Mister Secret - Leisa Rayven - E-Book

Mister Secret E-Book

Leisa Rayven

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Beschreibung

Er ist alles, was sie nicht gesucht hat ...

Asha Tate ist eine hoffnungsvolle Romantikerin. Doch auf der Suche nach dem perfekten Mann steht der Lektorin ihre anspruchsvolle Checkliste im Weg. Um in der Liebe nicht schon wieder enttäuscht zu werden, konzentriert sie sich nun auf ihren beruflichen Traum: den nächsten Bestseller zu entdecken. Als sie dabei über das Instagram-Profil des geheimnisvollen "Professor Feelgood" stolpert, wecken dessen emotionale Texte über den Verlust seiner großen Liebe tiefe Gefühle in ihr. Doch als Asha ihn kontaktiert, ist der Verfasser alles andere als einfühlsam. Seine Arroganz und eindeutigen Flirtversuche bringen sie regelmäßige auf die Palme. Und trotzdem spürt Asha, dass hinter der Maske von "Professor Feelgood" ein Mann steckt, für den es sich lohnen könnte, ihre Checkliste zu vergessen.

"Ich liebe, liebe, liebe Leisa Rayvens Bücher. Sie verursacht die schlimmsten Book-Hangover!" E. L. JAMES

Band 2 der MASTERS-OF-LOVE-Reihe von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Leisa Rayven

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Seitenzahl: 547

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Leisa Rayven bei LYX

Impressum

Leisa Rayven

Mister Secret

Roman

Ins Deutsche übertragen von Wiebke Pilz und Nina Restemeier

Zu diesem Buch

Asha Tate ist eine hoffnungslose Romantikerin. Doch auf der Suche nach der großen Liebe steht sie sich selbst im Weg: Während andere sich auf den ersten Blick verlieben, führt Asha eine Checkliste mit den Eigenschaften, die ihr Traummann erfüllen sollte. Eine Liste, deren Anforderungen kaum ein Mann gerecht werden kann. Um nicht schon wieder enttäuscht zu werden, will sie das Daten eine Zeit lang aufgeben und sich stattdessen voll auf ihre Karriere im Verlag konzentrieren. Als Asha auf der Suche nach dem nächsten Bestseller auf das Instagram-Profil des geheimnisvollen »Professor Feelgood« stößt, weckt dieser nicht nur mit Fotos seines durchtrainierten Körpers ungekannte Gefühle in ihr. Seine emotionalen Texte über den Verlust seiner großen Liebe berühren Asha tief – aber als sie ihn mit einem Angebot für ein Buchprojekt kontaktiert, muss sie feststellen, dass der Mann hinter dem Profil alles andere als einfühlsam ist. Seine Arroganz und eindeutigen Flirtversuche bringen Asha regelmäßig auf die Palme. Doch trotzdem spürt sie, dass hinter der Maske von »Professor Feelgood« ein Mann stecken muss, für den es sich lohnen könnte, ihre Checkliste zu vergessen.

Für meinen Schwiegervater, der jedes meiner Bücher mehrmals gelesen hat, alle Figuren liebte, als wären sie alte Freunde, und unsere Familie mit unendlicher Großzügigkeit, Freude und Liebenswürdigkeit erfüllte.

Es tut mir leid, Dad, dass du dieses Buch nicht mehr lesen konntest, aber du sollst wissen, dass dein Licht und deine Liebe mich weiterhin inspirieren werden.

Für immer.

In der Geschichte unseres Lebens sind wir unser eigener Erzähler, aber die Geschichte, die wir erzählen, entspricht nicht immer der Wahrheit. Unsere wankelmütigen Erinnerungen erfinden alternative Realitäten. Wir zeichnen die Höhepunkte zu heiter und zu hell. Aber schlimmer noch, wir ritzen unsere zahlreichen Tiefpunkte in die Rinde unseres Baums des Bedauerns, bis es ganze Wälder gibt, still und grau, knarrend und stöhnend, in der trüben, stickigen Luft unseres Unterbewusstseins.

Ich möchte nicht mein eigener unzuverlässiger Erzähler sein. Meine Geschichte soll die Wahrheit sein, auch wenn die Grenze zwischen Schurke und Held fließend und verschwommen ist.

Und so sehr ich meine Fehler auslöschen und neu anfangen will, weiß ich doch, es ist nicht möglich. Der Anfang unserer Geschichte ist der einzige, den wir bekommen. Aber wir können den Schluss verändern. Denn der muss noch geschrieben werden.

Auszug aus Unsere Geschichte von J. A. Stone

1. KAPITEL

Feelgood macht mich an

Also, das ist echt peinlich. Es ist Montagmorgen um halb acht, und ich bin so angetörnt wie noch nie in meinen dreiundzwanzigdreiviertel Jahren. Aber bin ich etwa mit meinem Traummann zusammen? Werde ich etwa romantisch zum Essen ausgeführt und nach Strich und Faden umworben? Bin ich etwa an einem exotischen Ort mit Sand, Meer und halbnackten Kellnern, die Getränke mit kleinen Papierschirmchen servieren?

Nein.

Ich sitze im leeren Großraumbüro bei Whiplash Publishing an meinem Schreibtisch, im Hintergrund klickt leise der Wasserspender, während mich sehr schmutzige Gedanken an einen unbekannten Mann überwältigen.

Das ist nicht gut.

Aus dem Flur höre ich heftiges Hämmern. Der einzige andere Frühaufsteher ist unser schottischer Finanzdirektor Fergus. Er hat ein schwieriges Verhältnis zu unserem uralten Kopierer, und es ist ihm egal, wenn die anderen das mitbekommen.

»Duuuuu Scheißteil!«, brüllt er mit schottischem Akzent und übertönt dabei weiteres Hämmern. »Du widerlich stinkender Wichser.« Seine Worte werden vom Geräusch reißenden Papiers begleitet. »Tacker … es einfach … zusammen, du perfider Papierfresser.«

Ein lautes Piepsen ertönt, und kurz darauf schreit Fergus frustriert auf. Ich würde ihm ja meine Hilfe anbieten, aber ich komme nicht von meinem Wortpornorausch runter. Außerdem ist Fergus immer besonders übellaunig, wenn er am Ende des Quartals die Gewinn- und Verlustrechnung erstellt, weshalb ich ihm im Moment so gut ich kann aus dem Weg gehe.

Während er weiter den Kopierer malträtiert, schlage ich unter dem Tisch die Beine übereinander. Um sicherzugehen, dass ich immer noch alleine im Büro bin, sehe ich mich unauffällig um. Merkt man mir an, wie angetörnt ich gerade bin? Erkennt man, dass die Hitze in meinem Gesicht nichts ist im Vergleich zu der, die in meinen unteren Körperregionen pulsiert?

Ich atme tief durch, stehe auf und gehe in Richtung Toilette. Der Rest der Truppe wird jeden Augenblick eintreffen, und bevor es soweit ist, muss ich mich dringend wieder unter Kontrolle bekommen.

Ich drücke die Tür zur Damentoilette auf, halte die Hände unter kaltes Wasser und spritze mir ein wenig ins Gesicht. Mein Blick fällt auf mein Spiegelbild, und ich schüttele den Kopf. Keine Wassermenge der Welt würde gegen mein lächerlich gerötetes Gesicht ankommen.

»Was zur Hölle ist los mit dir, Asha? Im Ernst. Du willst einen Mann abschlecken, den du noch nicht einmal kennst. Schlimmer noch, einen Mann, dessen Gesicht du noch nicht einmal gesehen hast. Das ist völliger Wahnsinn.«

Das sieht mir gar nicht ähnlich.

Ich bin Romantikerin. Ich will Blumen und zum Essen ausgeführt werden und lange, sanfte Küsse im Mondschein. Ich habe keine Lust auf unverbindliche Treffen und Gelegenheitssex. Ich habe nie verstanden, wie meine Schwester so viel Befriedigung aus One-Night-Stands ziehen konnte. Ich habe sie ausprobiert. Sie sind peinlich und unangenehm. Mir ist es lieber, wenn ich die Männer kenne, die ich an mich heranlasse. Für mich gibt es nichts Anziehenderes als einen Mann, der sich eine Beziehung wünscht.

Aber wahrscheinlich ist genau das der Grund, warum ich so scharf auf einen völlig Fremden bin. Dieser geheimnisvolle Mann hat die Liebe seines Lebens verloren und erzählt es völlig ungeniert der ganzen Welt. Die Leidenschaft in seinen Worten ist ansteckend und offensichtlich irrsinnig erregend.

Ich hole tief Luft und kehre an meinen Schreibtisch zurück. Dort schnappe ich mir meine Maus mit dem festen Vorsatz, mich an den Riesenberg Arbeit zu machen, der heute ansteht, aber stattdessen scrolle ich noch ein letztes Mal durch den Instagram-Feed des Mannes, der sich Professor Feelgood nennt. Verdammt, der Name passt wirklich. Obwohl, um ganz exakt zu sein, Professor Sexgott noch besser gepasst hätte. In seinem Profil prangt direkt über seinem Namen ein Foto von Harrison Ford als Han Solo, und seine Bio darunter lautet: »Ein geläutertes Arschloch übt sich Schritt für Schritt in schonungsloser Introspektion. Ich bin eine Ansammlung schlechter Entscheidungen, getarnt als halbwegs funktionierender Mann.« Tja, offensichtlich können ziemlich viele Leute seine schlechten Entscheidungen nachempfinden, denn er hat über drei Millionen Follower.

