Missouri - Christine Wunnicke - E-Book

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Christine Wunnicke

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Beschreibung

Die Zeit: Mitte des 19. Jahrhunderts, der Ort: irgendwo im Wilden Westen. Nach einem Skandal muss der Dichter Douglas Fortescue England fluchtartig verlassen, doch die Ankunft in der Neuen Welt verläuft anders als erwartet: Seine Postkutsche wird überfallen, und Fortescue wird von einer Räuberbande verschleppt. Wie der überfeinerte Dichter und sein wortkarger Entführer Joshua Jenkins sich millimeterweise näherkommen, entfaltet Christine Wunnicke zu einer im wörtlichen Sinne wild romantischen Liebesgeschichte. "Mit knappen Sätzen und lakonischem Humor entwirft die Schriftstellerin hier einen Queeren Westen, der keinen Platz für Illusionen und strahlende Revolverhelden lässt. Kino-Western wie Jim Jarmuschs Dead Man oder John Macleans Slow West kommen einem in den Sinn, wenn Wunnicke die amerikanische Landschaft beschreibt, als wäre sie dem Chloroform-Rausch dekadenter Briten entsprungen, oder die Gewalt als rundum absurdes Spiel demontiert." (queer.de)

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[VERLAGSTEXT]

Die Zeit: Mitte des 19. Jahrhunderts, der Ort: irgendwo im Wilden Westen. Der englische Dichter Douglas Fortescue und sein Bruder Jeremy sind mit der Postkutsche auf dem Weg in ein neues Leben, doch plötzlich überstürzen sich die Ereignisse: Die Kutsche wird überfallen, und Fortescue wird von einer Räuberbande verschleppt. Wie der überfeinerte Dichter und sein wortkarger Entführer Joshua Jenkins sich millimeterweise näher kommen, entfaltet Christine Wunnicke zu einer überaus romantischen Liebesgeschichte.

«Mit knappen Sätzen und lakonischem Humor entwirft die Schriftstellerin hier einen Queeren Westen, der keinen Platz für Illusionen und strahlende Revolverhelden lässt. Kino-Western wie Jim Jarmuschs Dead Man oder John Macleans Slow West kommen einem in den Sinn, wenn Wunnicke die amerikanische Landschaft beschreibt, als wäre sie dem Chloroform-Rausch dekadenter Briten entsprungen, oder die Gewalt als rundum absurdes Spiel demontiert.» (queer.de)

[ÜBER DIE AUTORIN]

Christine Wunnicke, geboren 1966, lebt in München und schreibt über ungewöhnliche Menschen. Ihre Romane Der Fuchs und Dr. Shimamura (2015), Katie (2017) und Die Dame mit der bemalten Hand (2020) wurden für den Deutschen Buchpreis nominiert. Zuletzt erhielt sie den Literaturpreis der Landeshauptstadt München und den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis. Bei Albino erscheint im Frühjahr 2021 eine neue Ausgabe ihres Romans Die Kunst der Bestimmung (2003).

Christine Wunnicke

MISSOURI

Albino Verlag

Berlin 2020

I

In einem bescheidenen Mietquartier in der Great Ancoats Street zu Manchester färbte sich der Gerichtsschreiber Douglas Fortescue im August 1832 die Haare schwarz und beschloss die englische Dichtkunst zu reformieren.

Nach einer Anleitung in Fashionable Life hatte er einen Auszug von Steinkohlenteer mit gelöschtem Kalk vermischt. Nun pinselte er, nach einer Vorwäsche mit Chlorwasser, den zähen Brei umsichtig und Strähne für Strähne auf sein schulterlanges und sehr glattes Haar.

