Miss Emergency 4: Operation Glücksstern - Antonia Rothe-Liermann - E-Book

Miss Emergency 4: Operation Glücksstern E-Book

Antonia Rothe-Liermann

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Beschreibung

Hammerexamen – ich komme! Bewaffnet mit Glückskuli und tausend Karteikarten stürzt Lena sich kopfüber in den Prüfungsstress, um endlich die weltbeste Ärztin zu werden. Doch zwei gute Gründe halten sie vom Pauken ab: eine unwiderstehliche Liebeserklärung von Alex und die Blicke von Dr. Thalheim … Die Krankenhausserie mit Herzklopfen-Garantie

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Buchinfo:

Hammerexamen – ich komme! Bewaffnet mit Glückskuli und tausend Karteikarten stürzt Lena sich kopfüber in den Prüfungsstress, um endlich die weltbeste Ärztin zu werden. Doch zwei gute Gründe halten sie vom Pauken ab: eine unwiderstehliche Liebeserklärung von Alex und die Blicke von Dr. Thalheim …

Die Krankenhausserie mit Herzklopfen-Garantie

Autorenvita:

© Thienemann Verlag GmbH

Antonia Rothe-Liermann, geboren 1978 in Halle/Saale, studierte Film- und Fernsehdramaturgie an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in Potsdam-Babelsberg. Danach arbeitete sie als Storyliner und Autorin für verschiedene Produktionen der Grundy UFA und teamworx. Seit 2007 schreibt sie als freie Autorin für Spielfilme und Serienproduktionen. Sie verfasste u. a. als Co-Autorin Drehbücher für die RTL-Erfolgsserie »Doctor’s Diary« (Chefautor: Bora Dagtekin).

Danke

an Dr. Maria, die sich entschieden hat – für Karriere UND Liebe. Und sich ewig bindet, einfach so.

Das war eine richtig schöne Party, Mädels! Was mich besonders freut, weil es ja unsere letzte war.«

Ich hebe den Kaffeebecher mit aller Kraft, die ich nach einer durchtanzten Nacht noch in meinen Arm befehlen kann, und stoße etwa vier Zentimeter über der Tischplatte meine neue Dr.-Pille-McCoy-Tasse gegen die anderen beiden Becher, die mir ebenso müde entgegengeschoben werden. Einer, mit einer freundlichen Playmobil-Ärztin und einer, mit grinsender Tierarzt-Barbie.

Meine beiden gähnenden Freundinnen hinter den Bechern nicken. »Jawohl«, antwortet Jenny und zieht ein Konfettipünktchen aus ihren wilden Locken, die Tassen-Barbies Haarpracht in nichts nachstehen. »Von nun an bleiben wir Tag und Nacht vor unseren Büchern sitzen.«

»Und das«, gibt Isa zu bedenken, »hätten wir vielleicht gestern bereits tun sollen. Jetzt haben wir schon einen Tag verloren.«

Aber das sehe ich anders. EIN MAL wird man ja wohl feiern dürfen, wenn man drei Tertiale Klinik, gefühlte tausend Anamnesen und Diagnosen, Chefarztvisiten und Fallvorstellungen, Nervenkrieg und Anfängerpanik überstanden hat. Denn seit wir im letzten Sommer unser Praktisches Jahr am St.-Anna-Krankenhaus begonnen haben, träumen wir von diesem Tag.

Sehnsuchtsvolle Träume. Wenn das PJ abgeschlossen ist, trennt uns nur noch eine einzige Prüfung von unserem Ziel: dem Arztberuf.

Und Albträume. Diese Prüfung wird die schwerste unseres Lebens. Von heute an, da hat die fleißige Isa recht, dürfen wir keinen Tag mehr verlieren. Von heute an, das sieht selbst die sonst so vergnügungssüchtige Jenny ein, müssen wir lernen, lernen und lernen.

Noch etwas mehr als 100 Tage bis zum Hammerexamen. Knapp vier Monate Lernzeit bleiben uns, um einfach alles in unsere Köpfe zu brennen, was eine Ärztin zu wissen hat.

