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Beschreibung

Gegenwärtige Diskurse zum Missionsbegriff beruhen nach wie vor oft auf einem Verständnis gewaltsamer Missionierung nicht-christlicher Personen, Gruppen oder Regionen. Jener von Papst Franziskus steht dem jedoch entgegen: Dass sein Missionsverständnis keineswegs neu oder nur für seine Person typisch ist, sondern das Christentum von Beginn an prägte, und dass dieses verschüttet, wiederentdeckt und erweitert wurde, zeigt diese Ausgabe. Wie definiert sich die (pastoral-)theologische Bedeutung von Mission angesichts heutiger Herausforderungen?

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InhaltsverzeichnisThPQ 168 (2020), Heft 3

Schwerpunktthema:

Mission

Christian Spieß

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Klara-Antonia Csiszar

Ein lebendiger Missionsbegriff. Missionsverständnisse auf dem empirischen Prüfstand

1 Einführung

2 „Missionsstudie 16“

3 Zusammenfassung und Relevanz der Studie

Michael Zugmann

„Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8)Grundlegendes zur Mission im Neuen Testament

1 Die Aussendung der Jünger vor Ostern

2 Die „Missionsbefehle“ des Auferstandenen

3 Die Entwicklung zur Heidenmission nach der Apostelgeschichte

4 Paulus: Ein Heidenmissionar in Selbstzeugnissen

Lutz E. von Padberg

Mission und Christianisierung im frühen Mittelalter. Einige grundsätzliche Aspekte

1 Einführung

2 Zentrale Aspekte frühmittelalterlicher Missionsvorhaben

3 Zusammenfassung

Stefan Silber

Synodalität, Befreiung, Widerstand. Neue Perspektiven für die Missionstheologie

1 Synodalität: Zuhören als neues Paradigma der Mission

2 Befreiung: Gute Nachrichten, gutes Leben für alle

3 Widerstand: Entkolonialisierung der Mission

4 Schluss: Umkehr der Mission

Stephen B. Bevans SVD

Papst Franziskus’ Missionstheologie der Anziehung

1 Jenseits der „Neuevangelisierung“

2 Eine Botschaft, die anzieht: Ein Gott des Erbarmens und der Zärtlichkeit

3 Eine Gemeinschaft, die anzieht: Eine Kirche mit offenen Türen

4 Eine Lehre, die anzieht: Eine kontextsensible Theologie

5 Fazit

Martin Üffing SVD

Überlegungen zur Theologie der Mission. Das Missionsverständnis der Steyler Missionare

1 Steyler Missionare und Mission

2 Missionstheologie

3 Abschluss

Wolf-Gero Reichert

Mission und Entwicklung im Angesicht des Dschagannath-Wagens. Ein Werkstattbericht zur weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart in sozialethischer Perspektive

1 Was ist Weltkirche?

2 Was kann Mission und Entwicklung angesichts globaler Herausforderungen bedeuten?

3 Globalisierung der Solidarität

4 Ausblick

Abhandlungen

Markus Weißer

Eine Frage der Prioritäten. Zur Ausrichtung der Dogmatik in Zeiten digitaler Kommunikation

1 Kommunikation im digitalen Zeitalter

2 Herausforderungen für die Dogmatik

3 Soteriologische Priorisierung und Konzentrierung

4 Im Dialog bleiben … neue Chancen

Ansgar Kreutzer

(Meta-)Identität des Christlichen in der pluralen Gesellschaft. Zu Aktualität und Relevanz einer kenotischen Theologie

1 Einleitung: Gegen die „identitäre Umformung des Christentums“

2 „Weniger ich“. Isolde Charims identitätstheoretische Konzeption des Pluralismus

3 Kenosis als Weise, die christliche Identität zu „bewohnen“. Identitätstheoretische Interpretationen zum Philipperhymnus (Phil 2,5–11)

