Miez Marple und die Kralle des Bösen - Fabian Navarro - E-Book
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Miez Marple und die Kralle des Bösen E-Book

Fabian Navarro

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Beschreibung

In einer Stadt, die vor die Hunde geht, willst du keine Katze sein.

»Wie gebannt bin ich Miez Marple durch eine Katzen-Parallelwelt gefolgt, die so kreativ und besonders ist, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte!« Jasmin Schreiber

Aus gutem Grund hat Katzendetektivin Miez Marple beschlossen, das komfortable Leben einer Wohnungskatze zu führen. Wäre da nicht ihr guter Freund Kater Watson, der bei seinen Ermittlungen gegen die Betreiber eines Katzengras-Onlineshops auf ein haarsträubendes Verbrechen gestoßen ist und nun in Schwierigkeiten steckt: in einer Zelle der Katzenpolizei. Als Mordverdächtiger. Schon zwitschern es die Vögel von den Dächern und auch die Bellt-Zeitung berichtet: Miez Marple ermittelt! Wird es der flauschigen Detektivin gelingen, Watson zu retten und die Stadt davor zu bewahren vor die Hunde zu gehen?

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Buch

Aus gutem Grund hat Katzendetektivin Miez Marple beschlossen, das komfortable Leben einer Wohnungskatze zu führen. Wäre da nicht ihr guter Freund Kater Watson, der bei seinen Ermittlungen gegen die Betreiber eines Katzengras-Online-Shops auf ein haarsträubendes Verbrechen gestoßen ist und in beträchtlichen Schwierigkeiten steckt. In einer Zelle der Katzenpolizei. Als Mordverdächtiger. Schon zwitschern es die Vögel von den Dächern, und auch die Bellt-Zeitung berichtet: Miez Marple ermittelt! Wird es der flauschigen Detektivin gelingen, Watson zu retten und die Stadt davor zu bewahren, vor die Hunde zu gehen?

Autor

Fabian Navarro, geboren 1990 in Warstein, ist Autor, Slam Poet und Kulturveranstalter und lebt in Wien. Zu seinem Katzenkrimi um die smarte Katzendetektivin Miez Marple inspirierte ihn eine Lesebühnenchallenge.

Fabian Navarro

Roman

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Originalausgabe April 2022

Copyright © 2022 by Wilhelm Goldmann Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Gestaltung Cover / Innenseiten: FAVORITBÜRO, München.

Covermotiv: Falcon Eyes/Shutterstock; MARCUSZ2527/Shutterstock

mb · Herstellung: ik

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-28861-7V002

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www.goldmann-verlag.de

EINS

Tiefschwarze Wolken schoben sich vor den Mond wie eine Katze vor einen Monitor, an dem dringend gearbeitet werden musste. Vereinzelt blinzelten Hochhausfenster in die Nacht. Der Oktoberwind scheuchte Plastiktüten durch die Gassen, als wären sie ängstliche Mäuse.

Während die Menschen sich in ihren Betten zusammengerollt hatten, leckte sich Kater Watson die feuchten Laubreste von den Tatzen. Der Geschmack erinnerte ihn an das Futter im Tierheim. Er seufzte. Seit Monaten verfolgte er die Spur eines Drogenrings, der auf www.checkmynip.com illegale Substanzen wie Katzengras und Baldrian feilbot. Über ein Mitglied des Chaos Cat Computer Clubs hatte er eine Liste von Adressen erhalten, die möglicherweise im Zusammenhang mit einigen größeren Transaktionen standen. Watson vermutete, dass es sich hierbei um Kleinganoven handelte. Trittbrettfahrer, die versuchten, einen Krümel vom Kuchen des florierenden Drogenhandels zu ergattern. Er hoffte, dass zumindest einer von ihnen singen würde. Leider hatten sich die letzten drei Adressen – ein Lagerhaus im Industriegebiet, ein verlassenes Fitnessstudio und ein baufälliges Bürogebäude – als Sprung ins Leere erwiesen. Er hatte bewusst zunächst die Orte überprüft, die von den Menschen gemieden wurden. Nun observierte er das Grundstück in der Felinenallee 34. Es war das erste Wohnhaus auf seiner Liste, und die Gegend war bemerkenswert. Das Sommerfellviertel thronte auf einem Hügel im Nordwesten der Stadt. Bei Tag fielen hier die Herbstsonnenstrahlen durch rotgoldene Baumkronen auf aristokratische Altbauten, und die Gehsteige schimmerten immer wie geschleckt. Hier fraß man kein Whiskas. Hier waren ganze Küchenteams für die Samtpfoten der Reichen und Schönen abgestellt. Viele der hier wohnenden Menschen waren so reich, dass sie es vorzogen, ihren Reichtum hinter Mauern zu verstecken. Wer hier lebte, konnte wortwörtlich auf den Rest der Stadt hinabsehen.