Drei Tage dauert der schriftliche Teil, 320 Aufgaben, von denen mindestens 60 Prozent richtig gelöst werden müssen. Und als wäre das nicht genug, folgt auf den schriftlichen der zweitägige mündlich-praktische Teil mit Prüfung am Patienten und Fragestunde. Jawohl, Mädels, von heute an herrscht hier eiserne Disziplin.

»Auf den verlorenen Tag und darauf, dass er uns durch die nächsten Monate trägt, in denen wir uns jeden Spaß versagen müssen.« Jenny gießt noch mal Kaffee nach, noch einmal plongen Medizin-Barbie, Dr. Pille und Playmo-Ärztin aneinander.

Ich glaube nicht, dass Jenny wirklich JEDEM Spaß entsagen wird, sie ist viel zu unruhig, um mehr als sechs Stunden stillzusitzen, und hat zu viel Angst, etwas zu verpassen, um sich 110 Tage lang zu Hause einzusperren.

Und du, Lena? Wirst du es schaffen? Dich nicht mehr ablenken zu lassen, an nichts anderes mehr zu denken?

Seit dem Kindergarten bin ich entschlossen, Ärztin zu werden. Bisher habe ich jeden Schritt auf dem Weg dorthin irgendwie gemeistert. Manche zaghaft, auf Zehenspitzen, tastend und ängstlich. Andere wie in Marschstiefeln, entschieden und gelegentlich etwas zu zackig. Ist mein Ärztinnengang inzwischen sicher genug, um mich ohne Stolpern durch die Prüfung zu tragen? Kann ich nun lange genug unter meinem übervollen Schreibtisch die Füße stillhalten?

Eins steht fest: Wenn man eine solche Herausforderung vor sich hat, kann man sich keine bessere Unterstützung denken als meine beiden Freundinnen. Jenny, die garantiert dafür sorgen wird, dass wir nicht zu hutzeligen Lerngreisinnen versauern. Und Isa, die ganz gewiss aufpasst, dass wir uns nicht ZU OFT ablenken lassen, und auch im Lernsumpf unser sicherer Steg sein wird.

»ZWEI verlorene Tage«, korrigiert Isa bekümmert und beschreibt mit schlapper Hand einen Kreis, der unsere ganze Küche umspannt. Ein unfassbares Chaos. Luftschlangen pappen an verklebten Gläsern, Chipsreste verwelken zwischen den Konfettipunkten auf dem Boden, alle Teller, die wir besitzen, türmen sich im Spülbecken. (Wie schön war die Woche, in der wir eine Spülmaschine besessen haben. Und wir haben sie nie benutzt.)

Okay. Zuerst müssen wir aufräumen. Schicksalsergeben beginne ich den Berg Geschenkpapier zusammenzufalten, der den halben Küchentisch bedeckt. Unglaublich, zu welchen Gaben sich unsere Gäste durch das bestandene PJ inspiriert fühlten. Chirurgen-Badeentchen, ein Seuchen-Quartett und Duschgel in Blutoptik (schön präsentiert im Infusionsbeutel). Aber die Doktoren-Kaffeebecher sind eindeutig das Beste – besonders nachdem Isa sie zum dritten Mal bis zum Rand gefüllt hat.

Irritiert ziehe ich einen Schlüsselbund unter dem Papier hervor, der von seinem Besitzer sicher händeringend gesucht wird.

»Na los«, auch Isa erhebt sich seufzend, »fangen wir an!«

Jenny pustet in ihren Kaffee und lächelt unschuldig. »Oder wir bitten die Herren … die gestern so großspurig getönt haben, uns von nun an jeden Wunsch von den Augen abzulesen, wenn wir nur eine Zehntelsekunde Zeit finden, den Blick aus den Büchern zu heben.«