4 Pluralitätsfähigkeit und Kritik negativer Individualisierung. Soziale Relevanzen kenotischer Theologie heute

5 Zum Schluss: Kenosis und die gebotene Interdisziplinarität der Theologie

Literatur

Clemens Sedmak

Das aktuelle theologische Buch

Besprechungen

Eingesandte Schriften

Aus dem Inhalt des nächsten Heftes

Redaktion

Kontakt

Anschriften der Mitarbeiter

Impressum

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Die missionarische Sendung ist konstitutiv für das Selbstverständnis des Christentums, und Mission ist ein zentraler Begriff der christlichen (und darüber hinaus vieler anderer) Theologien. Für den Bereich der katholischen Kirche hat Mission mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil – nicht nur im missionstheologischen Dokument Ad gentes – eine grundlegende Neubestimmung erfahren. Dafür sind vier eng mit dem Konzil verbundene Gesichtspunkte ausschlaggebend: Erstens wird offenbarungstheologisch – beispielsweise in Dei verbum – die Weitergabe des Glaubens als dynamisches Kommunikationsgeschehen verstanden. Wie sich Gott in der Offenbarung mitteilt und in einen Dialog mit den Menschen tritt, so treten auch die Menschen untereinander in einen Dialog der Verkündigung. Mission umfasst sowohl das Erzählen, Darstellen, Lehren, Vorleben des eigenen Glaubens als auch das Hören, Anschauen, Lernen, Nachvollziehen der Vielfalt der Lebens- und Glaubenswirklichkeiten der Menschen in der jeweils „heutigen“ Welt. Dies gilt zweitens in besonderer Weise für den Dialog zwischen den Religionen. Wenngleich die Kirche die Unterschiede zwischen den religiösen Überzeugungen nicht übersieht, so betont sie – etwa in Nostra aetate – die übereinstimmenden Anliegen und Gemeinsamkeiten, die hinter den verschiedenen Lehren und Regeln stehen. Drittens impliziert der politische Gewaltverzicht der Kirche ein verändertes Missionsverständnis. Die Trennung von Religion und Politik – und damit die Religionsfreiheit – wird im Dokument Dignitatis humanae erstmals befürwortet. Zwar hält die Kirche an ihrem religiösen Wahrheitsanspruch fest, trennt ihn jedoch von einem politischen Machtanspruch. Der Mensch, der in der Pflicht steht, nach der religiösen Wahrheit zu suchen, benötigt hierfür gesellschaftliche und politische Freiheitsspielräume, dies in der einen oder anderen Weise zu tun und die eine oder andere religiöse Überzeugung anzunehmen. Da diese Modernisierung mit der Würde und Freiheit des Menschen begründet wird, verändert sie grundlegend die Sicht auf die religiöse Selbstbestimmung aller Menschen. Viertens schließlich war das Konzil – mit der Gegenwart nicht-katholischer Beobachter, mit der Präsenz zahlreicher Teilnehmer aus früheren Kolonialgebieten sowie mit dem Bedeutungs- und Einflussgewinn der kirchenpolitischen „Peripherie“ – selbst ein dynamisches Kommunikationsgeschehen und ein (unvollendetes) missionarisches Ereignis.

Dieses erneuerte Missionsverständnis lässt allerdings auch die gravierende Ambivalenz der missionarischen Praxis deutlich hervortreten: Historisch bedeutete Mission häufig religiöse Bevormundung und Zwang, scharfe religiöse und konfessionelle Wahrheitskonkurrenz, physische und politische Gewaltanwendung sowie Kolonialisierung im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn. Es geht immer auch um den Umgang mit dieser „postkolonialen Hypothek“, wenn wir uns heute Gedanken zu Mission und zu einem missionarischen Auftrag machen.

Das vorliegende Heft bietet ein Spektrum von biblischen, historischen, pastoralen, systematischen und praktischen Perspektiven auf die Mission im Christentum. Klara-Antonia Csiszar (Linz) bietet zunächst anhand der Vorstellung einer empirischen Studie zum Missionsverständnis einen Einblick, was gläubige Menschen unter Mission verstehen. Michael Zugmann (Linz) setzt das Heft mit einem Überblick über Missionsmotive des Neuen Testaments fort. Mit Gesichtspunkten der Mission im frühen Mittelalter setzt sich Lutz E. von Padberg (Paderborn/Gießen) auseinander. Eine Kritik der Missionstheologie aus befreiungstheologischer und postkolonialer Perspektive entwickelt Stefan Silber (Paderborn). Affirmativ skizziert Stephen Bevans (Chicago) das Missionsverständnis von Papst Franziskus (der Text wurde für dieses Heft von Andreas Telser, Linz, ins Deutsche übersetzt). Die Missionstheologie eines „klassischen Missionsordens“, der Steyler Missionare, erläutert Martin Üffing (Sankt Augustin, wie Stephen Bevans selbst Steyler Missionar). Schließlich bietet Wolf-Gero Reichert (Rottenburg) einen Einblick in das Missionsverständnis und die missionarische Praxis der deutschen Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Über die thematischen Beiträge hinaus enthält das Heft Überlegungen von Markus Weißer (Regensburg) zur Ausrichtung der Dogmatik in Zeiten digitaler Kommunikation sowie einen Aufsatz zum Zusammenhang von Identitätspolitik und Christentum: „(Meta-)Identität des Christlichen in der pluralen Gesellschaft“. Es handelt sich dabei um die Antrittsvorlesung, die Ansgar Kreutzer, ehemaliger Chefredakteur dieser Zeitschrift, an der Justus Liebig-Universität Gießen gehalten hat. Rezensionen theologischer Neuerscheinungen schließen das Heft ab.

Liebe Leserinnen und Leser!

Nicht nur für Religionsgemeinschaften und Theologien, sondern auch für unser individuelles religiöses Selbstverständnis ist Mission bedeutsam. Sie bringt den Zusammenhang von Taufe und Sendung zum Ausdruck. Mit der Taufe sind wir gesandt, in der Vielfalt unserer Möglichkeiten, Begabungen, Orientierungen, auch in der Wechselhaftigkeit unserer Lebens- und Glaubensgeschichten zu zeigen, dass unser Glaube und unsere gläubige Praxis plausibel sind. Eine im oben skizzierten Sinne missionarische Kirche muss dann bereit sein, die kulturell und sozial unterschiedlichen Sendungswege der Menschen anzuerkennen. Auch innerkirchlich muss Mission, wenn wir das Zweite Vatikanum ernst nehmen, als dialogisches Kommunikationsgeschehen verstanden werden.