Watson ließ seinen wachsamen Blick über die grauen Großstadtviertel schweifen. Er sah die Neonschilder auf den Dächern der Hochhäuser, lauschte dem nächtlichen Verkehrstreiben und beobachtete, wie der Nebel in der Ferne die letzten Kräne des Hafens schluckte. In den letzten Jahren hatte sich die Stadt verändert. Der Ton der Straße war merklich rauer geworden, die Stimmung aufgeheizt. Bandenkriege, Drogenhandel, aufbrandende Gewalt: Die Polizei kam kaum noch hinterher. Wollte es vielleicht auch gar nicht. Watson wusste, dass seine Arbeit nur ein kleines Sandkorn auf einem großen Haufen Scheiße war, doch irgendetwas musste er tun.

Er wandte sich dem massiven Tor zu, das ihm den Blick auf das Anwesen verwehrte. Doch vor der hohen Gartenmauer stand ein Baum, dessen Zweige über die Mauer reichten. Vom Baum aus konnte er in einiger Entfernung die erleuchteten Fenster einer neoklassizistischen Villa erahnen. Routiniert wich Watson dem Blickfeld der Sicherheitskameras aus und überwand die Mauer. Im Vorgarten machte er einen Bogen um den Rasensprenger, erreichte die mit Efeu begrünte Fassade und begann daran hochzuklettern. Mühelos fanden seine Krallen Halt. Schon spähte er durch das Fenster im Erdgeschoss. Der Raum war vollgestopft mit Technik: Schaltpulte, Tastaturen mit LED-Beleuchtung, Filmscheinwerfer und Kameras. An den Wänden hingen gerahmte Schallplatten, Urkunden und ein Porträt, das ihn überrascht aufschnurren ließ: Aus dem Halbdunkel lächelte ihn das Konterfei von Florian Silberschweif an. Watson schnaubte. Er hasste diesen schmierigen Kater, der mit seiner Schlagermusik einen viralen Hit nach dem anderen landete. Die Single Ein Fell für eine Nacht war über eine Million Mal im Internet angeklickt worden. Silberschweif war beliebt bei den Menschen, die ihn aus »BEAUTIFULCATSINGS (Original Video)«, einem äußerst populären Katzenvideo, kannten. In der Welt der Katzen aber, wo man seinen Gesang verstand, war er ein Star. Sein Produzent drehte alle paar Wochen einen neuen Clip mit ihm. Sie gingen sogar zusammen auf Tour und traten in Shows vor zehntausenden Zweibeinern auf, die sich prächtig über den Kater amüsierten. Manchmal gab Silberschweif auch Konzerte für Katzen. Bei diesen spazierte er von Hausdach zu Hausdach und jaulte seine infantilen Texte auf so eindringliche Weise, dass es unmöglich war wegzuhören. Jedes Kätzchen kannte Silberschweif. Wenn er wirklich in die Drogensache verwickelt war, war das eine Riesensauerei.

Der Fall begann, interessant zu werden.

Watson untersuchte den Fensterrahmen und entdeckte die Alarmanlage. Hier kam er nicht ohne Weiteres hinein, also setzte er seine Kletterpartie fort. Im ersten Stock hatte er mehr Glück, ein Fenster stand offen. Ein beißender Dunst entströmte dem Raum und fraß sich durch die angenehmen Düfte des Herbstes. Er erkannte dieses widerwärtige Gemisch auf Anhieb: Pink-Peach-Bubblegum-Badebomben waren bei den Menschen derzeit in Mode.

Wasser plätscherte. Watson warf einen Blick in den Raum, konnte aber nicht viel erkennen. Dann vernahm er das zufriedene Geräusch eines Menschen, der sich in eine Badewanne legt. Schnell zog sich Watson zurück und drückte sich zwischen die Efeuranken. Allein der Gedanke an ein Vollbad in dieser olfaktorisch überladenen Tunke ließ ihn erschaudern: Was hatten diese Zweibeiner nur immer mit ihrem Wasser? Aber was wollte man auch erwarten von Wesen, die den größten Teil ihres Fells auf dem Kopf trugen?

Plötzlich witterte Watson, dass noch jemand im Raum war. Ein anderer Kater! Er roch nach Fisch, Hafen und Niedertracht. Das konnte unmöglich Silberschweif sein. Eine Weile blieb es drinnen ruhig, bis auf einmal ein grässlicher Lärm die Stille durchbrach. Es klang nach einem dieser entsetzlichen Staubsauger. Es folgten ein Platschen und ein Schrei. Watson sah den Duschvorhang mitsamt Stange herunterkrachen und blickte in das schmerzverzerrte Gesicht eines jungen Mannes. Dieses zog Grimassen, die Watson noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Die Augen quollen aus ihren Höhlen und waren blutunterlaufen. Unwillkürlich spannte Watson die Muskeln an und krallte sich fester in die Efeuranken. Er spürte, wie sich ihm das Fell sträubte. Auf der anderen Seite der Straße erspähte er eine Polizeikatze auf Streife. Sie trug eine der niedlichen Polizeimützen, über die er sich immer lustig zu machen pflegte. Die erniedrigende Verkleidung, die Menschen ihren Katzen zum Spaß überzogen, war inzwischen tatsächlich die offizielle Uniform der Katzenpolizei geworden.