Das stimmt. Die beiden festen Freunde meiner Mädels haben sich schier überschlagen vor Hilfs- und Unterstützungsangeboten. Ist es dreist, sie jetzt gleich beim Wort zu nehmen? Isas Freund Tom, der in München als Koordinator für Freiwillige Hilfsdienste arbeitet, ist ein wahres Organisationstalent. Und Jennys Freund Felix ein Sunnyboy, dem nichts die Laune trübt und der trotzdem ordentlich zupacken kann. Zu zweit hätten sie unser Chaos sicher schnell im Griff. Und wir könnten jetzt schon mal mit dem Lernen … (Na ja, Lena, wenn du ehrlich bist, sehnst du dich nicht nach deinem Schreibtisch, sondern nach deinem Bett.) Aber ich kann die Jungs schlecht um Hilfe bitten, schließlich ist keiner von beiden MEIN Freund.

Weil Lena ja spontan übergeschnappt ist. Spontan überfordert. Von ihren Männer- und Zukunftsmöglichkeiten. Wer hätte das jemals ahnen können?! Na, ich sicher nicht.

Drei Monate Liebessehnsucht. Drei Monate, in denen ich alles dafür gegeben hätte, einfach mit IHM zusammen sein zu dürfen. Tobias. Der Oberarzt der Inneren, der wortkarge Mann mit den warmen Augen, der immer weiß, was zu tun ist. Und dann, als er endlich zu mir zurückkam, war alles anders. Er kam höchstens eine Woche zu spät. Aber irgendwie hatte sich mein Herz beruhigt.

Plötzlich war das Ziel aller bisherigen Wunschträume keine Oase mehr, die man halbverdurstet mit letzter Kraft erreicht und in der man für immer bleiben will. Sondern eher ein Stern, der in der Ferne funkelt, bei dem man aber fürchten muss, dass er aus der Nähe besehen auch ein Stein sein könnte. Während es da noch einen anderen Planeten gibt – der ganz unbemerkt zur Heimat geworden ist.

In diesem Moment erkenne ich den Schlüssel in meiner Hand. Ein Wohnungsschlüssel. Zu einer kleinen, etwas unordentlichen Wohnung, in der über einer Riesencouch vier Leuchtbuchstaben aus einer alten Kino-Reklame hängen, die das Wort HIER bilden.

Alex. Der mein Freund war, der beste männliche Freund, den ich je hatte. Und dann auf einmal mehr. Der mich von meiner traurigen Sehnsucht erlöst hat. Der alles plötzlich ganz leicht – und so viel komplizierter gemacht hat.

Er ist also noch da, vielleicht schläft er auf der Couch in Jennys Zimmer.

Ich stehe unschlüssig im Flur, in der Hand den Schlüssel, als Alex aus dem Bad kommt. Seine Haare sind verstrubbelt und nass, er trägt ein T-Shirt von Felix und ist noch ziemlich verschlafen. Als er mich anlächelt und mir einen Guten Morgen wünscht, sieht er aus wie ein kleiner Junge.

Wie kann er sich so normal benehmen?! Er ist zu unserer Party gekommen, als wären wir nie mehr als Freunde gewesen; wir haben gelacht und gesungen und sogar miteinander getanzt. (Okay – das erst, nachdem er sowohl Jenny als auch Isa aufgefordert hatte … aber trotzdem.) Ich weiß nicht, was es ihn kostet, sich so locker zu geben. Aber wenn es ihm schwerfällt, in meiner Nähe zu sein, dann lässt er es sich nicht anmerken.

Und ich? Wie kann ich das annehmen? Hab ich es mir bequem gemacht in der Möglichkeit? Genieße ich es rücksichtslos, einen vertrauten Freund zu haben – obwohl ich doch weiß, dass seine Gefühle ganz andere sind? Jenny hatte ihn eingeladen, ich hätte mich nicht getraut. Aber wie froh war ich, als er kam – und so unbeschwert wirkte. Muss ich jetzt irgendwas dazu sagen? Dass es mir leidtut? Dass ich zwar beschlossen habe, im Moment überhaupt keinen Freund zu wollen, er aber trotzdem ein fabelhafter Freund WÄRE?