Ihr

Christian Spieß

(für die Redaktion)

Klara-Antonia Csiszar

Ein lebendiger Missionsbegriff

Missionsverständnisse auf dem empirischen Prüfstand

♦ Was meinen Gläubige, wenn Sie im kirchlichen Kontext den Begriff „Mission“ hören? Im theologischen Diskurs darüber wird oft darauf hingewiesen, dass der Begriff belastet sei. Auch wenn es um den konkreten Inhalt des Begriffes – Mission als Verkündigung oder caritatives Tun – geht, herrscht im deutschsprachigen Raum ein Unbehagen. Die Autorin hat im Rahmen des Forschungsprojektes „Entwicklung eines integralen Missionsbegriffes“ empirisch erforscht, was Gläubige unter Mission verstehen und wie sie zu ihrem persönlichen Missionsverständnis kommen. Die markantesten Ergebnisse der Missionsstudie werden hier kurz dargestellt. Das Forschungsprojekt wurde am Institut für Weltkirche und Mission an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen, Frankfurt am Main, durchgeführt und versteht sich als eine innovative Grundlagenforschung in der deutschsprachigen Missionswissenschaft. (Redaktion)

1 Einführung

Der Missionsbegriff hat im biblischen und theologischen Sprachgebrauch eine lange Geschichte. Grundsätzlich bedeutet er „Sendung“. Mission und die missionarische Tätigkeit der Kirche gehören zum Proprium Christianum – sie konstituieren Kirche-Sein. Nach knapp zweitausend Jahren Missionsgeschichte begann nach dem II. Vatikanischen Konzil eine Distanzierungstendenz vom Missionsbegriff. Mission wurde mit einem impliziten Hegemonialanspruch auf religiöse Wahrheit in Verbindung gebracht, der im Zeitalter des globalen religiösen Pluralismus und des interreligiösen Dialogs unpassend zu sein schien. Hinzu traten weitere Belastungen des Begriffs durch das missionarische Vorgehen in der Neuzeit und im Zeitalter des Imperialismus, bei dem häufig ein eurozentrischer Zivilisationsanspruch erhoben wurde. Mission stand vermeintlich für ideologische Indoktrination und kulturelle Expansion. Demzufolge wurde der Missionsbegriff in den theologischen Diskursen zum historisch belasteten Begriff. Häufig wurde er deshalb durch andere Begriffe (z. B. Evangelisierung) ersetzt. Diese Tendenz, den Missionsbegriff im kirchlich-theologischen Sprachgebrauch zu ersetzen oder zu vermeiden, wirkt bis in unsere Tage herein. Eine ungeschönte Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Forschung in Deutschland macht es deutlich: Während andere wissenschaftliche Disziplinen (z. B. Geschichtswissenschaften, Soziologie, Ethnologie) ein reges Interesse an dem Phänomen der Mission bekunden, findet in der deutschsprachigen Theologie lediglich eine marginale missionswissenschaftliche Grundlagenforschung statt.1

Jedoch erfährt der Missionsbegriff unter dem gegenwärtigen Pontifikat ein Comeback im deutschsprachigen Raum. Grund dafür ist, dass Papst Franziskus die pastoralen Konsequenzen der Inkarnationslogik und des Christusereignisses unter dem Begriff der Mission bündelt. In seinem Verständnis soll die Kirche „ein[en] Zustand der permanenten Mission“ (EG 25) verkörpern. Auch wenn es im deutschsprachigen Raum derzeit nicht an Bemühungen fehlt, den Begriff zu rehabilitieren, und ihn als theologischen Terminus im fachspezifischen Sprachgebrauch neu zu etablieren, wird immer wieder an die belastete Vergangenheit und sogar Gegenwart des Begriffes und der Missionspraxis erinnert.2 Ist aber der Missionsbegriff heute tatsächlich noch belastet? Und was meinen die Menschen in Deutschland und darüber hinaus, wenn das Wort „Mission“ im Alltag fällt?

2 „Missionsstudie 16“

Obwohl in der theologischen Fachliteratur immer wieder auf die Altlast des Missionsbegriffes und die mit dem Begriff verbundenen negativen Assoziationen, die er bei den Menschen erwecke, hingewiesen wird, hat sich noch keine empirische Studie mit der Frage befasst, was Menschen heute tatsächlich über Mission denken. Um diesen Mangel zu beseitigen und das bisher nicht nachgewiesene Axiom hinsichtlich eines belasteten Missionsbegriffes auf seine Gültigkeit hin zu überprüfen, wurde am Institut für Weltkirche und Mission an der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main im Rahmen des Drittmittelprojektes „Entwicklung eines integralen Missionsbegriffes“ die „Missionsstudie 16“ in sieben Sprachen initiiert.3 Die Studie wollte – den wissenschaftlichen Standards der empirischen Forschung entsprechend – aufdecken, wie Menschen heute Mission verstehen und wie sie zu ihrem persönlichen Missionsverständnis gelangen. Genauerhin wurde untersucht, wie der Begriff „Mission“ im kirchlichen Kontext erlebt und verstanden wird, welche Assoziationen der Begriff bei den Gläubigen erweckt und – nicht zuletzt – inwiefern Gläubige ihre eigene Religionspraxis als Missionspraxis verstehen.

Von März bis November 2016 wurde die „Missionsstudie 16“ online in sieben Sprachen durchgeführt. 1098 Personen haben sich weltweit an der Umfrage beteiligt, 1025 Antworten konnten bei der Auswertung berücksichtigt werden. Die Forschungsstrategie bestand in der abwechselnden Anwendung von qualitativen und quantitativen Befragungsmethoden (Triangulierung). Durch diese Hybridisierung der Methoden war die Glaubwürdigkeit der Studie gesichert. Für sich allein wäre die quantitative Methode angesichts der geringen Anzahl der Befragten vage geblieben. Dank der Mischung von Methoden konnten quantitativ erkannte Tendenzen verfeinert und die praktische Plausibilität der Erkenntnisse gesteigert werden. Um das persönliche Missionsverständnis der Befragten zu erkunden, wurden drei Cluster mit jeweils 10 Variablen und insgesamt 173 Items erstellt.

