Mission SETA II - Reinhard Kriese - E-Book

Mission SETA II E-Book

Reinhard Kriese

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Beschreibung

Außerirdische Sternenfahrer vom Planeten Seta fassen den Entschluss, sich auf der Rema anzusiedeln. Dabei geraten sie in heftige Auseinandersetzungen mit den Bewohnern des Planeten, als einer von ihnen die schöne Aika aus den Händen eines Wucherers befreit.

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Impressum

eISBN 978-3-355-50018-0

© 2015 (1986) Verlag Neues Leben, Berlin

Coverbild: Werner Ruhner

Die Bücher des Verlags Neues Leben erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de

Reinhard Kriese

Mission SETA II

Phantastischer Roman

1

Langsam, viel zu langsam bewegte sich die Karawane vorwärts. Schon zum zwölftenmal zeigte Ator ihnen sein Antlitz, seit sie Sagon verlassen hatten. Noch immer hielt sie die Wüste Ribeon umfangen.

Zwar streifte der alte Handelsweg zum großen Meer dieses unwegsame, schluchtenreiche Dürregebiet nur, aber der allmächtige Ator sandte verschwenderisch seine sengenden Strahlen. Das nackte Gestein gab die Glut unvermindert wieder ab und ließ das Tal zu einem Backofen werden.

Irgendwann einmal war hier Wasser geflossen, und die Wassermassen hatten dieses Tal aus dem Felsboden herausgewaschen. Doch das mußte schon Jahrtausende her sein. Solange die Gatäer denken konnten, lag hier die Wüste Ribeon, einer der ödesten und unzugänglichsten Flecken des Königreiches Gata. Wasser! Wie gern würden sie jetzt die erhitzten Körper in dieser edlen Gabe Ators laben! Der feine Staub, der die Luft mit ihrem ewigen Wind erfüllte, bedeckte die verschwitzte Haut und drang in Nase, Gehöröffnungen, Mund und Augen. Jede Bewegung der Kiefer verursachte ein knirschendes Geräusch. Dazu der Gestank der Herasse und Mulons, der Krieger und der gatäischen Träger – einfach gräßlich!

An der Spitze des Zuges ritten schwerbewaffnete asaische Söldner auf ihren gepanzerten Streitherassen, deren langes Fell im Wüstensand wehte. In Gata, dieser Randprovinz des Asaischen Weltreiches, Dienst zu leisten galt als Strafe für asaische Krieger. Kephis, der Statthalter in Gata, hatte ihnen den Schutz der Karawane in die Hände gelegt, die Gatas Tribut an Asa liefern mußte. Ihnen gefiel das Schluchtenlabyrinth gar nicht, durch das sie nun schon so lange ritten. Rechts und links des Weges stiegen die Hänge des Tales steil an. Gerade diese Gegend diente Räubern und Rebellen als Unterschlupf.

Hinter ihnen trugen acht Sklaven die schwere Sänfte eines dicken gatäischen Händlers, der unter ihrem Geleit auf Geheiß des Kephis nach Pharon, dem größten Hafen Gatas, reisen sollte. Die Aser mochten diese Händler nicht, die aus dem Zwischenhandel zwischen Asa und den an Gata grenzenden Barbarenreichen riesige Gewinne zogen. Laufend ließ dieser fette Kerl ihren Anführer Kalides rufen und drängte ihn zu immer neuen Vorsichtsmaßnahmen. Für sie bedeutete das einen Patrouillenritt nach dem anderen. Dieser gatäische Geldsack mußte um sein Leben fürchten, denn die Reise mit einer Tributkarawane, die der so reich geschmückten Sänfte folgte, war in letzter Zeit zu einem Risiko geworden. Aber noch kein Zug wurde so bewacht wie dieser, was auch andere augenscheinlich weniger begüterte Händler bewogen hatte, sich ihnen anzuschließen.

Die Krieger verachteten die bärtigen Gatäer und deren Lebensweise. Vor einem Mannesalter hatten ihre Armeen einen großen Sieg errungen und den gatäischen König Naphter zu einem Vasallen gemacht. Auch die Gatäer verabscheuten die dokaessenden und bartlosen Aser. In vielem unterschied sich die uralte Kulturgeschichte Gatas von der asaischen. Ebenso wichen die Sprachen voneinander ab. Doch wer in Gata etwas werden wollte, mußte Asaisch sprechen, die Sprache, die man selbst am Hof zu Sagon, der Hauptstadt Gatas, eingeführt hatte.

Die Aser, eigentliche Herren des Landes, lebten weitgehend isoliert in ihren Heerlagern fern der gatäischen Bevölkerung. Gegenwärtig herrschte eine trügerische Ruhe zwischen beiden Seiten, doch wer wußte schon, wie lange die anhielt? Jederzeit konnte ein Aufstand das Land ergreifen. Schon jetzt gab es in den Schluchten der Ribeon viel zu viele Rebellen, die den Handel gefährdeten. Immer wieder fiel in diesem Zusammenhang der Name Aram.

Am Hof sprach man immer nur von den Räubern Arams, doch die Aser wußten, daß dieser Rebell viel Rückhalt in der gatäischen Bevölkerung besaß. Seine Aktionen richteten sich fast ausschließlich gegen Tribut- und Sklavenkarawanen. Nun blickten die Krieger mit ungutem Gefühl auf die immer steiler ansteigenden Berghänge. Der alte Handelsweg streifte die Wüste Ribeon, das Gebiet, in dem man Arams Hauptstützpunkt vermutete.

Weit voraus kündete eine Staubwolke vom Vorrücken der Späher. Beiderseits sicherten asaische Lanzenträger den Zug, und die Nachhut bildete eine Abteilung der Reitergarde des Hofes zu Sagon. Die Rebellen würden es kaum wagen, diesen derart vor Waffen starrenden Zug anzugreifen.

Gequält klang das Blöken der Mulons, die in großen Ballen schwere Lasten auf ihren Rücken trugen und ebenso wie ihre Führer unter der erbarmungslosen Hitze litten. Allmählich döste auch der Händler in der Sänfte ein, und die Träger vernahmen das kurzatmige Schnarchen ihres Herrn, dessen Gewicht ihre Schultern nun schon seit Tagen peinigte. Ihnen gingen ganz andere Gedanken durch die Köpfe. Sie fürchteten sich keineswegs vor Aram und seinen Getreuen. Der Haß auf die überheblichen und erbarmungslosen Aser und auf die gatäischen Verräter, die sich mit den fremden Eroberern liiert hatten, sah aus den Augen, die tief in den verhärmten Gesichtern lagen. Ab und zu streiften auch ihre Blicke die Hänge zu beiden Seiten.

Ein Geräusch ließ sie plötzlich auffahren. Es klang wie rieselndes Geröll. In diesem engen Tal konnte ein Steinschlag zum Verhängnis werden. Erschrocken hielten sie inne.

»Da!« rief einer von ihnen unwillkürlich aus. Alle acht Männer blickten in dieselbe Richtung. Hatte sich da hoch oben in der Wand nicht etwas bewegt? Ein Pfeifen brachte sie sofort wieder in die grausame Wirklichkeit zurück. Unerbittlich schnitt die lange Treiberpeitsche eines asaischen Reiters eine sofort anschwellende Bahn in die von Narben übersäten Rücken zweier Träger.

»Weiter!« brüllte der Aser und ließ noch einen zweiten Hieb folgen.

Wortlos setzten sich die Sklaven in Bewegung. Sie wußten, wenn nur die Spitze der Peitsche traf, konnte ein Schlag die Haut bis auf den Knochen durchschneiden. Jeder von ihnen besaß Narben von solchen Hieben. Asaischer oder gatäischer Sklave, das blieb sich gleich. Jeder von ihnen hatte eine andere Geschichte von seinem Weg in die Sklaverei zu erzählen, ob sie nun Gefangene oder Schuldner waren. Sie besaßen keinerlei Rechte und galten als uneingeschränktes Eigentum ihres Herrn, der mit ihnen ganz nach seinem Willen verfahren konnte.

O Ator, dachten die Träger, wie kannst du zulassen, daß die einen Kinder deines Volkes Herren und die anderen Sklaven sind. Wann sendest du uns deinen Erlöser, der uns von diesem Schicksal befreit?

Häufig riefen Sklaven ihren Gott auf diese Weise an, doch noch ließ die Ankunft des verheißenen Erlösers auf sich warten. Sprachen die alten Schriften nicht davon, daß aller Frevel seine Strafe finden würde? Wann strafte Ator die im Überfluß lebenden Herren Gatas und Asas? Sie hatten von Sehern gehört, die durchs Land zogen und die Ankunft des Erlösers in dieser Stunde der Not des Volkes Gata ankündigten.

Ein langgezogener Ton aus einem gatäischen Kriegshorn ließ die Träger aus ihren Gedanken hochschrecken. Was war das? Gab der Karawanenführer Alarm? Aber der Karawanenführer war doch ein Aser, und Aser verwendeten für ihre Signale andere Instrumente als die Gatäer. Ihre kurzen Hörner erzeugten schrillere Töne als der dröhnende Baß des Kriegshorns, der das gesamte Tal erfüllte. Schlagartig wurde ihnen bewußt, daß es sich nur um einen Angriff auf die Karawane handeln konnte. Nur Aram benutzte die alten gatäischen Kriegshörner, die sich ihren Trägern um den Leib schlangen.

