Million Dollars Between Us - Nikolina Drum - E-Book
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Million Dollars Between Us E-Book

Nikolina Drum

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Beschreibung

Ein modernes Cinderella-Märchen – doch ist wirklich alles Gold, was glänzt? »Schaue niemals auf jemanden herab, dem du nicht aufhilfst.« Birdie ist obdachlos. Seit sie denken kann, lebt sie auf der Straße. Als sie wie jedes Jahr im Winter in die belebte Oxford Street umzieht, steht sie fassungslos vor dem neuen Bürogebäude, das ihrem Schlafplatz gegenüber gebaut wurde. Tag ein, Tag aus beobachtet sie nun die reichen Anzugträger, die sie mit Abscheu behandeln oder ganz ignorieren. Besonders Damien Hamilton, Juniorchef der Firma, scheint sie nicht ausstehen zu können ... »Dein Buch habe ich förmlich verschlungen. (...) Du hast dich nicht gescheut, den Kontrast zwischen Obdachlosigkeit und Reichtum zu präsentieren, und hast daraus eine herzerwärmende Geschichte geformt, die ich oft mit Tränen in den Augen gelesen habe.« (@darkqn auf Wattpad) Wattpad verbindet eine Gemeinschaft von rund 90 Millionen Leser:innen und Autor:innen durch die Macht der Geschichte und ist damit weltweit die größte Social Reading-Plattform. Bei Wattpad@Piper erscheinen nun die größten Erfolge in überarbeiteter Version als Buch und als E-Book: Stoffe, die bereits hunderttausende von Leser:innen begeistert haben, durch ihren besonderen Stil beeindrucken und sich mit den Themen beschäftigen, die junge Leser:innen wirklich bewegen!

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Bei »Million Dollars Between Us« handelt es sich um eine bearbeitete Version des auf Wattpad.com von NikolinaDrum ab 2014 unter demselben Titel veröffentlichten Textes.

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, schreiben Sie uns unter Nennung des Titels »Million Dollars Between Us« an [email protected], und wir empfehlen Ihnen gerne vergleichbare Bücher.

 

© Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Diana Napolitano

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

 

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

 

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Epilog

Danksagung

Für meine Leser:innen, meine Familie und all diejenigen, denen das Schicksal einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.

Prolog

Als ich meine Augen öffne, starren mich die 215 Kreuze auf dem roten Holz an. Der frische Morgenwind umhüllt meine Waden wie eine unsichtbare Decke. Ich richte mich vorsichtig auf, um aus dem schmalen Fenster zu spähen, aber der dichte Nebel nimmt mir die Sicht. Es ist noch zu früh, um Besucher im Vauxhall Park zu erwarten.

Ich reibe mir die Augen und suche den Waggon der Eisenbahn nach meinem Stoffbeutel ab. Doch egal wie oft meine Augen den Holzboden absuchen, ich kann ihn nicht finden. Panisch steige ich aus dem Waggon und lande auf dem grünen Rasen. Ein Blick auf meine nun mit dunkelblauen Spritzern verzierten Stoffschuhe verrät mir, dass es in der letzten Nacht geregnet hat und der Boden noch feucht ist.

Mit einer Mischung aus Erleichterung und Angst stelle ich fest, dass der Stoffbeutel aus dem Waggon gefallen sein muss und klitschnass ist. In einer raschen Bewegung hebe ich ihn auf und setze mich zurück in den trockenen Waggon. Zum Glück ist der Pappbecher noch ganz, und die Taschenlampe funktioniert auch noch.

Als Nächstes greife ich nach dem Taschenmesser. Mit dem 216. Kreuz beginne ich den 216. Tag des Jahres. Das bedeutet, es sind exakt noch 120 Tage übrig, bis offiziell der Winter beginnt. 120 Tage, bis ich an den Ort zurückkehre, an dem Lucas vor 234 Tagen gestorben ist. Er liebte Eisenbahnen.

234 Tage ohne Lucas. 234 Tage ohne meinen Bruder, das letzte Stück Familie, das mir nach Mums Tod geblieben war.

Wie werde ich diesen Winter bloß ohne ihn überstehen?

Kapitel 1

Ich vermisse das hoffnungsvolle Himmelblau meiner Stoffschuhe. Der Schnee hat sie dunkelblau gefärbt. Dunkelblau wie der Himmel, sobald die Nacht den Tag ablöst.

Ich zucke vor Schreck zusammen, als sich eine weiße Taube vor meinen Füßen niederlässt und gierig die Reste meines Brötchens vom Boden aufpickt. Immer wieder schaut sie dabei zu mir auf, als erwartete sie eine Reaktion von mir.