2.1 Das Studiendesign

Die Untersuchungsvariablen waren auf drei Grundsatzfragen hin ausgearbeitet, was es später ermöglichte, die Antworten entsprechend zu gruppieren. Die drei Grundsatzfragen lauteten:

– Ist Mission ein harmonischer Begriff, der die Liebe Gottes zu den Menschen und die Nächstenliebe zum Ausdruck bringt?

– Ist Mission ein belasteter Begriff mit dem Beigeschmack einer Kirche des heils­pessimistischen Erfassens?

– Wie missioniert man heute: Ist Mission Verkündigung, caritatives Tun oder sowohl als auch?

Im Folgenden werden in einem ersten Schritt die Ergebnisse der deskriptiven Statistiken präsentiert, die uns erlauben, ein allgemeines Bild vom Missionsverständnis der Befragten zu zeichnen. In einem zweiten Schritt werden ausgewählte Ergebnisse der explorativen Statistik dargestellt, die Tendenzen hinsichtlich der Missionsverständnisprofile der Befragten verdeutlichen. Die Studienergebnisse in ihrer ganzen Komplexität hier darzustellen, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Demnach erheben die Darstellungen im Folgenden keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine detaillierte Darstellung mit allen Ergebnissen der Studie wird im Herbst 2020 veröffentlicht.4

2.2 Deskriptive Statistik

2.2.1 Herkunft der Befragten

Das Missionsverständnis im deutschsprachigen Raum darzustellen, das überdies einen kleinen Einblick in andere gesellschaftliche Kontexte ermöglicht, macht es notwendig, zunächst die Herkunft der Befragten aufzuschlüsseln (Abb. 1). 56 % der Befragten kommen aus dem deutschsprachigen Raum: aus Deutschland, aus Österreich und aus der Schweiz. Die zweitgrößte Gruppe der Befragten lebt in Osteuropa (26 %). In dieser Gruppe bilden Befragte aus Ungarn, aus Rumänien, aus Serbien und aus Polen eine Mehrheit. Kleine Gruppen der Osteuropäer leben in Albanien, in Mazedonien oder im Kosovo. Aus Westeuropa (ohne den deutschsprachigen Raum) kommen weitere 5 % der Befragten. In Südamerika leben 4 % der Befragten. An der Befragung haben sich mit je einer kleinen Gruppe auch Asien (3 %), Nordamerika (2 %), Afrika (3 %) und Australien (1 %) beteiligt. Hinsichtlich der Gewichtung der Ergebnisse sind demzufolge Befragte aus dem deutschsprachigen Raum sowie Befragte aus Osteuropa vorherrschend.5

Abb. 1: Herkunft der Befragten

2.2.2 Berufsprofil der Beteiligten

Für die hier angestrebte kurze Darstellung der wichtigsten Ergebnisse der „Missionsstudie 16“ ist die berufliche Einordnung der Befragten ebenso relevant (Abb. 2). Im beruflichen Feld können zunächst einmal folgende Gruppen genannt werden: Die „Berufskirche“, die „Alltagskirche“ und die „Theoretische-Kirche“. Die „Berufskirche“ bilden Seelsorgerinnen und Seelsorger, Priester, Laien und Bischöfe, die hauptamtlich in der Kirche tätig sind. 17 % der Befragten sind geweihte Personen (Diakone, Priester, Bischöfe sowie Ordensangehörige), 18 % der Befragten sind Laien im kirchlichen Dienst. Eine weitere Gruppe ist jene der „Theoretischen-Kirche“. Dazu gehören Theologinnen und Theologen, die sich an der Umfrage beteiligt haben (13 %).6 Zur Gruppe der „Alltagskirche“ zählen die getauften Christinnen und Christen, die nicht hauptamtlich in der Kirche tätig sind und nicht im akademischen Umfeld arbeiten. Ihr gehören 52 % der Beteiligten an.

Abb. 2: Berufsprofil der Beteiligten

2.2.3 Was bedeutet Mission?

Eindeutige Tendenz zeigen die Befragten zur Frage, was Mission bedeutet (Abb. 3). 82,9 % sind der Meinung, dass Mission explizit etwas mit Jesus und seiner Nachfolge zu tun hat. Durch die missionarische Tätigkeit der Kirche wird die Praxis Jesu erkennbar. Einen wichtigen Stellenwert nimmt auch der Dialog hinsichtlich der Missionspraxis ein. 83,8 % der Befragten stimmen zu, dass Mission Dialog bedeutet. 82,7 % der Beteiligten befürworten, dass die Verkündigung des Reiches Gottes Mission bedeutet. Bemerkenswert ist die Anzahl der Bejahungen, wenn es um die Mission als Verkündigung und Dialog geht. 87,1 % der Befragten signalisieren dadurch ein integrales Missionsverständnis, wonach Verkündigung und Dialog als komplementäre Aspekte des missionarischen Tuns der Kirche zu verstehen sind.

Abb. 3: Was bedeutet Mission?