Die Bewacher der Tributkarawane wurden ebenfalls von hektischer Unruhe ergriffen, zumal das Signal nun an mehreren Stellen des Taleinschnittes wiederholt wurde. Der Zug hielt an. Die asaischen und die gatäischen Krieger formierten sich entlang der Karawane, die sich wie ein langer Wurm in dem Tal wand. Die Blicke richteten sich nun auf die Berghänge. Dem Getöne der gatäischen Kriegshörner war Stille gefolgt. Alle verharrten in spannungsvoller Erwartung. Kalides ritt den Zug ab und überprüfte die Bereitschaft seiner Männer.

Die Aser waren siegesgewohnt. In unzähligen Schlachten hatten sie ihre waffentechnische und strategische Übermacht über andere Heere bewiesen. Selbst zahlenmäßiger Überlegenheit vermochten sie ohne weiteres zu trotzen. Kalides kannte sich in der Kriegskunst aus, und die militärische Bedeckung des Zuges schien ausreichend, jeden Angriff abzuwehren. Aber wenn er sich das Gelände hier besah, wußte er sofort, daß sie in einer Falle steckten.

Der Gegner hatte sich noch nicht gezeigt, nur sein Signal hatten sie vernommen. Aber Arams Leute waren da. Kalides machte sich nichts vor. Sie versteckten sich gut an den Hängen.

»Zieht die Karawane zusammen!« schrie er die Mulonführer an und ritt sofort weiter. Allmählich kam wieder Bewegung in den Zug, Auf engstem Raum standen sie jetzt zusammen. Kalides ahnte, daß dies ebenso falsch war, wie die Karawane ohne militärischen Schutz zu lassen. Das Terrain war einfach zu schmal für militärische Operationen. Es gab eigentlich nur eine Rettung. Solange Aram noch mit dem Angriff wartete, mußten sie versuchen, aus dieser Falle herauszukommen, und das konnten sie nur in wildem Vorpreschen schaffen. Doch ehe Kalides die dazu notwendigen Befehle erteilt hatte, ertönte erneut das Gedröhn der Kriegshörner von allen Seiten und machte ihm klar, daß auch diese Flucht nach vorn keine Rettung mehr bringen konnte. Also blieb nur noch der Kampf! Erbarmungsloser Kampf bis zum Letzten!

Die Hörner verstummten. Suchend und in Erwartung des losbrechenden Sturmes blickten sich die Männer um. Die Schilde schoben sich zu einer Wand zusammen. Die Lanzen und Schwerter wurden fester gepackt.

»Männer Asas und Männer Naphtors!« ertönte aus der Höhe eine kräftige Stimme und ließ die Spannung der Krieger unerträglich ansteigen. Alle blickten jetzt in eine Richtung. Hoch über ihnen auf einem Felsvorsprung stand ein Mann, dessen Panzerhemd in den Strahlen Ators hell glänzte.

»Werft die Waffen weg und ergebt euch den Getreuen Arams!« Sein Ruf schallte durch das Tal.

»Aram«, flüsterten die Krieger, und Erschrecken malte sich auf ihren Zügen. Die Kaufleute saßen wie gelähmt auf ihren Herassen.

Ganz anders sah die Reaktion der Träger und Gefangenen aus, die noch bis vor kurzem an ihr Los in der Sklaverei und auf den asaischen Rudergaleeren gedacht hatten. Aram war da, Aram, der Sklavenbefreier und Schrecken der Herren. Ihre Not würde ein Ende haben.

Ergeben dankten sie Ator, ihrem Gott, und sanken zu Boden, um ihn anzubeten.

Reiter galoppierten wie rasend den Zug entlang und schlugen wie wild mit ihren Treiberpeitschen auf die überall am Boden knienden Sklaven ein. Obgleich die Hiebe diesmal genau berechnet waren und die Peitschenspitzen tief in das Fleisch der Getroffenen drangen, bewegte sich keiner der Sklaven.

Wieder ließ die Stimme die Männer im Tal erschauern. »Haltet ein mit der Peinigung der Sklaven! Die Stunde ihrer Freiheit ist da. Ihr seid umzingelt. Vermeidet jedes Blutvergießen. Wir wollen euren Tod nicht, sondern das Leben der Sklaven und den Tribut, den ihr aus unserem Volk herausgepreßt habt. Leistet keinen Widerstand und ergebt euch. Wenn die Hörner noch einmal ertönen, seid ihr sonst verloren.«

Unter den Asern verursachten diese Worte keinerlei Regung. Als Fremde in diesem Land waren sie es gewohnt, zu jeder Stunde kampfbereit zu sein, und bisher hatten sie stets gesiegt.

Kalides ließ sie in diesem Glauben. Er wußte besser, wie es um ihre Erfolgsaussichten stand. Doch Kapitulation konnte es für einen asaischen Offizier niemals geben! Plötzlich war er da – der Einfall.

Kryon selbst, oberster Gott der Aser, mußte ihm diesen Gedanken eingegeben haben. Das war die Rettung! Mal sehen, wie Aram das gefiel.

»Aram!« schrie er der Gestalt auf dem Felsen zu. »Hier spricht Kalides, Hundertschaftsführer der asaischen Armee in Gata. Wir fordern von dir freien Abzug. Falls ihr uns angreift, wird jeder Sklave getötet!«

Sofort gab er die notwendigen Anweisungen. Zu jedem Sklaven gesellten sich bewaffnete Aser. Die Kampfordnung spielte keine Rolle mehr. Es ging ums nackte Leben, und das jetzt war ihre letzte Chance.

Wie reagierte Aram auf das Ultimatum? Gab er nach? Bange Minuten verstrichen. Kalides‘ Heras tänzelte ungeduldig auf der Stelle. Die glänzende Gestalt in der Höhe war verschwunden. Das war gut so. Die Rebellen schienen zu beraten. Von überallher klangen jetzt die verzweifelten Gebete der Sklaven. Sollten sie nur ihren Ator anrufen! Sollten sie nur nach ihrem Erlöser schreien! Heute würde ihnen das nichts nützen, denn heute war der Tag Kryons.

Immer wieder musterte Kalides den Felsvorsprung, auf dem Aram gestanden hatte. Seine Augen mit den buschigen Brauen verengten sich zum Spalt. Der Mund bildete einen schmalen Strich, und die Wangenknochen traten in dem harten Männergesicht hervor. Die um die Zügel gespannte Hand verkrampfte sich. Kalides‘ Nervosität teilte sich den Kriegern mit. Jeder hielt seine Waffe fest in der Hand, bereit, sie auf den Kopf eines Sklaven niedersausen zu lassen oder in dessen mageren Leib zu bohren, voll Haß auf alles, was mit diesem Land Gata zu tun hatte.

Wieder blickte Kalides grimmig zur Anhöhe. Diesmal erschien Aram. Unter den Söldnern und Sklaven brach Unruhe aus. Die Gebete der Sklaven wurden nun so laut, daß sie Kalides auf die Nerven gingen. »Haltet das Maul!« schrie er sie an und griff nach seiner langen Peitsche, die am Sattel hing. »Euer Aram wird euch nicht helfen. Entweder er läßt uns ziehen, dann schicke ich euch auf die Galeeren. Oder er greift uns an, dann seid ihr des Todes.«

Für einen Moment wurde es still unter den Sklaven, die alle Hoffnungen schwinden sahen.

Kalides richtete sich, seines Erfolges sicher, im Sattel wieder auf.

»Na, was ist?« schrie er zu Aram hinauf. »Es schmeckt dir wohl nicht, als Sklaventöter an den Nachtfeuern der Gatäer verflucht zu werden?«

Noch immer schwieg Aram. Er stand wie aus Stein gemeißelt auf dem Felsvorsprung und blickte ins Tal. Von hier aus konnte er alle Bewegungen des Feindes überblicken. Auch die Stellungen seiner Männer übersah er gut. Strategisch betrachtet, saß Kalides in der Falle. An allen wichtigen Punkten warteten Geröllbarrieren darauf, als Lawine zu Tal zu rasen. In Steinschleudern lagen gewaltige Brocken bereit. Seine Bogenschützen hatten alle ihr Ziel gut gewählt. Nichts konnte mehr den Sieg seiner Männer gefährden, und nun kam ihm dieser Kalides mit dem Ultimatum, welches ihn an seinem schwachen Punkt traf.

Viele von Arams Männern waren ehemalige Sklaven. Er selbst floh einst vor den Asern, die seine Familie auf Veranlassung verräterischer Gatäer ermordet hatten. Damals begann er, Aser und Knechte Naphtors, dieses verhaßten Speichelleckers, zu verfolgen und zu töten.

In den Schluchten der Ribeon fand er Freunde und Gleichgesinnte, die bedingungslos zu ihm hielten und von demselben Freiheitswillen beseelt waren wie er.

Ließ er die Hörner zum Angriff blasen, lief er Gefahr, daß er mit dem Tod der Sklaven viele seiner Männer vor den Kopf stieß. Ließ er diesen Kalides ziehen, so riskierte er, daß sich die Karawanenführer in Zukunft alle hinter dem Leben der im Zug mitgeschleppten Sklaven versteckten. Was sollte er tun? Auch seine Offiziere waren nicht einer Meinung gewesen.

Sein Gesicht mit dem dichten schwarzen Vollbart, der in der Art der Gatäer unter dem Kinn halbrund geschnitten war, zeigte keinerlei Regung. Aus tiefen Augenhöhlen stachen dunkle Augen, denen man kein Mitleid zutraute. Doch gerade er, der jeden Tag Leben auslöschen mußte, achtete das Leben – allerdings ein Leben in Freiheit und Frieden. Doch beides verwehrten die Aser und ihre gatäischen Knechte ihm und dem unterjochten Volk.

