrieb er und drückte auf Senden.

Neben seiner Nachricht erschien direkt ein Häkchen, aber kein zweites. Sie ging nicht durch.

Mexi ließ sich auf sein Bett fallen. Ganze fünf Minuten lang wartete er auf das zweite Häkchen, aber es tauchte nicht auf. Die Verbindung musste schon wieder abgebrochen sein.

Er verließ den Chat mit Fufu und öffnete den mit Yuki. Sie war zuletzt vor einem Tag online gewesen, was ihn aber nicht wunderte. Sie besuchte ja noch die Hexenschule in der Wahren Welt, und dort existierte so etwas wie ein Handynetz gar nicht. Trotzdem schrieb er ihr eine Nachricht.

»Gibt es in der Pension Probleme? Fufu schreibt komisches Zeug, und ich kann ich ihn nicht erreichen.«

Yuki hatte ihm versprochen, auf Fufu zu achten. Sie rechnete zwar nicht damit, dass irgendetwas passieren würde, wollte aber auch nicht, dass sich Mexi Sorgen machte.

Mexi ließ den Kopf hängen, als auch hinter dieser Nachricht kein zweites Häkchen erschien.

»Was mache ich denn jetzt?«, fragte er sich leise.

Der Abend verstrich, ohne dass sein Handy einen Ton von sich gab. Keine Nachricht von Fufu, keine von Yuki. Frustriert ging Mexi ins Bett, schaute lustlos noch ein paar Videos im Internet und schlief letztlich ein.

Ein Beben riss Mexi aus dem Schlaf. Die ganze Welt wackelte!

„Ahhhhh, was passiert hier?!“, rief er panisch, doch nein, halt, das war bloß sein Handy, das vibrierte und piepste. Er musste mit dem Gerät in der Hand eingeschlafen sein!

Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte er gegen das grelle Licht des Displays an. Die Nachrichten-App zeigte fünf neue Nachrichten an. Verschlafen tippte er auf das Symbol, und der Chat mit Fufu öffnete sich.

»&^$#~|/yhafl$+í«

Mexi schüttelte den Kopf. Träumte er etwa noch? Er rieb sich die Augen und konzentrierte sich erneut auf den Chat. Aber das Ergebnis blieb dasselbe.

»&^$#~|/yhafl$+í«

Fünf Nachrichten von Fufu, die aber nur aus irgendwelchen Zeichen bestanden.

Das ergibt doch keinen Sinn, dachte Mexi. Die Nachrichten sahen so aus wie etwas, das man versehentlich abschickte, wenn man das Handy in die Hosentasche gesteckt, aber den Bildschirm nicht gesperrt hatte. Oder wenn man versucht zu tippen, während man sehr schnell weglaufen muss …

Sein Blick wanderte zur Uhrzeit am oberen linken Rand des Displays. 04:55 Uhr. Wieso schlief Fufu nicht? Wieso war er nachts in einer Pension unterwegs, die ein magisches Tor zu einer anderen, einer sehr gefährlichen Welt verborgen hielt? Mexi war jetzt hellwach. Yuki hatte noch immer nicht geschrieben. Irgendetwas war passiert, da war er sich absolut sicher.

Mexi griff unter sein Bett, zog einen Rucksack hervor und stopfte schnell einige Dinge hinein: Leckerlis für die Hunde, zwei Wasserflaschen, Schokokekse, Kopfhörer und eine aufgeladene Konsole. Das sollte reichen. Das Handy steckte er in den Onesie, ehe er die Tür öffnete und in den Flur lauschte.

Im Haus war es vollkommen still. Einen Moment lang bekam Mexi ein schlechtes Gewissen. Eigentlich hätte er seinen Eltern sagen müssen, was er vorhatte. Doch dann würden sie ihn nicht gehen lassen. Sie würden bei der Pension anrufen, die Lage durchdiskutieren wollen oder von ihm verlangen, noch ein paar Tage zu warten. Er mochte seine Eltern, aber sie waren eben Erwachsene. Sie verstanden nicht, dass man manchmal einfach handeln musste, bevor die Zeit ablief, ohne groß zu reden.