2.2.4 Missionsverständnisse

Diverse Assoziationsmöglichkeiten zum Begriff „Mission“ zeichnen und typisieren das Missionsverständnis der Befragten. Demzufolge lassen sich vier Gruppen von „Missions-Typen“7 unterscheiden (Abb. 4). 14 % der Befragten sind „Verkündigungstypen“. Sie verstehen unter Mission primär die Verkündigung. 13 % der Befragten meinen, sie würden unter Mission Dialog oder caritatives Tun verstehen. Diese wird als die Gruppe der „Dialog-Caritativ-Typen“ bezeichnet. 9 % der Befragten setzen Mission mit Altlast und mit den historischen Schattenseiten der Kirche gleich. Sie bilden die Gruppe der „Altlast-Typen“. 64 % der Befragten gehören zu den sogenannten „Integral-Typen“. In ihrem Missionsverständnis ist die Praxis Jesu maßgebend, wenn es um die Missionspraxis der Kirche geht, und sie vertreten ein Missionsverständnis, in welchem sowohl Verkündigung als auch Dialog, aber auch caritatives Tun als komplementäre Teile der Mission zu verstehen sind.

Abb. 4: Missionsverständnisse

2.2.5 Mission als Aufgabe der Kirche

Die Befragten bewerten es positiv, wenn die Kirche missioniert (Abb. 5). 58,60 % meinen, dass dies Aufgabe der Kirche ist. Knapp 30 % der Beteiligten versetzen sich in einen Stand-by-Modus und können keine eindeutige Stellungnahme erkennbar machen, ob die Kirche für die Mission eintreten sollte. Sobald aber klar wird, was Mission bedeutet, nämlich keine Einbahnstraße, sondern einen dialogischen Akt, kommen sie aus dem Stand-by-Modus heraus und geben ein positives Votum zugunsten einer dialogischen Missionspraxis ab. 90 % der Befragten stimmen zu, dass Mission keine Einbahnstraße ist, sondern sich von Mensch zu Mensch im Dialog ereignet. Überraschend ist, dass nur eine ganz geringe Anzahl der Befragten Mission grundsätzlich ablehnt und es negativ bewertet, wenn die Kirche missioniert. Für die Mehrheit der Befragten ist es wichtig, wie Mission praktiziert wird, sowohl inhaltlich als auch methodisch.

Abb. 5: Kirche und Mission

2.2.6 Akteure der Mission

Sehr eindeutig ist die Stellungnahme der Befragten, wenn es um die Partizipation aller Gläubigen an der missionarischen Tätigkeit der Kirche geht (Abb. 6): Bemerkenswert dabei ist die große Zustimmung der Befragten (81,50 %). Die Behauptung, dass es einer besonderen Beauftragung für die Mission kirchlicherseits bedürfe, erfuhr eine klare Ablehnung (92,7 %). Die Antworten auf die Frage, ob alle Katholikinnen und Katholiken oder nur manche im Auftrag der Kirche mit speziellen Ausbildungen Missionarinnen und Missionare sein können, signalisieren einerseits, dass alle Katholik/inn/en den Missionsauftrag erhalten haben (81,5 %), zugleich aber erkennen sie auch an, dass ebenso spezielle Formen (Lebensformen) der Mission existieren, die eine Ausbildung und Aussendung von Missionarinnen und Missionaren voraussetzen. Diese differenzierten Stellungsnahmen der Befragten deuten darauf hin, dass in der Kirche eine breite Akzeptanz und Kenntnis dessen wahrnehmbar ist, was die verschiedenen Möglichkeiten der partizipativen missionarischen Tätigkeiten angeht. Man könnte meinen, dass die Befragten die zwei großen Missionsdokumente des Lehramtes – Ad gentes (1965) und Redemptoris Missio (1990) – bestens kennen. In diesen Dokumenten wird nämlich einerseits der Auftrag für die Mission aller Getauften betont, andererseits beschreiben diese Dokumente den Ausbildungsweg der „Profi-Missionare“ hinsichtlich der kontextuellen Herausforderungen unserer Zeit und betonen die dringende Notwendigkeit des Dialogs und der Inkulturation in der Missionsarbeit.

Abb. 6: Akteure der Mission

2.2.7 Die Missionstätigkeit der Befragten

Ein letzter bemerkenswerter Hinweis zum Missionsverständnis der Befragten, der aus der deskriptiven Statistik hervorgeht, ergibt sich aus der Beantwortung der schlichten Frage: „Würden Sie behaupten, dass Sie im Alltag missionarisch tätig sind?“ (Abb. 7) 78 % der Befragten stimmen dieser Aussage zu und behaupten im Alltag missionarisch tätig zu sein. 22 % der Befragten meinen hingegen, missionarisch nicht tätig zu sein.

Abb. 7: Missionarische Tätigkeiten der Befragten

2.3 Zusammenschau der deskriptiven Statistik

Die hier kurz zusammengefassten Darstellungen der einzelnen Variablen der „Missionsstudie 16“ verdeutlichen, dass die Befragten überwiegend ein positives Missionsverständnis aufweisen. Das integrale Missionsverständnis wird breit vertreten und die missionarische Tätigkeit der Kirche als ein kommunikatives Geschehen geschätzt. Der hohe Anteil der missionarisch Tätigen unter den Befragten deutet darauf hin, dass Mission nicht nur geschätzt, sondern auch praktiziert wird. Die Angaben zu den Akteur/inn/en der Mission zeugen von der missionarischen Partizipation aller Getauften, wobei das Bewusstsein, dass es auch Profi-Missionare in der Kirche gibt, die vor allem in der Entwicklungsarbeit tätig sind, ersichtlich wird. Die Gruppenbildung nach Missionstypen und die geringe Anzahl der „Altlast-Typen“ bestätigen diese Ergebnisse. Sie können hinsichtlich des erforschten Missionsverständnisses als richtungsweisend interpretiert werden. Dank der explorativen Statistik konnte das Missionsverständnis weiter erforscht und Tendenzen daraus abgeleitet werden.