Es war Zeit, das leidige Aschblond abzuschaffen. Es erinnerte Douglas an Yorkshire, an gute Luft, an zu viele Mahlzeiten, an eine Sippschaft rüstigen Landvolks, mit welcher der junge Fortescue das Unglück hatte, verwandt zu sein. Es erinnerte auch an Douglas’ Bruder Jeremy, der noch immer in Yorkshire lebte und hilflos blond bleiben würde bis zum Ende seiner Zeit. Douglas überlegte, ob er ihm ein Strähnchen schwarzes Haar mit der Post schicken sollte, falls das Experiment denn gelang. Jeremy hieß die Flausen seines kleinen Bruders nicht gut. Er sah ihn nicht gerne in Manchester. Er hätte ihn lieber in Yorkshire gehabt, wo er, jung verwitwet, seine vier Kinder erzog. Auch seinen Bruder hätte er gerne erzogen. Douglas schlug ein Handtuch um seinen Kopf, knotete es zu einem Turban und strich den teerigen Pinsel mit einem matten Lächeln in Byrons Childe Harold ab.

Byron war tot. Byrons Thron war verwaist. Niemand war berühmt, wie Lord Byron einst berühmt gewesen war; dies musste Douglas Fortescue ändern. Nicht mehr als zwei Stunden, genau die Frist, welche Fashionable Life als Einwirkdauer für den Teerauszug empfahl, erlaubte er sich, um den Schlachtplan zu entwerfen. Douglas war zweiundzwanzig Jahre alt und verlor, was das Berühmtwerden anbetraf, allmählich die Geduld.

Es graute ihn vor der Poesie. Es graute ihn vor Dichtern. Er sah sie als Schreckbilder, wehrlose Wesen, gebeutelt von Liebe und Hass und Visionen, vergiftet von Laudanum und Hysterie. Dichter fühlten und fühlten und fühlten. Kalt lief es Douglas über den Rücken, sobald er an Dichter dachte. Bisweilen, wenn er sich zwang ihre Werke zu lesen, um sich über die Formen der Poesie zu belehren, zuckte seine Hand unwillkürlich zu der Rauchglasbrille in seiner Westentasche, seinem Schild gegen die unheilvolle Eindringlichkeit der Welt. Ein gutes Monatsgehalt hatte der Gerichtsschreiber für dieses Schmuckstück ausgegeben. Die dunklen Gläser erleichterten ihm das Dasein unter Menschen, doch gegen die Dichtkunst halfen sie nicht.

Mit juckendem Kopf blätterte er in seiner Sammlung von Verhörprotokollen. Er bewahrte die stenografische Fassung stets auf, wenn er die Reinschrift dem Bürovorstand übergab. Douglas las das Gezanke über Erbschaften, Schadensfälle, Unterschlagung, das Geschrei der Fabrikbesitzer in diesem oder jenem Schuldnerstreit. Er las das umnachtete Gefasel eines Gastwirts aus Huddersfield, der mit der Leiche seiner Frau schlimme Dinge angestellt hatte. Er überflog das Lamento einer ledigen Tante, sie hatte Sorge getragen für die Kinder der Schwester, zuletzt mit Arsen. Langsam blätterte Douglas die Lebensbeichte eines irischen Diebes durch. Er erinnerte sich an den Dieb. Er war ein Lichtblick gewesen im tristen Leben des Protokollanten. Sommersprossen, breite Schultern, breite Hände, viel zu groß, wie die Pfoten eines jungen Hundes. Das Hemd falsch geknöpft in der Aufregung und ein wenig rotes Brusthaar drängte ins Freie. Douglas schlug schnell die Seite um. Das Besingen junger Diebe war gewiss nicht der Weg zum Parnass.

Douglas gestattete sich keine Vorlieben. Douglas Fortescue war gerecht. Er ließ sie alle Revue passieren, einen wie den anderen, erregt und den Tränen nah, die Erben und Enterbten, die Leidtragenden und Verursacher der Schadensfälle, das ältliche Kerlchen mit dem Spitzbart, das veruntreut hatte, den Gastwirt, die Jungfer, den Dieb und all die Baumwollherren von Manchester in ihren gelb geschwitzten Seidenhemden, kurz vor dem Apoplex. Was hatten sie gemein? Sie litten. Sie rangen um Worte. Sie fühlten und fühlten. Douglas rückte seinen Turban zurecht und grinste. Es war so einfach. Eine Legion von Dichtern war an dem Stenografen vorübergezogen und er hatte es nicht gemerkt. Douglas lachte. Er hatte ein unschönes Lachen für sich entworfen, schwach und ein wenig klirrend, er beherrschte es schon gut.