Das hier war genauso eine Situation. Mexi konnte es spüren. Er musste eingreifen, bevor es zu spät war. Ein Dino ließ seine Freunde nicht im Stich. Niemals.

Mexi schwang sich den Rucksack über die Schulter, bückte sich und kitzelte Simba an einer Pfote, um ihn zu wecken. Mit einem erschrockenen Schnarchlaut hob der Mops den Kopf.

»Komm mit«, sagte Mexi auffordernd. Nala war längst wach und sprang freudig an seinem Schienbein hoch.

Mexi ging aus seinem Zimmer und rasch am Schlafzimmer seiner Eltern vorbei zur Haustür. »Ich bin bei Yuki«, kritzelte er noch schnell auf einen der Einkaufszettel seiner Mutter, die auf dem Sideboard im Flur lagen. Das war immerhin keine direkte Lüge, fand er, und er konnte von der Pension aus zu Hause anrufen und Bescheid geben, dass es ihm gut ging.

Er schlüpfte in seine Schuhe, öffnete leise die Haustür, ließ die Hunde vorlaufen und schloss die Tür ebenso leise hinter sich. Der Weg zum Hexenwald lag vor ihm.

Dino-Ehrenwort

Es war ein schöner Morgen. Die Sonne ging gerade auf, und die Vögel zwitscherten lautstark auf den Ästen. Mexi fragte sich, was sie sich so früh am Morgen zu erzählen hatten. Vielleicht warnten sie sich gegenseitig vor Nala, die gerade die Amseln auf dem kleinen Grünstreifen zwischen Bürgersteig und Häusern jagte. Ab und zu forderte sie Simba zum Mitmachen auf. Der gähnte aber nur und tat so, als würde er sie nicht bemerken. Fünf Uhr morgens war nicht seine Zeit.

Anscheinend auch nicht die des dicken Manns, der gerade aus einem Hauseingang kam. Er trug Handwerkerkleidung und einen Rucksack und rieb sich bei jedem Schritt müde die Augen.

»Guten Morgen«, grüßte Mexi höflich, als er auf einer Höhe mit ihm war.

»Mor…« Der Mann hielt mitten im Wort inne und starrte Mexi an, beziehungsweise dessen Dinosaurier-Onesie. Er schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf, als wollte er sein Gehirn neu starten. Seine Wangen schlotterten dabei hin und her wie Wackelpudding. Dann öffnete er die Augen wieder. An Mexis Aussehen änderte das jedoch nichts. Der Mann nahm das mit einem Schulterzucken hin und sagte nun auch: »Morgen.« Dann ging er weiter.

Mexi störte die Reaktion nicht. Er war daran gewöhnt, dass die Leute manchmal komisch guckten. Aber nur selten sagte jemand etwas Negatives, deswegen ging Mexi davon aus, dass sie sein Dino-Outfit eigentlich ganz cool fanden. Sie verwechselten ihn nur ab und zu mit einer Eidechse oder einem Drachen, was er nicht wirklich nachvollziehen konnte. Es war doch offensichtlich, dass er ein Dino war!

Mexi klopfte sich auf die Oberschenkel, um die beiden Hunde zu sich zu rufen. Nala, die schon wieder vorausgelaufen war, und Simba, der nur langsam hinterhertrottete und deswegen zurückfiel. Mexi verzichtete meistens darauf, sie anzuleinen, weil sie gut gehorchten. Außerdem mochten sie es nicht besonders, nur bei Fuß gehen zu können. Wenn sie gleich in den Bus stiegen, würde Mexi sie einfach auf den Schoß nehmen. Dort waren sie am liebsten.

Von der nächsten Bushaltestelle fuhr außerhalb der Ferien auch der Schulbus ab, deshalb hätte er den Weg sogar mit geschlossenen Augen gefunden. Er wusste nicht, wann der reguläre Nahverkehr morgens anfing, aber wahrscheinlich bald. Dann würde er mit dem ersten Bus nach …

Mexi stutzte. Seine Schritte wurden langsamer, als ihm einfiel, was er bei seinem Plan übersehen hatte. Er wusste gar nicht, wo genau Oma Zinkenzucks Pension war!