2.4 Explorative Statistik

Auf der Hand liegen zwei Korrelationen, die darüber Auskunft geben, welche Missionstypen für die verschiedenen geografischen Kontexte markant sind und welchen Zusammenhang die Missionsverständnisse angesichts der Berufsprofile zeigen:

2.4.1 Missions-Typ8 und Herkunft der Befragten

Die Korrelation von geografischen Lebensräumen und den verschiedenen Missionstypen liefert wertvolle Erkenntnisse (Abb. 8). Unabhängig davon, woher die Befragten kommen, stellen die Intergral-Typen eine dominante Gruppe dar: 62 % der Befragten im deutschsprachigen Raum gehören dazu. 62 % in Westeuropa, 72 % in Osteuropa, 61 % in Asien, 42 % in Afrika, 57 % in Nordamerika, 54 % in Südamerika und 100 % in Australien können zu den Integral-Typen gezählt werden. Auffallend ist, dass über den deutschsprachigen Raum hin­aus die Gruppe der Altlast-Typen sinkt oder sogar fehlt, ja im deutschsprachigen Raum keinen signifikanten Wert darstellt. So zählen hier 16 % der Befragten zu den Altlast-Typen, in Westeuropa sind es 7 % und in Osteuropa verbinden 2 % der Befragten die historische Altlast mit dem Missionsbegriff. Überraschend ist, dass in den anderen kulturellen Räumen, darunter in den ehemaligen Kolonialstaaten, keiner der Befragten Mission mit Altlast oder Kolonialisierung assoziiert. Außerhalb von Europa wird ersichtlich, dass die Anzahl derjenigen, die zur Gruppe der Verkündigungstypen gehört, größer wird. Im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus in Europa sind die Unterschiede zwischen den Verkündigungstypen und den Dialog-Caritativ-Typen nicht signifikant – sie bleiben in Europa flächendeckend unter 20 %.

Abb. 8: Missions-Typ und Herkunft der Befragten

2.4.2 Missions-Typ und Berufsprofil der Befragten

Nennenswert ist die Korrelation der Missionsverständnisse mit den verschiedenen Berufsgruppen der Befragten (Abb. 9). Hier fällt auf, dass die Gruppe der Integral-Typen, die unabhängig davon, ob es sich um Geweihte, Laien, Hauptamtliche oder einfache Alltagschristinnen und -christen oder aber um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler handelt, eine signifikante Größe darstellt. Angesichts der bisherigen Abbildungen ist es nicht überraschend, dass die Altlast-Typen auch in der Korrelation von Beruf und Missionsverständnis keine signifikanten Werte zeigen. Eine leichte Zunahme der Altlast-Typen kann man im Falle der Theoretischen-Kirche und der Alltagskirche feststellen. In diesen beiden Fällen steigen die Werte der Altlast-Typen auf 10 % bzw. auf 12 %. Schaut man gezielt auf die Berufskirche und auf ihre zwei Berufsgruppen – die geweihten Personen und die hauptamtlichen Laien –, so ist festzustellen, dass die Vertreter der Geweihten-Kirche einen ansteigenden Wert hinsichtlich der Verkündigungstypen aufweisen und dass die Laien-Kirche einen signifikanten Mehrwert zeigt, was die Anzahl der Integral-Typen betrifft. Demnach scheint Verkündigung des Öfteren als Wort-Verkündigung und der Verkündigungsdienst tendenziell als Aufgabe der Geweihten-Kirche verstanden zu werden. Die Laien-Kirche hingegen zeigt sich diesbezüglich zurückhaltend und vertritt dafür stärker das integrale Verständnis von Mission.

Abb. 9: Missions-Typ und Berufsprofil

2.5 Konfiguration von Missionsprofile

Aus der Komplexität der Antworten lassen sich Profilmerkmale der verschiedenen Missionstypen ableiten. Im Folgenden sollen beispielhaft nur zwei Zusammenhänge aufgezeigt werden, die aus den verschiedenen Missionstypen zu erkennen sind, wenn es um die eigene religiöse Praxis und um ihre kirchliche Bindung geht.

2.5.1 Die eigene religiöse Praxis

Wie schon angedeutet wurde, behauptet die überwiegende Mehrheit der Befragten (78 %) von sich selbst, dass sie/er missionarisch tätig ist (vgl. Abb. 6). Ihre missionarischen Tätigkeiten können auf die Korrelation hin gedeutet werden (Abb. 10).

Wenig signifikant ist die Anzahl der Befragten, die zwar behauptet, dass sie missionarisch tätig ist, in der Detailbefragung aber kein solches Engagement angibt. Im Falle der Verkündigungstypen liegt die Anzahl der missionarisch Inaktiven bei 4 %, bei den Dialog-Caritativ-Typen bei 9 %, bei den Altlast-Typen bei 10 % und bei den Integral-Typen bei 5 %. Starke Beteiligung an Verkündigungspraktiken und Dialog-Caritativen-Praktiken charakterisieren alle Missionstypen. Kein signifikanter Unterschied zeigt sich, vergleicht man die Missionspraktiken bei den Verkündigungstypen, den Dialog-Caritativ-Typen und den Integral-Typen. Hervorzuheben ist allerdings die Gruppe der Altlast-Typen. Trotz ihrer belasteten Assoziationen zum Missionsbegriff geben sie an, sich an verschiedenen Missionspraktiken zu beteiligen: 33 % der Altlast-Typen sind in Verkündigungspraktiken aktiv, 45 % in Dialog-Caritativen-Praktiken und nur 12 % geben an, dass sie an Integral-Praktiken9 der Kirche mitwirken. Diese Daten verdeutlichen, dass das Missionsverständnis nichts oder nur wenig mit den tatsächlichen kirchlichen Aktivitäten der Befragten zu tun hat, die sie als Missionspraktiken angegeben haben. Folglich sind die kirchlichen Aktivitäten der Missionstypen (ob Verkündigungspraktiken, Dialog-Caritativ-Praktiken oder Integral-Praktiken) unabhängig vom Missionsverständnis und damit durchmischt und ausgeglichen.