Eine Viertelstunde vor Ende der Einwirkzeit des Steinkohlenteers beschloss Douglas Fortescue seine Reform der englischen Poesie auf ein Gerichtsprotokoll zu gründen. Fünf Minuten später war ihm klar, dass die Welt von dieser Inspiration nicht erfahren würde. Dann entschied er, keine Reime. Denn Reime, fand Douglas, seien mühsam und antiquiert.

Er nahm die Handtücher vom Kopf, spülte gründlich die Farbe aus, zog den Scheitel in der Mitte und kämmte die Haare über die Wangen und hinunter auf die Schultern. Dann trat er vor den Spiegel. Es war gelungen. Sein Haar war schwarz wie die Nacht, mit einem kleinen Stich ins Fuchsige, vor dem ihn Fashionable Life schon gewarnt hatte. Vorsichtig ließ er seine Haare durch die Finger gleiten. Sie fühlten sich seltsam an, nicht natürlich, ein neuartiges Material, hergestellt in einer Fabrik.

Douglas unterdrückte ein vages Entsetzen. Dann sagte er «aha». Er sog die Wangen ein und zog die Brauen hoch. Es war Schwerstarbeit, dieses Gesicht zum Gesicht eines Dichters zu machen. Jahr um Jahr kämpfte Douglas gegen das Erbe von Yorkshire. Er mied die Sonne. Er ernährte sich von Kartoffeln mit Essig. Douglas hatte denselben breiten Kiefer wie Jeremy, die nämliche kurze Nase, und er war hoch gewachsen wie Jeremy, viel zu kräftig, viel zu behaart. «Aha», wiederholte Douglas. Er wünschte, er könnte sich ein Gesicht im Laden kaufen, perfekt wie die Rauchglasbrille. Er wünschte sich, er wäre Doktor Frankenstein und zugleich sein eigenes Monster. Manchmal, in schwachen Momenten, wünschte er sich eine Ritterrüstung, drei Lagen Eisenplatten und einen Helm mit vernietetem Visier. Douglas blickte Douglas in die Augen. Die Augen gefielen ihm. Sie waren grün, sehr grün. Besser hätte man sie nicht färben können. «Ach», sagte Douglas. Er rasierte sich sorgfältig, erst die Wangen und dann die Brust.

Douglas Fortescues Debüt, ein Gedicht von zweiundzwanzig Seiten, erschien Ende 1832 in London. Es machte seinen Autor über Nacht berühmt. Es wurde beschlagnahmt, verboten, von Experten begutachtet, wieder freigegeben, rezensiert und erneut verboten, was den Umsatz noch einmal steigerte. Der Titel lautete Thirst. Es handelte von Blut und einer Frau namens Claire. Es war ein wenig schwer zu verstehen. Die Damen vermuteten Vampirisches. Die Journale, je nach Couleur, enttarnten es als Allegorie auf die Liebe, auf die verkommene Zeit oder auf Manchesters Industrie. Die englischen Dichter, Mr. Wordsworth an der Spitze, gründeten an den grünen Ufern des Lake Windermere eine kurzlebige Gesellschaft zur Rettung des Reimes. «Ach Kinder», seufzte Douglas, «wie gestrig!»

In zwei Nächten, zunehmend geplagt von Sodbrennen, hatte er sein Werk zu Papier gebracht. Es bestand aus dem Geständnis des umnachteten Gastwirts aus Huddersfield, der seine Claire mit dem Knochenbeil erschlagen und dann in Verzweiflung stückweise verspeist hatte. Hinzu kamen Aussagen von Nachbarn und Gendarmerie. Douglas hatte all dies verrührt und geschüttelt und gefällig neu arrangiert.

Purple and wet

Her little heart

And I squeezed it out like grapes

And we were married

Oh, married before God and men.

Es war kein Wunder, dachte Douglas, dass man bei solcher Tätigkeit Magensaft schmeckte; doch er nahm es für den schönen Ruhm gerne in Kauf.

«Ein Traum», sagte der Dichter Fortescue, wenn man ihn allzu sehr bedrängte bei den Soireen und in den Salons der Hauptstadt, «nichts als ein Traum vom süßen, süßen Leben.» Mehr sagte er nicht. Er sog die Wangen ein, justierte die Rauchglasbrille und ließ sich klaglos begaffen. Er verließ sich aufs Publikum. Das Publikum würde Thirst verstehen. Denn der Nutzen eines Gedichts, begriff Douglas Fortescue nicht ohne Erstaunen, misst sich einzig am Leser, den es beglückt.

II

Etwa fünfzehn Meilen von New Harmony den Wabash abwärts, an der Stelle, die sie das Knochenufer nannten, weil in alter Zeit dort ein Begräbnisplatz gewesen war, dessen Überreste, Tonscherben und gebleichtes Gebein, noch immer die staubige Böschung zierten; in jener Biegung des Wabash erschoss Joshua Jenkyns im August 1832 seinen ersten Mann.

Sie waren schon oft hier vorbeigekommen. Joshua mochte die Knochen nicht. Wenn er die Augen zukniff, gab ihm Vater eine Kopfnuss. Er wusste, wann Joshua blinzelte, obwohl er hinter ihm saß; das war Joshua ein Rätsel. «Augen auf, Josh», befahl Vater, «sonst lass ich dich da.» Und weil Joshua nicht wollte, dass Vater ihn daließ, irgendwo in den Wäldern am Wabash, wo die Siedler wohl nur darauf warteten, den kleinen Sohn des schrecklichen Cyrus Jenkyns über dem Feuer zu rösten; weil er bei Vater bleiben wollte, wie es sich gehörte, öffnete Josh Jenkyns die Augen und sah hin, schweigend vor Vater im Sattel.

Er sah viele Tote. Er sah weiße Knochen, verwesende Körper hier und da in der Landschaft, und er sah die frisch Gestorbenen, die mit erstauntem Gesicht in ihrem Blut lagen, während Vater nachlud. Es gehörte zusammen, die Geräusche des Nachladens und das Blut und die seltsamen Mienen der Toten; Joshua hatte das früh begriffen. Als Mutter noch lebte, hatte er sie gefragt, wie das sei mit dem Sterben, und Mutter hatte geantwortet, es sei einerlei. Die Toten gingen zu ihren Familien und blieben dort für immer, geordnet nach Geschlecht und Bedeutung und dem Datum ihres Todes. Mutter wollte das nicht weiter erklären. Und als sie dann starb, war sie fort, und vielleicht war sie in der Hölle, wie Vater behauptete, oder sie war bei ihrer Familie, wie sie selbst es behauptet hatte, bei den Rothäuten und den Geistern ihrer Ahnen.

Da Cyrus Jenkyns fand, es sei an der Zeit für Josh, hatte er in New Harmony einen Mann gefangen. Er brachte ihn zum Knochenufer und band ihn an einen Baumstamm. Joshua war ungefähr sechs Jahre alt; genau mitgezählt hatte niemand. Cyrus Jenkyns hob ihn vom Pferd und gab ihm eine Pistole.

Die Männer lachten. Ein Blick von Cyrus brachte sie zum Schweigen. Er hatte seine Leute gut erzogen, und sie saßen ab und bildeten einen Halbkreis um das schwarzhaarige Kind mit den schräg stehenden Augen, dem die Pistole noch viel zu groß war.

«Ich empfehle Gott deine Seele», sagte Cyrus Jenkyns, «schieß den Mann da tot, und wenn du es mit einer Kugel schaffst, gehört die Waffe dir.»

Joshua betrachtete den Mann am Baum. Er betrachtete ehrfürchtig Vaters schöne Pistole. «Binden Sie ihn los, Vater, ich versuch’s», sagte Josh.

Cyrus lachte. «Das ehrt dich, aber wenn ich ihn losbinde, rennt er, und dann schießt du ihn in den Rücken und das ist auch nicht besser.»

Joshua hielt die Pistole fest in beiden Händen. Er hatte fleißig Schießen geübt an den verwilderten Schweinen der Siedler, und die Schweine rannten wie der Teufel, und der Mann am Baum saß ganz still, und es war eigentlich viel zu einfach.