Das kann auch nur mir passieren, dachte Mexi frustriert. Aber dann riss er sich gleich zusammen. Für jedes Problem gab es eine Lösung. Das hatte er in unzähligen Games gelernt. Wenn man glaubte, irgendwo zu hängen, musste man oft nur einen anderen Ansatz wählen.

Zum Beispiel ins Netz gucken. Er zog sein Handy aus der Tasche des Onesies, entsperrte den Bildschirm und rief die Karten-App auf. Er wollte gerade »Pension zum Hexenwalder Tal« eingeben, als sein Blick auf die Akku-Anzeige fiel. »3 %« stand dort knallrot und warnend.

»Oh nein …!«, murmelte Mexi erschrocken. Natürlich. Er war ja mit dem Telefon in der Hand eingeschlafen und hatte es nicht aufgeladen. Es durfte unter keinen Umständen ausgehen, bevor er den Hexenwald gefunden hatte! Er schaltete rasch den Akkusparmodus ein. Schlagartig wurde der Bildschirm so dunkel, dass er kaum noch etwas darauf erkennen konnte. Egal. Das musste reichen.

Mexi tippte schnell den Namen der Pension in die Karten-App. Aber kein Ergebnis erschien. Auch »Hexenwalder Tal« alleine brachte keinen Treffer. Erst als er nach »Hexenwald« suchte, tauchten rote Punkte auf der Karte auf. Aber es gab gleich vier davon, jeder in einer anderen Ecke des Landes! Wie sollte er da den richtigen Hexenwald finden?

Denk logisch, befahl er sich selbst. Sie waren mit dem Auto dort hingefahren. Er war zwar unterwegs eingeschlafen, aber da sie erst gegen Abend angekommen waren, mussten sie schon eine ganze Weile unterwegs gewesen sein. Allerdings war die Entfernung zu drei der vier Hexenwälder selbst für eine mehrstündige Autofahrt zu groß. Es blieb also nur noch einer übrig. Mexi grinste stolz, als er den roten Punkt auf der Karte berührte und sich die Strecke anzeigen ließ.

»Sieben Stunden?!«, stieß er ungläubig hervor. Und viermal umsteigen, fügte er in Gedanken hinzu, weil Simba ihn schon aus seinen großen dunklen Augen nervös musterte. Er machte sich immer gleich Sorgen, wenn Mexi schlechte Laune bekam.

Mexi überflog die Verbindungen. Der erste Bus fuhr in fünf Minuten. Und an der Kreuzung sah er auch schon die Haltestelle. Bei der nächsten Verbindung würde er zwei Stunden auf einen Anschluss warten. Er musste sich entscheiden: Entweder jetzt sofort den Bus nehmen und damit Zeit sparen oder noch mal nach Hause laufen, um das Ladegerät für sein Handy zu holen. Beides würde er nicht schaffen.

»Ach, was solls«, murmelte er zu sich selbst. In der Pension würde er sein Handy immer noch aufladen können, und in der Wahren Welt konnte er es eh nicht benutzen.

»Komm, Simba. Wir gehen auf Reisen!«, spornte er den Mops an.

Simba nieste, als würde er Mexi zustimmen, und gemeinsam schlossen sie zu Nala auf, die wie immer vorausgeeilt war. Im Laufen kaufte Mexi eine Fahrkarte über die App und prägte sich rasch die restlichen Busnummern ein: 301, 4, 531 und 1337. Bei der letzten Zahl musste er in sich hineingrinsen. Die würde er ganz sicher nicht vergessen. Die anderen Linien allerdings hoffentlich auch nicht. Der Akku stand nun bei zwei Prozent. Aber wenn er diesen Bus nicht nahm, würde er auch alle anderen verpassen. Das durfte nicht passieren. Fufu brauchte ihn.

