Mit Kennzahlen optimieren - David Thiele - E-Book

Mit Kennzahlen optimieren E-Book

David Thiele

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Beschreibung

Behalten Sie mit Kennzahlen die Wirtschaftlichkeit und Pflegequalität Ihres Ambulanten Dienstes im Blick! Das Autorenteam stellt typische Kennzahlen vom Kostendeckungsgrad über die ABC-Analyse der Patienten bis zum Pflegegrad-Mix vor. Von der Beschreibung und Ermittlung der Kennzahl bis zur Bedeutung und Nutzung. Mit dieser umfassenden und gut verständlich aufbereiteten Handlungsanleitung messen und überwachen Sie Kosten und Leistungen, steuern Sie Prozesse, treffen Sie Entscheidungen auf sicherer Datenbasis, erreichen Sie gesetzte Ziele mithilfe von Kennzahlen. Neben dem Themenschwerpunkt Kennzahlen finden Führungskräfte Antworten auf die aktuellen Fragen: Welche Anforderungen an zeitgemäßes Management gibt es? Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung und was bedeutet in diesem Zusammenhang das Schlagwort "Organisation und Pflege 4.0"? Welche besonderen Ziele gibt es im Management und wie ist die Verbindung zur Qualitätssicherung?

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Seitenzahl: 189

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David Thiele, Siegfried Loewenguth

Mit Kennzahlen optimieren

Effizienz in Zeiten von Pflege 4.0

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet.

Der Verlag und der Autor können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2021

Besuchen Sie uns im Internet: www.haeusliche-pflege.net

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Titelfoto:Adobe Stock, emojoez

ISBN 978-3-7486-0458-7

Inhalt

1 Einleitung und Begriffsdefinitionen

2 „Pflege 4.0“

2.1 Annäherung an einen Begriff

2.2 Organisation und Pflege 4.0 – Auflösung eines Spannungsfeldes

2.2.1 Allgemeines

2.2.2 Das Kano-Modell

2.2.3 Der Blick aus der Kundensicht

2.2.4 Der Blick aus Mitarbeitersicht

2.2.5 Der Blick aus Sicht möglicher Technologien

2.3 Folgen für ein modernes Management

2.4 Der Weg zur integral-evolutionären Organisation

2.5 Umgang mit Risiken in der Umsetzung digital transformierter Managementsysteme durch VUCA und VOPA+

3 Ziele und ihre Definition

3.1 Was ist ein Ziel?

3.2 Wie werden Ziele definiert?

4 Grundlagen von Kennzahlen und Kennzahlensystemen

4.1 Motivation für den Einsatz von Kennzahlen

4.2 Voraussetzungen für die Einrichtung von Kennzahlensystemen

4.3 Prozessorientierung in modernen Unternehmen

4.4 Die Steuerung von Prozessen

4.5 Eine Kennzahl allein garantiert noch keinen Erfolg

4.6 Arten von Kennzahlen

4.7 Anforderungen an Kennzahlen

4.8 Die Definition von Kennzahlen

4.9 Für wen sind Kennzahlen gedacht?

4.10 Die Aufbereitung von Kennzahlen – das Reporting

4.11 Kennzahlen in mehreren Dimensionen

5 Kennzahlen im Bereich der ambulanten Pflege

5.1 Einführung

5.2 Typische Kennzahlen für ambulante Pflegedienste

5.2.1 Kostendeckung / Kostendeckungsgrad

5.2.2 Umsatzrendite

5.2.3 Debitorenlaufzeit (Liquidität / Cashflow)

5.2.4 ABC-Analyse der Patienten

5.2.5 Umsatz je Patient (GESAMT)

5.2.6 Umsatz je Vollzeitkraft / Kosten je Vollzeitkraft

5.2.7 Erlös-Anteile wichtiger Leistungsarten im Bereich Pflege gemessen an den gesamten Erlösen als Indikatoren (Grundformel)