Die Beamtin hatte von dem Lärm in der Villa offensichtlich keine Notiz genommen: Sie putzte sich gerade ausgiebig im Schritt. Watson ertrug den Anblick des verrenkten Menschen in der Wanne keine Sekunde länger. Von Panik erfasst, ließ er sich fallen, landete wohlbehalten auf allen vieren auf dem akkurat gestutzten Rasen und rannte los, geradewegs durch die Fontäne des Rasensprengers, vorbei an den antiken Statuen in den Rosenbeeten. In zwei Sätzen überwand er die Mauer und kam neben der Ordnungshüterin zum Stehen. Diese sah ihn verdutzt an, ein Hinterbein über ihrem Kopf.

*

Das Holz im Kachelofen knackte, und durch das Kaminglas konnte man Funken in die Höhe steigen sehen. Gemütlichkeit lag in der Luft. Die Schriftstellerin Agathe Christiansen saß mit zur Seite geneigtem Kopf in ihrem Ohrensessel und schlief. Sie hatte nach dem Aufwachen das Feuer neu entfacht und pflichtbewusst den Napf gefüllt, war dann aber wieder weggedöst. Das Manuskript, an dem sie versucht hatte zu arbeiten, war ihr vom Schoß geglitten, die Blätter hatten sich über die Eichendielen des Wohnzimmers verteilt.

Miez Marple lag in ihrem Korb und putzte sich. Sie hatte schon lange keinen Fall mehr gelöst. Nicht, dass es nicht genug zu tun gab. Im Gegenteil: Die Stadt war ein einziger Moloch, dessen Straßen nach Gesetzlosigkeit und saurer Milch stanken. Jedoch hatte die Polizei ihr mehr als deutlich gemacht, dass sie sich in Schwierigkeiten begab, sollte sie ihre Arbeit fortsetzen. Und da sie sich nicht länger mit korrupten Beamten herumschlagen wollte, hatte sie sich immer mehr zurückgezogen und sich letzten Endes für einen frühen Ruhestand entschieden. Sie entfernte das Detekteischild von ihrer Katzenklappe und ließ diesen kurzen, aber aufregenden Teil ihres Lebens hinter sich. Endlich konnte sie sich ihrer zweiten Leidenschaft – der Lyrik – zuwenden. Ein Hobby, das sie während ihrer aktiven Zeit sträflich vernachlässigt hatte. So saß sie nun in ihrem Korb, den warmen Kamin im Rücken, und schnurrte. Ein gelungener Vers war wie ein raffiniertes Verbrechen: grausam und emotional. Wahre Dichtkunst ließ Verstand und Sinne tanzen und führte einem die eigene Sterblichkeit vor Augen.

Bei jeder neuen Eingebung sprang Miez Marple zu Agathes Laptop, lief über die Tastatur und schrieb so Zeile um Zeile an ihrem Gedicht. Sie genoss dieses Vergnügen, für das sie nun nicht mehr stundenlang im Regen stehen musste, um irgendwelchen Kleinganoven auf die Tatzen zu schauen. Aktuell feilte sie an einem Paraklausithyron: einem Gedicht, welches traditionell vor einer verschlossenen Tür gesprochen wird und an eine Person gerichtet ist, die dem lyrischen Ich die Liebe versagt. Das bisher Geschriebene las sich so und machte ihr ausgesprochen gute Laune:

Warum lässt du mich nicht herein

Bin ich nicht flauschig? Bin ich nicht fein?

Ich schwör, ich hab die Vase nicht zerbrochen

kratz nicht am Sofa, echt, versprochen

Oh ich lieb dich

Oh ich lieb dich

so lange ich dich kenn

dich und dieses GEILE NEUE TEURE TROCKENFUTTER VOM DM

Soeben hatte sie die vierte Zeile der zweiten Strophe vollendet, da hörte sie ein Geräusch. Mit einer flinken Bewegung ihrer Tatzen speicherte sie das Gedicht in einem versteckten Ordner auf Agathes Festplatte. Kaum war sie damit fertig, polterte auf einmal Kater Watson durch die Katzenklappe in das Zimmer. Sein Blick war gehetzt, Marple konnte ihm ansehen, dass etwas ganz und gar nicht schnurr war.

»Watson! Was ist passiert?«, fragte sie alarmiert.