»Nala, komm!«

Das Hundemädchen beachtete ihn nicht. Gerade war eine Taube auf der Wiese neben der Bushaltestelle gelandet, die nun dringend gejagt werden musste. Wie ein kleiner dunkler Kugelblitz schoss Nala durch das Gras auf sie zu.

»Ich meine es ernst!«, rief Mexi mit fester Stimme.

Zum Glück reichte das. Nala bremste so heftig mit den Vorderpfoten ab, dass die Hinterläufe den Kontakt zum Boden verloren und sie beinahe mit der Schnauze im Dreck gelandet wäre. Doch sie fing sich, fuhr herum und lief fröhlich bellend auf Mexi zu. Keinen Moment zu früh, denn da kam auch schon der Bus.

Mexi rannte los und winkte der Fahrerin zu, um sich bemerkbar zu machen. Das funktionierte, denn der Bus wurde langsamer, blinkte und stoppte an der Haltestelle. Zischend öffneten sich die Vordertüren.

Mit einem schnaufenden Simba und einer bellenden Nala im Schlepptau, erreichte Mexi den Bus und stieg ein.

»Fahrkarte bitte«, murmelte die Fahrerin hinter dem Steuer. Sie war schon älter, hatte blonde, hochgesteckte Haare und tiefe Falten um die Augen, die sie noch müder aussehen ließen, als sie wahrscheinlich eh schon war.

»Klar.« Mexi hielt ihr das Handy hin, aber sie runzelte nur die Stirn.

»Du musst das Ding schon anmachen«, sagte sie.

»Oh, ’tschuldigung.« Mexi versuchte, den Bildschirm zu entsperren, aber er blieb dunkel. Er schluckte. »Der Akku ist leer.«

Der Blick der Fahrerin verriet ihm, dass sie diese Ausrede nicht zum ersten Mal hörte.

»Das ist wirklich wahr!«, fügte er hastig hinzu. »Ich habe gerade eine Fahrkarte gekauft. Großes Dino-Ehrenwort.«

Nala bellte zustimmend. Simba setzte sich und kratzte sich hinter dem Ohr, was nicht sonderlich hilfreich war.

»Dino-Ehrenwort«, wiederholte die Fahrerin skeptisch. Sie sah zuerst Mexi, dann die beiden Hunde an. »Das habe ich ja noch nie gehört.«

Mexi schlug das Herz bis zum Hals. »Bitte. Wir müssen unbedingt in den Hexenwald. Mein bester Freund schwebt vielleicht in großer Gefahr. Wenn ich nach Hause muss, um Geld zu holen, verpasse ich die Busse dorthin, die 301, 4, 531 und 1337, und wer weiß, was dann passiert. Bitte nehmen Sie uns mit!«

Simba und Nala schienen die Situation zu verstehen, denn sie setzten den »Bin ich nicht niedlich?«-Blick auf, mit dem sie sich sonst Leckerlis erbettelten, und legten den Kopf schief.

Die Fahrerin aber blieb eisern und schüttelte den Kopf. »Keine Fahrkarte, keine Busfahrt. So sind die Regeln.«

Mexi spürte, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Das konnte doch nicht wahr sein. Er hatte ein Ticket gekauft! Was sollte er jetzt bloß tun? Fufu brauchte ihn doch!

»Geht’s heute vielleicht auch noch mal weiter?«, mischte sich eine genervte Stimme aus dem hinteren Teil des Busses ein. Ein Mann im Anzug hatte seine Zeitung zur Seite gelegt und schaute ungeduldig auf seine Armbanduhr. »Ich muss meinen Anschluss erreichen!«

Es saßen nur wenige Fahrgäste im Bus, und so wie der Mann sahen auch sie müde aus und nicht ganz glücklich darüber, um diese Uhrzeit schon unterwegs sein zu müssen. Die meisten von ihnen waren bestimmt auf dem Weg zur Arbeit und hatten deswegen schlechte Laune. Einige nickten dem Zeitungsleser zustimmend zu, ein unruhiges Gemurmel machte sich im Bus breit.