Abb. 10: Missionspraktiken der Missionstypen

2.5.2 Kirchliche Bindung

Ein wesentlicher Aspekt zur Profilgenerierung der Missionstypen ist ihre kirchliche Bindung. Sie wurde an verschiedenen Gesichtspunkten des kirchlichen Lebens festgemacht. Im Folgenden soll nun diese Verbindung zwischen dem Motiv der Kirchenmitgliedschaft und dem Missionsverständnis veranschaulicht werden (Abb. 11).

Die Gründe für die Kirchenmitgliedschaft gehören zu den Merkmalen der eigenen Religiosität.10 Religiös-existenzielle Mitgliedschaftsmotive sind mit über 60 % signifikant bei den Verkündigungstypen, bei den Dialog-Caritativ-Typen und bei den Integral-Typen. Auch wenn die Anzahl der Befragten mit religiös-existenziellem Motiv der Kirchenzugehörigkeit bei den Altlast-Typen etwas unter 60 % liegt, wird auch bei dieser Gruppe das religiös-existenzielle Motiv der kirchlichen Bindung als Hauptmotiv angegeben. Signifikant groß ist die Anzahl der Befragten unter den Verkündigungstypen, die als Motiv ihrer Kirchenbindung die Tradition angeben. Folglich scheint die Mehrheit der Befragten mit traditionellen Bindungen die Verkündigung als primären Akt der Mission zu betrachten. Relativ bedeutungslos hingegen ist die Anzahl der Befragten, die aus Angst, Nachteile zu haben, wenn sie sich kirchlich nicht binden, die Kirchenmitgliedschaft aufrechterhalten. Angst als Grund der kirchlichen Zugehörigkeit wird am häufigsten bei den Altlast-Typen angegeben, aber auch in diesem Fall, so wie bei allen anderen Typen, bleibt dieses Motiv der kirchlichen Bindung unter 15 % und kann als nicht signifikant betrachtet werden.

Abb. 11: Motiv der Kirchenzugehörigkeit bei den Missionstypen

3 Zusammenfassung und Relevanz der Studie

Aufgrund der Ergebnisse der „Missionsstudie 16“ kann nicht behauptet werden, dass der Missionsbegriff belastet ist und dass damit primär Kolonialisierung, Altlast oder die europäische Expansion verbunden werden. Vielmehr zeigt sich ein lebendiger Missionsbegriff, der in verschiedenen persönlichen Missionskonzepten ausbuchstabiert wird. Unabhängig von der Herkunft, vom Beruf der Befragten hat das integrale Missionsverständnis eine bemerkenswerte Verbreitung. Auch beteiligen sich die Befragten an diversen kirchlichen Aktivitäten unabhängig vom eigenen Missionsverständnis, sodass anzunehmen ist, dass dieselben grundsätzlich als missionarische Tätigkeiten verstanden werden. Bedeutsam ist nicht, dass die Kirche missioniert. Was zählt, sind vielmehr die Absicht und der Ertrag ihrer missionarischen Tätigkeit. Mission ist ein kommunikatives Geschehen, ein permanenter Zustand von Kirche-Sein: „Mission ist keine Einbahnstraße. Mission geschieht von Menschen zu Menschen im Dialog miteinander.“11

Das Ziel der „Missionsstudie 16“ war, die gelebte Wirklichkeit als sogenannten locus theologicus zu erkunden. Das Leben und Erleben der Befragten, ihr Missionsverständnis hat für die Forschung als sogenannte „implizite Missionstheologie“ einen hohen Stellenwert. Durch Anwendung sozialwissenschaftlicher Methoden konnten die „alternativen Wirklichkeitszugänge“12 der Befragten erkannt werden, und die Erkenntnisse aufgrund einer theologischen Reflexion für die Entwicklung der „expliziten Missionswissenschaft“ verwendet werden.13 In diesem Sinne sind die Ergebnisse der Missionsstudie als eine empirisch-theologische Darstellung der mehrdimensionalen Komplexität des Missionsverständnisses der Gläubigen zu verstehen. Zweck dieses Beitrags ist es, den aktuellen, empirisch unterfütterten missionswissenschaftlichen Diskurs mit einer lebensnahen Theologie zu inspirieren.

Die Autorin:Klara A. Csiszar, geb. 1981, Studien der katholischen Theologie und Germanistik in Cluj Napoca (Klausenburg), Konstanz und Wien, seit 2019 Professorin für Pastoraltheologie an der Katholischen Privat-Universität Linz; Publikationen: Megújult lendülettel. A szatmári jezsuiták története, Budapest 2015 (Mit erneuertem Schwung. Die Geschichte der Gesellschaft Jesu in Satu Mare. Die Geschichte der Jesuiten in Satu Mare); zus. mit Martin Hochholzer u. a. (Hg,), Mission 21. Das Evangelium in neuen Räumen erschließen, Regensburg 2017; Kirche in Liebesdynamik. Integrales Missionsverständnis mit praktischen Konsequenzen. Skizze einer existenzanalytischen Pastoraltheologie, in: Studia UBB Theologica Catholica Latina LXIII (2018), H. 2, 52–64; Das Angesicht der Erde erneuern. Die kirchliche Entwicklung in Rumänien nach dem Kommunismus, Ostfildern 2018.