Vor ein paar Wochen bin ich über seinen Feed gestolpert, als jemand, dem ich folge, eins seiner Gedichte repostet hat, und in diesem Augenblick bin ich durch das Kaninchenloch in seine Welt gefallen. Es gibt körnige, ästhetische Fotos von ihm, die alle so aufgenommen sind, dass man unmöglich sein Gesicht erkennen kann. Ein paar wurden im Ausland vor bekannten Sehenswürdigkeiten geschossen, während andere seinen straffen, muskulösen Körper so nah zeigen, dass ich mir vorkomme, als würde ich ihn allein durch das Betrachten der Fotos liebkosen.

Aber mehr als die provokanten Fotos machen mich seine Worte fertig. Seine manchmal süßen, manchmal traurigen, immer sexy Worte über Liebe und Verlust rauschen an meinem Verstand vorbei und sprechen direkt zu meiner Seele.

In dir will ich sein, von deiner Wärme umhüllt

Bebende Muskeln, vernebelter Geist, ich stoße und stoße und stoße.

In dir will ich sein, von deinen Gliedern umschlungen

Glühende Haut und süßes Stöhnen

In dir will ich sein, dein Körper soll tanzen, brennen, fliegen.

Doch in Wahrheit will ich in dir sein

Weil du von Anfang an in mir warst

Und jetzt

Bin ich dran.

Dieses Gedicht habe ich bestimmt schon zehnmal gelesen, und was sein Talent betrifft, ist es nur die Spitze des Eisbergs. Je mehr ich lese, desto faszinierter bin ich von ihm.

Ich scrolle zum Anfang seiner Timeline und versuche herauszufinden, warum er mich so tief berührt. Ja, es gibt eine körperliche Reaktion auf seine Bilder, besonders auf die, auf denen er halbnackt ist, denn mal ehrlich, sein Körper ist der Wahnsinn. Aber es steckt noch mehr dahinter. All seine Posts wirken wie zutiefst persönliche Bekenntnisse. Ich glaube, dass er zum Teil so populär ist, weil er seine Probleme, Fehler und seinen Kummer vor den Augen der Welt verarbeitet. Der Mut und die Ehrlichkeit in seinen Worten wirken auf mich wie flüssige Leidenschaft, die mir direkt ins Herz injiziert wird. Und das bringt meinen Blutdruck völlig durcheinander.

Ein besonders lautes Krachen hallt durch den Flur, und ich zucke zusammen. Ich schaue hoch und sehe, wie Fergus mit einem ziemlich ramponierten Vorlagenwechsler unter dem Arm aus dem Kopierraum kommt.

Er geht an mir vorbei und nickt mir zu. »Morgen, Asha.« Wegen seines schottischen Akzents klingt es wie »Mohgen«.

»Hey, Fergus. Alles in Ordnung?«

»Oh, aye. Alles super. Ich muss nur mal kurz austreten.«

Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht über einen Gang zur Toilette spricht, als er zum anderen Ende des Büros schlendert und die Tür zum Treppenhaus aufdrückt, das zum Dach führt. Will er etwa den Vorlagenwechsler vom Dach in den Fluss werfen?

Ich will ihm gerade folgen, um sicherzugehen, dass er keinen Unsinn macht, da leuchtet das Bild meiner Schwester, die mir lächelnd den Stinkefinger zeigt, auf meinem Handydisplay auf.

So ein liebes Mädchen. »Hey, Eden.«

»Selber hey. Bist du schon bei der Arbeit? Max wollte dir Frühstück machen, aber als wir aufgewacht sind, warst du schon weg.«

»Das stimmt nicht. Nach den Geräuschen aus deinem Zimmer zu urteilen, war Max schon zwanzig Minuten wach, bevor ich gegangen bin.«

Eden kichert, und ich lächele. Sie hat es so verdient, glücklich zu sein. Endlich hat sie die unzähligen One-Night-Stands mit mittelmäßigen Typen hinter sich gelassen und einen richtigen Mann gefunden. Und jetzt, zum ersten Mal in ihrem Leben, führt sie eine intakte, erwachsene Beziehung. Ich wünschte nur, ich müsste die lauten Sexkapaden nicht hören, die damit einhergehen.

»Ich entschuldige mich dafür, dass mein Mann nicht leise sein kann«, sagt sie und klingt dabei ziemlich selbstgefällig. »Aber ich genieße seine Geräusche einfach zu sehr.«

»Klar, bei den Geräuschen, die du gemacht hast, habe ich mir das schon gedacht. Mal im Ernst, ich habe keinen Zweifel, dass du die alte Mrs Eidleman aus dem vierten Stock geweckt hast, und wir wissen beide, dass sie ihre Hörgeräte nie vor neun einsetzt.«

Wieder bricht Eden in Lachen aus. Ehrlich, so unangenehm es ist, anderen Leuten bei ihrem Wahnsinnssex zuzuhören, wenn man selbst keinen hat, freue ich mich doch unheimlich, dass sie endlich einen richtigen Freund hat. Bis vor ein paar Wochen dachte ich noch, dass man sie mit einem aus der Erde ragenden Arm begraben müsste, damit sie Liebe und Hingabe für immer den Mittelfinger zeigen könnte. Aber seitdem sie mit Max Riley zusammen ist, hat sich all das geändert. Jetzt ist sie so dermaßen über beide Ohren verliebt, dass ich fast schon kleine Herzchen um sie herumfliegen sehe, wann immer er in der Nähe ist.

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass du dir Mr Romance geangelt hast«, sage ich, lehne mich auf meinem Stuhl zurück und drehe mich darauf im Kreis, um das Büro zu überblicken. »Und vor allem hast du das nur mir zu verdanken.«

»Ja, ja. Jetzt geht das wieder los.«

»Tja, du kannst wohl kaum leugnen, dass du nie von Max erfahren hättest, wenn ich dir nichts erzählt hätte. Ganz zu schweigen davon, dass ich euer erstes Date arrangiert habe. Ihr steht beide so tief in meiner Schuld. Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde es dir nicht für immer unter die Nase reiben. Höchstens ein oder zwei Jahrzehnte.«

Sie stöhnt. Ich weiß, dass sie verstecken möchte, wie gefühlsduselig und liebeskrank sie ist, aber es ist mehr als offensichtlich. Bis vor kurzem war Max das bestgehütete Geheimnis der New Yorker High Society. Als professioneller Escort bot er Frauen etwas viel Besseres als Sex: romantische Dates, die ihrem Selbstbewusstsein einen gesunden Schub gaben. Ein paar Jahre lang konnte er sein Alter Ego geheim halten, aber seitdem Edens Geschichte über ihn viral gegangen ist, ist er zu einem echten Promi avanciert. Ich finde es immer noch seltsam, dass der Typ, den ich in all diesen Talkshows sehe, derselbe ist, der gestern unseren verstopften Küchenabfluss gereinigt hat.

Als ich mit diesem Gedanken fertig bin, drehe ich mich so, dass ich aus dem Fenster schauen kann, und sehe etwas zu Boden stürzen, das verdächtig nach unserem Vorlagenwechsler aussieht.

Oh Fergus, was hast du getan?

Ich mache mir eine Notiz auf meinem Planer, den Typen von Xerox so schnell wie möglich wegen der Reparatur anzurufen. Kurz darauf drehe ich mich um und sehe Fergus, der mit einem fetten Grinsen aus dem Treppenhaus kommt. Ich schätze, an manchen Tagen nimmt man jeden Sieg, den man bekommen kann.

»Wenn du mit deiner täglichen Ich-hab’s-dir-doch-gesagt-Predigt fertig bist«, sagt Eden und bringt mich zu unserem Gespräch zurück, »können wir uns etwas Wichtigerem zuwenden? Ich glaube, wir haben schon seit Tagen nicht mehr richtig miteinander gesprochen. Geht’s dir gut? Wie läuft’s mit deinem Franzosen?«

Ich seufze glücklich. »Ach, fantastisch, Edie. Er ist umwerfend. Ich glaube wirklich, er könnte der Richtige sein.«

»Ohhhh«, stöhnt sie, als hätte sie gerade gesehen, wie ein Skateboarder mit den Eiern aufs Geländer kracht. »So schlimm?«

Ich lehne mich auf dem Stuhl zurück und schlage die Beine übereinander. »Was soll das denn heißen? Ich habe dir gerade gesagt, wie gut wir zusammenpassen. Er erfüllt mehr Punkte auf der Liste als jeder andere Mann, mit dem ich je zusammen war.«

»Mh-hm. Dir ist schon klar, dass eine Checkliste für Männer nicht besonders lebensnah ist, oder?«

»Es ist keine Checkliste.« Ich ignoriere ihr spöttisches Lachen. »Es ist eine Liste mit Richtlinien. Allgemeine Merkmale, die mir dabei helfen, meine Suche nach der wahren Liebe zu verbessern.«

»Nein, kleine Schwester, es ist eine Liste spezifischer Merkmale, die du bei jedem Typen abgleichst, den du kennenlernst. Wenn er von den Must-haves abweicht, lässt du ihn fallen.«

»Stimmt doch gar nicht.«

»Ach nein? Sollen wir das mal überprüfen?« Sie räuspert sich. »Dein Traummann muss einen Hochschulabschluss haben, arbeiten – und das mindestens halbwegs erfolgreich –, Kinder lieben, Bücher von Aaron Sorkin mögen …«

»Das ist optional.«

»… er muss romantisch sein, einen ausgezeichneten Geschmack haben, darf beim Sprechen die Endungen nicht verschlucken …«

»Entschuldige, dass mir eine deutliche Aussprache wichtig ist.«

»Er darf ›genossen‹ nur als Vergangenheitsform von ›genießen‹ und nicht von ›niesen‹ verwenden …«

Ich hebe die Hände. »›Geniest‹ ist die Vergangenheitsform! So schwer kann das doch nicht sein.«

»Und jedes Mal, wenn du mal lange genug mit einem Typen zusammen bist, dass deine hübsche rosarote Brille ein bisschen verschmiert, kommst du in diese seltsame Leugnungsphase, weil du nicht zugeben willst, dass du schon wieder kurz davor bist, einen anständigen Typen auf den Mond zu schießen. Mit Phillipe bist du an genau diesem Punkt, stimmt’s?«

Für eine Weile lache ich gekünstelt, bevor ich wie eine Sirene langsam leiser werde. »Oh Eden. Meine arme, verblendete Schwester. Du könntest nicht falscher liegen.«

Natürlich hat sie im Großen und Ganzen recht. Verflucht, warum kennt sie mich nur so gut?