Mexi wurde immer nervöser. Auch Simba und Nala spürten seine Unsicherheit und begannen zu winseln. Am liebsten hätten sie sich irgendwo unter einem Sitz versteckt.

»Bitte«, wandte er sich noch einmal flehentlich an die Busfahrerin. »Haben Sie vielleicht ein Ladekabel für mein Handy und eine Steckdose? Dann sehen Sie in ein paar Minuten mein Ticket.«

Die Busfahrerin schüttelte erneut den Kopf. »Daran hättest du vorher denken sollen. Du kaufst jetzt entweder bei mir ein Ticket, oder du steigst wieder aus. Wir müssen weiter.«

»Ich …« Mexi konnte die Tränen kaum mehr zurückhalten. Es war einfach so ungerecht! Betrübt ließ er den Kopf hängen, sodass ihm die Kapuze seines Onesies tief in die Stirn rutschte. Er wollte sich schon umdrehen und den Bus verlassen, als er ein dünnes Stimmchen hörte.

»Gnädige Frau?« Eine uralte Dame hatte sich von dem Sitz direkt hinter der Fahrerin zu ihnen herübergebeugt. Schneeweißes Haar schaute perfekt frisiert unter einem Strohhut hervor, der mit einem roten Band verziert war. Sie lächelte Mexi milde an.

»Was denn noch?«, moserte die Busfahrerin gereizt.

»Ich kann die Fahrkarte für den Jungen übernehmen«, bot die alte Dame an und kramte in ihrer Handtasche. »Und für die niedlichen Hunde natürlich auch.«

Simba und Nala fühlten sich sofort angesprochen und wedelten mit ihren Kringelschwänzchen.

»Danke!«, stieß Mexi erleichtert aus. Er glaubte, das Poltern des Steins hören zu können, der ihm gerade vom Herzen fiel. Schnell fuhr er sich mit dem Ärmel seines Onesies über die Augen, um die Tränen wegzuwischen.

Die Fahrerin war weniger beeindruckt, nahm allerdings das Geld der alten Dame entgegen und händigte Mexi seinen Fahrschein aus. Die Türen schlossen sich, und der Bus fuhr mit einem solchen Ruck an, dass Mexi in den nächsten Vierersitz stolperte. Er befreite sich eilig von seinem Rucksack und nahm die Hunde auf den Schoß, damit sie nicht durch den Gang liefen und jeden Fahrgast einzeln begrüßten. Dann drehte er sich noch einmal zu der Dame um.

»Wirklich, vielen Dank!«

Sie nickte verständnisvoll. »Ein Dino-Ehrenwort muss etwas sehr Wichtiges sein«, sagte sie. »Und einem Freund in Not sollte man immer helfen. Ich hoffe, du findest ihn.«

Irrfahrt

Mexi lehnte mit der Schulter an der Scheibe und sah nach draußen. Als die freundliche alte Dame an der Stadtgrenze ausgestiegen war, hatte er sich erneut bei ihr bedankt, aber seitdem war absolut nichts Bemerkenswertes mehr geschehen. Die Fahrt war unvorstellbar öde und dauerte ewig. Der Bus hatte die Stadt längst hinter sich gelassen und fuhr nun gemächlich über Land. Es war so langweilig, dass Mexi aus lauter Verzweiflung angefangen hatte, Kühe zu zählen.

»Siebenundzwanzig … achtundzwanzig … neunundzwanzig …«

Er seufzte, als er einen Blick auf den Sitz neben sich warf, auf dem sein Rucksack lag. Simba hatte entschieden, dass das der perfekte Schlafplatz war. Er hatte sich auf dem weichen Stoff zusammengerollt und schnarchte nun zufrieden vor sich hin. Was kein Problem und sogar niedlich gewesen wäre, wenn nicht Mexis Konsole im Rucksack gesteckt hätte. Er hätte so gerne ein bisschen gezockt, brachte es aber nicht übers Herz, Simba zu wecken.