Der Wind wehte ihm das dichte, halblange Haar immer wieder ins Gesicht, doch das schien ihn nicht zu stören. Die Aser ahnten, in welcher Zwangslage er sich befand. Kalides‘ Hohnrufe verrieten das nur zu gut. Arams Augen sahen die Schwerter, die bereit waren, Leben auszulöschen. Noch zögerte er.

Kalides witterte den Sieg. Er an Arams Stelle hätte keinen Moment gezögert. Was bedeutete schon das Leben von zweihundert Sklaven? Hier wartete Gold in rauhen Mengen. Was gab es da noch zu überlegen? Nur das Gold zählte, denn Gold hieß Reichtum, und der bedeutete Macht, und allein das interessierte ihn. Unwirsch wandte er sein Heras. Erneut wurden Gebete laut.

»Ich muß euch wohl erst das Maul stopfen, euch stinkenden Dokas!« brüllte Kalides und ließ seine Peitsche über die Rücken der vor ihm knienden Sklaven tanzen. Er wußte, wie sehr er die Gatäer unter ihnen mit dieser Beschimpfung beleidigte, empfanden sie doch das Doka, Hauptnahrungsmittel der Aser, als ekelhaftes Tier. Er lachte höhnisch. Doch das Lachen erstarb ihm auf den Lippen.

Ein großer bärtiger Sklave erhob sich und blickte ihn haßerfüllt an.

Für einen Moment vergaß Kalides jegliche Gegenwehr, so erschreckend wirkte der Blick des Mannes.

»Deine Rechnung geht nicht auf, Aser!« preßte der Sklave langsam und deutlich in asaischer Sprache hervor. »Du machst uns keine Angst mit deiner Drohung. Lieber einen ehrenvollen Tod an der Seite Arams als die Schande der asaischen Sklaverei.« Dann wandte er sich der glänzenden Gestalt in der Höhe zu und schrie: »Wir sind mit dir, Aram, wie Ator mit dir ist. Du darfst nicht zögern, Aram. Schlage sie, töte sie, wo und wann du kannst. Wir nehmen dir die Entscheidung ab!« Damit stürzte er sich auf den Hundertschaftsführer.

Kalides jedoch hatte sich indessen gefangen und spaltete dem Sklaven mit einem Hieb den Kopf bis auf die Schulter. Als wenn dies ein Signal gewesen wäre, brach mit einemmal ein nahezu tierisches Geheul los. Überall stürzten sich Sklaven auf die sie mit den Waffen bedrohenden Aser. Die meisten starben unter den Hieben und Stichen der Krieger, aber nicht wenigen gelang es, eine Waffe zu erbeuten und ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.

Ein grausames Gemetzel brach los, ohne daß Aram angegriffen hatte. Kalides blickte verwirrt auf die blutigen Szenen, die sich vor seinen Augen abspielten. Da schwand sie dahin, die letzte Möglichkeit, dem drohenden Untergang zu entgehen. Wie zur Bestätigung erfüllte das Tal nun auch noch das Getöse der Kriegshörner Arams. Und dann schien die Hölle loszubrechen.

Es fing mit einem feinen Rieseln an, welches dann sehr schnell zum Krachen anschwoll. Zur Flucht war es längst zu spät. Urplötzlich tauchten am Kamm gepanzerte Gestalten auf, schwere Wurfgeräte mit sich ziehend, und im selben Augenblick flogen Felsbrocken zu Tal. Kaum einer von ihnen verfehlte seine Wirkung. Wenn er nicht Reiter, Mulons, Krieger oder Wagen unter sich begrub, so zersprang er beim Aufprall in Hunderte von kleinen Brocken, die wie Geschosse durch die Luft schwirrten. Von allen Seiten lösten sich jetzt angehäufte Steine, stürzten zu Tal, dabei weiteres Geröll mit sich reißend und sich in krachende Felslawinen verwandelnd.

Der Himmel verdunkelte sich von dem aufgewirbelten Staub. Im Talgrund konnte man kaum etwas erkennen. Steine wirbelten durch die Luft, Todesschreie gellten auf, Mulons und Herasse rasten in irrsinniger Flucht führer- und reiterlos von einem Ende des Zuges zum anderen, bis auch sie von einem der herabstürzenden Felsen zerschmettert wurden.

Niemand dachte mehr an Kampf. Jeder versuchte, das eigene Leben zu retten. Man versteckte sich hinter Tierleibern, umgeworfenen Wagen, hinter endlich zur Ruhe gekommenen Steinblöcken, und einige bedeckten sich sogar mit den Leibern eben noch abgeschlachteter Sklaven und erschlagener Söldner. Die Senke bebte. Die Luft war erfüllt von ohrenbetäubendem Krachen. Krieger und Kaufleute, die noch keinen Unterschlupf gefunden hatten, hasteten, Deckung suchend und Steinsplittern ausweichend, in Panik umher, viele wurden in vollem Lauf zu Boden gestreckt.

Allmählich ließ das Donnern nach, bis es dann ganz verstummte. Eine unheimliche Stille trat ein, die nur von dem Röcheln Sterbender und dem Wimmern Verwundeter unterbrochen wurde. Noch immer wehte der ewige Wind des Wüstengebirges durch das Tal und nahm den Staub der Lawinen mit sich.

Mühsam richtete sich Kalides auf. Wie durch ein Wunder war er beim Fallen seines tödlich getroffenen Reittieres nicht unter dessen Körper zerquetscht worden, sondern zwischen sein erschlagenes Heras und ein schon am Boden liegendes Mulon geraten. Instinktiv hatte er den Schild eines toten Kriegers gepackt und ihn über die Mulde aus Tierkadavern gedeckt. Das rettete ihm das Leben. Als er jetzt Staub und Sand von sich abschüttelte, überschaute er das Ausmaß der Vernichtung. Wohin Kalides auch sah, erblickte er Geröll und Felsblöcke, zwischen denen erschlagene Männer und Tiere unter einer dicken Steinschicht begraben lagen. Unweit von ihm stand eine Sänfte: In ihrer Unversehrtheit wirkte sie fremdartig in der sie umgebenden Hölle von Tod und Zerstörung. Doch niemand mehr saß in ihr. Der fette Händler lag wenige Schritt weiter mit zerschmettertem Schädel unter dem gleichen Staub, der auch seine Sklaven bedeckte.

Doch nicht Kalides allein war mit dem Leben davongekommen. An vielen Stellen erhoben sich jetzt verstaubte und angeschlagene Gestalten, die sich nur mühsam auf den Beinen halten konnten. Sogar einige Mulons und Herasse lebten noch. Erfreut bemerkte Kalides, daß es sich bei den Überlebenden hauptsächlich um asaische Söldner handelte.

»Zu mir!« schrie er. »Sammelt euch und vergeßt die Schilde und Lanzen nicht!« Kalides wußte, was nun kommen würde. Nach den Steinen warteten an den Hängen die Bogenschützen, um das Werk der Vernichtung fortzusetzen.

Als die Söldner ihren Anführer sahen, schien ihr Mut wieder zu wachsen. Immer klarer wurde die Sicht. Die Krieger hasteten, gebückt und sich mit ihren Schilden deckend, über das Geröll- und Leichenfeld. Auch sie ahnten die Gefahr an den Hängen und wußten, wie sie sich zu verhalten hatten. Es galt, so schnell wie möglich Karrees zu bilden. War das Karree erst einmal formiert und hatten sie nicht mehr diese elende Karawane am Hals, dann konnten die Barbaren ruhig kommen. Waren diese auch in der Übermacht, dürfte es ihnen dennoch schwerfallen, ohne große Verluste ein asaisches Karree zu knacken. Außen schützten die Schilde und innen die Panzer und Helme.

Kalides blickte zu den Hängen. Jeden Moment konnte das Unheil über sie hereinbrechen. »Bildet ein Karree!« Seine Stimme überschlug sich. »Schneller, oder wollt ihr verrecken?«

Nun verließen auch die letzten Krieger ihre Deckung und hasteten zu ihrem Anführer. Ein unheimliches Pfeifen brauste auf. Wie ein Insektenschwarm jagte der Tod aus der Höhe heran. Kalides kannte dieses Pfeifen. Um die Gegner zu verwirren, banden die Gatäer kleine Knochenpfeifen an die Pfeile, die dann im Flug dieses tausendfache, unheimliche Geräusch von sich gaben.

Der Tod fuhr unter die Männer. Ein Krieger nach dem anderen griff sich an die Kehle, in der ein gatäischer Pfeil steckte. Andere brachen mit Dutzenden dieser Geschosse in den ungeschützten Armen und Beinen zusammen.

Trotz allem trafen immer mehr Krieger bei Kalides ein. Etwa fünfzig seiner ehemals dreihundert Söldner konnte Kalides noch um sich scharen. Wie ein eiserner Koloß stand das Karree. Die Kampfanordnung bewahrte sie vor dem schnellen Tod. Langsam näherten sich die Aser dem Talrand.

Erneut ertönten die Kriegshörner, und nun gellte ein hundertfaches »Hija!« durch das Tal – die Barbaren griffen an. Die Aser machten sich keinerlei Hoffnungen. Sie waren verloren. Nach dem Tod der Sklaven rechneten sie mit der erbarmungslosen Rache Arams.

Von allen Seiten drangen dessen Krieger auf sie ein. Durch die Schlitze zwischen den Schilden sahen sie die nahenden Feinde. Die meisten von ihnen trugen asaische Kettenpanzer, Beutestücke zurückliegender Kämpfe. Was die Aser verblüffte, war jedoch, daß die Rebellen nicht ungestüm wie sonst angriffen, sondern in aller Ruhe einen Ring um das Karree legten, den sie immer enger zogen. Warum griffen sie nicht an? Weshalb zögerten sie?