5.2.8 Sachkostenanteile wichtiger Sachkosten (Lebensmittel, Mietwäsche, KFZ, Benzin, ggf. Inkontinenzmaterial) an den Gesamtkosten oder den gesamten Sachkosten

5.2.9 Personalintensität (Personalkosten-Quote)

5.2.10 Zeitanteile an arbeitsrechtlich vereinbarten und bezahlten Arbeitszeiten

5.2.11 Pflegegradmix

5.2.12 Leitungsquote und Verwaltungsquote

5.2.13 Mehrleistungsquote

5.2.14 Pflegefachkraft-Quote (anhand der arbeitsvertraglichen Stunden)

5.2.15 Flexibilisierungsquote

5.2.16 Verhältnis Erstgespräche zu Vertragsabschlüssen (BKPI)

5.2.17 Anzahl durchgeführter Pflegevisiten (QKPI)

5.2.18 Fluktuation (MKPI)

5.2.19 Verweildauer (MKPI)

5.2.20 Fachkräfteanteil

5.2.21 Bewerberquote

5.2.22 Mitarbeiterzufriedenheit

5.2.23 Abwesenheitsquote

5.2.24 Anzahl der Verbesserungsvorschläge (KVP)

5.2.25 Anzahl der Beschwerden/Fehler

6 Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Autor

1Einleitung und Begriffsdefinitionen

In diesem Buch wenden wir uns an alle Menschen, die mittelbar und unmittelbar mit der Organisation einer Einrichtung der ambulanten Pflege befasst sind. Es sollen sowohl Führungskräfte, Mitarbeiter im Bereich der Administration, vor allem aber auch alle Mitarbeiter, deren tägliche Aufgabe die Pflege und Betreuung alter Menschen ist, angesprochen werden.

Auch wenn in diesem Buch generalisierend von Mitarbeitern gesprochen wird, ist den Autoren bewusst, dass Mitarbeiter, gleich welcher Ebene, immer auch Betroffene und Beteiligte der täglichen Prozesse von ambulanten Pflegediensten sind. Durch ihre Tätigkeit werden Prozesse gut oder schlecht gestaltet bzw. ausgeführt. Sie verantworten auf vielfältige Art und Weise nicht zuletzt auch den wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens. Ungeachtet und in vollem Bewusstsein dieses Sachverhaltes bleiben wir in diesem Buch zum besseren Verständnis bei dem Begriff „Mitarbeiter“. Dabei verwenden wir die männliche Form – der Einfachheit halber. Wir wenden uns jedoch gleichberechtigt an jedes Geschlecht!

Ambulante Pflegedienste sind Teil des „Gesundheitswesens“ bzw. „Gesundheitssystems“ in Deutschland[1]. Alle diese Einrichtungen sind gleichzeitig Bestandteil des deutschen Wirtschaftssystems, das aus Einrichtungen und Personen besteht, die unter Einsatz von Maschinen, weiterer Produktionsmittel oder auch durch von Menschen erbrachte Dienstleistungen Angebot und Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen generieren und regulieren. Alle Einrichtungen des Gesundheitswesens sind ihrem Wesen nach Unternehmen, die als einzelner Betrieb oder als Träger mehrerer Betriebe auf einem klar definierten Markt erwerbswirtschaftlich agieren.

Definition: Die Wirtschaft, auch Ökonomie genannt, besteht aus Einrichtungen, Maschinen und Personen, die Angebot und Nachfrage generieren und regulieren. Einrichtungen sind Unternehmen bzw. Betriebe und Haushalte. Maschinen unterstützen und ersetzen auf Produktion, Transformation, Konsumation und Distribution von Gütern zielende Aktivitäten von Arbeitskräften, Mittelsmännern und Endkunden. Diese erhalten oder entrichten Geld für Erstellung, Vermittlung und Anforderung respektive Erwerb oder tauschen ihre Eigentümer und Leistungen aus.[2]

Diese sehr nüchterne und technokratische Definition des Begriffes Wirtschaft wird immer noch, insbesondere in Einrichtungen des Gesundheitswesens, also auch der ambulanten Dienste, mit dem für Wirtschaftsunternehmen im Bereich der Güterproduktion dominierenden Ziel der Gewinnmaximierung verbunden.