Nala bellte einmal kurz. Sie saß auf seinem Schoß und stemmte die Vorderpfoten aufgeregt gegen die Scheibe. Darauf befanden sich mittlerweile eine Menge Pfotenabdrücke, weil Nala bei jeder Kuh, die sie sah, bellend auf und ab sprang.

»Habe ich eine verpasst?«, fragte Mexi und streichelte ihr den Nacken.

Nala hechelte.

»Okay, dann dreißig.«

Wenn Nala nicht gerade eine Kuh sah, war es ruhig im Bus. Es waren zwar noch weitere Fahrgäste zugestiegen, doch die meisten schienen in ihre Gedanken versunken und wirkten ebenso gelangweilt wie Mexi. Manche hatten die Augen geschlossen, andere starrten auf ihr Handy.

»Einunddreißig … zweiunddreißig, dreiunddreißig, vierunddreißig … Mist!« Der Bus war so schnell an der Weide vorbeigefahren, dass er ein paar Kühe übersehen hatte.

Nun erreichten sie das nächste Dorf. Rund ein Dutzend Häuser drängten sich um einen kleinen Platz. In dessen Mitte stand ein beeindruckender Brunnen, aus dem eine Fischfigur ragte. Wasser plätscherte fröhlich aus dem geöffneten Maul in ein steinernes Becken.

Cool, dachte Mexi. Der Fisch erinnerte ihn an die Flopper aus der Wahren Welt. Im nächsten Moment aber kamen ihm Zweifel. Warum konnte er sich nicht an den Brunnen erinnern? Er war doch mit seinen Eltern zum Hexenwalder Tal gefahren. Laut der Karte hatte es nur eine größere Straße gegeben, die sie hätten nehmen können. Und zwar die, die durch dieses Dorf führte.

Mexi spielte nervös mit dem Armband an seinem Handgelenk, das ihm Yuki zum Abschied geschenkt hatte. Er hatte die Autofahrt zwar größtenteils verschlafen, aber seine Mutter hätte ihn bestimmt geweckt, wenn sie an diesem Brunnen vorbeigekommen wären. Sie hatte immerhin bei jedem Reh, das sie irgendwo auf der Wiese sah, laut vor Freude aufgeschrien. Ein solcher Brunnen wäre nicht einfach unkommentiert geblieben.

Er schüttelte den Gedanken ab. Vielleicht hatte seine Mutter gerade auf die Karte geguckt, als sie durch das Dorf gefahren waren. Sie vertraute dem Navi nicht, deshalb sah sie immer selbst nach, ob die Angaben stimmten. Dann hätte sie den Brunnen verpasst.

Ich sitze im richtigen Bus, redete sich Mexi gut zu, als sie das Dorf hinter sich ließen. Ich kann Osten und Westen unterscheiden. Das lernt man doch in jedem Spiel, in dem es Maps gibt.

Wie zur Bestätigung tauchten am Horizont die höheren und dichter zusammenstehenden Häuser einer Stadt auf. Dort musste er in den nächsten Bus umsteigen. Nummer 301. Das hatte er sich gemerkt. Und danach 4, 531 und 1337.

Die Weiden und Wiesen vor dem Fenster verschwanden. An ihre Stelle traten Reihenhäuser mit kleinen Vorgärten und große Supermarktparkplätze. Mexi stupste Simba an, als auf dem Busdisplay die Haltestelle »Busbahnhof« angezeigt wurde. Der Mops unterbrach sein Schnarchen und hob den Kopf.

»Wir müssen aussteigen«, sagte Mexi entschuldigend. Sanft zog er seinen Rucksack unter dem Mopshintern hervor und legte sich den Riemen über die Schulter. Nala sprang bereits von seinem Schoß und lief zwischen den Beinen der anderen Fahrgäste hindurch.

»Guck mal, Mama. Wie süß!«, stieß ein kleines Mädchen hervor, das mit seiner Mutter im Gang stand.