Der Gefesselte blickte Joshua fragend an. Er stammte aus Boston. Er hatte etwas vermessen sollen in dieser Gegend. Nun wartete er darauf, dass ein Kind ihn erschoss. Der Mann aus Boston konnte das nicht verstehen.

Joshua wünschte sich, der Gefangene würde die Augen schließen, aber er schloss die Augen nicht. Joshua blinzelte. Er wusste plötzlich nicht mehr, wie das ging mit dem Schießen. Die Pistole war schwer. Joshua zog die Nase hoch. «Mach zu, Josh», sagte Vater. Joshua sah dem Gefesselten noch einmal in die Augen und dann schluckte er und dann drückte er ab.

Er schaffte es nicht mit einer Kugel. Er schoss schlecht. Drei Männer liehen Josh ihre Waffen, damit er nicht nachladen musste, und Josh brauchte vier Kugeln, bis sich der Mann am Baum nicht mehr bewegte.

Die Männer applaudierten dennoch. Cyrus ließ sie gewähren. Er hieß seinen Sohn in die Rocktaschen des Toten schauen, ob etwas darin wäre, was man brauchen könnte. Joshua gehorchte. Er bekam blutige Finger. Er fand nur ein Schnupftuch und ein kleines Ding aus Leder und Papier. Das trug er zum Vater.

«Oh, ein Buch», sagte Cyrus verächtlich, «du hast einen mit Buch erwischt.»

Joshua untersuchte das Ding, das Vater Buch nannte, under stellte fest, dass man es aufklappen konnte und dass Blut an dem Ding war und der Lederrücken angerissen. Wahrscheinlich hatte eine Kugel das so genannte Buch gestreift.

«Behalt’s», sagte Cyrus, «vielleicht bringt es dir Glück.» Und Cyrus Jenkyns scheuchte seine Leute auf die Pferde und hob Joshua auf das seine, und dann saß er selbst auf und ritt voran. Der Mann aus Boston blieb an dem Baum sitzen und es dauerte nicht lange, bis sein Skelett das Ufer des Wabash zierte, sauber und weiß wie die Knochen aus alter Zeit.

Joshua Jenkyns behielt das Buch. Vielleicht brauchte er ja Glück in diesem Leben. Es dauerte Monate, bis er sich traute den Professor um Hilfe zu bitten. Der Professor hieß Professor, weil er lesen konnte, und Joshua durfte mit dem Professor nicht sprechen. Der Professor war eine Art Wundarzt. Cyrus behielt ihn, weil man oft einen Wundarzt brauchte in diesem Geschäft, doch im Übrigen zog er vor ihn zu übersehen.

Auf allen vieren kroch Josh eines Nachts zum Professor, hielt ihm das Buch hin und fragte: «Bitte, was ist das?»

«Ein Buch», flüsterte der Professor. Er wollte sich nicht von Cyrus erwischen lassen, wie er mit dem Kleinen sprach. Cyrus schlief zwar, aber Cyrus schlief nie tief.

«Was für eines?», hauchte Joshua.

Der Professor schlug das Buch auf. Er hielt es zum Feuer und drehte es, bis er die Titelseite entziffern konnte. «Lord Byron, Collected Works, Volume Two.»

«Danke», flüsterte Joshua, «was ist das?»

«Schmeiß es ins Feuer, Josh.»

«Es bringt Glück!»

Der Professor stöhnte.

«Lesen Sie was», bat Joshua.

Der Professor stellte sich vor, was wohl geschähe, wenn ihn Cyrus Jenkyns dabei ertappte, wie er seinem Sohn aus einem Buch vorlas. Der Professor legte keinen Wert darauf, das zu erleben.

«Bitte», flüsterte Joshua.

Der Professor schüttelte den Kopf.

«Nur ganz kurz. Bitte!» Joshua wurde lauter. Der Professor hatte Angst, jemand könne aufwachen. Er schlug das Buch in der Mitte auf und las die ersten besten zwei Zeilen:

«If solitude succeed to grief

release from pain is slight relief –»

Und Josh konnte tun, was er wollte, bei diesem Vers ließ es der Professor bewenden.

Joshua merkte sich den seltsamen Satz. If solitude succeed to grief …