Bald darauf stand der Ring. Kein Wort fiel auf beiden Seiten. Dann öffnete sich der Wall aus den Leibern der Angreifer und hervor trat der Mann, den sie hoch oben auf dem Felsen gesehen hatten – Aram.

»Ihr Mörder«, sprach er langsam, und man spürte die Beherrschung, die er sich auferlegte. »Wir hätten euch alle ziehen lassen. Keinem wäre ein Haar gekrümmt worden, gleich ob Aser oder gatäischer Krieger. Nur das Leben der Sklaven wollten wir retten und unserem Volk das geraubte Gut wieder zukommen lassen. Doch ihr maßt euch an zu töten, wann es euch beliebt. Ihr seid die Herren, und die Welt hat nach eurer Pfeife zu tanzen. Wie lange, frage ich euch, glaubt ihr, lassen sich die von euch unterjochten Völker das noch gefallen? Vielleicht sprechen unsere Seher in diesem einen Punkt die Wahrheit. Das Maß ist übervoll! Bald wird es euch überallher so ergehen wie heute in diesem Tal. Ich kann und will euch nicht verzeihen. Jeder erhält die Strafe, die ihm zukommt. Den Überlebenden lasse ich das Leben, aber ich nehme ihnen die rechte Hand, auf daß von ihr nie wieder Blut vergossen werde wie an diesem Tag. Kämpft gut, Aser, denn es wird das letztemal sein.« Mit diesen Worten trat Aram zurück in die lebende Mauer.

Den Asern im Karree schien das Blut zu gefrieren. Sie waren Krieger und der Krieg ihr Handwerk. Etwas anderes hatten sie nie gelernt. Was sollte ein Krieger ohne rechte Hand anfangen? O ja, sie würden gut kämpfen.

Von fern hörten sie Tiergeschrei und Hufgetrappel. Wie wahnsinnig brüllten da um ihr Leben laufende Herasse. Welche Teufelei hatten sich diese Barbaren nun wieder ausgedacht? Die Mauer um sie herum öffnete sich erneut. Diesmal gähnte eine große Lücke in dem Ring der Lanzen und Schwerter. Peitschenknall wurde hörbar, und immer erbärmlicher schrien die Herasse. Die ersten Tiere wurden in der Lücke sichtbar, auf die sie mehrere Reiter zutrieben. Aber nein – etwas anderes trieb sie. Die Rebellen lenkten nur den rasenden Lauf der Herasse. Das, was sie antrieb, brannte hinter ihnen, und machte sie wild. Diese Barbaren hatten den Tieren die langen buschigen Schwänze in Fett getaucht, angezündet, und das Feuer griff nun auf das lange Fell über, Rasend jagten etwa zehn Herasse durch die Lücke, direkt auf das Karree zu. Es gab kein Ausweichen mehr. Der Schmerz machte die Tiere rasend. Mit voller Geschwindigkeit prallten sie auf die Schilde und brachen in das Karree ein, die Aser unter sich begrabend. In Sekundenschnelle hatte sich die Ordnung des Karrees aufgelöst, und sofort fanden sich die den Herassen entsetzt ausweichenden und flüchtenden Aser von Kriegern Arams umringt und gebunden.

Wenige Pfeile genügten, um den Qualen der Tiere ein schnelles Ende zu bereiten. Durch ihren Einsatz war nicht ein Mann Arams gefallen. So verlustlos wurde ein asaisches Karree noch nie bezwungen.

Weithin erschallte das Triumphgeschrei der Rebellen. Die Aser kannten die Strafe, die sie durch eigene Grausamkeit verdient hatten.

2

Zwei stechende Augen blickten durch den transparenten Fenstervorhang hinaus auf den Dorfplatz und verfolgten jede Bewegung des Mädchens, das sich dem Hause des Wucherers Natal näherte. Dieser wandte sich, genüßlich in sich hineinkichernd, vom Fenster ab und begab sich zu seiner mit kostbarem Stoff bezogenen und mit feinen Verzierungen versehenen Liege. Laut schnaufend ließ er sich darauf nieder und starrte zur Eingangstür.

Natal war bekannt dafür, daß er seine Schuldner erbarmungslos aussaugte und sie am Ende für klingende Münze an die Aser verschacherte. Wie viele Gatäer durch ihn schon zu Schuldsklaven geworden waren, wußte er wahrscheinlich selbst nicht mehr. Er rühmte sich bei entsprechenden Anlässen häufig seiner Beziehungen zum Hofe in Sagon, und seine Schuldner hatten allen Grund, ihm diese Prahlereien zu glauben.

Sein Haus zeigte von außen wenig vom Reichtum des Besitzers. Es gab größere und schönere in Mescharot. Im Inneren sah es dagegen ganz anders aus. Alle Räume wirkten mit Kostbarkeiten überladen, die einem Palast zur Ehre gereicht hätten. Von den reichverzierten Decken hingen Edelmetalleuchter herab, in denen nicht ranziges Fett, sondern auserlesenes Öl brannte. Schnitzwerk prangte an den Wänden und schmückte das teure Mobiliar. Im ganzen Haus fand man nur wenige Stellen, wo der Steinfußboden zu sehen war. Überall lagen reichgemusterte Teppiche.

In diesem kleinen Palast lebte Natal allein. Noch hatte er sich den Luxus,sich eine Frau anzuschaffen, nicht gegönnt. Sein gesamtes bisheriges Leben hatte dem Erwerb von Gewinnen aus allen erdenklichen Geschäften gegolten. Die größten Erträge allerdings brachte ihm das Verleihen von Geld ein. Wer bei ihm lieh, mußte Natals Zinsen akzeptieren, und die lagen so hoch, daß der Schuldner nach dem Ablauf der festgesetzten Frist das Doppelte wieder zurückzahlen mußte. Nur wenige schafften das. Wer zahlungsunfähig blieb, ging als Schuldsklave in die asaischen Bergwerke. Der Besitz des Schuldners und dessen Familie fielen in Natals Hände.

Obwohl die Gatäer wußten, welchen Preis Natal für seine Dienste forderte, zwang die Not immer wieder einige von ihnen, bei ihm Geld zu leihen. Während alle anderen im Don Mißernten fürchteten, sehnte Natal sie herbei, denn sie brachten ihm neue Opfer. So war es auch die letzten beiden Jahre gewesen. Keiner konnte sich daran erinnern, daß jemals eine solche Dürre geherrscht hatte. Einer seiner Schuldner war Eschmun. Schon lange hatte Natal Gefallen an dessen schöner und zierlicher Tochter Aika gefunden.

Bevor Ator ihm diese Dürre bescherte, hatte er Eschmun sogar gebeten, ihm Aika gegen einen schönen Brautpreis zur Frau zu geben, und war schimpflich des Hauses verwiesen worden. Nun befand sich der hochmütige Eschmun in seiner Hand, und Natal genoß es, wie der stolze Mann durch ihn zerbrach. Weit mußte es schon mit Eschmun gekommen sein, wenn er seine Tochter schickte, damit sie seine Bitte um Aufschub vortrug. Bald würde Eschmun ihn anflehen, Aika zu nehmen. Natal leckte sich die Lippen, und ein finsteres Lächeln zeichnete sich in seinem blassen Gesicht ab.

Zögernd näherten sich leichte Schritte der Tür. Zaghaftes Klopfen ertönte. Natal rekelte sich wohlig auf seiner Liege. »Tritt ein, mein schönes Kind«, sagte er und bemühte sich, seiner Stimme einen einschmeichelnden Klang zu verleihen.

Langsam wurde die Tür geöffnet, und ein junges Mädchen trat in den halbdunklen Raum. Ihr Blick haftete am Boden, und nur allmählich näherte sie sich dem Herrn des Hauses.

Mit einem Knall fiel hinter ihr die Tür ins Schloß. Angstvoll zuckte sie zusammen.

Die in der Art der Gatäerinnen zu einem langen Zopf geflochtenen schwarzen Haare fielen Aika bis tief in den Rücken. Zu der Haarfarbe paßten die dunklen Augen und die kräftigen Augenbrauen. Das zarte Gesicht verriet, daß das Mädchen gern und oft lachte, doch davon merkte man heute nichts. Der zierliche Körper steckte in dem streng geschnittenen, einfachen Kleid der Gatäerinnen, dessen einziger Schmuck feine Stickereien und ein enggebundener Gürtel waren.

»Was führt dich zu mir, Aika?« fragte Natal, obwohl er die Antwort kannte.

Das Mädchen indes fürchtete sich vor dem großen Wucherer weniger, als dieser annahm. Daß sie es vermied, Natal anzusehen, rührte eher von dem Ekel her, den sie vor diesem gefürchteten und gehaßten Blutsauger empfand, der es fertiggebracht hatte, ihren Vater, den einst in Mescharot so geachteten und angesehenen Eschmun, zu einem Spielzeug in seinen geldgierigen, dürren Spinnenfingern werden zu lassen. Obwohl ihr Vater wußte, daß der Wucherer ein Auge auf sie geworfen hatte, schickte er sie in dessen Haus. Oh, wie sie sich für ihren Vater schämte!

Aika hob den Kopf und sah Natal an. »Mein Vater schickt mich zu Euch, ehrwürdiger Natal.«

Der Wucherer nickte lächelnd vor sich hin. »Soso, dein Vater«, sagte er.

Aika wußte genau, daß Natal mit ihr seinen Spott zu treiben gedachte.