»Es … Er … Tot. TOT!«

Darauf keuchte der zierliche schwarze Kater dreimal und brach dann zusammen. Miez Marple sprang vom Laptop herab und war im nächsten Moment bei ihrem Freund, der mit halb geöffnetem Maul dalag und nur flach atmete. Behutsam zog sie ihn in Richtung des Kamins. Dann putzte sie ihm das Fell. Es war nass und roch nach frisch gemähtem Gras. Sie untersuchte ihn auf Verletzungen, doch zu ihrer Erleichterung war er körperlich unversehrt, er musste nur wieder zu Kräften kommen. Miez Marple machte einen Satz auf den Wohnzimmertisch und stieß dort ein Kännchen Milch um. Einige Spritzer benetzten den Boden direkt vor Watson, doch der regte sich nicht. Besorgt sah sie zu, wie sich das glatte Fell seiner Flanke hob und senkte.

Die beiden kannten sich seit Kätzchentagen. Sie hatten eine Weile gemeinsam im Tierheim Sonnenfroh gelebt. Watson, geboren in einem unbedeutenden Dorf im Umland, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Hauskaterleben hinter sich. Er war als winziges Kätzchen der Dorfidylle entrissen und zu Weihnachten an die Tochter eines Großindustriellen verschenkt worden, die ihn über alles liebte. Sie hieß Marie und war für menschliche Verhältnisse das gefühlvollste Geschöpf dieses Planeten. Ihre Streicheleinheiten beschrieb Watson als die Berührung einer höheren Wesenheit. Katzen, die in Vollzeit bei den Menschen lebten, galten als Risikofälle. Zwar war ihre Lebenserwartung höher als bei Freigängern, aber sie vereinsamten und wurden zu gesellschaftlich isolierten Kreaturen. In akademischen Kreisen hieß dieses Phänomen die Domestizierungsfalle. Die, die hineintapsten, fixierten sich immer mehr auf die Zweibeiner, bis sie kein Teil der felinen Gemeinschaft mehr waren. Gelegentlich sprach man auch etwas abfällig von den »Klappenlosen«, weil diese Hauskatzen keine Möglichkeit hatten, die Wohnungen der Menschen zu verlassen. Allerdings betraf dieses Phänomen auch Katzen, die zwar das Haus verlassen konnten, es aus Bequemlichkeit aber vorzogen, sich der Häuslichkeit hinzugeben. Bei Watson war das anders. Er hatte in der großen Penthousewohnung zwar keinen Freigang, aber genug Platz, um sich die Zeit zu vertreiben. Die große Dachterrasse ermöglichte es ihm, den Kontakt mit Artgenossen aufrechtzuerhalten. Er hatte bei Marie ein richtig gutes Leben. Die Stunden, in denen sie ihn mit Spiel und Leckereien bedachte, machten sein Glück perfekt. Doch es sollte nicht lange währen, denn das Menschenkind wurde von einer unheilbaren Katzenhaarallergie geplagt, und so brachte man das Katerchen nach wenigen Wochen und unter vielen Tränen ins Tierheim. Dort besuchte ihn Marie noch einige Male – immer so lange, bis ihre Augen ganz rot waren und ihr trockener Husten die anderen Katzen ganz nervös machte. Eines Tages kam sie dann nicht mehr, und das brach Watson das Herz.

Miez Marple erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Er hatte zusammengerollt in einer Ecke gelegen, den Kopf schwermütig auf die Vorderpfoten gelegt. Watson war ein unterdurchschnittlich kleiner Kater, er hatte etwas Gebrechliches an sich. Wer ihn sah, wollte sich sofort um ihn kümmern. Seine bernsteinfarbenen Augen und sein vorsichtiger Gang verstärkten diesen Eindruck noch. Doch die vermeintliche Vorsicht war vielmehr Ausdruck seiner Bedachtsamkeit. Watson war ein scharfsinniger Logiker, der seine Umgebung mit einer fast schon beängstigenden Präzision wahrnahm. Setzte man ihn nur für fünf Sekunden in einen Raum, konnte er noch Tage später eine detaillierte Skizze des Grundrisses in die Tapete kratzen. Darüber hinaus las er wirklich alles, was ihm zwischen die Pfoten kam. Er lebte mittlerweile im Garten der Stadtteilbibliothek, unweit von Miez Marples Haus. Die Bibliotheksangestellten versorgten ihn gelegentlich mit Futter, schlugen aber, wenn er mal ein paar Tage oder Wochen nicht aufkreuzte, nicht gleich Alarm. Er kam immer wieder zurück, um in den Werken der Weltliteratur zu stöbern. Als Miez Marple und Watson noch gemeinsam ermittelt hatten, war immer er es gewesen, der die entscheidenden Puzzleteile zusammenfügte. Seine zierliche Erscheinung hatte sich dabei als Vorteil erwiesen, da er von seiner Umwelt stets unterschätzt wurde. Dass er aber aus der Rolle des Analytikers fiel und die Nerven verlor, kam äußerst selten vor. Zuletzt hatte sie ihn so gesehen, als die Zustände im Tierheim Sonnenfroh eskaliert waren.