Meine Mädels haben die Zwei-Männer-Frage hin- und hergewendet. »Nichts ist schlimmer, als sich falsch zu entscheiden«, findet Isa. Jenny hingegen behauptet, ich könnte die Entscheidung nur deshalb nicht treffen, weil ich so lange auf Tobias gewartet habe – und mir nun nicht eingestehen will, dass ich ihn im Laufe der Zeit immer mehr vermärchenprinzt habe.

Inzwischen ist die Frage irgendwie kleiner geworden, nicht mehr eine Entscheidung, die ich lieber heute als morgen treffen muss.

Ich werde das nächste Vierteljahr sowieso nicht von meinen Büchern aufschauen können. Es wäre ja unsinnig, dabei einen Freund neben dem Schreibtisch sitzen zu haben. Vorausgesetzt man wüsste, WELCHEN. Vernunfts-Lena hat die Frage bis nach dem Examen vertagt. Entschlussunfähigkeits-Lena hofft auf unvorhergesehene Ereignisse, die ihr die Entscheidung abnehmen.

Ich sollte Alex das alles irgendwie mitteilen. Wenn ich es in zwei bis drei eindeutigen Sätzen formulieren könnte. Ich öffne den Mund … aber alles, was herauskommt, ist: »Kaffee?«

Da spricht eindeutig Feigheits-Lena.

Alex lächelt. »Es gibt fast nichts, was ich mir mehr wünschen würde als einen Kaffee.«

Ja ja, Botschaft angekommen. Alles klar, Lena – du MUSST irgendwas über die blöde Situation zwischen euch beiden sagen.

Doch Alex grinst. »Noch lieber wäre mir nur, wenn es zu dem Kaffee ein Erdbeerbrot geben würde.«

Okay. Nett, dass er es so auffängt. Oder er wollte mich von vornherein nur provozieren.

»Hab ich nicht«, sage ich bedauernd. »Ich hab nicht mal eine Ahnung, wie so was aussehen soll.«

»Ich weiß«, sagt Alex ruhig. »Ich nehm den Kaffee.«

Er ist sicher nicht wirklich so bekümmert darüber, dass es kein ERDBEERBROT gibt, also sollte das wohl doch eine Metapher sein. Aber so früh am Tag kann ich mit Gleichnissen nicht umgehen, also nicke ich einfach, schiebe ihn in die Küche und fülle ihm ein Halbliter-Glas voll Kaffee.

Jenny steht mit nachdenklicher Miene am Küchentisch und mustert unsere Geschenke. »Habt ihr nicht auch das Gefühl, dass noch irgendwas fehlt?«, fragt sie verschmitzt.

Isa und ich wechseln einen irritierten Blick. Sollten wir nicht eher das Gefühl haben, dass hier einiges ZU VIEL ist?

Jenny grinst, schaut auf die Uhr und hebt die Hand. »Achtung …«

Einen Moment steht sie starr wie eine Skulptur. Nichts passiert. Isa und ich kichern. Jenny aber schüttelt mit einer winzigen Bewegung unwirsch den Kopf und hebt den Zeigefinger noch einen Zentimeter höher. Und da, wie auf Kommando, klingelt es. Jenny lächelt zufrieden und geht öffnen.

Neugierig folgen wir ihr und werden Zeuge, wie ein Paketbote einen riesigen Karton die Treppe hinaufwuchtet. Jenny unterschreibt, verabschiedet den Boten, schiebt das Paket in den Flur … und bleibt in der offenen Tür stehen. Auf unsere verwunderten Blicke zuckt sie die Schultern. »Sollte mich doch sehr überraschen, wenn da nicht …«

In diesem Moment klingelt es erneut. »Na also«, sagt Jenny und drückt den Summer, woraufhin ein zweiter Zusteller die Treppe hinaufschnauft. Sein Päckchen ist fast genauso groß. »Tja«, meint Jenny cool, als sie die Tür schließt, »seit sie geschieden sind, sind sie noch berechenbarer.«

Offenbar hat sich das schlechte Gewissen der Jenny-Eltern nach der Trennung verdoppelt. Jedenfalls erhält Jenny das obligatorische Belohnungspaket, mit dem ihre Eltern Gespräche, gemeinsame Unternehmungen und sogar mündliches Lob ersetzen, diesmal in zweifacher Ausführung.