Auch merkte sie, wie sie der Wucherer geradezu unverschämt musterte. Angewidert senkte sie erneut den Blick. »Ja, mein Vater meinte...« Sie fand nicht mehr die Worte, die sie sich so oft vorgesprochen hatte.

»Soso, dein Vater meint«, sagte Natal wieder, und jetzt klang es zynischer als beim erstenmal. Er weidete sich an der Notlage seiner Opfer. »Du kommst also, um mir zu sagen, daß dein Vater seine fällige Schuld bezahlen will. Das ist gut.«

»Nein«, entgegnete Aika.

»Was heißt nein?«Natal stand auf. »Will er etwa nicht bezahlen?«

»Doch, doch«, flehte Aika, und diesmal war ihre Angst echt. Sie kannte die Strafe für die Schuldner, denen Zahlungsunfähigkeit nachgewiesen wurde. »Ich habe mich falsch ausgedrückt, ehrwürdiger Natal. Sicher will mein Vater bezahlen. Deshalb schickt er mich ja. Er ist leider verhindert und kann nicht selbst erscheinen. So bat er mich, das Geld zu überbringen.«

Natal erschrak sichtlich. Was sagte das Mädchen da? Eschmun zahlte? Woher nahm er das Geld?

Aika verbeugte sich und reichte dem Wucherer einen kleinen Beutel.

Angesichts der Größe des Beutels beruhigte sich Natal sofort wieder.

Dieses armselige Säcklein konnte keineswegs die fällige Summe bergen. Trotzdem nahm er den Beutel und ließ den Inhalt in seine rechte Hand fallen. »Was soll das?« fuhr er auf, und seine Stimme klang zornig. »Will mich dein Vater verhöhnen? Ich nehme an, er hat nicht vergessen, wieviel er mir schuldet. Dies hier ist nicht einmal der zehnte Teil der Summe. Ich hatte also recht, Eschmun will seine Schuld nicht tilgen. Du weißt, was das heißt?«

Erneut zuckte Aika zusammen. »Ehrwürdiger Natal, mein Vater will ja zahlen. Es ist ihm nur nicht möglich, Euch sofort den gesamten Betrag zu geben. Ihr wißt doch, die Dürre hat alle Bauern arm gemacht. Mein Vater trug mir auf, Euch zu bitten, ihm einen Aufschub zu gewähren, der es ihm ermöglicht, Euch den gesamten Betrag zurückzuerstatten.«

Natal blickte sie mitleidslos an. Mit seiner langen Nase und dem dürren Gesicht sah er aus wie ein Raubvogel, der sich anschickt, sein Opfer auszuweiden. »Kennt dein Vater das Gesetz nicht?« zischte er.

»Mein Vater kennt es und befolgt es. Er ist als ehrenhafter Mann bekannt. Nur die besonderen Umstände bewirken, daß wir Euch bitten, für dieses eine Mal Barmherzigkeit vor Recht ergehen zu lassen. Er ist bereit, jede Eurer Bedingungen zu akzeptieren.« Aika wußte, wie sinnlos es war, bei einem Wucherer die Barmherzigkeit anzurufen, doch um ihren Vater und die ganze Familie vor der Schuldsklaverei zu retten, mußte alles versucht werden.

»Aufschub, Aufschub, alle wollen nur eins: Aufschub. Soll ich mich für euch ruinieren?« keifte Natal und näherte sich dem Mädchen. Ohne den Blick von ihr zu lassen, schlich er um Aika herum und musterte die Ware, die ihm bald gehören würde. »Weshalb benimmt sich Eschmun so unvernünftig? Du willst mir weismachen, dein Vater sei ein armer Mann. Dabei besitzt er ein Juwel, dessen Wert gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.«

»Wie soll ich Euch verstehen?« fragte Aika und versuchte, zwischen sich und dem Wucherer wieder den ursprünglichen Abstand herzustellen.

Doch Natal folgte ihr und versperrte den Weg zur Tür. »Wie du das verstellen sollst? Stell dich nicht so an. Das weißt du ganz genau. Ich habe deinem Vater den Preis schon lange genannt, der alle seine Schulden tilgt, ja, der ihn sogar zu einem wohlhabenden Mann macht. Wird Aika die Zierde meines Hauses, werden die Verbindlichkeiten Eschmuns vergessen sein. Ich zahle ihm einen Brautpreis für dich, der ihn über alle Männer Mescharots stellt. Doch bisher hatte dein Vater kein Gehör für meinen wohlgemeinten Vorschlag. Es ist das Recht jedes Gatäers, den Mann für seine Tochter zu bestimmen. Doch Eschmun erlaubt sich, diese Entscheidung seiner Tochter zu überlassen. Ein seltsamer Luxus für einen Mann, der der Schuldsklaverei so nahe ist wie er.«

»Er möchte seine einzige Tochter glücklich sehen«, sagte Aika leise.

Natal lachte lauthals los. » O Ator, hast du das vernommen? Glücklich will er sie sehen! Und du meinst, an meiner Seite würdest du nicht glücklich? Was ist das schon – Glück? Glaubst du das Glück an der Seite irgendeines Hungerleiders zu finden, der dir ein Dutzend Kinder macht, mit denen du dann in Schmutz und Armut lebst, bis von deiner Schönheit nicht einmal ein Schatten übrigbleibt? Das wahre Glück findest du nur in der Macht! Wahrhaft glücklich ist nur der, der imstande ist, mit der Bewegung des kleines Fingers über das Schicksal eines ganzen Königreiches zu bestimmen. Und ich halte dazu die Fäden in der Hand, denn mir gehört das Geld.« Er hatte sich ereifert, sein Gesicht sich gerötet.

»Auf diese Art von Glück verzichte ich!« Aikas Stimme gewann an Festigkeit. »Lieber lebe ich an der Seite eines armen Mannes, als an Eurer Seite mitschuldig an Leid und Elend zu werden. Ja, mein Vater überläßt mir die Entscheidung, meinen Lebenspartner zu wählen, aber das werdet ganz bestimmt nicht Ihr sein. Dann lieber die Sklaverei, denn Ihr widert mich an. Betrachtet Euch doch nur! Die Gier hat Euch zur Spottgestalt gemacht. « Aikas Brust hob und senkte sich in schnellem Rhythmus. Nun war alles vorbei. Das hätte sie nicht sagen dürfen.

Natal schluckte das alles hinunter. Sollte sie nur toben. Das bißchen Farbe im Gesicht stand ihr ausgezeichnet. Wenn sie ihm nicht als Ehefrau gehörte, würde sie doch als Sklavin sein Eigen sein. Er begab sich zu seiner Liege. Sein versteinerter Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. »Deine Beleidigungen treffen mich nicht, denn letztlich entscheide ich, was mit euch geschehen soll, und nicht umgekehrt. Trotzdem war es ungeschickt von dir, meine Wünsche erneut abzulehnen. Doch man soll nicht sagen, Natal wäre gefühllos. Also höre! ich gewähre deinem Vater für dieses eine und letzte Mal einen Aufschub von einhundert Tagen. Dann ist die Schuld endgültig fällig, natürlich mit den Zinsen, versteht sich. Als Preis für den Aufschub hat dein Vater zusätzlich die Hälfte der Schuld zu zahlen.«

»Aber das ist viel zuviel!« Aika wußte, daß ihr Vater auch ohne den Zuschlag in einhundert Tagen nicht bezahlen konnte, doch so fällte Natal schon jetzt das Urteil.

»Was willst du?« fragte Natal höhnisch. »Alles liegt bei dir.« Der Wucherer hatte sein Opfer sicher in der Falle und grinste in sich hinein.

»Ich habe den Preis genannt. Diesen und den anderen. Und glaube nicht, daß ich noch einmal nachgebe. Sage das deinem Vater! Geh jetzt!«

Aika erhob sich. Nach der üblichen Verbeugung verließ sie das Haus, erleichtert, diesen Ort hinter sich zu wissen, und bedrückt von der Nachricht, die sie ihrem Vater überbringen mußte.

Welche Last bürdete man ihr auf! Sie sollte entscheiden, ob sie sich verkaufte oder alle der Sklaverei preisgab. Sie ahnte, daß ihr letztlich keine andere Wahl blieb, als Natals Forderung nachzugeben.

Sie selbst hätte die Sklaverei einem solchen Dasein vorgezogen, doch was wurde aus ihrer Mutter?

Weinend kam sie am elterlichen Haus an.

3

Außerhalb der Stadtmauern Sagons, fern aller großen Handelsstraßen, lag das Heerlager der Aser mit dem Palast des Statthalters in Gata. Beinahe hätte man die Lage dieses Kastells als versteckt bezeichnen können, doch die Aser brauchten sich nicht zu verstecken. Schließlich waren sie die Herren dieses Landes. Daß sie von den Gatäern isoliert lebten, hatte mehrere Gründe. Zum einen hielten sie sich für höher stehend als diese besiegten Barbaren und mieden Kontakte mit ihnen, zum anderen sollten die Söldner möglichst wenig vom Land und von dem Leben seiner Bewohner wissen. Es gingen zu viele Phantastereien im Volk um, die geeignet schienen, Verwirrung in den Köpfen der einfachen Krieger zu stiften. Man denke nur an das Gefasel von der Ankunft eines Erlösers.