»Hätte ich es bloß so einfach wie du«, seufze ich leise, bevor ich mich links und rechts von mir auf dem rutschigen Boden aufstütze und mühevoll aufrapple.

Mein Körper erstarrt. Ich bin so unbeweglich wie ein Stock. Jeder Knochen in mir gibt ein elendes Knacken von sich. Die Innenstadt ist nicht mehr weit! Ich habe kaum noch Kraft, um mich auf den Beinen zu halten. Die Innenstadt ist nicht mehr weit!

Während ich den ersten Schritt in den Schnee setze, sehe ich die weiße Taube bereits vor mir fliehen, bevor sie in der Ferne mit dem Himmel verschmilzt. Die Brotkrümel sind ebenfalls verschwunden, und ich erspähe einen schwarzen Fleck auf dem durchweichten Karton. Erst sich nehmen, was einem nicht zusteht, und dann auch noch diese unhöfliche Botschaft auf meiner Notmatratze hinterlassen. Na herzlichen Dank auch!

Ich bücke mich nach meinem Stoffbeutel und werfe ihn über meine Schulter. Am liebsten würde ich in einen tiefen Schlaf fallen und nie wieder aufwachen, anstatt diese kleine Reise quer durch London auf mich zu nehmen. All meine Sorgen wären in der einen entscheidenden Sekunde vergessen, und den Winter gäbe es nicht mehr.

Nachdem ich zur vollen Stunde am Big Ben vorbeigegangen bin, um mir das Glockenspiel anzuhören, komme ich eine halbe Stunde später am Chinawhite-Club an, vor dem sich meine Eltern zum ersten Mal über den Weg gelaufen sind. Das Chaos aus lauten Autohupen und Gelächter dröhnt in meinen Ohren. Singende Engel sammeln Spenden auf den Straßen. Leise summe ich ihre Lieder mit. Der leckere Duft der Funky-Fudge-Brownies und ein Hauch von Zimt liegen in der Luft. Es ist alles, wie ich es in Erinnerung behalten habe. Ich kenne die Oxford Street nur mit Schnee und Weihnachtsdekorationen, denn im Sommer komme ich nicht her. Mit gesenktem Blick setze ich meine Reise fort.

Das finstere Schild ist mit einer Schicht weißen Schnees bedeckt. Hier werde ich meinen Winter verbringen – eingehüllt in die warme dunkelrote Decke von Chaplin, dem Hund der Eisdielenbesitzerin, der im Sommer in der Nische sitzt, um den Laden zu bewachen. Während ich die kleine Nische betrachte, die mich vor dem Wetter schützen soll, erinnere ich mich an den schlimmsten Wintertag meines Lebens. Ich sehe das Zittern seiner blauen, vollen Lippen und die Angst in seinen grünen Augen, die er niemals zugegeben hätte. Lucas hatte es nicht verdient, auf diese Art und Weise diese Welt zu verlassen. Ich vermisse meinen Bruder …

Die dunkelrote Decke reißt mich aus meinen Gedanken. Der weiche Stoff duftet angenehm nach Vanille, als ich sie mir gegen meine wahrscheinlich von der Kälte gerötete Nase halte. Ich lasse mich auf die Knie fallen, derweil landet mein Stoffbeutel in der anderen Ecke der Nische.

Doch als ich meinen Blick hebe, bleibt mir die Spucke im Hals stecken. Ich verfolge die unendliche Fensterfront mit meinen erschrockenen Augen. Dann beuge ich mich ein wenig vor, um das neue Gebäude unter dem Schild hindurch in voller Pracht betrachten zu können. Es ist wahnsinnig hoch. Die Säulen, welche den mit silbernen Ornamenten verzierten Eingang kennzeichnen, ragen mindestens zehn Meter in den Himmel. So hoch, dass – wenn ich auf einer von ihnen stehen könnte – mir schwindelig werden würde. In den Etagen befinden sich bestimmt edle Büroräume. Die amerikanische Flagge erstrahlt in Silber unter dem Namen der Firma. Ich würde zu gern wissen, warum es in London – auf der anderen Seite des Ozeans – seinen Sitz gefunden hat.

Als ich meinen Blick wieder senke, fällt er auf zwei Männer in Anzügen. Ein grauhaariger Snob und sein jüngeres Abbild. Ich verziehe mein Gesicht. Anzugträger. Der jüngere Mann starrt mit seinem eiskalten Blick zu mir auf die andere Straßenseite, und es versetzt mir einen Stoß, den ich nicht erklären kann. So etwas Intensives habe ich noch nie während eines Blickkontakts gespürt, und es bereitet mir große Sorgen, weil ich die Kontrolle verliere. Mein Körper reagiert auf sein eindeutiges Interesse an mir, aber ich dränge diese Annahme aus meinem Kopf und versuche, meinen Blick von ihm abzuwenden, was mir aber nicht lange gelingt. Neugierig schaue ich erneut zu ihm hinüber. Sein perfekt liegendes Haar verändert sich auch nach dem stärksten Windstoß nicht. Die Symbolik der Situation ist kaum zu ignorieren. Er in seinem feinen Anzug, der bestimmt mehrere Hundert Dollar gekostet haben muss und wahrscheinlich eine Maßanfertigung aus den Staaten ist, vor diesem noblen Gebäude. Und dann ich: eine in eine Hundedecke eingewickelte Obdachlose. Der junge Mann schaut auf mich herab und findet es wahrscheinlich höchst amüsant, mich auf dem Boden kauernd zu beobachten. Dies würde zumindest meine Mum behaupten. Nun bemerkt auch der ältere Mann meine Existenz. Jedoch ist ihm die wertvolle Zeit auf seiner glänzenden Armbanduhr wichtiger, bevor er seinen Arm um die Schultern meines Betrachters legt und sie sich gemeinsam dem Eingang des noblen – wie mein Bruder es genannt hätte – »Imperiums der Sünden« nähern. Doch die Körpersprache des Mannes, der seine Augen nicht von mir nehmen konnte, spricht Bände. Es scheint ihm unangenehm zu sein, dass der ältere Mann seinen Arm um ihn legt. Er versteift sich und entflieht der nahezu aufdringlichen Geste, bevor er kaum merklich über seine Schulter blickt, als wollte er ein weiteres Mal nach mir sehen. Aber dann verschwinden sie endgültig in dem gläsernen Gebäude. Ich wette drauf: Das waren der Boss und sein Sohn. Die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen. Ich frage mich jedoch, warum er sich in der Gegenwart seines Vaters so unwohl zu fühlen schien und warum zum Teufel er mich so anstarren musste. Die Kälte seiner Augen brennt mir jetzt noch unter der Haut. Wie ein Eiswürfel, den man in den Händen zum Schmelzen bringen möchte, der jedoch steinhart und kalt bleibt. Warum interessiere ich ihn … das interessiert mich.

Doch ich versuche lieber, die Spekulationen aus meinen Gedanken zu verbannen, welche ich nicht an solche Menschen verschwenden möchte. Also greife ich nach meinem Pappbecher aus dem Stoffbeutel und stelle ihn vor mir auf den Asphalt.

Es wird Zeit, mir mein Frühstück zu verdienen. Aber sein Blick will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen.

Kapitel 2

Ich lausche der leisen Ballade meines Magens, die mit der Zeit lauter und immer hektischer wird. Die Gier nach einer Stärkung ist nicht zu überhören. Mein Körper ist schwach und mein Hunger umso stärker. Den Menschen scheint ihr Geld zu kostbar zu sein, um es in den Pappbecher einer nicht mehr existierenden Tankstelle zu werfen. Sie laufen den Blick in die Ferne gerichtet an mir vorbei. Ich setze mich ein wenig auf, blicke ihnen direkt in ihre Gesichter. Aber sie sehen mich nicht. Ich bin unsichtbar, und irgendetwas sagt mir, dass ich diesen Winter allein nicht überstehen werde.

Wahrscheinlich war es eine blöde Idee, an diesen Ort zurückzukehren. Jeder Zentimeter der Nische erinnert mich an meine Familie. Jeder Zentimeter erinnert mich an Lucas.

»Haben Sie ein wenig Geld für mich übrig?«, lautet meine Frage an einen klein gebauten Mann, dessen Körper von einem langen Mantel eingehüllt wird. Was ich bloß für diesen Mantel tun würde …

»Hätten Sie bitte etwas Restgeld für mich übrig!«, korrigiert er mich, bevor er an seinem dampfenden Becher schlürft und zu mir herabschaut. Sein Kinn verdreifacht sich, während die großen von der Kälte geröteten Ohren von seinem runden Kopf abstehen.

»Vergessen Sie’s«, murmle ich in meinen Schal und ziehe die Knie zu meiner Brust. Sogar ein kleiner Schluck aus seinem heißen Becher könnte mir den Tag versüßen.

Hoffnungslos starre ich das Logo meines Pappbechers an, welches einst Bolder’s Gas Station lautete, doch nun ist nur noch die Hälfte der Buchstaben zu erkennen. Anhand dieses Namens brachte mir meine Mutter den Umgang mit Zahlen bei. Damals war ich ihrer Meinung nach jedoch noch zu jung, um bereits das Lesen und Schreiben zu lernen. Dann ging sie von uns. Ich würde lügen, wenn ich mir einredete, dass mein Bruder und ich es einfach hatten. Nie wussten wir, aus welchen Zutaten die Nudelsuppe aus dem Supermarkt bestand oder welche Bahn die richtige war. Wir spielten das Spiel »Errate die Zutaten«. Egal, für welche Suppe wir uns entschieden, es war immer eine Überraschung. Der alte Laden in der Nähe des Vauxhall Parks hatte lediglich Etiketten ohne Bilder, aber die Suppen waren die besten in ganz London. Jeden Freitag nutzten wir die Überreste unserer Einnahmen und gönnten uns einen Eintopf. Erst dann, wenn ich mit dem Taschenmesser die Dosen geöffnet hatte, konnten wir den Gewinner küren. Und in diesem Fall war es meistens mein kleiner Bruder. Lucas war darin immer besser als ich. Und als er mich dann vergangenen Winter verlassen hatte, war ich komplett auf mich allein gestellt, und zum Spielen blieb keine Zeit mehr. Ich kann es nicht fassen, dass meine Familie mich auf dieser verkümmerten, egoistischen Erde allein zurückgelassen hat.

Der Mann mit den überdimensional großen Ohren ist mit seinem heißen Becher verschwunden, und ich wette, dass sich unter seinem langen Mantel ein feiner Anzug versteckt hat. Aber das wird nur eine Vermutung bleiben.

»Entschuldigen Sie, haben Sie zufälligerweise ein wenig Restgeld für mein Mittagessen?« Ich hasse es, aufdringlich zu sein, aber ich sehe keinen Ausweg mehr. Die Ballade in meinem Bauch hat sich inzwischen zu einem lauten Rockkonzert ausgewachsen.

Die Mutter der beiden Kinder, die mich auf Augenhöhe von Kopf bis Fuß mit weit aufgerissenen Augen beobachten, schaut sich um, bis auch sie mich auf dem Boden kauernd in der schmalen Nische der Eisdiele entdeckt. Vorsichtig hebt sie ihre runde Sonnenbrille, um mich mit geneigtem Kopf nachdenklich zu mustern. Der kleine Junge mit den rosa Wangen beugt sich zu meinem Pappbecher hinunter, wird jedoch sofort von seiner Mutter zurückgehalten. Ich erschrecke wegen der unerwarteten Schnelligkeit in ihrer Bewegung.

»Fass das nicht an, George! Das fasst man nicht an!«, höre ich sie nur wiederholt fauchen.

»Was kannst du denn?«, fragt er mich, und die runden braunen Augen betrachten mich erwartungsvoll. Die sanfte Stimme ist Musik in meinen Ohren, und auch seine Schwester scheint ihr Interesse nun mir zu widmen. Ihr unsicherer Blick fällt auf mich und dann wieder auf ihren Bruder.

»I-Ich … also …«, stottere ich und bekomme keinen einzigen Satz heraus. Was kann ich denn schon?

»Komm, George!«

Ja, ja, ich weiß … Dinge, die man auf dem Boden findet, lässt man besser liegen.

Als die Frau ihren Sohn weiter die Einkaufsstraße entlangzieht, höre ich ein dumpfes Geräusch, welches aus meinem Becher ertönt. Mit großer Neugier spähe ich auf den Boden des Pappbechers und finde tatsächlich zwei Geldstücke darin. Meine Brust zieht sich zusammen. Er hat es nur für mich – im wahrsten Sinne des Wortes – weggeworfen. Sie existieren also tatsächlich noch. Menschen wie er besitzen ein weitaus größeres Herz. Menschen wie er denken an Menschen wie mich.

Aber als ich die Zahlen auf den funkelnden Kreisen zusammenrechne, wird mir abermals unwohl im Magen. Das Geld reicht höchstens für ein Brötchen vom Bäcker, aber immerhin habe ich nun sicher etwas, das meinen Magen fürs Erste beruhigen wird. Eilig stehe ich von meinem Platz auf und spüre die wacklige Unsicherheit in meinen Knien. Der Bäcker ist gleich um die Ecke, also ist es nicht allzu weit.

 

In dem überfüllten Geschäft, wo jeder zweite Kunde einen Funky-Fudge-Kuchen in Form eines Weihnachtsbaumes vorbestellen möchte, stelle ich mich ganz ans Ende der Schlange. Vor mir steht eine kleine Frau, die Unmengen an Gepäck auf ihrem Rücken trägt. Wie hält sie das bloß aus? Die zwei Plastiktüten in ihren Händen erwecken den Anschein, sie wären mit Steinen gefüllt. Erst dann wird mir bewusst, dass sie wahrscheinlich genau wie ich ist – obdachlos.

Vorsichtig tippe ich auf ihre Schulter, bevor sie sich mit plötzlichem Schwung zu mir umdreht. Ihre pechschwarzen Haare reichen bis zu den Ohrläppchen. Die glasigen Augen schauen durch enge Schlitze misstrauisch zu mir auf.

»Na, du? Auch endlich dein Frühstück zusammenbekommen?«, fragt sie mich mit einem Sarkasmus, der mich nicht anspricht. Aber ich nicke trotzdem. »Woher kommst du?« Nun hat sie sich mir ganz zugewandt. Der riesige Rucksack ragt hinter ihrem Kopf hervor.

»Ich komme von der Eisdiele, gegenüber dem neuen amerikanischen Unternehmen«, antworte ich und muss an die hohen, schwindelerregenden Säulen und die amerikanische Flagge aus Silber denken.

»Redest du von Hamilton & Sons Inc.?« Sie hebt fragend ihre Augenbrauen.

Ich beiße auf die Innenseiten meiner Wangen. Zeige Fremden nie deine größte Schwäche!

»J-Ja. Genau! Ich bin nicht gut darin, mir Namen zu merken«, lüge ich.

»Sicher.« Ihr Blick wird immer skeptischer. »Mein Name ist Meredith. Ich hoffe, dass du dir den merken kannst.«

Meredith wird von der Frau hinter dem Tresen aufgerufen. »Eine Tüte frische Brötchen, bitte.« Ich wundere mich, wo sie ihr Geld auftreibt, denn meines reicht nicht für eine ganze Tüte aus, und wäre der kleine Junge nicht gewesen, dann hätte ich mir nicht einmal dieses eine Brötchen kaufen können.

»Für mich ein Brötchen, bitte«, sage ich, als ich an der Reihe bin.

»Heute keinen großen Hunger?« Ich blicke in die unschlüssigen Schlitze hinab und würde ihr gern mit »Nein, heute nicht!« antworten, aber ich würde sie nur ein weiteres Mal anlügen.

»Ich heiße übrigens Birdie«, versuche ich, das Thema zu wechseln, und zwinge mich zu einem einigermaßen freundlichen Lächeln, nachdem ich mein Brötchen bezahlt habe und wir daraufhin gemeinsam die Bäckerei verlassen.

Auf dem Weg zur Eisdiele weicht Meredith mir nicht mehr von der Seite. Einerseits bin ich froh, fast ein Jahr nach Lucas’ Tod mal nicht allein zu sein, andererseits ist mir in ihrer Gegenwart etwas mulmig zumute.

Sie setzt sich neben mich auf den Boden und begutachtet die dunkelrote Decke, die ich rasch um meinen Körper wickle. Hastig beiße ich in mein Brötchen, doch viel zu schnell ist es in meinem Magen verschwunden. Meredith knabbert seelenruhig an ihrem ersten Mittagsbrötchen aus ihrer prall gefüllten Tüte, die sie fest mit ihrem linken Arm an sich drückt. Ich räuspere mich, als mein Magen ein weiteres gieriges Grummeln von sich gibt. Ein Brötchen scheint ihm nicht genug. Sie bemerkt meinen Blick, greift nach einem zweiten Brötchen … und steckt es sich lieber in den eigenen Mund. Anscheinend ist sie nicht zum Teilen bereit. Ich wusste doch, dass an ihr etwas faul ist.

Ich lehne mich zurück, trinke etwas aus der drei Tage alten Wasserflasche und blicke auf das einschüchternde Gebäude direkt vor uns. Hamilton & Sons Inc.

Plötzlich fährt ein schwarzes Auto mit verdunkelten Scheiben vor, und ich beobachte, wie ein Mann aus dem Gebäude eilt. Er trägt einen grauen Anzug, hat perfekt sitzende Haare und einen starren, eiskalten Blick.

Er ist es: der junge Anzugträger von heute Morgen. Der feine Typ, der es so amüsant fand, mich grundlos anzustarren. Wo hat er denn seinen Daddy gelassen?

Mit seinem Smartphone am Ohr steigt er in die protzige Karre und verschwindet hinter den verdunkelten Scheiben. Das Auto fährt mit Karacho davon, und ich bleibe mit Meredith in der Nische der geschlossenen Eisdiele zurück.

»Ich denke, ich werde ein kleines Nickerchen machen.«

Abwesend hauche ich ein »Okay« in die Luft, welches sich zu einer kleinen Wolke formt und sich schließlich vor meinen Augen wieder in Luft auflöst.

Zum Schnorren fehlt mir die nötige Kraft, also werde ich mich wohl Meredith anschließen.

Nachdem ich meine Augen geschlossen habe, kann ich nur noch darauf hoffen, dass ich meinen Hunger in meinen Träumen vergessen werde.

Kapitel 3

Als ich meine Augen öffne, starre ich die langweilige graue Wand an. Die unerträgliche Kälte hat mich aus meinen Träumen gerissen.

Von Meredith oder meiner dunkelroten Decke ist keine einzige Spur zu sehen. Panisch setze ich mich auf und entdecke kleine Fußstapfen, die an meinem Becher von Bolder’s Gas Station anfangen und wahrscheinlich irgendwo in der Ferne enden. Mist!

Neugierig, aber mit einer Panik, die mir über den Rücken läuft, spähe ich nach dem Inhalt, finde jedoch nur den dreckigen Papierboden vor, der genauso leer aussieht, wie mein Magen sich anfühlt. Meredith hat mir nichts außer der Kleidung am Leib und den für andere Menschen wertlosen Kaffeebecher zurückgelassen.

Jetzt verstehe ich auch, woher sie das ganze Geld für die Brötchentüte hatte und warum sie nicht mit mir teilen wollte. Nur Diebe handeln auf diese Art und Weise. Und jetzt hat Meredith, falls dies überhaupt ihr richtiger Name ist, auch mich im Schlaf beklaut. Plötzlich ist es mir egal, dass ich sie in der Bäckerei belogen habe. Dank ihr werde ich jeden Tag des Winters, von morgens bis abends, schnorren müssen, um das Geld für eine Decke zusammenzubekommen. Jeden! Verdammten! Tag!

Mit einem langen Seufzer hebe ich den Becher aus dem matschigen Schnee und lehne mich zurück gegen die kalte graue Wand. In der Stille meiner Gedanken vergesse ich für einen Moment das Elend, das mich stets zu begleiten scheint, und schaue hinauf zum Himmel. Aber das riesige Gebäude von Hamilton & Sons Inc. nimmt mir die Sicht.

Manchmal, an den schlimmsten Tagen, da stelle ich mir vor, dass ich einer dieser Anzugträger wäre und mich nicht um das Bett für die Nacht oder das Brot am nächsten Morgen sorgen müsste. Andererseits möchte ich niemals einer von ihnen werden, egal, welche Autos ich fahren könnte oder aus welchem seidigen Stoff meine Kleidung dann wäre. Ich bin froh, nicht so zu sein wie sie – und ich bin mir sicher, dass auch Mum stolz auf mich wäre. Sie erzählte mir von den Machenschaften der feinen Businessmänner, und wie sie wirklich ticken. Aber vor allem, dass wir ihnen egal wären. Und das könnte ich niemals. Niemals könnten mir Menschen wie ich egal sein. Ich würde alles dafür tun, zu helfen, wo ich kann, wenn ich die Privilegien eines Anzugträgers genießen dürfte. Mum wollte mir jedoch nie erzählen, woher sie diese Informationen hatte, und nun bleibt es für immer eine Frage, deren Antwort ich niemals erfahren werde.

Während meine Augen den langen Säulen folgen, bleiben sie nach dem ersten Drittel stehen, als ich einen Mann in einem der unteren Büros am Fenster stehen sehe. Sein Blick wandert in der belebten Straße umher, zumindest verraten dies seine umherschweifenden Kopfbewegungen, bevor er wieder an mir Interesse findet. Vielleicht überlegt er sich nur, welche Eissorte er sich kaufen wird, sobald die Eisdiele wieder öffnet, oder er sehnt sich auch so sehr nach dem Sommer wie ich. Aber ich weiß ganz genau, dass das nicht der Grund für seine Aufmerksamkeit ist. Er muss sich in seinem schicken, warmen Büro ja keine Sorgen um die eisige Kälte machen. Seinem herabschauenden Blick kann ich trotz allem nicht widerstehen. Er macht mich so wütend … lässt mich so hilflos wirken.

Schaue niemals auf jemanden herab, dem du nicht aufhilfst, denke ich voller Frust, den ich ihm am liebsten ins Gesicht schleudern würde … oder auf seine perfekt sitzenden Haare. Er verdient meinen Blickkontakt nicht. Ich wende meinen Blick zurück in die chaotische Menschenmasse zwischen uns. Nur ab und zu gehe ich auf Nummer sicher und schaue zurück in sein Büro, ob er noch am Fenster steht und mich weiterhin beobachtet. Das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, hatte sich seine Körperhaltung nicht verändert. Er wirkte wie eingefroren, während ich seine Aufmerksamkeit erregte. Nun ist er vom Fenster verschwunden.

Ich höre ein Geräusch aus meinem Becher und bemerke eine ältere Dame, die sich langsam, aber sicher wieder vor mir aufrichtet. Ihr buntes, mit Blumen besticktes Tuch hat sie um ihren kleinen Kopf gewickelt, und die grauen Haare ragen an einigen Stellen heraus. Die Frau steht gebeugt vor mir, ihr Rücken bereitet ihr wohl schon länger Probleme.

»Hier, mein Liebes.« Bei ihrem freundlichen Lächeln wird mir warm ums Herz. »Frohe Weihnachten, mein Liebes!« So viel Glück im Unglück hatte ich noch an keinem einzigen Tag, seitdem ich allein auf den Straßen unterwegs bin. Ich erinnere mich noch an den Tag, wo Lucas Chaplin in der Nische der Eisdiele entdeckte, und er sich sofort mit Jamie, der Tochter der Eisdielenbesitzerin, anfreundete. Es war kurz nach Mums Tod, und wir suchten nach einer Bleibe für den harten Winter. Wir hatten Glück im Unglück, und Jamie bot uns Chaplins Decke an, während die Eisdiele geschlossen hatte – ohne dies ihrer Mutter zu verraten, die es laut Jamie nicht erlaubt hätte. Und auch wenn die Decke uns warm hielt, war es der kälteste Winter, den unsere Herzen ohne Mum an unserer Seite durchstehen mussten.

»D-Danke! Danke schön!« Ich würde gern noch so viel mehr zu ihr sagen, wenn ich nur könnte. »Fröhliche Weihnachten!« Meine Stimme ist kaum zu hören. »Danke!«

Das Geld reicht für weitaus mehr als nur für eine warme Mahlzeit. Ich kann meine Freude kaum verbergen. Mein Herz hat seit Langem nicht mehr so schnell geschlagen wie in diesem Moment.

Ich werde nicht verhungern. Nicht heute …

 

Die Hotdogs liegen mir immer noch im Magen, und nach der Coke, die süßer schmeckte, als ich es in Erinnerung hatte, muss ich die ganze Zeit aufstoßen. Es ist eine Weile her, seitdem mich wirklich etwas satt bekommen konnte.

Die Straßen leeren sich, und die Nacht bricht an. Die kreischenden Stimmen der Kinder und die rumpelnden Geräusche der Motoren verfliegen mit dem Wind. Und ich – ich bleibe hier sitzen. Jeden Abend. Selbst nachdem die Geschäfte geschlossen haben, sitze ich hier im Eingang der Eisdiele und hoffe, dass ich am nächsten Morgen wieder aufwachen werde. Ich sitze hier, während mir all das präsentiert wird, was ich nicht haben kann. Ich sehe es … direkt vor meinen Augen.

Bei all den Autos, die ich heute Abend bereits habe wegfahren sehen, fällt mir auf, dass ich ihn dabei noch nicht entdecken konnte. Zahlreiche Schlitten mit verdunkelten Scheiben hatten bereits am Gebäude gegenüber von mir angehalten, aber wäre er in einen von ihnen eingestiegen, dann hätte ich dies doch bemerkt. Oder etwa nicht?

Was kümmert es mich überhaupt? Er ist doch genauso ein Anzugträger wie die anderen auch.

Ich blicke hinauf zu den Büroräumen, als sich gerade das letzte brennende Licht ausschaltet und mit den anderen, bereits schlafenden Räumen eine Einheit bildet. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass es sein Büro ist, und ich kann mich noch genau daran erinnern, wie er aus diesem Fenster zu mir herabsah. Obwohl ich seine Augen aus dieser Entfernung nicht genau erkennen konnte, kann ich mir gut vorstellen, wie er mich mit seinem kalten Blick der Ignoranz eines jeden Geschäftsmannes angeschaut haben muss. Meine Mum nannte es »das unantastbare Pokerface«.

Ich warte auf das vorfahrende Auto, welches ihn in wenigen Minuten am Eingang abholen müsste, aber es kommt nicht. Ich warte auf sein Gesicht, wenn er als Letzter durch die Tür kommt, aber auch ihn kann ich nirgendwo kommen sehen. Wahrscheinlich gibt es eine Art Hintereingang oder eine dieser Tiefgaragen.

Was kümmert es mich überhaupt?

Ich werde von meiner Observation abgelenkt, als ein Jogger mit Kapuze, die einen dunklen Schatten auf sein Gesicht wirft, an mir vorbeiläuft und meinen Becher mitgehen lässt.