Die Katzendetektivin fixierte Watson mit sorgenvollem Blick, als er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Augen öffnete. »Watson! Das wurde aber auch Zeit!« Sie gab ihm einen Moment, damit er ganz zu sich kommen konnte.

»Miez?«

Sie schleckte ihm über die Stirn. »Du hast mich ganz schön erschreckt! Siehst aus wie vom Staubsauger überfahren. Was ist passiert? Hat dich der Koch wieder beim Naschen erwischt?«

»Das, liebe Miez, ist bereits die zweite infame Unterstellung, die ich heute erdulden muss. Da kann ich gut drauf verzichten!«

»Bin ja schon still, bevor ich noch in ein weiteres Fressnäpfchen trete. Erklär mir einfach, wer oder was dir so zugesetzt hat.«

Watson richtete sich auf, leckte zwei Schluck Milch vom Boden und begann zu erzählen.

Das Feuer im Ofen war fast erloschen, als er seinen Bericht abschloss.

»Nachdem ich der Beamtin alle relevanten Informationen gegeben hatte, bin ich direkt zu dir. Das Gesicht dieses Menschen, Miez … Ich weiß nicht, ob ich jemals etwas so Entsetzliches gesehen habe.«

Miez Marple starrte in die Glut und schwieg. Im Hintergrund schnarchte leise Agathe Christiansen.

»Watson, mein Lieber, was dir passiert ist, ist furchtbar. Aber hatten wir uns nicht geeinigt? Hatten wir nicht gesagt, dass wir diesen gefährlichen Unfug sein lassen? Ich muss sagen: Seit ich aufgehört habe, bewaffnete Ratten, wahnsinnige Hunde oder aufgeschlitzte Katzen in mein Leben zu lassen, schlafe ich – Überraschung! – wesentlich besser.«

Watson setzte sich auf, fuhr sich ein paar Mal mit der Pfote übers Gesicht und sah sie nun mit schief gelegtem Kopf und aus klaren Augen an. »Meine gute Freundin. Du weißt, dass ich dich liebe wie eine Schwester. Uns verbindet ein Band, das auch die schärfste Kralle nicht zu trennen vermag. Ich bin dankbar für alles, was du für mich getan hast, und damit meine ich nicht nur die Sache im Sonnenfroh. Aber seit geraumer Zeit schleicht mir eine Frage durch den Kopf. Eines der härtesten Rätsel, dessen Lösung ich noch nicht ersann –«

»Alles, Watson, frag nur.«

»Nun gut, mit Verlaub: Was, zur gottverdammten Hundescheiße, ist eigentlich mit dir los?«

Miez Marple sah ihn schockiert an.

»Du weißt genau, was ich meine«, fauchte Watson. »Du warst immer die, die gesagt hat, wir müssen nach vorne schauen, diese Stadt zu einem Ort machen, an dem Hunde, Katzen und alle anderen leben können, ohne Angst zu haben, an der nächsten Ecke totgebissen zu werden oder unter die Räder zu kommen. Wir dürfen nicht aufgeben, hast du gesagt. Und jetzt? Jetzt sitzt du hier im rosaroten Wunderscheißland, leckst dir das Fell und schreibst Gedichte? Ich frage dich: Was ist passiert, Miez Marple?!«

Auch wenn sein Zusammenleben mit Marie nur von kurzer Dauer gewesen war, eines musste man dem Mädchen lassen: Sie hatte bei Watsons Erziehung wundervolle Arbeit geleistet. Seine Manieren und seine Ausdrucksweise erinnerten für gewöhnlich an die eines Britisch-Kurzhaar-Adligen. Nur in den seltenen Momenten, wenn er aufgeregt oder verängstigt war, brach die Sprache der Gosse, die im Hafenviertel gesprochen wurde, durch.

»Watson, aber ich habe nicht aufgegeben. Ich bin lediglich … mit meinen Kräften am Ende. Diese Stadt, sie ist wie ein Knäuel, mit dem du spielst, aus dem du einen Faden nach dem anderen herausziehst. Eben glaubst du noch, du kannst es entwirren, schon legt sich eine Schlinge um deinen Hals. Wenn du dann nicht loslässt, wirst du erwürgt. Denk nur an Kommissar Milky Way. Er sagt –«

»Wann hat dich jemals interessiert, was die Polizei sagt?«

Watson war nun etwas ruhiger. An Miez’ leicht nach vorne gekippten Ohren konnte er erkennen, dass seine Worte die gewünschte Wirkung erzielten.