Im Mutter-Paket sind Klamotten. Wie immer. Luftige Sommersachen in feinsten Stoffen. Mittlerweile haben Isa und ich keine Hemmungen mehr, Jenny ein paar der Kleider abzunehmen. Sie empfindet die Geschenke meist auch ein bisschen als Kränkung und ist froh, wenn sie sie teilen kann.

Der Sommer strahlt bereits verlockend in unsere Wohnung; wir posieren vor Jennys großem Spiegel in den glitzernden Tops, hauchdünnen Trägerkleidchen und sinnlos-teuren Strandumhängen und träumen von Badeausflügen und Beachpartys. Ja klar, vorerst sind alle Sommer-Vergnügen für uns gesperrt. Aber irgendwann werden wir all diese flotte Couture ausführen. Spätestens, wenn wir unsere bestandenen Prüfungen feiern. Angesichts eines zartblauen Chiffon-Minirocks kann ich nur inständig hoffen, dass dann noch ein wenig Sommer für mich übrig ist.

Das Paket von Jennys Vater enthält Bücher. Einen riesigen Stapel, fast zehn Kilo schwer – die ganze Ausgabe Mündliche Prüfung kompakt von Band 1: Allgemeinmedizin bis Band 40: Umweltmedizin und Toxikologie. Oh, Mann, wenn das schon »kompakt« ist, dann steht uns wirklich eine harte Zeit bevor.

»Er hat sich immerhin Gedanken gemacht«, versuche ich den strengen Herrn Nobelmediziner zu loben.

»Pah«, winkt Jenny ab, »das sucht seine Sprechstundenhilfe aus.«

Ich hätte gern einen Beweis dafür gefunden, dass sie mit dieser Vermutung falschliegt. Dass wenigstens eins ihrer Elternteile zu einer persönlicheren, anteilnehmenden Geste imstande war. Leider finde ich in Band 1 – Allgemeinmedizin einen Zettel der Sprechstundenhilfe: Liebe Jenny, ich hoffe, das ist das Richtige für die Vorbereitung. Wenn nicht, tausch ich es um. Viel Erfolg beim Lernen, im Namen Deines Vaters, Schwester Mathilde.

»Nur weil dein Vater vergessen hat, einen Brief beizulegen …«, schwindle ich und knautsche den Sprachstundenhilfe-Zettel unauffällig in meine Hosentasche. Aber Jenny sieht mich lieb an.

»Glaub mir, Lena, hier muss niemand geschont werden. Ich kann wirklich prima damit umgehen. Und jetzt rück das Briefchen von Schwester Mathilde wieder raus; die vergisst das nämlich NIE.«

Betreten ziehe ich den Knautschbrief aus der Tasche. Vielleicht kann ICH ja nicht damit umgehen?!

Jenny nimmt mich in den Arm, als müsste tatsächlich ich über ihre herzlosen Eltern hinweggetröstet werden. »Ich hab doch euch!«, sagt sie, dann klopft sie zufrieden auf den Bücherstapel. »Und dank mir habt IHR die beste Vorbereitung der Welt. Nur für den Fall, dass jemand von euch in Toxikologie geprüft werden sollte.«

Tja, das ist es nämlich: Wir wissen noch gar nicht, in welchem Fach wir schließlich Rede und Antwort stehen müssen. Klar, in Innerer Medizin und Chirurgie werden wir alle geprüft, dazu in unserem Wahlfach – Jenny und ich also in der Gynäkologie. Das vierte Fach erfahren wir aber erst, wenn der gefürchtete gelbe Brief vom Landesprüfungsamt eintrudelt. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: die Phase VOR dem Brief, in der ich wahrscheinlich unorganisiert und angstgetrieben versuchen werde, mir Grundlagen in allen nur denkbaren Fächern von Epidemiologie bis Pathologie ins Hirn zu zwingen … oder der Moment, in dem ich den Brief öffne, erfahre, dass es ausgerechnet die verhasste (und vollkommen vernachlässigte) Rechtsmedizin ist und ich noch genau zwei Wochen Zeit habe – mein Hirn aber leider schon vollkommen mit Epidemiologie und Pathologie verstopft ist …