Das große Heerlager war von einer viereckigen Mauer umgeben. Wachttürme unterbrachen die Wehrgänge hinter den Zinnen. Ein großes Tor führte in den geräumigen Innenhof, dessen Zentrum der Exerzierplatz bildete. Alles wurde vom Wohnsitz des Statthalters überragt. Er lag gesondert auf einer künstlichen Erhebung, und ihn umschloß eine feste und hohe Mauer aus Stein. Eine breite Treppe führte zum Haupteingang des Palastes und endete in einer Säulenhalle, die zu einem Innenhof geleitete, mit dessen reichem Pflanzenwuchs in dieser kargen Gegend niemand rechnete. Angenehme Kühle ging von diesem Garten aus und mäßigte in den angrenzenden Räumen des zweigeschossigen Gebäudes das erbarmungslose Wüstenklima.

Reges Treiben herrschte in den Gängen, die zu den Amtszimmern des Statthalters führten. Boten kamen und gingen, um den Willen von Kephis, dem Stellvertreter des göttlichen Kryon in Gata, zu verkünden Nur matt drang der Lärm des Exerzierplatzes, auf dem sich die Krieger nahezu pausenlos in Kampfspielen übten, hier herein.

In gehetztem Galopp jagte ein Reiter auf die Anhöhe zu, die das Heerlager trug. Die Flanken seines Streitheras bluteten. Stiefeldorne trieben das Tier zur Verausgabung der letzten Kräfte. Weit aufgerissen war das Maul des Heras, das krampfhaft nach Luft rang. Mit unvermindertem Tempo raste das Tier durch das Tor, dessen Hüter empört gegen die Mißachtung ihres Amtes protestierten. Im Innenhof wurde das Heras jäh von seinem Reiter zum Stehen gebracht. Dieser sah ebenso mitgenommen aus wie sein Reittier, und der Staub des Karawanenweges bedeckte den verschwitzten Körper.

Schnellen Schrittes überquerte der abgehetzte Offizier den kleinen Palastvorplatz, auf dem ihm alle scheu auswichen. Offiziere und Angehörige der asaischen Adelskaste, die hier am Hofe des Statthalters Kephis weilten, bildeten auf der Treppe, die zum Haupteingang des Palastes führte, sogar eine Art Spalier, durch das der Bote jetzt mit langen Schritten emporeilte. Erstaunte und verwunderte Ausrufe der Umstehenden begleiteten seinen Weg. Jedermann rätselte, welche Botschaft ihren Überbringer zu derartiger Eile angetrieben hatte.

Endlich stand der Bote am Ende der Treppe vor der Säulenhalle. Wuchtig reckten sich beiderseits zwei völlig glatte Säulen in die Höhe, wo fein gegliederte Kapitelle den schweren Querbalken trugen. Angenehme Kühle strömte aus dem grünen Innenhof. Aufatmend verhielt der Offizier den Schritt, die frische Brise genießend. Doch das war nicht der einzige Grund für diesen Aufenthalt. Drohend sah er spitze Lanzen auf sich gerichtet, mit denen ihm zwei würdevoll dreinblickende Wächter den Zutritt verwehrten. Doch wenige Worte genügten, und die Wache gab augenblicklich den Weg frei.

Nur wenig von diesem Geschehen entfernt öffneten sich die Portale zu der großen Empfangshalle der Residenz des Statthalters von Gata. Das Licht Hunderter Öllampen Spiegelte sich in dem polierten Fußboden und auf den Säulen, die die Mitte des Saales in drei Reihen umgaben. An der hohen Decke weiteten prachtvolle Malereien den Horizont des Betrachters in unbekannte Fernen. Am Ende des strahlenden Saales erhob sich auf einem von Treppen umgebenen Podest der Thron des Statthalters, zu dessen beiden Seiten geflügelte Herasse wie im Sprung die Hufe emporstreckten. Alles erstrahlte im Glanz edler Metalle und kostbarer Steine, die in den Bergwerken dem Boden Remas entrissen worden waren. Beinahe verloren nahm sich in all dieser üppigen Pracht die eigentliche Zentralfigur der Empfangshalle, der Statthalter Kephis selbst, aus.

Obwohl erst ein Mann mittleren Alters mit dem durchtrainierten Körper eines Kriegers, sah Kephis verlebt aus. Ausschweifungen und Genußsucht hatten ihre Spuren in dem harten Gesicht hinterlassen, das völlig bartlos war. Jedes sich zeigende Haar wurde ausgezupft, und so traten die starken Kiefer unverhüllt hervor.

Vor jeder Säule stand ein asaischer Lanzenträger. Deshalb konnte es sich Kephis leisten, herablassend auf die Delegation des Hofes zu Sagon zu blicken. Naphtor, dank Kryons Gnade König der Gatäer, hatte sie entsandt, um ihm wie so oft zu schmeicheln und eine Senkung des Tributes zu erflehen, den er sich dann in die eigene Tasche zu stecken gedachte.

Kephis lächelte finster. Oh, er kannte sie genau, diese Edlen Gatas, die nur allzugern wieder alleinige Machthaber in Gata sein wollten und Asa die Kraft seiner Waffen neideten. Öffentlich gaben sie sich als treueste Verbündete und nahmen jede Gelegenheit wahr, dem Imperium ihre Verbundenheit zu beweisen. Sie übertrafen sich beinahe selbst in dem Bestreben, Kryon, dem Herrscher und Gott des asaischen Imperiums, als Vasallen zu gefallen. Doch nicht alle Großen Asas ließen sich durch diese Fassade der Treue blenden, auch Kryon selbst nicht.

Trotz aller Abscheu vor dem kriecherischen Gebaren der Gesandten versäumte es Kephis natürlich nicht, die kostbaren Geschenke Naphtors anzunehmen. Huldvoll wies er seine Krieger zur Entgegennahme der Geschenke an. Dann versprach er salbungsvoll, die Bitten Naphtors seinem Herrn und Gott vorzutragen, wie er es schon so oft versprochen und nicht gehalten hatte. Floß doch ein nicht geringer Teil der Tribute Gatas in seine eigenen Taschen und in die seiner hohen Offiziere, die ihm dies mit Ergebenheit und Diensteifer dankten.

Während sich die Gesandten unter ständigen Verbeugungen zurückzogen, um neuen Bittstellern Platz zu machen, unterbrachen Lärm und Waffengeklirr die eingetretene Ruhe. Ohne Rücksicht auf die gatäischen Gesandten brach ein staubiger asaischer Offizier durch deren Reihen. Ein Wachtoffizier beruhigte schnell die Krieger, die im Begriff standen, den Offizier zurückzuhalten. Heftig protestierend, folgten die Gatäer dem Offizier, der sich vor dem Thron des Statthalters zu Boden warf.

Anfänglich hatte sich Kephis etwas verängstigt der Bereitschaft seiner Leibwache versichert, doch dann erkannte er seinen Krieger.

Barsch erhob er sich. »Kennen meine Offiziere nicht mehr die Form, in der man sich seinem Herrn nähert. Was trieb dich, dies derart zu mißachten. Überlege die Antwort gut. Es muß ein gewichtiger Grund sein, um ein solches Verhalten zu rechtfertigen. Steh auf!« Langsam ließ sich Kephis wieder auf dem Thron nieder und zeigte dem Boten mit einer lässigen Geste an, daß er nun an der Reihe sei.

Als der Offizier aufstand, merkte man ihm die Erschöpfung an. Schwer ging sein Atem, und seine Brust hob und senkte sich heftig unter dem Metallpanzer. Die Adern am Hals quollen weit hervor, und das Gesicht war gerötet. Er verbeugte sich erneut, indem er die rechte Hand auf die Brust legte. »Verzeiht mein Auftreten, großer Kephis. Es geschah nicht aus Ungehorsam, sondern aus Hast ob der Botschaft, die ich Euch bringe.«

Die Gesandten drängten hinter dem Boten heran und gestikulierten wild. »Rechtfertigt das, uns Gesandte Naphtors, des Königs der Gatäer, zu Boden zu werfen?«

Grimmig dreinblickend, drehte sich der Bote zu ihnen um. »Schweigt!« fuhr er sie an. »Ich wies euch nur den Platz, der euch gebührt!«

Mit einer Handbewegung sorgte Kephis für Ruhe. »Genug! Fahr fort. Welche Botschaft bringst du, daß sie dich derart zur Eile trieb?«

Der Offizier senkte den Blick. »Vergebung Herr, ich bringe schlechte Botschaft. Eure Karawane zum Hafen Pharon ist von den gatäischen Räubern Arams überfallen und ausgeraubt worden.«

Kephis wurde mit einem Schlag hellwach. Seine Karawane ausgeraubt? Das bedeutete auch Verlust für ihn, und welchen Verlust! Bisher attackierten die Räuberbanden Arams nur kleine Karawanen, und das traf die Gatäer, nicht ihn. Kryon fragte nicht nach dem Überfall. Kryon verlangte den Tribut – ganz gleich, wie. Jäh sprang Kephis hoch und stürzte auf den Boten zu. »Und was ist mit der Bedeckung?« fragte er, den Offizier bei den Schultern packend und heftig schüttelnd. »Stand der Zug nicht unter dem Schutz einer großen Zahl von unseren und Naphtors Kriegern? Haben die etwa die Kapitulation der Verteidigung asaischen Gutes vorgezogen? Sprich!«

»Herr, bis auf einen geringen Rest unserer Krieger wurde die gesamte Bedeckung des Zuges aufgerieben.«

»Was heißt das? Wer war für den Zug verantwortlich? Nenne den Namen des Feiglings!«

»Herr, Kalides führte den Zug. Er konnte mit weniger als einem Zehntel seiner Leute das Gemetzel überleben.«

»Schweig!« herrschte ihn Kephis an. Kalides galt als tapferer Kämpfer und fähiger Offizier. Wie war dann solch eine Niederlage möglich?« Nur mit Mühe konnte Kephis seine Wut unterdrücken. Er wandte sich wieder an den Überbringer der Unglücksbotschaft

»Wieso überlebte gerade er?«

»Ihr wißt noch nicht, wie er überlebte, Herr. Keiner von ihnen ergab sich feige. Ich wurde vorausgeschickt, damit Ihr sofort Maßnahmen gegen diese Räuberbande ergreifen könnt. Unsere Männer folgen mir mit den Wagen und den Kriegern des Kalides. Sofort nach ihrem Eintreffen in unserer Garnison brach der Transport auf. Sicher versteht Ihr jetzt mein Verhalten den gatäischen Krämerseelen gegenüber.« Verächtlich blickte er auf die sich ängstlich umschauenden gatäischen Gesandten herab.