Die Türen öffneten sich zischend. Der Lautsprecher knackte. »Busbahnhof, Endstation. Alle aussteigen.«

Nala wartete schon draußen auf ihn, Simba wackelte gemütlich neben Mexi her, der hinter den anderen Fahrgästen ausstieg. Er meinte, den unfreundlichen Blick der Busfahrerin im Nacken zu spüren, drehte sich aber nicht noch einmal um. Sie konnte ihm mitsamt ihrer schlechten Laune gestohlen bleiben.

Der Busbahnhof war groß. Es gab bestimmt fünfzehn Bushaltestellen, die auch noch von unterschiedlichen Linien angefahren wurden. Mexi musste die Fahrpläne einzeln ablaufen, bis er endlich die Stelle gefunden hatte, an der die 301 halten würde. Der Bus sollte in zwanzig Minuten kommen.

Mexi sah sich um. Direkt hinter dem Busbahnhof entdeckte er einen kleinen Park, in dem ein paar Bänke unter Bäumen standen. Es war warm, und die Hunde würden sich im Schatten und auf dem weichen Gras bestimmt wohler fühlen als auf dem harten Asphalt.

»Kommt.« Die beiden folgten ihm zu einer der Bänke. Sie stand vor der großen Statue eines ernst aussehenden Mannes, der in einer Hand ein aufgeschlagenes Buch hielt und den Zeigefinger der anderen Hand mahnend hochhielt. Die Statue flößte Mexi irgendwie Respekt ein, den Tauben allerdings nicht. Sie hatten seinen Kopf schon so oft als Toilette benutzt, dass er ganz weiß war.

Mexi setzte sich, gab den Hunden etwas zu trinken und sah auf die Uhr an einem Kirchturm, der hinter dem Park aufragte. Noch eine Viertelstunde. Ich darf den Bus nicht verpassen, mahnte er sich. Der Busbahnhof befand sich zwar hinter ihm, sodass er die einfahrenden Busse nicht sehen konnte, aber dank der Uhr vor ihm hatte er die Zeit im Blick.

Nala und Simba hatten den kleinen Napf leer getrunken und sahen Mexi erwartungsvoll an. Er wollte gerade ihr Futter aus dem Rucksack holen, als ein anderer Hund auf sie zukam.

»Watson!«, rief die Besitzerin, die auf dem Weg stehen geblieben war.

Den interessierte das aber nicht sonderlich, sondern er lief weiter auf Nala zu. Der Hund war mindestens dreimal so groß wie sie und hatte wuscheliges, langes Fell. Als er Nala am Hintern riechen wollte, fuhr sie herum und kläffte ihn an. Watson machte erschrocken einen Satz zurück und wäre beinahe über seine Pfoten gestolpert. Nala schüttelte sich, dann sprang sie auf ihn zu und forderte ihn zum Spielen auf.

»Du hast wirklich vor nichts Angst, oder?«, fragte Mexi lächelnd, als plötzlich sein Magen laut knurrte.

Er hatte den ganzen Morgen noch nichts gegessen und bekam so langsam richtig Hunger. Sogar die Beschreibung des Trockenfutters, »Hähnchenhappen in Knusperhülle«, klang in seinen Ohren verlockend. Allerdings nicht so verlockend wie Oma Zinkenzucks leckere Pfannkuchen, auf die er sich jetzt schon freute. Bis dahin wollte er den Hunden ihr Futter lieber nicht streitig machen und streute stattdessen die Happen Simba vor die Pfoten. Zufrieden begann der Mops, sie aus dem Gras zu picken und laut schmatzend zu zerkauen. Für sich selbst holte Mexi einen Schokoriegel aus seinem Vorrat und biss davon ab.

Einige Minuten lang sah er zu, wie der riesige Watson und die winzige Nala sich gegenseitig über die Wiese jagten. Watsons Besitzerin hatte das Rufen aufgegeben und saß nun ebenfalls auf einer Bank. Obwohl es noch früh am Morgen war, schien die Sonne schon ziemlich intensiv, und Mexi fragte sich nicht zum ersten Mal, woher Nala bloß all die Energie für ihre endlosen Spiele nahm. Für sie gab es kein »zu warm« oder »zu kalt«.