Isa erwischt es dabei doppelt hart. Weil sie im Wahltertial erneut Chirurgie belegt hat, statt mit uns auf die Gynäkologie weiterzuziehen, darf sie kein Teil unserer Prüfungsgruppe sein. Die PJler mit demselben Wahlfach werden gemeinsam geprüft; Isa aber muss nicht nur das geloste Fach allein lernen, sie wird auch das Examen mit einer Gruppe PJler durchstehen müssen, von denen sie bis zum gelben Brief nicht mal die Namen kennt.

Aber Isa ist diejenige, die davor am wenigsten Angst hat. Ihr Lernplan war schon vor dem ersten PJ-Tag fertig.

»Wir schaffen das«, sagt unsere Kleine zuversichtlich, als sie Band 40 zurück auf den Bücherstapel legt. »Und Toxikologie lerne ich in Woche neun.« Da haben wir’s. Sie hat sogar alle Unterfächer schon in ihren Arbeitsplan eingetaktet. Und den Plan im Kopf! Der sieht vor, dass sie von nun an jeden Tag acht Stunden am Schreibtisch verbringt. Und Freizeit ist gestrichen.

Tom, der eben eine Leiter in die Küche wuchtet, um die Deko-Spiralen von der Decke abzunehmen, gibt Isa einen Kuss. »Wenn du erst siehst, was für einen perfekten Arbeitsplatz ich dir eingerichtet habe!«, lächelt er. Und erklärt uns stolz, dass er für Isa in seiner Münchner Wohnung einen Extra-Schreibtisch aufgestellt hat. Damit sie zusammen sein können und seine Verlobte trotzdem keine Lerneinbußen erleidet. Hatte ich erwähnt, dass die beiden schon verlobt sind?! Sobald Isa ihr Examen bestanden hat, folgt die Hochzeit. Sie sind sich so sicher, man könnte neidisch werden.

Moment, Lena, DU nicht! Du hättest genau das haben können: einen Mann, der dir einen Schreibtisch einrichtet. Einen, bei dem sogar die ganze Medizinbibliothek vom Tisch aus erreichbar ist. ZWEI Männer! Denn Alex benutzt seinen Schreibtisch ohnehin nie und hätte ihn dir sicher sofort überlassen. Also ist es völlig unangemessen, Isa um ihren Zweitarbeitsplatz zu beneiden!

Jenny tut das gewiss nicht, im Gegenteil. »Eins steht fest, Schatz«, grinst sie zu Felix hinauf, der auf den Tisch gestiegen ist, um beim Abfriemeln der Regenbogen-Spiralen zu helfen. »Wenn DU mir einen Arbeitsplatz einrichtest, trenn ich mich.«

Felix beugt sich herunter, schlingt ihr zärtlich eine der Girlanden um den Hals und entgegnet: »Ich denke gar nicht daran. Ein Schreibtisch kommt mir nicht ins Haus.«

»Tausend Dank«, sagt Jenny und »nichts für Ungut« in Toms Richtung, bevor sie Felix hingebungsvoll abknutscht. Könnte das Geküsse mal aufhören?! Ich bin immerhin auch noch da! (Nein! Entscheide dich, dann kannst du auch knutschen, Lena. Sobald du weißt, WEN!)