Vor kurzem habe ich in Paris einen Typen kennengelernt und hatte eine stürmische Romanze mit ihm, wie ich sie mir immer erträumt hatte. Aber obwohl ich ihn anbete und es genieße, wenn wir zusammen sind, zeigt das Problem, das ich bisher mit jedem meiner Freunde hatte, langsam seine hässliche Fratze, und ich kriege nicht heraus, wie ich das ändern soll. Allerdings würde ich mir eher die Zunge abbeißen, als das gegenüber meiner Besserwisser-Schwester zuzugeben.

»Lass uns über etwas anderes sprechen«, sage ich auf dem Weg zum Pausenraum, um mir einen Kaffee aufzubrühen. »Irgendwas anderes.« An dem Geräusch im Hintergrund erkenne ich, dass Eden auch Kaffee zubereitet. Zwei Doofe und so weiter.

»Aber jetzt mal ernsthaft«, sagt sie. »Du musst diesen Kreislauf durchbrechen, Ash. Langsam wird es lächerlich. Sag mir noch mal, warum du mit dem Typen davor Schluss gemacht hast? Diesem Gary?«

»Du weißt, warum.« Ich setze einen neuen Filter in die Maschine und fülle Kaffee hinein.

»Du hast behauptet, er sei zu anhänglich.«

»Ganz genau«, sage ich und gieße das Wasser ein. »Und vergiss nicht, dass er unsere Jersey/Brooklyn-Lebenssituation als Fernbeziehung bezeichnet und mich zehn Malam Tag angerufen hat, nur um meine Stimme zu hören. Danke, nein.«

»Mh-hm. Und der Typ vor ihm … John? Er war nicht anhänglich genug, oder?«

»Ja. Na und?« Die Maschine hustet und zischt, während der dampfende Kaffee in die Kanne tröpfelt.

»Und weiter unten auf der Liste der Abservierten gab es noch Pablo – zu klein, Damien – zu groß, Bartholomew – zu blond.«

»Du weißt, warum ich nicht mit blonden Typen zusammen sein kann.«

»Und dann war da noch der arme, perfekte Peter, den du abgeschossen hast, weil er sich rasiert hat – überall.«

Ich schnappe mir einen sauberen Becher aus dem Schrank und gebe vier Stück Zucker hinein. »Hey, du musstest dir nicht die ganze Zeit seine perfekten Augenbrauen ansehen. Es war verstörend, wie geschwungen sie waren. Und von der Taille abwärts hatte er null Haare, also bitte. Es ist schon okay, wenn Typen sich da unten pflegen, aber er war vollkommen glatt. Ich habe versucht, damit klarzukommen, aber es war, als würde ich mit Ken ausgehen.«

Ich kann quasi hören, wie Eden die Augen verdreht. »Hast du jemals in Betracht gezogen, dass du keine Langzeitbeziehung führen kannst, weil du gar keine willst?«

Zur Antwort verdrehe ich die Augen besonders laut. »Ja, natürlich, meine liebe Schwester. Das ist auf jeden Fall meine Motivation dafür, Zeit mit all diesen Männern zu verbringen. Um niemals eine liebevolle, erfüllende Beziehung zu haben und allein zu sterben.« Den wahren Grund, warum ich all diese Männer verlassen habe, verrate ich ihr nicht. Darüber zu sprechen wäre zu peinlich, sogar mit ihr.

»Aber warum erfindest du dann schwache, lahmarschige Ausreden, um mit jedem Typen Schluss zu machen? Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass du vielleicht zu pingelig bist?«

»Ich bin nicht pingelig. Ich weiß einfach, was ich in einer Beziehung will, und bin nicht bereit, für einen Typen, der nicht perfekt zu mir passt, von meinen Vorstellungen abzuweichen.«

Eden zischt missbilligend, dann wird sie verdächtig still.

»Was?«, frage ich und rühre etwas Kaffeeweißer in meinen Kaffee. »Was für eine sarkastische Bemerkung unterdrückst du gerade?«

Sie räuspert sich. »Ich wollte sagen, dass es keinen Mann auf der Welt gibt, der all deine unmöglichen Erwartungen erfüllen kann, aber dann ist mir aufgefallen, dass es zumindest einen gibt und ich mit ihm zusammen bin.«

Ich mache ein triumphierendes Geräusch. »Exakt. Du hast deinen perfekten Typen und willst mir trotzdem einreden, ich solle auf meinen verzichten? Schäm dich, Eden Marigold Tate.«

Ich werfe das Rührstäbchen in den Müll, schnappe mir meinen Kaffee und gehe zurück zu meinem Schreibtisch.

»Na gut, das ist ein Argument«, sagt Eden. »Jedenfalls wollte ich nur mal hören, wie es so läuft. Ich weiß, dass ich zuletzt ziemlich viel Zeit mit Max verbracht habe und … na ja, ich vermisse dich. Bist du sicher, dass es nichts gibt, worüber du mit mir reden willst? Keine anderen Männer in Sicht? Kein prominenter Schwarm, über den du reden willst?«

Ich lasse mich auf meinen Stuhl gleiten, klicke mit der Maus noch einmal auf den Feed von Professor Feelgood und fächele mir mit dem Notizbuch Luft zu. »Nein. Nichts und niemand. Mir geht’s gut. Ich hab nur … viel zu tun.« Und bin kurz davor, die weltweite Energiekrise zu beseitigen, wenn ich nur einen Generator entwickeln könnte, der die Hitze in meinem Slip in Strom umwandelt.

Eden hält inne. Ich weiß, dass sie mir meine gelassene Haltung nicht ganz abkauft, aber sie dringt auch nicht weiter in mich. Doch ich kenne meine Schwester und weiß, dass das nicht lange so bleiben wird.

»Na gut, dann«, sagt sie. »Wir sehen uns heute Abend. Hab dich lieb.«

»Ich dich auch.«

Ich lege auf und seufze tief. Ich weiß, dass sie mein wachsendes Unbehagen in Bezug auf meinen Freund spürt. Aber das ist nicht das Einzige, was mich beschäftigt.

In letzter Zeit fühle ich mich … komisch, und ich weiß nicht, warum. Gibt es so etwas wie eine Zwanziger-Krise? In ein paar Wochen werde ich vierundzwanzig, das könnte also ein Grund sein, schätze ich. Aber mich plagt eine nagende Unzufriedenheit, als hätte ich den falschen Weg eingeschlagen und trüge die Schuhe von jemand anderem. Doch obwohl sie eine halbe Nummer zu klein sind, kann ich das Unbehagen ignorieren und weitermachen, solange ich nicht zu sehr darüber nachdenke.

Aber die Posts des Professors bringen mich dazu, diese Unzufriedenheit untersuchen zu wollen. Er weckt in mir das plötzliche Verlangen, mutig zu sein und den richtigen Weg zu finden, zusammen mit einem Paar passender Schuhe.

Wenn ich nur eine Ahnung hätte, wie ich das anstellen soll.

2. KAPITEL

Eine knifflige Challenge

Gegen halb neun haben sich die stillen und leeren Verlagsräume in einen wuselnden Bienenstock verwandelt.

Nachdem ich den Browsertab mit dem Professor sorgfältig geschlossen habe, mache ich mich wieder an meine To-do-Liste für den Tag. Sie ist irre lang, und zweifellos werde ich mich auch heute Abend noch hier abrackern, nachdem alle anderen längst nach Hause gegangen sind.

Gegen neun blicke ich von meinem Computer auf und muss ein Stöhnen unterdrücken.

Es ist Tag 523 bei Whiplash, und hier kommt Devin Shields, um mich zum fünfhundertdreiundzwanzigsten Mal anzubaggern. Er trägt ein grell gemustertes Hemd unter seinem marineblauen Anzug und hat die weißblonden Haare wie immer perfekt zurückgegelt. Ich bin mir nicht sicher, ob er absichtlich auf Draco Malfoy macht, aber die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Wenn ich doch nur Expecto Patronum könnte …

»Tate.«

»Shields.«

Ich richte meinen Blick wieder auf den Bildschirm, doch aus dem Augenwinkel erkenne ich, wie er sich an die Trennwand meiner Kabine lehnt. Stur arbeite ich weiter. Hoffentlich kapiert er meinen subtilen Hinweis, dass ich lieber diesen Umsatzbericht fertigmache, als mich mit ihm abzugeben. Außerdem weiß ich, wenn ich jetzt aufblicke, würde ich ihn dabei erwischen, wie er meinen Ausschnitt einer intensiven Begutachtung unterzieht, und bei meiner derzeitigen Laune würde ich mich nicht davon abhalten können, ihm ein Post-it mit MEINE AUGEN SIND HIER OBEN, DU ARSCH mitten auf die Stirn zu tackern.