Mexi hingegen merkte deutlich, dass mit der steigenden Sonne auch die Temperaturen in die Höhe kletterten. Nach dem Schokoriegel war sein Mund ganz trocken. Er nahm seine Wasserflasche und trank einen Schluck. Dann beugte er sich vor, um noch etwas Wasser in den Hundenapf zu schütten. Als er Simbas Blick bemerkte, hielt er inne und runzelte die Stirn.

Der Mops suchte nicht mehr nach Futter im Gras, sondern stand schwanzwedelnd da und schaute wie gebannt auf etwas hinter der Bank. Im gleichen Moment fiel ein dunkler Schatten über Mexi. Jemand tippte ihm auf die Schulter!

»Wah!« Er fuhr erschrocken herum. Die Flasche rutschte ihm aus der Hand, kippte auf der Bank um, und ein Schwall Wasser ergoss sich über den armen Simba.

Der Mops sprang auf und schüttelte sich empört. Mexi aber atmete erleichtert aus und grinste, als er sah, wer vor ihm stand. »Yuki!«, rief er erfreut und überrascht zugleich.

Nala, die noch in ihr Spiel mit Watson vertieft war, drehte sich um, sah Yuki und lief fröhlich auf sie zu. Watson blieb etwas verdattert stehen. Dann trottete er zu seiner Besitzerin zurück.

Yuki hockte sich hin, um die Hunde zu streicheln. »Warum bist du hier?«, fragte sie Mexi, bevor er sie das Gleiche fragen konnte.

»Ich will zur Pension«, erklärte er. »Fufu meldet sich nicht mehr, und du hast auch nicht geschrieben, deshalb …«

»Ich weiß nur, dass irgendwas passiert ist«, unterbrach ihn Yuki. Sie richtete sich auf. »Und deswegen habe ich dich gesucht. Ich frage mich allerdings, warum du in die völlig falsche Richtung fährst.«

»Völlig? Falsche? Richtung?« Mexi ließ die Worte einen Moment lang auf sich wirken. Er wusste nicht so richtig, wie er darauf antworten sollte. »Bist du … sicher?«

»Ja. Du hast wirklich Glück, dass du in diese falsche Richtung gefahren bist und nicht in eine andere. Ich wohne nämlich ganz in der Nähe. Zur Pension aber wäre es die entgegengesetzte Himmelsrichtung.« Yuki ging bereits los. »Komm. Ich erzähle dir alles auf dem Weg.«

Mexi schwang sich den Rucksack über die Schulter und schloss zu ihr auf. Nala und Simba folgten ihm. Irgendwas an Yuki sah anders aus, als er es in Erinnerung hatte. Aber er kam einfach nicht drauf, was es war.

»Ich wollte zu dir fahren«, fing Yuki an.

Mexi zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Echt? Aber du hast doch hoffentlich nicht mit meinen Eltern geredet?!« Immerhin wäre sein kleiner Schwindel, dass er bei Yuki war, ziemlich schnell aufgeflogen, wenn Yuki bei ihm zu Hause vor der Tür gestanden hätte!

»Nein, musste ich gar nicht. Ich habe dich im Bus an mir vorbeifahren sehen. Ich saß in dem Bus aus der anderen Richtung.«

Mexi versuchte, sich an einen Bus zu erinnern, aber da er so sehr mit Kühezählen beschäftigt gewesen war, hatte er nicht auf den Gegenverkehr geachtet. Trotzdem, das war schon ein reichlich merkwürdiger Zufall, vor allem, weil …

»Moment mal!«, rief er. »Woher weißt du denn, wo ich wohne?«

Yuki kratzte sich am Kopf. »Na ja, also … das Armband, das ich dir gegeben habe …« Sie hob entschuldigend die Hände. »Ich kann es aufspüren«, schloss sie. »Es ist ein magisches Armband, ein Hexentracker.«

»Woah!«, machte Mexi und starrte das dünne Band um sein Handgelenk an. Das war zwar auf der einen Seite ziemlich cool, auf der anderen aber auch wirklich unheimlich!