»Mal ehrlich, Mädels«, sagt Jenny und schlingt die Enden ihrer Girlande um Isa und mich, »wir machen uns auch nicht verrückt, oder?! 110 Lerntage – da werden wir ja wohl alles hinkriegen.«

Klar. Es wirkt wie eine unfassbar lange Zeit. Aber wie schnell die letzten neun Monate vergangen sind, sollte mir eine Warnung sein: Immerhin kommt es mir oft genug vor, als sei ich erst letzte Woche in Berlin gelandet. Ich muss einen schönen, gesunden Mittelweg finden. Dass Jenny nicht bereit ist, die Wochenenden der Arbeit zu opfern, könnte mir ab und an zu einem entspannten Regenerations-Sonntag verhelfen. Aber ansonsten halte ich mich in punkto Disziplin wohl lieber an Isa und ihren 8-Stunden-pro-Tag-Codex. Schließlich möchte ich promovieren und brauche dafür eine Bomben-Punktzahl. Und überhaupt, was soll mich denn abhalten, außer dem inneren Schweinehund?! Männer ja ganz sicher nicht. Bestimmt ist es unfassbar klug, die Prüfungsphase ohne festen Freund zu absolvieren! Ich werde mein Leben von heute an nur noch mit Arbeit füllen! Keine Ablenkung durch Geküsse und Fremd-Schreibtisch-Einrichterei.

Jenny nimmt die Girlande ab und faltet sie zusammen. Und als sie sieht, wie Isa Anstalten macht, eine Handvoll silberner Sterne in einen Müllsack zu befördern, fällt sie ihr in den Arm. »Keine Übertreibungen, Süße! Die heben wir auf.« Sie nimmt ein Tütchen Zimt aus dem Gewürzregal, kippt den Inhalt in einen Eierbecher, füllt die Sterne in das Zimttütchen und legt es zurück ins Gewürzregal. »Na hört mal!«, sagt sie empört, als sie unsere irritierten Blicke bemerkt. »Das war doch nicht die letzte Party unseres Lebens!«

Noch 109 Tage…«, seufzt Isa am nächsten Morgen in ihren Playmo-Kaffeebecher. Jenny und ich nicken ergeben. Eine verdammt lange Zeit, die furchterregend schnell zusammenschrumpfen wird. »Womit fangt ihr an?«

Ich habe mir vorgenommen, heute erst mal eine Bestandsaufnahme zu machen. Ich werde ein Probeexamen absolvieren, um festzustellen, wie viel Wissen sich schon unmerklich im Laufe des PJs eingeschlichen hat oder sogar noch aus den Uni-Semestern übrig ist. Weil es schön ist, im Laufe der Lernzeit die eigenen Fortschritte zu sehen. Und weil ja die klitzekleine Chance besteht, dass ich längst alles kann. (Dann würde ich dieses Super-Ergebnis an den Countdown-Tagen 108 bis 107 verifizieren, von Tag 106 bis Tag 2 den Sommer genießen, am Vorprüfungstag einen letzten, gelassenen Blick auf das Inhaltsverzeichnis von Mündliche Prüfung kompakt werfen und dann so entspannt in die Prüfungsräume spazieren, dass man mir bereits am Eingang den Bestanden-Zettel überreicht, weil diese lässige Sommerschönheit einfach die Jahrgangsbeste sein MUSS!)

Isa beginnt mit Lesen; ihr Plan sieht vor, dass sie in den ersten zwei Wochen nur liest, liest und liest. 80 Seiten am Tag. »Ich lächele euch jetzt noch mal an…« Sie schickt ein Lächeln um den Frühstückstisch, das nur ein ganz klein wenig verkrampft wirkt. »Ab morgen werde ich schon beim Frühstück nur in meine Bücher schauen.«

»Dann schenk noch mal Kaffee nach, solange du noch aufzusehen wagst«, entgegnet Jenny ungerührt und wackelt mit der Barbie-Tasse.

Wie sieht denn ihr Arbeitsplan aus? »Ach wisst ihr«, Jenny grinst mit diesem verräterischen Glanz in den Augen, der sagt: Ich weiß, dass ihr nicht gutheißt, was ich tun will, ich bin aber fest entschlossen, mir kein schlechtes Gewissen machen zu lassen. »109 Tage… das ist so unrund«, erklärt sie. »Findet ihr nicht, dass 100 eine viel schönere Zahl ist? Irgendwie greifbarer?«

Lesen Sie weiter in der vollst?ndigen Ausgabe!

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