Auch Kephis hatte seinen Blick auf die in kostbare Umhänge gehüllten, bärtigen Edlen Naphtors geheftet, und Haß sprühte aus seinen Augen. »Setzt sie bis zur Ankunft des Transportes fest! Erst dann entscheide ich, wie mit ihnen verfahren werden soll.«

Sofort sprangen die Wachen zu den Gatäern und banden ihnen die Arme auf dem Rücken fest zusammen.

»Die Audienz ist beendet.« Kephis verließ den Thron und schritt schnell die Stufen zum Saal herunter. »Folge mir!« rief er dem Boten zu und winkte seiner Leibwache, die ihn sofort wie eine waffenstarrende Mauer umgab. Für einen Moment verhielt er den Schritt und gab Krotas, dem Anführer der Gardisten, einen Wink.

Krotas sprang schnell hinzu, legte die rechte Hand auf die Brust und verbeugte sich tief.

»Geh, Krotas, und hole Satar. Ich brauche seinen Rat.«

»Ich höre und gehorche«, sagte der Angesprochene und entfernte sich rasch.

Satar galt als einer der einflußreichsten Männer in der Umgebung des Statthalters. Nur sehr wenige kannten den Weg, der ihn schließlich zum Ersten Ratgeber des Statthalters in Gata hatte werden lassen. Wahrscheinlich war er der einzige Gatäer, der ein derartig hohes Amt im Dienst der Aser bekleidete. Satar zeichnete sich von jeher durch zwei Eigenschaften aus, die ihn zu einem wertvollen Werkzeug Kephis‘ werden ließen: überdurchschnittliche Klugheit und Skrupellosigkeit.

Sein Rat war stets nützlich, und meist benachteiligte Satar seine eigenen Landsleute, die er auf eine eigentümliche Art haßte und fürchtete.

Frühzeitig hatte sich Satar von den Gatäern und ihrem Gott Ator losgesagt und war auf die asaische Seite übergetreten. Dort befanden sich Macht und Glanz. Leicht war es ihm nicht gemacht worden, und nur seiner Klugheit und der Kenntnis seines Landes Gata verdankte er den Erfolg. Jetzt wagte es keiner mehr, ihn abfällig einen Gatäer zu nennen. Nichts unterschied ihn von den Asern, nicht Reichtum, nicht Macht. Von beidem besaß er mehr als mancher asaische Edle. Nicht einmal sein Aussehen verriet den Gatäer, denn mit der Lossagung von seinem Volk hatte er auch die Barttracht abgelegt.

Gleichzeitig empfand er jedoch eine eigenartige, unterschwellige Furcht, wie jeder, der für immer das Band zwischen sich und seinem Volk zerschnitten hat. Er vermied es, mit Gatäern zusammenzutreffen, denn nicht nur einmal blitzte in den dunklen Augen Haß auf – Haß auf den Verräter am eigenen Volk. Zerbrach die Macht der Aser, so war dies auch sein Ende, das wußte er und tat alles, um es zu verhindern.

Das war der Mann, dessen Rat Kephis suchte. Die Aser verließen den Saal, um auf dem Vorplatz die Ankunft des Transportes mit den geschlagenen Söldnern zu erwarten. Vor dem Säulenportal sank Kephis in einen eilig herbeigeschafften Sessel und blickte ungeduldig zum Eingang des inneren Bezirkes seiner Residenz. Die Gatäer hatte er entfernen lassen, denn er gönnte ihnen nicht den Anblick geschlagener Aser. Kein Windhauch rührte sich, und die Hitze verstärkte die Ungeduld der Wartenden.

Mit einem Nicken registrierte Kephis das Eintreffen seines Ratgebers, der wußte, daß er erst dann zu sprechen hatte, wenn es der Statthalter für richtig hielt. Scheu wichen ihm die Blicke der asaischen Edlen aus. Sie fürchteten seinen Einfluß.

Da ertönten die hellen Kriegsposaunen der Torwachen, und nur wenig später bestätigten das Stampfen der Hufe und das Poltern der Räder die Ankunft des Trupps. Kephis hatte Anweisung gegeben, die Wagen mit den Resten der Karawanenbedeckung sofort in den inneren Bereich des Heerlagers zu geleiten.

In der Toreinfahrt tauchten abgehetzte Herasse auf, deren haarige Flanken bebten und vor deren Mäulern Schaum stand. Kalt und reglos blickte der Statthalter auf die Szenerie unter ihm. Der Bote hatte ihn schon informiert, welchem Umstand diese Männer ihre Rettung verdankten. Es handelte sich um keine Geste der Gnade, sondern um eine Botschaft Arams an ihn, Kephis. Zwei Wagen standen am Fuß der Treppe, und auf jedem saß etwa ein Dutzend Aser, die in ihren zerfetzten Uniformen kaum noch daran erinnerten, daß sie als Krieger den Stolz Asas darstellten. Nachdem Aram an ihnen sein Urteil vollstrecken ließ, hatten sie sich, mühsam und von unsäglichen Schmerzen gepeinigt, durch die Wüste zurück in Richtung Sagon gequält, bis sie halb verdurstet in einem kleinen asaischen Kastell eingetroffen waren.

Als sie nun die Wagen verließen, bewegte sie neben der Freude über die Rettung gleichzeitig die Furcht vor einer ungewissen Zukunft und vor Kephis. Keiner wagte es, zum Statthalter aufzublicken. Langsam stellte sich das Häuflein zu einer kläglichen Front auf.

Kephis sah noch immer starr auf die ehemaligen Kämpfer, und sein Blick blieb immer wieder an den blutigen Verbänden des rechten Armstumpfes hängen. Diese Barbaren! dachte er, ohne eine Regung zu zeigen. Aram hat diese Krüppel geschickt, um die Söldner zu schrecken und ihre Kampfkraft zu untergraben. Doch jetzt mußte Kephis die Furcht seiner Männer vor Aram in Furcht vor dem Statthalter umwandeln und möglichst den Haß auf diese Barbaren schüren! Er richtete sich auf.

»Aser!« Er wandte sich an die um ihn stehenden Begleiter. »Blickt auf das Werk der Grausamkeit der Barbaren. So ergeht es denen, die ihr Leben dem Feind anvertrauen. Die Hoffnung, in Gnade entlassen zu werden, war trügerisch. Man hat sie alle für immer aus den Reihen der Krieger ausgestoßen. Sie sind Krüppel! Warum ließ Aram sie nicht töten?«

In der nun folgenden Pause blickte er vor allem in die Augen seiner Garde und sah den Haß, der sich in ihnen einnistete.

»Aram will Asa demütigen. Er beleidigt unsere Ehre. Das fordert Sühne!« schrie er dann über den Platz. Ein dumpfer Schlachtruf folgte als Antwort auf seine Worte. Zufrieden drehte sich Kephis um, den Betroffenen zu. »Was wollt ihr hier?« fuhr er sie an. »Ein Aser bleibt lieber auf dem Schlachtfeld, als so zu seinem Herrn zurückzukehren und ihm diesen Anblick der Schmach zu bieten.« Damit wies er auf die vor ihm stehenden Söldner, die nun wußten, daß Kephis ohne Erbarmen war. »Ihr hättet euch lieber in das eigene Schwert stürzen sollen, als mir aufzubürden, euch für eure Feigheit zu strafen.« Er wandte sich von den Krüppeln ab.

Bedächtig näherte sich Satar dem Statthalter. »Zürnt mir nicht, Herr«, begann er behutsam. »Ihr habt mich rufen lassen, weil Ihr meines Rates bedurftet. Also laßt mich Euch heute zur Milde raten.«

Kephis sah Satar überrascht an. »Seit wann rätst du mir zur Milde?«

Satar verbeugte sich und lächelte kalt. »Es ist wahr. Zu selten schlage ich Euch derartiges Handeln vor. Doch heute stehen die Dinge anders. Aram sandte Euch die verstümmelten Krieger als Herausforderung, und der müßt Ihr weise begegnen.«

»Also sprich!« forderte Kephis seinen Ratgeber auf.

Um dessen Züge spielte das kalte und hämische Lächeln, das seine Gegner an ihm so fürchteten. Wie der Blick eines Raubtieres auf das Opfer waren seine stechenden Augen auf die unten stehenden Söldner gerichtet. Langsam wandte er sich von den geschlagenen Kriegern ab und beugte sich zu Kephis. »Herr, laßt die anderen zurücktreten. Sie brauchen unsere Gedanken nicht zu hören.« Schnell und voller Hohn drehte er sich nach den Höflingen und Offizieren um.

Kephis gab sich den Anschein, als müsse er über den Vorschlag des Gatäers nachdenken. »Entfernt euch!« befahl er dann. Wenig später stand er mit Satar allein auf der Treppe. Die anderen lauerten in angemessener Entfernung.