Weiterführende Literatur:

– Klara Csiszar, Missio-Logos. Beiträge über ein integrales Missionskonzept einer Kirche bei den Menschen, Regensburg 2020 (in Erscheinung)

– Dies., Mission als Dauerzustand von Kirche-Sein und ihre praktisch-ekklesiologischen Konsequenzen, in: Studia UBB Theologica Catholica Latina LXII (2017), H. 1, 62–101.

– Dies., Den Missionsbegriff mit dem Lehramt integral (neu) denken, in: Verbum SVD 57 (2016), H. 3–4, 292–309.

1 Deutschlandweit finden sich fünf missionswissenschaftliche Institute (https://weltkirche.katholisch.de/Engagieren/Bildungsarbeit/Bildungsangebote/Missionswissenschaftliche-Institute). Davon ist ein einziges Institut im universitären Bereich angesiedelt, weitere drei sind hochschulnahe Institute und ein Institut versteht sich als Vereinigung von katholischen Wissenschaftlern sowie von Freunden und Förderern der Missionswissenschaft sowie interkultureller Beziehungen. Vergleicht man diese Forschungslandschaft mit den Forschungsinstituten anderer theologischen Disziplinen, so wird die Bescheidenheit der Möglichkeiten deutlich.

2 Vgl. Regina Polak, Mission in Europa? Auftrag – Herausforderung – Risiko, Innsbruck–Wien 2012, 51; Giancarlo Collet, „… bis an die Grenzen der Erde“. Grundfragen heutiger Missionswissenschaft, Freiburg i. Br.–Basel–Wien 2002, VII, 21, 27, 121, 223, 224, 235; Heribert Bettscheider, Mission für das 21. Jahrhundert, in: Verbum SVD 41 (2000) H. 4, 529–551, hier: 531.

3 Deutsch, Englisch, Ungarisch, Polnisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch.

4Klara Csiszar, Missio-Logos. Beiträge über ein integrales Missionskonzept einer Kirche bei den Menschen, Regensburg 2020.

5 Diese aproportionale Aufteilung der Befragten ist vor allem der ursprünglichen Projektidee geschuldet. Von Anfang an stand das Missionsverständnis im deutschsprachigen Raum im Fokus des Forschungsprojektes. Die Befragung von Gläubigen aus anderen Kontexten war eine Ausweitung der ursprünglichen Fokusgruppe. Sie sollte einen kleinen Einblick davon verschaffen, wie andere Menschen über Mission denken, allen voran jene, die ganz nah am deutschen Kontext leben, wie etwa die Osteuropäer.

6 Zur Gruppe der „Theoretischen-Kirche“ gehören auch die Priester und Ordensangehörigen, die im akademisch-wissenschaftlichen Umfeld tätig sind.

7 Die Benennungen der einzelnen Missions-Typen sind Wortschöpfungen der Verfasserin und verdeutlichen knapp, was die Befragten primär mit Mission verbinden: Verkündigung, Dialog oder caritatives Tun, historische Altlast oder ob Mission integral verstanden wird, ohne den Verkündigungsaspekten oder den diakonalen Gesichtspunkten einen Vorrang zu geben und ohne sie zu trennen. Die Integral-Typen assoziieren mit dem Missionsbegriff das holistische Tun in der Kirche zum Wohl der Menschen. Im weiteren Verlauf des Beitrages wird von den Anführungszeichnen im Rahmen dieser Wortschöpfungen der leichteren Lesbarkeit wegen abgesehen.

8 Die Generierung der Missions-Typen erfolgte nach einer Detailanalyse der Antworten im ersten Cluster der Befragung. Dank der eingebauten Variablen, die auf die drei eingangs genannten Grundfragen (S. 229) abzielten, konnten die bereits dargestellten Missions-Typen (S. 231) konfiguriert werden.

9 Integral-Praktiken sind kirchliche Aktivitäten, die sowohl Verkündigungsaspekte als auch Gesichtspunkte von dialogischen und caritativen Tätigkeiten aufzeigen.

10Paul M. Zulehner, Verbuntung. Kirchen im weltanschaulichen Pluralismus. Religion im Leben der Menschen 1970–2010, Ostfildern 2011, 37.

11 Item Nr. 5, „Missionsstudie 16“, mit bemerkenswerter Zustimmung von 90 % der Befragten. In Absoluten Zahlen bedeutet dies 926 Personen.

12 Zur Bedeutung der empirischen Forschung als theologischer Erkenntnisquelle vgl. u. a.: Christian Bauer, Schwache Empirie?, in: Pastoraltheologische Informationen 33 (2013) H. 2, 81–117, hier: 90.

13 Zur Reziprozität der „impliziten Theologie“ und der „expliziten Theologie“ vgl. Klara A. Csiszar, Das Angesicht der Erde erneuern. Kirchliche Entwicklung nach dem Kommunismus in Rumänien, Ostfildern 2018, 15.

Michael Zugmann

„Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8)

Grundlegendes zur Mission im Neuen Testament