»Lass uns nicht streiten, mein Freund. Vielleicht hast du recht, und das alles hier …«, sie deutete auf die Porzellanfiguren in der Glasvitrine, die in Stoff gestickten Weisheiten an den Wänden und den übrigen Tand in Agathes Wohnung, »… ist reine Weltflucht. Aber ich brauche das eben, um nicht den Verstand zu verlieren. Ich habe bis zu dieser Sekunde nicht ein einziges Mal daran gedacht, noch einmal zum Baldrian zu greifen.«

»Und das solltest du auch weiterhin nicht tun«, sagte Watson streng. »Aber vielleicht hilfst du mir bei dieser einen Sache? Miez, ich brauche das Gefühl, etwas verändern zu können, und alleine schaffe ich es nicht. Noch nicht. Aber ich verspreche dir, wenn du danach aussteigen willst, dann werde ich dich nie wieder belästigen.«

Miez Marple lächelte ihn an. »In Ordnung. Aber nur, wenn du zu meiner nächsten Lesung kommst.«

»Das lässt sich sicher einrichten.« Watson schnurrte.

»Nun gut, dann fangen wir an. Was genau hast du gesehen?«

Es war, als legte sich ein Schalter um: Watson war sofort im Analysemodus. »Das meiste habe ich dir ja bereits erzählt. Aus meiner Position war mir eine Identifikation des Täters leider unmöglich.«

»Und das Opfer?« Miez Marple hatte ihren Schwanz aufgerichtet und ließ ihn aufgeregt von links nach rechts schwingen.

»Sein Gesicht kam mir bekannt vor, aber frag mich nicht, aus welchem Kontext.«

»Watson, irgendetwas muss dir doch aufgefallen sein! Denk scharf nach!«

»Doch, da ist etwas. Eine maritime Note. Sie erinnerte mich an einen zarten Windhauch vor der Küste New Englands.«

»Watson, du warst noch nie in New England!«

Pikiert warf der Kater den Kopf zur Seite. »Aber ich habe alle Werke des großen Literaten Hermann Miauville gelesen und maße mir aufgrund seiner hervorragenden Prosa eine gewisse Kenntnis –«

»OKAY! Der Täter roch also nach Fisch. Was wissen wir noch?«

Doch bevor der kleine schwarze Kater antworten konnte, klapperte die Katzenklappe ein weiteres Mal. Zwei Polizeikater betraten den Raum. Der erste getigert und dünn, beinahe abgemagert. Sein Gesicht war kantig und hatte etwas Fieses an sich. Sein Kollege dagegen war breit gebaut, eine imposante Erscheinung mit struppigem Fell in Schildpattfärbung.

»Meine Herren. Ich muss doch wohl sehr bitten!«, rief Miez Marple leicht indigniert.

»Sorry, Schätzchen. Harry Blaze und Basti Blümchen – Morddezernat. Wir kommen, um den da zu holen«, fauchte der Magere und deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Watson.

»Mich? Wieso? Ich habe doch bereits umfassend ausgesagt!«

»Das klären wir auf der Wache. Kommen Sie freiwillig mit oder …« Er blickte in Richtung des massigen Blümchens, der sich nun zu seiner vollen Größe aufrichtete. Er schien so massiv, dass er es mühelos mit einer kleinen Dogge hätte aufnehmen können.

»Würden Sie mir zunächst die rechtlichen Grundlagen meiner Verhaftung erläutern?«

Blaze lachte verächtlich.

»Verhaftung? Wir haben nur ein paar Fragen an Sie, Watson. Sie sind doch der Watson, der heute Nacht um vier Uhr in der Felinenallee 34 erfasst wurde? Von einer Überwachungskamera?«

»Ja, aber –«

»Na, dann bin ich sicher, dass Sie uns helfen können. Kommen Sie!«

Sie führten den schmächtigen Kater ab, der sich noch einmal zu Miez Marple umsah. Sie nickte ihm grimmig zu. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Gleich nachdem die Beamten mit Watson durch die Klappe verschwunden waren, machte sie sich ebenfalls auf den Weg.

Ein weiteres Mal musste die Lyrik warten, weil der Tod selbst gedichtet hatte.

ZWEI

Miez Marple passierte meterhohe Hecken und Zäune, an denen Schilder vor Wachdiensten und Hunden warnten. Schließlich erreichte sie Nummer 34. Das Tor stand weit offen. Natürlich. Die Spurensicherung war längst vor Ort. Flink erklomm Miez Marple die Stufen am Eingang, passierte einige marmorne Büsten in der Halle und gelangte schließlich, von ihrem Instinkt geleitet, an den Ort des Verbrechens im ersten Stock. Schnüffelnd huschten Katzen umher und untersuchten den Tatort. Niemand hier nahm Notiz von der berühmten Katzendetektivin, und in einem günstigen Moment schlich sie unter der Absperrung hindurch.