Unvoreingenommen werden mit der Definition jedoch lediglich wertfreie Argumente geliefert, wo, unter welchen Umständen und für wen Güter hergestellt, verändert, verteilt, und verbraucht werden. Ersetzt man den Begriff „Güter“ durch den Begriff „Dienstleistung“, gilt die Definition uneingeschränkt auch für Einrichtungen des Gesundheitswesens.

Pflegedienste und -einrichtungen „produzieren“ mit ihren Tätigkeiten eine Dienstleistung für Menschen mit Schwerpunkt Pflege und Betreuung. Hierzu setzen sie Menschen und Sachmittel ein. Die Zielsetzung ist möglicherweise nicht die Gewinnmaximierung, sicher aber eine Kostendeckung der Einrichtungen. Und sicher kann man die Erstellung einer Dienstleistung im Bereich der Betreuung und Pflege auch nicht mit einer Güterproduktion, z. B. einem Stuhl, einem Fernsehgerät oder einer Vase vergleichen. Hier können konkrete Vorgaben, z. B. Maße, Farben oder technische Ausstattung, definiert und beliebig oft reproduziert werden. Aufgrund dieser konkreten Vorgaben kann auch das Ergebnis konkret überprüft und damit ein Standard bzw. eine Produktqualität definiert werden.

Der Umgang mit Menschen und in einem von Menschen geprägten Umfeld ist dagegen weitaus komplexer und weniger flexibel. Das aber bedeutet nicht, dass der Prozess der Produktion in der Pflege und Betreuung, also die einzelnen Handlungen, nicht in klar definierter, stets gleichbleibender Abfolge, vollständig und unter Beachtung besonderer gesetzlicher Auflagen an Personal und Infrastruktur, neuerdings durch klare gesetzliche Regelungen im Bereich der Qualitätssicherung ergänzt, erfüllt werden müssten.

Unterstellt man, trotz der Komplexität von Pflegediensten und -einrichtungen, dass Industrie und Pflege jeweils ein ganz bestimmtes Ergebnis anstreben, hier eine qualitativ gute Pflege, dort eine qualitativ gute Ware, bleibt als zentrale Aufgabenstellung,

wie,

in welchem Umfang und

in welcher Qualität

die vorhandenen Mittel, seien es Menschen oder Maschinen bzw. Hilfsmittel, so eingesetzt werden können, dass das angestrebte Ziel erreicht werden kann. Und nur wenn beide Aspekte betrachtet werden, das Ergebnis der Aktivitäten und der Einsatz von Ressourcen, wird ein Unternehmen erfolgreich sein können.

Mit dem hiermit vorgelegten Buch wollen die Autoren näher auf den Aspekt der Dienstleistungserstellung, also den Weg zu einer optimalen Dienstleistung (Prozessdefinition und -entwicklung), eingehen. Den Akteuren soll darüber hinaus zumindest ein Mittel an die Hand gegeben werden, diese Prozesse effektiv zu steuern (Prozesssteuerung). Die Interaktion beider Elemente im Rahmen eines effizienten Prozessmanagements und – ganz wesentlich – in Verbindung mit eindeutig definierten Zielen, bildet die Grundlage für einen sinnvollen, ausreichenden und steuerbaren Einsatz vorhandener Ressourcen. Optimiertes Prozessmanagement führt auf diese Weise zu einer effizienten Steuerung der Produktivität eines Unternehmens.

Abbildung 1: Prozessweg

Definition: Unter Management wird in diesem Buch sowohl der funktionale als auch der institutionelle Charakter des Begriffes verstanden. Management als funktionaler Begriff umfasst die Tätigkeiten der Vorbereitung, