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Nach einem islamistischen Terroranschlag hat Deutschland eine rechtsextreme Regierung an die Macht gewählt. Joachim und Maren leben ein anständiges, kleinbürgerliches Leben. Politik spielt in ihrem Alltag keine Rolle. Oder etwa doch?
„Mir geht es gut“ ist eine bissige Gesellschaftssatire über Angst, Anpassung und die Frage, wie viel man verdrängen kann. Die Geschichte erscheint in zwei Teilen – der zweite Teil folgt 2026.
Bisher sind von Paul Fleming "Provinz - Drogen in der Brauerei", "Verlorene Jungs - ein Techno-Roman", wie der erste Band der Fantasy-Reihe "Absolution" erschienen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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Nachwort
Impressum
Erklärung
Titelseite
Cover
Inhaltsverzeichnis
Buchanfang
„Ist die Palme echt?“
„Hm?
„Die Palme, ob die echt ist?“
Kevin öffnet seine Augen und folgt dem Blick seiner Frau Ruth. Ein wenig aufdringlich findet er die Frage schon. Schließlich hat er es gerade erst geschafft, das ständige Gebrabbel der anderen Badegäste auszublenden. Eine fünf Meter hohe und durch die prächtigen Blätter noch viele Meter breitere Palme thront majestätisch über ihren leicht geröteten Gesichtern. Ihre Köpfe haben die beiden entspannt am Beckenrand auf die dort angebrachten Kunststoffpolster gelegt, wodurch ihr Blick automatisch nach oben gerichtet ist. Das Poolwasser, in dem sie liegen, ist angenehm temperiert. Der Palmbaum bewegt sich nicht. Regungslos spannt er seine ausladenden Blätter über das badende Ehepaar. Kevins Einschätzung nach ist die Pflanze echt. Das Klima scheint der Palme sogar gut zu tun. Interessanter als die Pflanze findet Kevin das noch viele Meter höher gelegene Dach der Badeanstalt, welches heute ausnahmsweise geöffnet ist. Die Betreiber der Luxus-Therme mit dem Alpen-Skyline Logo hatten die Überdachung schon leicht geöffnet, bevor Kevin und seine Familie mittags an der Kasse angestanden sind. Das mechanische Dach erinnert Kevin an eine Fußballarena. Schalke zum Beispiel, da kann man das Stadion auch auf- und zumachen. Je nach Wetterlage. So wie hier. Das heute geöffnete Thermendach muss etwas mit den Hitzerekorden draußen zu tun haben. Immerhin ist es Hochsommer. Selbst im Allgäu.
„Weiß nicht“, gibt Kevin zurück. „Glaube schon... Ist das wichtig?“
„Ich bin sicher, dass die echt ist.“
Kevin gähnt und schließt wieder seine Augen. „Wo sind eigentlich die Kinder?“
„Sicherlich bei den Rutschen. Sei doch froh, dass die mal weg sind.“
„Oh. Das bin ich.“
Nicht alle Plätze des Thermalwasserbeckens sind belegt. Der Pool fasst vielleicht 20 Badegäste und hat die Form einer Blüte. Einer Blüte aus Beton. Kevin fühlt sich super angenehm in dem Wasser. Selbst jetzt. Bei den sommerlichen Außentemperaturen.
Kevins Frau Ruth ist 38 Jahre alt. Kevin hingegen 44. Ihm merkt man es an. Kevin streichelt gedankenverloren seinen Bierbauch. Seine Ruth sieht immer noch toll aus. Na. Und so fett wie seine Frau ihn redet, ist er nun auch wieder nicht. Kevin weiß, was Arbeit ist. Und das sieht man seinem Körper auch an. Ein Bier wäre jetzt trotzdem nicht schlecht. Vielleicht sollten sie sich im Anschluss im Hauptbecken der Therme, an der Bar im Wasser, etwas zu trinken gönnen. Ein Besuch in der Therme Bad Mödishofen ist doch eh immer wie ein kleiner Urlaub. Da geht schon mal früher am Tag eine kühle Blonde.
Das Wasser in ihrem Becken mit dem „Gute-Laune-Spurenelement“, wie es auf der Beschreibungstafel beworben wird, schwappt mit jedem Mal ein wenig unruhig hin und her, wenn einer der Beckenbesucher es betritt oder verlässt. Kevin öffnet die Augen und sieht sich um. Die meisten Leute hier sind Rentner. Sie genießen den Ruhestand. Das schöne Leben. Und Kevin gönnt es ihnen. Wieso auch nicht? Ihre Haut mag zwar fleckig vom Alter sein, doch die Leute wirken entspannt. Nun. Zumindest scheint das bei den meisten dieser von Natur aus etwas griesgrämigen Bayern der Fall zu sein. Andere sitzen in dem warmen Blüten-Pool und starren dabei stoisch in die Gegend, als wären sie defekte Wasserspeier. Vielleicht sollte man sich lieber bei denen danach erkundigen, ob sie echt sind. Kevin wischt den ironischen Gedanken weg.