Der Anblick im Bad war in der Tat schrecklich: Teilweise verhüllt von einem heruntergerissenen Duschvorhang lag ein nackter junger Mann in einer mit Wasser gefüllten Wanne. Seine Glieder waren grotesk verdreht, sein Gesicht zu einer grausamen Fratze erstarrt. Nachdenklich betrachtete Miez Marple das Opfer. Viele Katzen hielten Menschen für sehr simple Geschöpfe. Dafür sprach natürlich ihre motorische Beschränktheit. Wer schon einmal einen Menschen beim Hinabsteigen einer Treppe beobachtet hatte, würde nie behaupten, es handele sich um eine besonders hoch entwickelte Lebensform. Aber im Hinblick auf ihr Sozialverhalten konnten auch Menschen durchaus komplexe Beziehungsgeflechte entwickeln. Ihre nonverbale Art zu kommunizieren oder die unverständlichen, manchmal minutenlangen Lautäußerungsketten, die sie von sich gaben, ließen eine gewisse Intelligenz vermuten. Manchmal glaubte sie sogar, dass Menschen sie verstehen konnten, doch für derlei Ideen wurde man in der Katzenwelt schnell als Esoterikerin belächelt.

Der Anblick zweier Kater, die einen Föhn in eine Beweismitteltüte steckten, riss Miez Marple aus ihren Gedanken. Schon wollte sie sich im nächsten Zimmer umschauen, als sie hinter sich eine vertraute Stimme vernahm.

»Ha! Miez Marple! Wieder am Herumschnüffeln! Hat man Ihnen nicht deutlich genug gesagt, dass Sie aufhören sollen, Ihr Näschen in Polizeiangelegenheiten zu stecken?«

Sie fuhr herum und setzte ihr süßestes Lächeln auf. Vor ihr stand ein rundlicher Kater mit buschigem rot-braunem Fell, das in alle Himmelsrichtungen abstand. Auf dem Kopf trug er eine Polizeimütze. Sein Gesicht hatte schon bei ihrer allerersten Begegnung vor fünf Jahren gewirkt, als hätte ihm jemand den Fressnapf geklaut. Da war er gerade mit nur zwei Jahren zum Leiter des Morddezernats aufgestiegen. Er war das, was man einen Überflieger nannte: jüngster Kater im Dienst, eine Verhaftungsrate von 90 Prozent und ein Ruf, der den Kleinganoven der Stadt das Fell struppig werden ließ. Kommissar Milky Way hatte sich für den Polizeidienst entschieden, weil er etwas verändern wollte. Ein Kater voller Ideale, der an die Gerechtigkeit glaubte. Doch die Jahre hatten ihn zum Zyniker werden lassen, der letztlich überzeugt war, dass es in der Welt nur zwei Arten von Katzen gab: die, die schuldig waren, und die, die er noch nicht erwischt hatte.

»Kommissar Milky Way, wie schön Sie zu sehen!«

»Kommen Sie mir nicht so. Sollten Sie nicht zu Hause sein und zwischen Spitzendeckchen und Rooibostee an Ihren Gedichten feilen?«

»Und selber? Man hört, Sie lassen Zeugen vernehmen, die bereits vollständig ausgesagt haben? Die halbe Polizei der Stadt wuselt hier herum, als wäre die verdammte Mäusegang wieder da, und dann treffe ich Sie höchstpersönlich am Tatort? Ich gehe davon aus, dass Sie ganz schön in der Patsche sitzen, Milky Way.«

Der Kommissar fauchte kurz, fing sich aber gleich wieder. Miez Marple war nicht der Feind. Vor Jahren hatte sie ihm den entscheidenden Hinweis im Fall des Wollknäuelräubers geliefert. Monatelang hatte ein diebischer Kater die reichsten Katzen der Stadt um ihre liebsten Knäuel gebracht. Erst Miez Marple war es gelungen, dem Dieb eine Falle zu stellen und ihm mithilfe eines präparierten roten Knäuels zu folgen. Der Fall war von der Bellt-Zeitung als »Eine Fluse in Scharlachrot« betitelt worden und hatte für Milky Way den Start seiner Karriere eingeläutet. Sie hatte etwas gut bei ihm – das wusste sie genauso gut wie er. Er schnaubte, dass seine Schnurrhaare nur so zitterten.

»Nun gut, Sie haben zehn Minuten. Die Menschenpolizei wird sicher noch brauchen, aber die Presse kann jeden Moment hier sein, und Sie ahnen vielleicht, wie nervös mich das macht.«

»Presse?«

»Ja, was glauben Sie denn, um wen es sich bei dem Opfer handelt? Das ist der Berufs-YouTuber Schnurrjenko, bürgerlich: Julian Maier. Hat sein Geld mit Videos im Internet gemacht. Und, heiliger Fressnapf, nicht gerade wenig.«

»Videos? So wie diese Katze, die immer grimmig guckt?«

»Genau!«

»So wie die Katze, die auf einem Staubsaugerroboter reitet?«

»Aber ja.«

»So wie die Katze, die Fernsehen guckt und sich dann dramatisch umsieht und zur Seite schaut?«

»Miez, Sie haben es begriffen!«

»So wie die Katze, die versucht von einem Dach auf das andere zu springen und es dann nicht schafft?«