»HEY!«, schreie ich ihm nach.

Meine Augen kleben auf seinem Rücken, als er sich plötzlich umdreht und mir entgegenläuft. Ach du Scheiße! Die Angst prickelt unangenehm auf jedem Zentimeter meiner Haut, und ich schnappe hastig nach Luft. Ich höre seine schnellen Schritte, wie sie mir immer näher kommen. Mein Herz hämmert gegen meine Brust. Was will der von mir? Was will der mit meinem wertlosen Becher?

Meine Augen weiten sich, als er an mir vorbeisprintet und ihn wieder vor meine Füße wirft. Ich bin so verwirrt, dass ich ihm noch nachschaue, wie er in die nächste Straße abbiegt. Ich greife nach dem Becher im Schnee. Er ist völlig durchnässt und dreckig. Was sollte das? Vorsichtig ziehe ich mit meinen zitternden Fingern zwei Scheine heraus. Queen Elizabeth II und ihr Zwilling lächeln mich an.

Fünf und fünf … macht … zehn!

Ich würde mir in die Wange kneifen, um sicherzugehen, dass ich nicht träume, aber der kalte Boden fügt mir schon genug Schmerzen zu. Ich kann meine Oberschenkel kaum mehr spüren. Das muss ein Traum sein! Und wenn nicht, dann muss heute mein Glückstag sein! Zuerst gibt mir diese nette Dame genug Geld für ein Festessen, und nun habe ich sogar genug Geld, um Chaplin eine neue Decke zu kaufen.

Zehn … Nun kann ich beruhigt schlafen gehen.

Kapitel 4

In der Dämmerung mache ich mich sofort auf den Weg zum billigsten Textilgeschäft der Oxford Street. Ich habe kaum geschlafen.

Zehn … Ich kann es immer noch nicht fassen.

Bestimmt sehe ich wie eine wandernde Leiche aus. Eigentlich würde ich in diesem Zustand niemandem über den Weg laufen wollen. Die schulterlangen, zerzausten Haare wehen mir ins Gesicht. Ich muss grinsen. Meine Freude kann mir keiner nehmen. Nachdem Meredith mir das genommen hatte, was mir auch diesen Winter das Leben retten sollte, dachte ich nicht, dass ich so schnell wieder das Gefühl der Erleichterung und des Glücks spüren würde.

 

Ich stehe unmittelbar unter dem grellen, blau leuchtenden Schild. Als ich mir mal meine Schuhe hier gekauft habe, bin ich diejenige in der Schlange zur Kasse gewesen, die mit Abstand am wenigsten in den Händen gehalten hat. Ich erinnere mich noch an die Tüte, die ich nach meinem Einkauf bekommen habe. Ich habe versucht, sie als »Lernmittel« zu benutzen, um das ausgesprochene Wort mit den Buchstaben zu vergleichen und mir so vielleicht das Lesen und Schreiben selbst beizubringen. Aber schon nach nur wenigen Versuchen habe ich voller Verzweiflung aufgeben müssen.

Von Weitem sehe ich, wie eine Mitarbeiterin gerade die Tore zum Paradies aufschließt. Bisher sind außer mir weit und breit noch keine potenziellen Kunden zu sehen. Ob ich jedoch tatsächlich wie eine potenzielle Kundin aussehe, weiß ich nicht so genau. Ich betrete das Geschäft mit hohen Erwartungen und begebe mich sofort in die Textilabteilung. Als ich an einem Paket mit weinroten Bett- und Kissenbezügen vorbeigehe, werde ich von meiner Fantasie aufgehalten. Ich sehe ein komplett eingerichtetes Zimmer, welches im trüben Licht eine angenehme Wärme ausstrahlt und ein riesiges Kingsize-Bett, das meinen Namen ruft. Die weinrote Bettwäsche sieht verlockend aus … aber ich besitze weder Bett noch Kissen, geschweige denn eine Bettdecke. Es ist sinnlos, mein Geld für etwas zu verschwenden, was ich nicht brauchen kann. Außerdem bin ich nicht zum Stöbern hergekommen – das würde mir nur den Tag vermiesen. Also hör auf, Birdie. Hör auf, sinnlos für etwas zu schwärmen, was du dir nicht leisten kannst! Das kannst du dir nicht erlauben.

Ich zwinge mich weiterzugehen. Nach einer weichen Fließdecke für Chaplin suchend, gehe ich die wenigen Gänge entlang, werde aber einfach nicht fündig. Ich bin mir sicher gewesen, dass es hier definitiv eine dunkelrote Decke geben würde.