„Sollen wir ein wenig rausschwimmen?“ Wieder folgt Kevin dem Blick seiner Frau. Das Hauptbecken des Thermalbads hat einen kleinen Auswuchs nach draußen, der zum Außenbereich führt. Der Himmel ist wolkenlos blau. Die Menschen braten regelrecht in der Juli-Sonne. Der einzige Sonnenschutz ist eine seichte Hülle aus Wasserdampf, der von den Unterwasserdüsen des Beckes erzeugt wird und als Blubberwasser an die Oberfläche steigt. In der Ferne, weit außerhalb des Bades, kann Kevin klar und deutlich die Berge erkennen. Nein. Kevin will nicht hinaus in die Sonne schwimmen. Er will lieber ein Bier. Dafür schließt er ein weiteres Mal die Augen und lehnt sich wieder zurück. Am besten einfach das Thema wechseln.
„Ist schon viel besser hier als im Indoorspielplatz, in den Sofie wollte. Da holt man sich nur die Scheißerei.“
„Hm. Ja. Aber ich geh auch nicht so gerne am Kindertag in die Therme.“
„Besser so als gar nicht.“
Seine Ruth seufzt und schließt nun ebenfalls ihre Augen.
Am Kindertag, dem Samstag, dürfen auch Jugendliche unter 16 Jahren in den großen Thermenbereich. Die restliche Woche haben sie hier keinen Zugang. Für Kinder gibt es nebenan das „Rutschen-Paradies“ samt Schwimmerbecken. Doch am Wochenende ist es anders. Heute wimmeln hier überall junge Familien mit ihren Bälgern herum. Und größere Kinder. Teenager. Pubertäre Machos und keifende Herrenweiber, die allesamt gerade dabei sind, ihren Körper und die darin aufschäumende Sexualität zu verstehen. Mann. Kevin ist froh erwachsen zu sein. Seine kleine Sofie wird irgendwann auch in das Alter kommen. Mädchen sind da schneller als Jungs. Doch noch ist es nicht so weit. Noch ist sie lieber mit ihrer Freundin drüben im Kinder-Funpark bei den Rutschen. Aber so wie Kevin seine Sofie kennt, kommen sie sicherlich bald hierher, um ein leckeres Eis zu erbetteln.
Kevin dreht sich vorsichtig im Wasser um und legt sich auf den Bauch. Sein Blick schweift entspannt im Bad umher. Seine Augen bleiben nirgendwo richtig hängen. Nicht bei der Küche, wo die dickbäuchigen Deutschen mit ihren Tabletts anstehen, um sich schamlos überteuerte Speisen zu gönnen. Nicht am Beautybereich, an dem die Gäste irgendeine türkise Wunderpaste gereicht bekommen, die sie sich dann entspannt lächelnd in ihre Gesichter schmieren. Nicht bei der schwangeren Frau, die zufrieden ihren Babybauch streichelt. Und erst recht nicht bei all den Liegen, auf denen meistens gar keine halbnackten Badegäste zu finden sind, sondern nur ihre abgelegten Handtücher, um ihre Liege zu markieren. Das ganze Szenario versprüht auf Kevin eine Aura von friedfertiger Blödheit. Er lächelt. Denn er sieht, dass es gut ist.
Lachend und feixend schiebt sich eine Gruppe Teenager-Mädchen durch sein Sichtfeld. Sie sind ausgelassen und kichern wild durcheinander. Die athletischen Körper in ihren Bikinis mit den Tangahintern empfindet Kevin aufregender, als er vor seiner Frau zugeben würde. Normal steht er nicht so auf junge Dinger. Doch diese Gruppe hat etwas Besonderes an sich. Es geht nicht nur um ihre knackigen Titten und wohlgeformten Ärsche. Nein. Es ist ihre fast schon weltfremde Ausgelassenheit, die Kevin erregt. Es geht darum, wie sie lachen und wie sie herumtanzen. So, als gäbe es kein Leid auf dieser Welt. Ja. Nein. Kevin will nicht mehr jung sein. Ganz sicher nicht. Und wenn, dann nur für ein paar Stunden. Und da kommen schon wie auf Kommando die Typen dieser wunderschönen Wesen hinter ihnen drein getrampelt. Plumpe Idioten. Pseudomachos. Natürlich. Kevin weiß das sofort. Früher war er schließlich genauso. Die Gruppe tobt an ihrer Betonmuschel vorbei wie ein kurzer Windstoß angenehmer Sommerkälte und Kevin begreift erst in diesem Moment, als er die ersten schrillen Wortfetzen versteht, dass es sich um eine Gruppe jugendlicher Ausländer handelt. Vielleicht eine Abitur-Klasse aus Frankreich. Wer weiß? Kevin hat kein Ohr für Sprachen. Im Grunde ist es ja auch vollkommen egal.
„Willst du jetzt raus?“
„Klar. Können wir machen. Aber wie wäre es, wenn wir vorher ein Bierchen trinken?“
„Ein Bier?“
„Ja, das ist so ein gelbliches Getränk, das nach einem etwa vierwöchigen Gärungsprozess äußerst schmackhaft und genießbar ist. Vor allem Männer mögen es.“ „Ach, ist das so?“
Seine Ruth verdreht die Augen. Doch sie lacht. Und weil Kevin lange genug mit seiner Frau verheiratet ist, weiß er, dass er sein Bier ohne Gezeter bekommen wird. Er lehnt sich zu ihr hinüber und gibt seiner Frau einen Kuss.
„Wofür war der?“ „Einfach so, für den Weltfrieden.“
„Aber nur ein Bier.“
„Ja, ja.“