Noch immer hofften einige der Söldner am Fuß der Treppe auf die Milde ihres Herrn. Mußte er sich nicht gnädig erweisen, wenn ihm sogar Satar dazu riet? Kalides, der Führer der Karawanenbedeckung, wurde dadurch mutig. Schnell trat er zu den ersten Stufen und fiel auf die Knie. »Herr«, rief er bittend aus, »Ihr kennt meine Verdienste. Kalides erwies sich nie als Feigling.«

Mürrisch über die Unterbrechung, blickte Kephis auf seinen Offizier. »Was flennst du hier noch herum. Sei froh, daß Satar für euch spricht. Also störe mich nicht, ihm zuzuhören.«

»Herr«, begann Kalides erneut. »Ich spreche nicht für mich. Meine Männer haben kein Leben in Schande verdient. Sie kämpften tapfer bis zuletzt. Erst als die Barbaren sie überwältigten, mußten sie aufgeben. Entlaßt sie in die Heimat. Sie gaben ihre Hände für Asa.« Er warf sich auf die Stufen und erwartete das Urteil.

»Eure Tapferkeit hinderte euch nicht, als Krüppel zurückzukehren«, Kephis beharrte auf seiner einmal gefaßten Meinung, »diese Schande bleibt. – Also, Satar«, er wandte sich an seinen Berater, »was sollen wir tun? Was hast du dagegen, daß ich ein Exempel an ihnen statuiere? Sie sind ohnehin zu nichts mehr zu gebrauchen.« Sich den Schweiß von der Stirn wischend, ließ er sich in den Sessel fallen.

Satar legte die Hände zusammen und rieb deren Innenflächen. »Nun, Herr, ich habe da eine Idee.

»Du und deine Ideen«, bemerkte Kephis. »Ich sage dir, was wir machen. Du schaffst mir diese Jammergestalten aus dem Wege. Ich werde auf dich hören und Gnade walten lassen. Dafür überläßt du es mir, wie ich mich bei den Gatäern revanchiere. Denen soll es noch mal einfallen, meine Leute als Krüppel zu mir zu schicken!«

»Ich muß auch da Bedenken anmelden, Herr«, gab Satar erneut zu verstehen. »Überlaßt es mir, Euch einen Weg vorzuschlagen, der zwei Probleme mit einemmal löst. Es geht doch darum, Eure Krieger zu schrecken und trotzdem Gnade zu zeigen. Gleichzeitig müssen die Rebellen unter Aram zur Rechenschaft gezogen werden. Es wäre unklug, den Haß der Gatäer auf Asa unnötig zu verstärken. Aram erhält ständig Zulauf von Leuten, die gegen Asa kämpfen wollen. Weshalb solltet Ihr dem Hofe Naphtors in Sagon in die Hände arbeiten, dem nichts gelegener kommt, als durch steigenden Widerstand gegen das Imperium den eigenen Einfluß zu stärken. Befolgt meinen Rat, Herr, und Ihr trefft Eure Feinde zutiefst.«

Kephis sann vor sich hin. »Eigenartig, wie du deine Landsleute haßt«, murmelte er.

»Das ist meine Sache«, erwiderte Satar ausweichend. »Doch nun höre meinen Rat, Herr! Schickt Boten nach Sagon und zwingt Naphtor, die Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen und durchzuführen.

Der Zorn der Gatäer wird sich ausschließlich gegen ihn richten, und Ihr seid der lachende Dritte.«

Kephis nickte. »Nicht schlecht.«

»Eifrig, wie sie am Hofe in Sagon sind, wenn es darum geht, Euch ihre Ergebenheit zu beweisen, werden sie sich überschlagen, um Euch zufriedenzustellen«, fuhr Satar fort.

»Und was hältst du für angemessen?« fragte Kephis erwartungsvoll.

Satar verbeugte sich und zog eine ergebene Miene. »Nun, Ihr solltet von Naphtor als Vergeltung einen Korb mit ebenso vielen Händen fordern, als hier Krüppel stehen.«

Kephis schien erstaunt. »So wenig?«

Der Ratgeber lächelte hintergründig. »Seid gewiß, sie schicken Euch mehr, viel mehr. Man muß es ihnen nur richtig schmackhaft machen. Das bedeutet auch, diese Vergeltung nicht selbst zu fordern.

Sie müssen von selbst draufkommen.«

Kephis lachte heiser. »Teufel! Man könnte Angst vor dir haben. Gut, dein Vorschlag gefällt mir, doch dazu bedarf es eines geschickten Mannes.«

»Gewiß, Herr.«

Jetzt wußte Kephis, wie er vorgehen mußte. Auch er konnte Pläne schmieden. »Gut, wir werden den geeignetsten auswählen. Doch nun zu den Krüppeln. Wie verfahren wir mit ihnen?«

Wieder verbeugte sich Satar ergeben. »Nun, Herr, ich dachte an die Gnade, daß sie Euch weiter dienen dürfen. Erinnert Euch an meine Andeutung. Ist das nicht sogar eine Ehre? Schickt sie auf die Galeeren als Sklavenaufseher. Um den Takt für die Ruderer zu bestimmen, genügt eine Hand. Die Peitsche kann man ihnen an den Stumpf binden. Da ehemalige Sklaven und andere Rebellen sie verstümmelten, geben sie gewiß exzellente Aufseher ab. Ganz nebenbei spart das Imperium noch die Abfindung. Dem Anführer gebührt besondere Ehre. Er hat sich schließlich für seine Kämpfer eingesetzt. Dementsprechend erteilt ihm eine größere Aufgabe. Schickt ihn als Aufseher in die Verliese Sagons. Dort mag er dem Imperium nach Kräften dienen.«

»Teufel!« wiederholte Kephis. »Gut, es soll sein, wie du mir geraten hast. Sag es ihnen selbst, es ist ja auch deine Idee!« Er grinste. Hatte ihm der Gatäer nicht eben nahegelegt, sich nicht unmittelbar dem Haß der Opfer auszusetzen? Kephis tat nichts weiter, als diesen Rat zu befolgen. Mit einer weit ausholenden Geste rief er die Höflinge. Neugierig raunend kehrten sie zum Statthalter zurück. Alle blickten Kephis erwartungsvoll an, doch dieser wies auf Satar. »Bitte!« Das war alles, was er sagte.

Der so Aufgeforderte stand etwas unentschlossen da, so als ahne er die Absichten des Asers. Doch dann siegte die Zuversicht in die eigene Macht. Zynisch trug er seinen Plan vor.

Ein Aufschrei ging durch die Reihen der Söldner. Kalides und einige seiner Männer stürzten sich in den Staub des Vorplatzes und flehten die Mächtigen über ihnen um Gnade an.

»Nein, Herr, nicht das«, rief Kalides verzweifelt, »nicht diese Schande. Für immer in den stinkenden Bauch einer Galeere eingesperrt zu sein, das bedeutet den Tod für einen die Freiheit gewohnten Krieger Asas. Herr, ich flehe Euch an. Ich habe Euch jahrelang ergeben gedient. Soll das der Lohn sein für alles?« Er reckte seinen rechten Arm vor, an dessen Ende der blut- und staubverschmierte Verband von seiner Verstümmelung kündete. »Seht her«, schrie er, »ich gab dem Imperium sogar das hier. Was wollt Ihr noch?«

Kephis schien diese Szene schon längst nichts mehr anzugehen. Er machte einen gelangweilten Eindruck.

Satar merkte nicht, wie ihm der Statthalter die Rolle des Henkers zuschob. Er fühlte sich ganz in seinem Element, Macht auszuüben, durch einen Fingerzeig das Geschick anderer zu bestimmen. »Du wagst es, unsere Gunst als Schande zu bezeichnen?« fuhr er Kalides an. »Was bist du denn ohne deine Hand? Nichts, wertlos, ein unnützer Esser, der von Almosen leben müßte. Ihr erhaltet die Möglichkeit, euren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Reicht das nicht als Beweis unserer Gnade?«

Kalides blickte wie gebannt auf den Ratgeber des Kephis. Nein, von ihm konnte er keine Gefühlsregungen erwarten. Er wandte sich an den Statthalter. »Das kann nicht Eure Absicht sein, Herr. Sagt, daß Satar falsch sprach!«

Kephis winkte ab. »Was belästigst du mich mit den Angelegenheiten meines Ratgebers. Seine Entscheidungen haben meine Billigung.«

»Du hast also wieder deine Finger im Spiel«, fuhr Kalides den Genannten an. Schlagartig hatte sich der Ton des Bittstellers in den unversöhnlichen Hasses verwandelt. »Kriegst du nie genug? Mußt du immer noch mehr Blut saufen? Jetzt brauchst du sogar asaisches Blut!«

Die Höflinge sahen erschrocken und nachdenklich zugleich zu dem Unglücklichen hinab.

»Und ihr? Steht da und gafft. Bescheißt euch aus Angst vor diesem teuflischen Vieh. Oh, wie weit habt ihrs gebracht!« rief Kalides ihnen zu.

Satar merkte, wie ihn immer mehr haßerfüllte Blicke der Höflinge und Offiziere trafen. Auch Kephis registrierte das. Seine Rechnung ging auf. Der Ratgeber sah seinen Herrn an, um sich dessen Unterstützung zu versichern, und blickte auf eine höhnisch grinsende Fratze. »Schafft sie fort und sorgt dafür, daß sie ihre neuen Plätze einnehmen«, wies er die Garde hastig an.

Die Gardisten blickten zum Statthalter und erwarteten dessen Widerruf.

Satar wurde unruhig. »Worauf wartet ihr«, schrie er sie an. »Habt ihr verlernt, Befehlen zu gehorchen?«