Devin glaubt allen Ernstes, er wäre das Alphatier unter den Lektoratsassistenten in unserem tapferen kleinen Verlag und hätte, weil wir anderen alle Frauen sind, automatisch recht. Einige der Mädels streicheln sein Ego, indem sie um seine Gunst wetteifern, und vermutlich sieht er auch gar nicht so übel aus, auf so eine metrosexuelle Schmieriger-als-Vaseline-Art. Aber er erinnert mich viel zu sehr an das untreue Arschloch, mit dem ich auf der Highschool zusammen war, um ihn jemals attraktiv zu finden. Die traurige Wahrheit ist: Auch nach all den Jahren und nach dutzenden gescheiterter Beziehungen kriege ich bei blonden Männern immer noch die Krätze.

»Du ziehst dich so an, weil du mich quälen willst, stimmt’s?«, sagt Devin. »Der Bleistiftrock, diese enge Bluse. Das dient alles nur dazu, mich in den Wahnsinn zu treiben.«

Ich nicke ernsthaft, ohne ihn anzusehen. »Genau, Devin. Jeden Morgen, wenn ich mir etwas anziehe, überlege ich mir als Erstes, wie es wohl auf dich wirkt. Es hat nichts damit zu tun, was gewaschen ist und mir passt. Du hast mich durchschaut. Mist!«

»Ich wusste es. Und heute siehst du sogar besonders hübsch aus. Ist die Brille neu?«

»Nö. Die trage ich seit zwei Jahren jeden Tag, aber Glückwunsch zu deiner ausgezeichneten Beobachtungsgabe.« Wahrscheinlich kommt ihm die Brille neu vor, weil ihm meine Brust vertrauter ist als mein Gesicht. Manchmal denke ich, ich sollte mir ein Stirnband mit ein paar feschen Plastikmöpsen umbinden, damit die Männer ihren Blick weiter nach oben richten. Ich könnte die Idee bei Die Höhle der Löwen verkaufen und Millionen verdienen, weil so viele Frauen es satt haben, dass ihre Nippel mehr Aufmerksamkeit bekommen als ihre Pupillen.

»Also mir gefällt die Brille«, sagt Devin und setzt sich unaufgefordert auf den Stuhl neben mich. »Wirklich … sinnlich.«

Ich beachte ihn gar nicht und tippe weiter. Eigentlich brauche ich gar keine Brille, aber ich habe mich in einem literarischen Umfeld immer wohler gefühlt, wenn ich eine trage. Wenn man eine Frau ist, und noch dazu kurvig, stellen die Leute in jeder Branche automatisch Vermutungen über deine Intelligenz an, als verhielte sich die Oberweite antiproportional zum IQ. Also habe ich auf dem College angefangen, eine Hornbrille zu tragen, um mir selbst so eine Art umgekehrte Street Credibility zu verleihen. Bücherwurm-Credibility, sozusagen. Ich habe das Gefühl, wenn ich sie aufhabe, nimmt man mich ernster.

Devin ist aber ganz eindeutig die Ausnahme von dieser Regel. Ich könnte einen Ganzkörper-Kuschelumhang mit Rollkragen tragen, und er würde immer noch einen Körperteil an mir finden, den er sexualisieren kann. »Wow, Tate, deine Fußknöchel sind heiß. Du siehst toll aus.«

»Also, Asha«, sagt Devin und geht vollkommen unbekümmert über mein nichtvorhandenes Interesse hinweg, »ist dies die Woche, in der du unserer unwiderstehlichen wechselseitigen Anziehungskraft endlich nachgibst und mit mir ausgehst?«

Jetzt schaue ich doch auf und lächle ihn geduldig an, was viel mehr ist, als er verdient hat. »Devin, wie oft soll ich es dir noch sagen: Du bist nicht mein Typ. Und selbst wenn, du weißt, dass ich einen Freund habe.«

»Ja, aber der ist doch in Frankreich, oder? Alle Fernbeziehungen scheitern früher oder später.«

»Kann sein, aber wir sind wild entschlossen, es zu versuchen.«

Genau genommen habe ich keinen Freund in Frankreich, aber diese Geschichte erzähle ich allen. Ich hatte naiverweise angenommen, Devin würde von seinen täglichen Besuchen absehen, wenn er wüsste, dass ich nicht mehr auf dem Markt bin, aber von wegen. Es ist bloß ein weiterer wunder Punkt im Reizdarm meines aktuellen Lebensplans.

»Also«, sagt Devin, rückt näher und senkt die Stimme zu einem Flüstern, das er wohl für sexy hält. »Wenn es mit deinem Franzosen in die Brüche geht, sag Bescheid. Ich spreche zwar die Sprache nicht, aber ich kann mindestens genauso gut küssen.«

Er krönt das Ganze mit einem Zwinkern.

Ekelhaft.

Ich fletsche die Zähne zu so etwas Ähnlichem wie einem Grinsen. Ich bin längst nicht so gut darin wie meine Schwester, einen Typen mit einem vernichtenden Blick oder einer wortgewandten Ego-Klatsche zum Schweigen zu bringen, aber es steht auf meiner Liste der Dinge, an denen ich noch arbeiten muss, zusammen mit meiner Zuckersucht und meiner Leidenschaft für Secondhand-Designermode.

»Ich werd’s mir merken.«

Devin schaut sich um, als wolle er sichergehen, dass uns niemand hört, dann raunt er: »Hat Serena dir schon erzählt, dass einer von uns Assistenten zum Lektor befördert werden soll?«

Serena ist die Cheflektorin und meine direkte Vorgesetzte, also würde ich wetten, dass ich es sogar eher wusste als er. »Na sicher.«

»Und hast du deinen Hut in den Ring geworfen?«

Als wüsste er die Antwort darauf nicht schon längst. »Was denkst du denn?«

Ich mache kein Geheimnis aus meinem Ziel, die jüngste Lektorin aller Zeiten bei Whiplash zu werden. Wahrscheinlich war mein dreister Ehrgeiz im Vorstellungsgespräch sogar der Grund, warum ich den Job als Lektoratsassistentin bekommen habe, obwohl ich frisch vom College kam und noch grüner hinter den Ohren war als Kermit der Frosch. In den letzten zwei Jahren habe ich alles in meiner Macht Stehende getan, um zu beweisen, dass ich die nötigen Voraussetzungen mitbringe – angefangen damit, Serena beim Redigieren zu helfen, bis hin zum Umschreiben von ganzen Kapiteln bei Manuskripten, die einfach nicht funktioniert haben. Nach all meinem Einsatz und den zahlreichen Überstunden, die ich in Kauf genommen habe, um mich unentbehrlich zu machen, ist mir diese Beförderung so gut wie sicher. Oder zumindest sollte sie es sein.

Natürlich ist Devin genauso von sich überzeugt, in erster Linie, weil er der Neffe von unserem Boss, Robert Whip, ist, und das bedeutet, dass es für ihn nur aufwärts gehen kann. Devin ist kein schlechter Lektor, aber großartig ist er auch nicht. Was ihn von fast allen anderen hier unterscheidet, ist sein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Oder in den Worten meiner weisen Großmutter: »Oh Herr, schenk mir das Selbstvertrauen eines mittelmäßigen Mannes.«

Trotz der familiären Verbindung bezweifle ich, dass Mr Whip voll auf Vetternwirtschaft setzt und Devin unverdient befördert. Und dennoch trägt Devin einen so selbstgefälligen Ausdruck zur Schau, dass bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen.

Er schlägt die Beine übereinander. »Serena hat dir offensichtlich nicht erzählt, dass Onkel Robert aus dem Bewerbungsverfahren eine Challenge gemacht hat. Wer das Projekt mit dem größten Bestseller-Potenzial an Land zieht, kriegt die Stelle.«

Ich höre auf zu tippen und drehe mich zu ihm um. Das ist mir neu. »Was?«

Das ist nicht gut. Unter normalen Umständen wäre ich mir absolut sicher, dass ich den Job im Handumdrehen bekommen würde – aber einen Bestseller entdecken? Das ist, als sollte ich einen Kobold aus meiner Achselhöhle hervorzaubern. Selbst einige der erfahrensten Lektoren hier haben noch keinen Bestseller gelandet, und sie versuchen es seit Jahren.

Warum nur habe ich den Eindruck, dass Devin bei diesem absurden Plan ein kleines bisschen nachgeholfen hat?

»Jep«, sagt Devin und schnappt sich meinen Wackelshakespeare. »Serena wird jeden Moment ein Memo rausschicken.« Er gibt Willy einen Schlag auf den Kopf und schaut zu, wie er nickt. Ich knirsche mit den Zähnen. Ich mag es nicht, wenn irgendjemand meinen Willy anfasst. Außerdem hat Devin einmal, als ich Macbeth zitiert habe, gedacht, es wäre aus Game of Thrones, also hat er nun wirklich kein Recht, den Meister zu begrapschen.

Gerade noch rechtzeitig, um meinem wachsenden Zorn zu entgehen, stellt Devin Willy zurück auf den Tisch und steht auf. »Na ja, ich fand bloß, du solltest es wissen. So, wie es aussieht, werden wir das unter uns ausfechten. Aber zum Glück bedeutet dein schlechter Buchgeschmack, dass ich vermutlich das Rennen machen werde.«

Ich funkle ihn an. »Mein schlechter was?«

»Aaach, komm schon. Du hast doch eine Schwäche für diesen Romantikscheiß. Ich sehe genau, wie du ihn in jeder freien Minute verschlingst. Ich persönlich würde es ja nicht ertragen, immer wieder den gleichen unrealistischen Mist lesen zu müssen, aber wenn du auf Mummy-Porn stehst, ist das dein gutes Recht.«

Ich werde wütend und stehe auf. »Wenn du jemals einen Liebesroman gelesen hättest, Devin, dann wüsstest du, dass so viel mehr darin steckt als bloße Erotik. Sie ermutigen und inspirieren Frauen. Sie sind tröstlich, und ja, manchmal anregend. Ich glaube einfach nicht, dass du so viele dumme Vorurteile einem ganzen Genre gegenüber hast, vor allem, wenn man bedenkt, dass ›dieser Romantikscheiß‹ dieses Verlagshaus am Laufen hält. Jedes Jahr aufs Neue beweisen die Romance-Verkaufszahlen, dass die Kaufkraft von Frauen …«

Devin hebt die Hände. »Hey, hey, hey, schon gut. Reg dich ab, Süße. Ich wusste nicht, dass ich das Biest entfessle, wenn ich deine kostbaren Liebesromane kritisiere. Ich glaube, ich hab dich noch nie so wütend gesehen.« Er beugt sich vor. »Es ist unfassbar sexy.«

Zum allerersten Mal lege ich Hand an Devin Shields, genauer gesagt an seine Schultern, um ihn von meinem Schreibtisch wegzuschieben. »Hau ab, Devin. Ich habe heute nicht die Nerven, mich mit dir zu beschäftigen.«

Er wirft mir einen verletzten Blick zu. »Bist du sauer? Falls ja, können wir uns gern im Materiallager treffen, damit du mich bestrafen kannst.«

Ich atme tief durch und schiebe mir die Brille auf der Nase hoch. »Es ist Strafe genug, wenn ich die Beförderung bekomme. Und jetzt solltest du besser gehen, sonst rufe ich in der Personalabteilung an und beschwere mich wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.«

Das bringt mir ein höhnisches Grinsen ein. »Mein Gott, Tate, du verstehst echt keinen Spaß. Ich glaube, du bist bloß so zickig, weil du weißt, dass ich dir den Job wegschnappen werde. Aber keine Sorge, ich werde ein guter Boss sein, wenn ich erst mal die Karriereleiter erklommen habe.« Wieder lächelt er, aber diesmal weniger freundlich. Er weiß ganz genau, dass ich seine Hauptkonkurrentin bin und alles dafür tun werde, um ihn auszustechen. Allerdings hat er mir gegenüber einen entscheidenden Vorteil, und das sind seine Verwandten in drei der größten Verlagshäuser in New York. Ich habe keinen Zweifel, dass er sie bereits alle angezapft hat auf der Suche nach dem goldenen Manuskript.

Ich habe das Gefühl, als beträte ich die Arena mit einem Stock, an den eine Banane genagelt ist, während er ein riesiges Langschwert schwingt.

»Bis später, Tate. Ach, und viel Glück.«

Devin wirft noch einen letzten Blick auf meinen Ausschnitt, eher er sich zurück an seinen Schreibtisch auf der anderen Seite des Großraumbüros begibt.

Ich blicke ihm immer noch zornig nach, als in meinem Postfach eine E-Mail zu der Challenge eintrudelt. Während ich sie lese, steigt ein fieses Gefühl des Grauens in meinem Bauch auf. Alle Lektoratsassistenten haben zwei Wochen, um ein Projekt zu finden, das sie vorstellen möchten, und dann werden Serena und Mr Whip die Einreichungen durchgehen und sie nach Originalität und Erfolgsaussichten bewerten.

Ich schnappe mir die Liste mit meinen aktuellen Manuskriptfavoriten vom Schreibtisch und gehe in Serenas Büro. Ihr Arbeitsplatz ist genauso wie sie: schick, modern und hell. Sie blickt auf und wirkt nicht im Mindesten überrascht, mich zu sehen.

»Du hast die E-Mail gelesen.«

»Ja.«

Sie bedeutet mir, mich hinzusetzen. »Hast du schon eine Idee?«

»Nicht wirklich. Das sind die interessantesten Manuskripte, die in letzter Zeit hereingekommen sind, aber keins davon hat mich vom Hocker gerissen.«

Ich reiche ihr das dünne Blatt und setze mich.

Serena presst die kirschroten Lippen aufeinander, während sie meine Liste überfliegt. Mit dem platinblonden Bob, der in der Morgensonne glänzt, und dem Kleid in ihren üblichen Farben Creme, Beige und Weiß sieht sie aus wie ein wunderschöner Fashion-Engel mit blau gerahmter Brille. Ich habe noch nie eine so ordentliche Frau kennengelernt wie Serena. Sie scheint durchs Leben zu schweben, ist immer perfekt frisiert und hat nie auch nur den kleinsten Fleck auf ihren makellosen, hellen Sachen. Es ist zugleich inspirierend und irritierend.

Ich persönlich stehe mehr auf Secondhand-Vintage-Style und habe meinen knallroten Lippenstift fünf Minuten nach dem Auftragen schon wieder abgeleckt. Ich habe gelernt, dass ich niemals Weiß tragen sollte, denn wenn ich das tue, dann bekleckere ich mich so sicher wie ein tollpatschiges Kleinkind.

Nachdem sie meine Liste durchgegangen ist, legt Serena das Blatt vorsichtig auf den Tisch. »Das sind keine besonders aufregenden Aussichten.«

Erzähl mir was Neues.

»Ich halte die Augen offen. Aber im Ernst, Serena, diese Challenge ist doch lächerlich, oder? Es ist so, als würde man den glücklichen Lottogewinner zum Finanzberater ernennen. Es ist einfach nicht logisch, auf diese Weise einen neuen Lektor auszuwählen.«

Sie nickt und setzt ihre Brille ab. »Ich weiß, du hast mit dieser Beförderung gerechnet, Asha, aber mir sind die Hände gebunden.«

Als sie mir die Liste zurückgibt, zerknülle ich sie zu einer Kugel. »Ich weiß, dass du nichts machen kannst, aber … ich bin die einzige Lektoratsassistentin, der du ein paar deiner großen Autoren anvertraut hast. Devin hat drei Wochen gebraucht, um die neue Brandschutzvorschrift zu redigieren. Er muss ständig kontrolliert werden.«

»Ich weiß.« Sie sieht sich durch die Glaswand hinter mir im Großraumbüro um, ehe sie sich vorbeugt und raunt: »Asha, du bist den anderen Assistenten meilenweit voraus, aber Robert muss eben alles so machen, wie er es will. Wenn du nichts findest, das ihn aus den Socken haut, kann ich nichts für dich tun. Also musst du liefern, okay?«

Ich nicke, auch wenn ich überhaupt nicht zuversichtlich bin. »Ich nehme nicht an, dass du irgendeinen Tipp für mich hast, wo ich einen unglaublichen Bestseller aufspüren kann?«

Sie schaut mich mitfühlend an. »Wenn ich irgendetwas mit auch nur ein bisschen Potenzial hätte, würde ich es dir geben. Aber leider habe ich in den letzten Wochen nichts Aufregendes auf den Schreibtisch bekommen. Aber auch wenn die Bestsellerlandschaft im Moment ein wenig abgegrast wirkt, habe ich Vertrauen in dich. Du bist clever und hast einen guten Instinkt.«

»Fairerweise muss man das auch über Devin sagen. Außerdem ist er Mitglied des Shields/Whip-Verlagskartells, da hat er sicher Augen und Ohren auf alle Stapel unverlangt eingesandter Manuskripte in der ganzen Stadt.«

»Devin hat nicht deinen Einfallsreichtum. Da kannst du ihn schlagen. Bring uns irgendwas Außergewöhnliches. Etwas, was wir noch nicht gesehen haben.«

Als wäre das so einfach.

»Okay. Danke, Serena. Ich tu, was ich kann.«

Sie lächelt. »Das tust du immer. Darum bist du ja auch mein Liebling.«

Leider hilft mir das in dieser Situation nicht weiter.

Zurück an meinem Schreibtisch fahre ich mir mit den Fingern durch die Haare. Ich durchforste regelmäßig die Tiefen meines Stapels unverlangt eingesandter Manuskripte, aber dort irgendetwas mit Bestsellerpotenzial zu finden ist ungefähr so wahrscheinlich, wie kopfüber in eine Müllkippe zu springen und mit einer blitzsauberen Chanel-Handtasche wieder aufzutauchen.

Ich schätze, ich könnte die Unmengen an frei verfügbaren Romanen im Netz durchkämmen und schauen, ob ich da auf irgendein Talent stoße. Auf diese Weise wurde schon so mancher Bestsellerautor entdeckt, aber sonderlich originell ist das nicht.

Ich bin immer noch tief in Gedanken versunken, als meine Freundin Joanna neben mir auftaucht. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, hat sie die Neuigkeit auch schon gehört. Andererseits hat Joanna die Gabe, Sachen herauszufinden, die sonst niemand weiß. Wenn Krieg wäre, würde sie eine erstklassige Spionin abgeben. Offenbar hat sie überall ein Netzwerk an Informanten.