»Ich nehme es an. Außerdem –«

»So wie die Katze, die versucht von einem Dach auf das andere zu springen und es dann nicht schafft – mit der Zeile ›Hello darkness my old friend‹ aus The Sound of Silence von Simon & Garfunkel unterlegt?«

»JA, VERDAMMT, jetzt hören Sie mir doch EINMAL zu!«

»Oh, Verzeihung, ich bin eben gerne im Internet!«

»Ich persönlich finde das ja widerlich, mit so was sein Geld zu verdienen, aber ich bin auch nicht hier, um zu urteilen. Das war jedenfalls kein Selbstmord. Auf dem Föhn haben wir Tatzenabdrücke gefunden. Ich meine: Jeder von uns hat in seinem Leben aus Neugierde schon einmal eine Vase, ein iPad oder ein Baby von irgendwo heruntergeworfen – aber einen Föhn? Noch dazu in eine Badewanne? Was soll eine Katze überhaupt so nah am Wasser gemacht haben? Es war Mord. So viel ist sicher.«

»Und die Abdrücke? Zu wem gehören sie?«

»Wüsste ich auch gern. Da muss das Labor ran. Bis die sich melden, tapsen wir weiter im Dunkeln.«

Miez Marple gurrte vergnügt. Grausame Tode und komplizierte Fälle waren ihr Spezialgebiet. Gerade fühlte sie sich quicklebendig, zwang sich jedoch zu einer ernsten Miene, als sie den Blick des Kommissars auf sich spürte.

»Was können Sie mir sonst noch über den Fall erzählen, Milky Way?«

»Na ja, Maier war der Produzent von Florian Silberschweif, doch dessen Zimmer ist seit Tagen unberührt, der Kratzbaum eingestaubt. Mein Team hat in der Nachbarschaft einige Zettel gefunden, auf denen privat nach ihm gefahndet wird. Warten Sie, ich habe einen da.«

Er entfaltete das Papier. Dort stand unter einem Pressefoto des Schlagerkaters:

HABEN SIE DIESEN KATER GESEHEN?

Ich vermisse meinen kleinen Silberschweif. Er ist heute, Mittwoch, dem 12. Oktober, einfach nicht nach Hause gekommen, obwohl er jeden Mittwoch seine geliebte Fellkur hat. Er hat braunes Fell mit einem silbrigen Streifen am Rücken. Er ist SEHR talentiert. Man kennt ihn aus dem Internet von Videos wie »Cat sings Game of Thrones Theme OMG LOL«. Vielleicht haben Kinder ihn erkannt und mitgenommen? Vielleicht ist aber auch ein fieser Katzenhasser unterwegs. Ich mache mir ernsthaft Sorgen. Bei Hinweisen melden Sie sich bitte bei [email protected] oder rufen Sie auf der unten angegebenen Nummer an. Es winkt eine Belohnung!

»Hm, interessant«, bemerkte Miez Marple. »Dieser Zettel ist bereits vier Tage alt.«

»Silberschweif verschwindet spurlos, und vier Tage später stirbt Schnurrjenko. Das stinkt für mich gewaltig!«

»Sie halten Silberschweif für den Täter?«

»Nur weil er verschwunden ist, ist er noch längst nicht aus dem Schneider. Vielleicht gab es geschäftliche Uneinigkeiten? Sie wissen doch, wie plötzlicher Ruhm den Charakter verändern kann.«

Davon konnte die berühmte Katzendetektivin tatsächlich ein Lied singen. Sie begann, ihren Schwanz zu jagen. Das machte sie immer, wenn sie nachdenken musste. Kreise auf dem Badvorleger ziehend ging sie die Ereignisse der Reihe nach durch:

Silberschweif bestellt Drogen bei einem Online-Versand.Wenige Tage vor der Veröffentlichung seines heiß erwarteten Musikvideos zu seinem Hit Mit einer Katze nach Paris verschwindet er spurlos.Daraufhin wird sein Produzent ermordet.

Das ergab alles keinen Sinn. Einen solchen Skandal konnte sich selbst ein Star wie Silberschweif nicht leisten. Miez Marple rannte im Kreis. Sie rannte und rannte, bis ihre Gedanken es ihr gleichtaten. Es musste eine Erklärung für das Ganze geben. Vielleicht hatte sie noch nicht alle Teile des Puzzles entdeckt.

»Haben Sie im Rest des Hauses Hinweise gefunden?«, fragte sie atemlos und ohne anzuhalten.

»Hinweise?«

»Ja, Hinweise. Sie wissen schon: E-Mails, Einbruchspuren, eine zweite Leiche, die aufgehängt an einem Ventilator kreist –«

»Fragen Sie mich was Leichteres! Haben Sie sich hier mal umgesehen? Das Haus ist größer als Magret Scratchers Ferienvilla. Und unser Zeuge hier«, er deutete auf Schnurrjenkos Leiche, »ist leider nicht sehr gesprächig.«