»Devin hat schon Sandra Larson angeschrieben und sie gebeten, ein neues Buch einzureichen«, flüstert Joanna, als sie sich auf den Stuhl neben meinem Schreibtisch fallen lässt. Ich will den Mund aufmachen und ihr sagen, wie lächerlich das ist, aber sie schüttelt den Kopf. »Ich weiß, sie hat seit fünf Jahren nichts veröffentlicht, und alle denken, sie hat sich zurückgezogen, aber Devins Bruder bei Random House kennt sie, und der schwört, dass sie wieder schreibt. Sie ist so gut wie fertig mit dem ersten Entwurf zu einem neuen Buch aus dem Rageheart-Universum.«

Mir krampft sich der Magen zusammen. Rageheart war eine mega-erfolgreiche Fantasy-Trilogie, die nicht nur die internationalen Bestsellerlisten gestürmt hat, sondern auch noch als Blockbuster fürs Kino verfilmt wurde. Wie um alles in der Welt soll ich mit einer Serie mithalten, zu der es ein ganzes Set von Actionfiguren gibt?

»Das wird sie doch sicher zuerst ihrem jetzigen Verlag anbieten müssen«, sage ich. »Warum sollte sie zu uns kommen? Wir sind doch viel kleiner.«

»Es geht schon länger das Gerücht, dass sie unglücklich dort ist und sich nach etwas anderem umsieht. Devin ist vielleicht genau derjenige, der sie überredet, zu uns zu kommen. Du weiß doch, sein Süßholzraspeln ist der einzige Grund, warum er überhaupt mal eine ins Bett bekommt.«

Mir schwirrt der Kopf. »Wenn er das an Land zieht, hat er die Beförderung sicher.«

Joanna nickt. »Genau. Also müssen wir für dich etwas Besseres finden.«

Ich setze die Brille ab und reibe mir die Augen. »Besser als ein Spin-off zu einer mega-erfolgreichen Fantasyreihe? Zum Beispiel?«

Joanna zuckt mit den Schultern. »Ich weiß nicht, aber du kannst das! Das hab ich in den Möpsen.«

Da muss ich lächeln. Was ich an Joanna so mag, ist ihr Optimismus. Sie hat einen unerschöpflichen Quell an Zuversicht und teilt ihn gern mit allen.

»Immerhin glauben deine Möpse an mich.«

Joanna nimmt meine Hände und dreht mich zu sich um. »Pass mal auf, ich erzähle das nicht vielen Leuten, weil meine Gabe die meisten abschreckt, aber ich habe oft starke Vorahnungen bei Leuten oder Ereignissen. Und ich weiß, wenn du diese Gelegenheit mit beiden Händen beim Schopf packst, wird dein Leben eine entscheidende Wendung nehmen. Vertrau mir. Meine Möpse irren sich nicht.« Sie drückt meine Hände und steht auf. »So, jetzt an die Arbeit. Ich hole dir einen Kaffee. Den wirst du brauchen.«

Als sie geht, lasse ich mich auf meinem Stuhl zurücksinken und schließe die Augen. Ein todsicherer Bestseller. In zwei Wochen. Kein Problem.

Ich werfe einen raschen Blick in meine Achselhöhlen. Leider sind dort keine Kobolde aufgetaucht.

So wie es aussieht, bin ich auf mich allein gestellt.

3. KAPITEL

Die Jagd nach dem Bestseller

Nachdem ich stundenlang mit dem Laptop auf den Oberschenkeln auf meinem Bett gesessen habe, lasse ich den Kopf kreisen und zucke zusammen, als es knackt. In dem Versuch, mir bei der Bestsellersuche zu helfen, hat Serena mir in den vergangenen zwei Wochen siebzehn Manuskripte weitergeleitet, aber nichts davon hat mein Kreativzentrum in Wallung versetzt. Bis zur Präsentation sind es nur noch zwei Tage, und in der vergeblichen Hoffnung, einen Rohdiamanten zu finden, überfliege ich verzweifelt die letzten Bücher auf meiner Liste.

Ich habe eine Tabelle geöffnet, in der ich Notizen zu allen gelesenen Manuskripten gemacht und ihr Potenzial mit verschiedenen Farben gekennzeichnet habe. Rot bedeutet »für die Tonne oder als Kaminanzünder«. Gelb bedeutet »Lesen, wenn man betrunken oder high ist, dann ist es nicht ganz so schlimm«, und Grün steht für »Mein Gott! Ich hasse es nicht! Ich glaube, ich bin fast gekommen!«. Natürlich habe ich nichts grün markiert. Eins ist grünlich-gelb, aber das betrachte ich als mein Feuerlöscher-Manuskript: Nur im Notfall verwenden.

In den vergangenen vierzehn Tagen habe ich so viel gelesen, dass ich quasi schiele. Mein Gehirn hat Dutzende Bücher und Millionen Wörter gefiltert, vergebens, und jetzt habe ich keine Zeit mehr.

Verdammt.

Ich öffne ein neues Dokument und tippe wie verrückt meine Gefühle zu meiner Suche nach dem nächsten großen amerikanischen Bestseller. Ich beginne mit der Absicht, so etwas wie ein geniales Gedicht zu schreiben, aber während meine Finger über die Tastatur fliegen, entsteht etwas, das eher nach dem Grüffelo klingt.

Ich las Schmonzetten, Schmalz und Schund

Durchwühlte Stapel bis auf den Grund

Durchforstete Hochglanzmagazine

Fand Wortverbrechen, ziemlich obszöne

Ich klickte mich durch Fanfics im Internet

Und fiel vor Langeweile schnarchend ins Bett

Doch der heilige Gral war nirgends zu finden

Nichts, was sich lohnte, zu drucken und binden

Bin verzweifelt und müde – zum Haareraufen

Die Uhr tickt lauter, keine Zeit zum Verschnaufen

Das Buch, das ich suche, ist noch unbekannt

Und wohnt sicher und versteckt im Niemandsland.

Ich schiebe den Laptop weg und lehne mich an mein Kopfteil. Das ist so ungerecht. Nachdem ich mir jahrelang ein Bein ausgerissen habe, um mich zu beweisen, hängt diese Beförderung an einer Aufgabe, die ich nicht lösen kann. Die Gerüchte über Devin und Sandra Larson sind wahr. Er hat die ganze Woche schon damit angegeben, der Riesenarsch.

Auf dem Nachttisch neben mir vibriert mein Handy. Joanna hat mir geschrieben.

Bin in 20 Minuten da. Ich habe Alkohol.

Super. Sie kommt vorbei, um mir bei meiner Präsentation zu helfen, aber ich habe nichts als einen Riesenhaufen Mist.

Ich will gerade einen Science-Fiction-Roman zu Ende lesen, der im Grunde eine schlecht geschriebene Version von Stolz und Vorurteil im Weltall ist, da schallt Miley Cyrus’ Wrecking Ball aus meinem Handy. Im selben Moment erscheint ein Bild meiner Großmutter auf dem Display. Ihr von grauen Strähnen durchzogenes rotes Haar ist zu zwei Schnecken im Prinzessin-Leia-Stil frisiert, und sie grinst und formt mit den Händen ein Herz.

Dieses Foto beschreibt perfekt Nannabeths Persönlichkeit. Mit anderen Worten: ein dreizehnjähriges Mädchen im Körper einer fünfundsiebzigjährigen Frau. Manchmal frage ich mich, ob irgendwo eine arme Schülerin herumläuft, die in einer Vollmondnacht den Körper mit ihr getauscht hat und sich jetzt darüber beklagt, dass »die jungen Leute heutzutage nichts mehr wissen«, und Regen aufgrund des Schmerzes in ihrem kaputten Knie vorhersagen kann.

Bei diesem Gedanken muss ich lächeln.

Trotz ihres jugendlichen Auftretens würde ich Nan für nichts auf der Welt eintauschen. Sie ist einzigartig und eine der beiden Personen auf dieser Erde, denen ich blind vertraue.

Ich tippe auf die Antworttaste und nehme den Anruf über Lautsprecher entgegen. »Hey, Nan. Was gibt’s?«

»Asha«, sagt sie in einem mir vertrauten panischen Tonfall. »Es geht um Moby. Ich glaube, er liegt im Sterben.«

»Schon wieder? Das ist das dritte Mal diese Woche.«

Nannabeth ist ihrer Ente, Moby, treu ergeben. (Ganz genau, Moby Duck. Ein großartiger Name für einen großartigen Vogel.) In Nannabeths Leben ist neben Eden und mir niemand so wichtig wie Moby, und auf diesem Planeten gibt es ganz sicher keinen verwöhnteren Vogel. Nan kümmert sich wie eine Glucke um ihn.

»Asha, ich meine es ernst.«

»Ich weiß, Nan, aber ich bezweifle, dass er stirbt. Wahrscheinlich will er nur deine Aufmerksamkeit.«

»Er macht beim Schlafen ein komisches Geräusch.«

»Er schnarcht. Das weißt du doch.«

»Ja, klar, aber das hier hört sich anders an. Normalerweise klingt es so.« Sie macht ein Geräusch wie eine Rennmaus mit Kopfgrippe. »Und heute klingt er so.« Sie macht genau dasselbe Geräusch.

Ich seufze. Nachdem unser Vater uns verlassen hatte und Mom gestorben war, ist Nannabeth eingesprungen und wurde für uns wie Mutter und Vater. Sie ist unser Ein und Alles, und ich liebe sie mehr als mein Leben, aber das heißt nicht, dass sie mich nicht manchmal in den Wahnsinn treibt. Nach meiner Erfahrung sind es die Leute, die uns am nächsten stehen, die uns am meisten auf die Nerven gehen.

»Nan, ich bin mir sicher, dass es Moby gut geht, aber wenn du dir Sorgen machst, dann ruf Dr. Solley an. Er macht sicher gerne einen Hausbesuch.« Dr. Solley ist Mobys Tierarzt, seitdem Nan ihn hat, und ich bin mir sicher, dass er die Renovierung seiner Wohnung in der Park Avenue allein mit Nannabeths Tierarztrechnungen finanziert hat.

»Wahrscheinlich hast du recht«, sagt Nannabeth und klingt ein bisschen ruhiger. »Ich kann nur die Vorstellung nicht ertragen, ihm könnte etwas zustoßen.«

»Das verstehe ich. Aber er ist ein taffer Vogel. Er würde sich nicht von etwas so Trivialem wie Schlafapnoe unterkriegen lassen.«

Wenn es um ihre geliebte Ente geht, mag Nan neurotisch sein, aber ich verstehe sie. Sie hat viele Menschen verloren, die ihr sehr nahestanden, darunter auch ihre Tochter – ihre Angst ist also eine natürliche Reaktion. Eine, die ich nur allzu gut verstehe.

Ich höre es rascheln und kann mir vorstellen, wie Nan sich in ihrem Bett an Moby kuschelt und schützend einen Arm um ihn legt.

»Und was hast du heute Abend vor, Süße?«, fragt sie leise. »Facetimest du vielleicht mit deinem Franzosen? Oder machst du ein bisschen … wie hieß das noch? Sexting?«

»Nan!«

»Was? Das machen die jungen Leute doch heutzutage, oder? Dafür muss man sich nicht schämen. Dein Granddad und ich haben früher, als er noch am Leben war, auch jede Menge Sexting gemacht, aber damals nannte man das natürlich noch Briefe schreiben.«

Ich kneife die Augen zu. »Nan, bitte. Du weißt, wie unangenehm es mir ist, wenn du über Sex mit Granddad sprichst.«

»Oh Liebling, meinst du nicht, dass auch alte Leute ab und zu einen vernünftigen Orgasmus brauchen? Auch wir Oldies haben Bedürfnisse.«

Gott, mein Gehirn. Bitte keine Bilder.

»Egal, Nan, um deine Frage zu meinen abendlichen Plänen zu beantworten: Ich werde nicht mit meinem Freund sprechen. Ich arbeite. Und am Montag habe ich eine superwichtige Deadline, deshalb muss ich mich kurzfassen.«

Ich stecke mir mein Handy in den Ausschnitt, damit ich tippen kann, während wir reden. Eden zieht mich immer auf, wenn sie mich dabei sieht, aber nur, weil ihre Brüste dafür zu klein sind. Ihr schlanker, kurvenloser Körper mag bekleidet besser aussehen als meiner, aber dummerweise hat sie keine so großartige Dekolleté-Freisprechanlage.

»Oh Schätzchen«, sagt Nan. »An einem Samstagabend arbeiten zu müssen ist ja wirklich traurig. Ist das immer noch wegen der Beförderung?«

»Ja.«

»Ahh. Also, wie läuft deine Suche nach der nächsten Great American Novel?«

»Nicht besonders gut.« Ich tippe den Namen des Manuskripts, das ich gerade lese, in die gelbe Spalte meiner Tabelle. »Mein Ausschussstapel hat gerade den Freedom Tower als höchstes Bauwerk in New York abgelöst.«

Sie lacht. »Dann sollte ich dich wohl weiterarbeiten lassen.«

»Leider ja.« Ich ziehe das Handy zwischen meinen Brüsten hervor und halte es mir dicht vor den Mund. »Umarme Moby von mir, okay? Und nächste Woche gehen wir zusammen essen.«

»Auf jeden Fall, Liebling. Bis bald.«

»Hab dich lieb, Nannabeth.«

»Ich dich auch.«

Ich lege auf und reibe mir die Augen. Ich habe fünf Stunden ohne Pause gearbeitet, und meine Augen fühlen sich an wie Schmirgelpapier. Ohne darüber nachzudenken, öffne ich meine Instagram-App und gehe auf die Seite des Professors.

»Nur mal kurz gucken, dann arbeite ich weiter«, sage ich zu mir. »Keine große Sache. Ich kann aufhören, wann immer ich will.«

Als ich durch seine Posts scrolle, bin ich sofort entspannter. Und mehr als nur ein bisschen angetörnt. »Komm zu Mami, mein wilder Wortpornoprofessor. Lass mich in deiner Genialität baden.«

Ich bin nicht besonders aktiv in den sozialen Medien; die Accounts, die ich habe, sind hauptsächlich zum Spionieren. Aber die Plattform, auf der ich am meisten teile, ist Instagram, wo ich gern meine liebsten Vintage-Designerteile von Flohmärkten und aus Secondhand-Läden präsentiere. Keine Selfies, nur Fotos von Kleidung, Taschen und Schuhen, und obwohl ich nicht besonders regelmäßig poste, hat VintageBrooklynGrl fast zweihundert Follower. Ich nehme an, da draußen gibt es ein paar Leute, die genauso auf meine Secondhand-Funde abfahren wie ich.

Was ich auf Instagram jedoch nie mache, ist, Beiträge zu kommentieren. Ja, ich verteile großzügig Likes, aber ich käme mir komisch vor, meinen Lieblingsinstagrammern zu schreiben. Warum sollte sie interessieren, was ich zu sagen habe? Meine Meinung bedeutet nichts, und mal ehrlich, ein paar der Kommentare sind so unverschämt, dass ich den Lärm nicht noch verstärken will.

Aber in diesem Moment überlege ich ernsthaft, ob ich einen der letzten Beiträge des Professors kommentieren soll. Auf diesem Foto ist er oberkörperfrei, und es ist von hinten aufgenommen. Er hält den Kopf gesenkt, seine dunklen Haare sind nass, und er stützt den Kopf in die Hände, die mit Boxbandagen umwickelt sind. Wie immer kann man sein Gesicht nicht sehen, aber das Foto hat Kraft. Es zeigt jemanden, der gequält wirkt, aber versucht, es sich nicht anmerken zu lassen.

Der Text dazu lautet:

Loslassen, nicht länger auf das Unmögliche hoffen.

Ich versuche es.

Ich meditiere mich in einen Rausch, und den Rest macht der Alkohol.

Ich boxe, bis die Knöchel wund sind, blute Wörter auf ein weißes Blatt.

Ich kremple meine Welt um, damit ich nicht mehr sehen muss, wo du einmal warst.

Doch wenn ich mich umdrehe, bist du immer da.

In den letzten Winkeln meiner Erinnerung.

Ich weiß nicht, warum ich das Bedürfnis habe, etwas zu sagen, damit er sich besser fühlt.

Ich hole tief Luft und versuche, mir den perfekten Kommentar auszudenken, was dämlich ist, wenn man bedenkt, dass er es vermutlich sowieso nicht lesen wird.

»Großartiger Post. Danke, dass du das mit uns teilst. Deinetwegen möchte ich gerne mutig sein.«

Bevor ich es mir anders überlegen kann, drücke ich auf die Entertaste, und als meine Nachricht unter den Tausenden anderer Kommentare erscheint, schneide ich eine Grimasse.

Oh, nur sechsunddreißigtausend andere haben den Post vor mir kommentiert. Na gut.

Ich stoße die Luft aus und will gerade die App schließen, da bekomme ich eine Benachrichtigung.

Ist nicht wahr!

Der Professor hat meinen Kommentar nicht nur gelikt, er hat sogar geantwortet.

Mit angehaltenem Atem lese ich, was er geschrieben hat.

»@VintageBrooklynGrl Trau dich. Sei mutig. Verfolge deine Ziele mit all deiner Leidenschaft. Nichts höhlt ein Herz so gehörig aus wie Bedauern.«

Wow.

Mein Puls hat sich auf einmal verdoppelt. Irgendetwas stimmt doch nicht mit mir, wenn ein paar Worte eines völlig Fremden mich so sehr berühren. Ich weiß, dass es nur eine blöde Schwärmerei für einen Internetstar ist, aber das Gefühl ist stärker als alles, was ich jemals gefühlt habe, und um ehrlich zu sein, ist das ein bisschen besorgniserregend.

Völlig berauscht like ich seinen Kommentar und versuche, mir eine tiefsinnige Antwort auszudenken. Als mir nach fünf Minuten immer noch nichts eingefallen ist, tippe ich schnell: »Danke für die Ermutigung. Ich gebe mein Bestes.«

Innerhalb von Sekunden hat er auch das gelikt, offenbart aber keine weiteren Weisheiten. Ich scrolle durch die Kommentare der anderen, kann aber keine weiteren finden, die ihm gefallen oder die er kommentiert hat. Obwohl das vermutlich nichts zu bedeuten hat, gibt mir das, was gerade passiert ist, das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Ich weiß zwar nicht, warum er mich ausgewählt hat, aber ich bin dankbar.

Da fällt mir auf, dass ich wie der letzte Vollidiot total verliebt auf mein Handy schaue.

Warum konnte ich nichts Vergleichbares finden? Eine Buchversion seiner Leidenschaft und Ehrlichkeit. Das hätte ich verkaufen können. Verdammt, es hätte sich von selbst verkauft.

Ich werfe noch einen letzten Blick auf seine Worte und Fotos, und in mir entzündet sich etwas – der Funke einer Idee, die so verrückt ist, dass sie vielleicht auch nur ein Geistesblitz mit einer schlechten Frisur ist.

Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen?

Während die Idee reift, schaue ich mir die Posts des Professors mit den Augen einer Lektorin anstelle eines vernarrten Fans an. Mit jedem weiteren Beitrag lichtet sich mein mentaler Nebel, und es fühlt sich an, als würde mir jemand immer wieder in den Bauch boxen.

Mein Gott – das könnte wirklich etwas sein. Das könnte mein Kobold sein!

Ich scrolle und lese weiter und bemerke plötzlich, dass ich auf der Innenseite meiner Wange kaue und sich meine Muskeln vor Aufregung verkrampfen.

Ich dachte immer, das Gefühl, vom Blitz getroffen zu werden, während ein Engelschor singt, würde man empfinden, wenn man seiner wahren Liebe begegnet. Aber nun, da ich den Feed des Professors lese, überkommt mich dieses schicksalhafte Gefühl deutlicher als bei jedem meiner Exfreunde. Ich habe überall gesucht, aber vielleicht war es immer der falsche Ort. Das Niemandsland gibt es wirklich, und es hat nur einen Einwohner, der verrückt und beliebt genug ist, um sofort zum Bestseller zu werden.

Beim Zeus! Ich könnte doch noch gewinnen.

Ich beuge mich vor und mustere Joannas Gesicht. Sie umklammert ihr Handy und starrt mit offenem Mund auf den Bildschirm.

Bitte lieber Gott, mach, dass sie meine Meinung bestätigt, sonst bin ich nur eine weitere Irre, die sich vor lauter Verzweiflung an irgendwelche Strohhalme klammert.

Sie lässt sich Zeit, und ich weiß nicht, ob sie so ungerührt wirkt, weil sie mich in den Wahnsinn treiben will, oder ob das, was sie liest, bei ihr tatsächlich keine Reaktion hervorruft. Stimmt Option zwei, bin ich erledigt. Stimmt Option eins, werde ich sie hemmungslos mit meinem Chris-Hemsworth-Kissen verhauen.

Ich höre, wie sich die Wohnungstür öffnet und wieder schließt, gefolgt vom leisen Murmeln meiner Schwester und ihrem Freund, die nach Hause kommen. Normalerweise würde ich aufstehen und sie begrüßen, aber im Moment habe ich Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel muss ich mich davon abhalten, Joanna zu schütteln, damit sie mir endlich sagt, was sie verdammt noch mal denkt.

Gerade als ich langsam glaube, dass ich mir die Magie von Professor Feelgood nur eingebildet habe, bemerke ich genau die Reaktion, auf die ich gehofft habe: Joanna errötet heftig, und jedes Mal, wenn sie auf einen weiteren Post klickt, atmet sie flach und unregelmäßig.

Jawoll!

Das ist fantastisch. Obwohl wir seit zwei Jahren zusammenarbeiten, habe ich noch nie erlebt, dass Joanna die Fassung verliert. Aber in diesem Augenblick können ihre perfekten blonden Locken und ihr makelloses Make-up nicht verbergen, wie fassungslos sie ist.

»Oh mein Gott«, sagt sie. Ihr Blick huscht zu mir und dann wieder weg.

»Ja, oder?«

Ihre Brust hebt und senkt sich schnell und ihre Finger zittern leicht. »Oh … mein Gott.«

»Ich weiß.«

»Oh mein GOTT.«

Mit der Hand fächelt sie sich Luft zu, und ich weiß genau, wie schnell und heiß ihr Blut pulsiert. Wie ihre Haut förmlich vor Überreizung brennt.

Ich fasse mir ein Herz und stelle ihr meine drängendste Frage. »Sag mir, dass du genauso fühlst wie ich.«

Sie nickt. »Ganz genauso.« Mit offenem Mund sieht sie zu mir auf. »Heiliger Sexgott, Asha.«

Ich lehne mich an mein Kopfteil, und vor Erleichterung beruhigt sich mein rasender Puls. »Nur, um das klarzustellen – das macht dich scharf, oder?«

Sie wendet sich wieder ihrem Bildschirm zu. »Sooooooo scharf.«

Meine Schwester Eden steckt den Kopf zu meiner Zimmertür herein und sieht uns argwöhnisch an. Ich weiß nicht, was sie erwartet hat, aber sicher nicht mich und Joanna, wie wir auf dem Bett sitzen und unsere Handys streicheln.

»Was macht ihr denn da?«, fragt sie mit schmalen Augen. »Guckt ihr euch Pornos an?«

Ich lächle und bedeute ihr, herzukommen. »Gewissermaßen.«

Ich reiche ihr mein Handy und beobachte ihr Gesicht, um ihre Reaktion einzuschätzen. Als sie mit dem Daumen durch die Timeline scrollt, wird mir klar, dass Eden hier der Härtetest ist. Ihr angeborener Zynismus und ihre fehlende Geduld machen sie immun gegen die meisten Formen emotionaler Manipulation. Wenn sie den Professor gut findet, dann habe ich es geschafft.

Erwartungsvoll halte ich den Atem an. Etwa dreißig Sekunden später bekomme ich meine Antwort.

Sie runzelt die Stirn, öffnet den Mund und Röte breitet sich auf ihren Wangen aus.

Wir haben beide den Pfirsichteint unserer verstorbenen Mutter geerbt, und obwohl Eden ihre roten Haare lockig trägt und ich hart dafür arbeite, dass meine glatt bleiben, ist nicht zu übersehen, wie kräftig wir erröten, wenn uns etwas peinlich ist. Oder wenn wir erregt sind.

»Oh mein Gott«, sagt sie.

Joanna nickt und zeigt auf sie. »Ganz genau.«

»Oh … mein Gott«, wiederholt Eden mit großen Augen, und ihre Stimme wird mit jeder Sekunde rauer.

Ich bemerke, wie ich vor Stolz glühe. »Es ist erstaunlich, oder?«

»Oh mein GOTT!«

Als ihr großer, gutaussehender Freund im Türrahmen auftaucht, zuckt sie ein bisschen zusammen.

»Okay«, sagt Max und sieht Eden mit zusammengekniffenen Augen an. »Normalerweise bin ich derjenige, der dir solche Laute entlockt. Was zur Hölle geht hier vor?«

Joanna beugt sich vor und flüstert: »Ich glaube, ich werde mich nie daran gewöhnen, Mister Romance in eurer Wohnung zu sehen. Er ist das Einhorn unter den Männern. So verdammt sagenhaft, innen und außen.«

Ich nicke. »Finde ich auch.«

Eden winkt ihn zu sich, und als er neben ihr steht, gibt sie ihm mein Handy, um ihm zu zeigen, was wir uns ansehen.

»Das ist der Instagram-Feed eines Typen, der sich Professor Feelgood nennt«, erklärt sie.

Max runzelt die Stirn, während er durch die Posts scrollt. »Wow. Drei Millionen Follower. Wie kann jemand, von dem ich noch nie gehört habe, so beliebt sein?«

Immer noch voller Adrenalin tippe ich den Namen des Professors in meine Liste und markiere ihn im knalligsten Neongrün, das ich finden kann.

»Ob du es glaubst oder nicht, Max, es gibt jede Menge Leute, die auf Instagram extrem populär, aber offline unbekannt sind. Modeblogger, Make-up-Artists, heiße Doktoren und Rechtsanwälte. Aber dieser Typ? Er hat etwas … Undefinierbares. Das ist faszinierend.«

Während Max weiterscrollt, greift Eden nach seinem Bizeps, und ich sehe, wie sie ihn liebevoll streichelt.

»Was denkst du?«, fragt sie.

Max zuckt mit den Schultern. »Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich mir da ansehe. Pseudokünstlerische Fotos, jede Menge Bilder internationaler Sehenswürdigkeiten. Ein bisschen depressive Lyrik.«

»Das ist eine Entdeckungsreise«, sagt Eden und zeigt auf den Bildschirm. »Wenn du vorne anfängst, verstehst du, dass er sich selbst finden will, indem er um die Welt reist. Dann lernt er eine Frau kennen, die er für seine Seelenverwandte hält, sie haben eine leidenschaftliche Beziehung und er verliert sie. Jetzt versucht er, ohne sie zurechtzukommen.«

Max nickt. »Okay.« Er sieht Eden, Joanna und mich nacheinander an. »Moment mal … das findet ihr sexy?«

Wir antworten fast synchron. »Oh mein Gott, ja!«

»Er hätte sich Professor Sexgott nennen sollen«, sagt Joanna und fächelt sich wieder Luft zu.

»Genau!«, sage ich und nicke energisch.

Eden lacht. »Auf jeden Fall.«

Max zieht die Augenbrauen hoch und dreht sich zu seiner Freundin um. »Meinst du das ernst?«

Ihr Lächeln verrutscht, sie räuspert sich, dann streckt sie sich und küsst ihn sanft. »Versteh mich nicht falsch, niemand wird jemals so sexy sein wie du, aber … ich erkenne sein Potenzial. Gutaussehender Typ mit gebrochenem Herzen, der sich nach der Frau seiner Träume sehnt? Das ist ziemlich attraktiv.«

Max gibt mir mein Handy zurück. »Woher weißt du, dass er gut aussieht? Es gibt keine Fotos von seinem Gesicht.«

»Oh, er sieht gut aus«, sagt Joanna und starrt immer noch auf ihren Bildschirm. »Schon an den kleinen Ausschnitten seines stoppeligen Kinns kann man erkennen, dass er ein echter Traummann ist.«

»Aber es geht gar nicht darum, wie er aussieht«, sage ich und schaue von meinem Laptop auf. »Seine Worte berühren uns so viel mehr als sein Körper oder sein Gesicht. Sie sind einfach so … gefühlvoll. Voller Leidenschaft.«

Joanna reicht Max ihr Handy. »Schau mal, das hier ist ein perfektes Beispiel. Lies das laut vor.«

Max schaut uns alle zweifelnd an, dann hebt er das Handy und liest, was auf dem Bildschirm zu sehen ist.

Wäre sie eine Farbe, dann wäre sie strahlend gelb wie die Sonne.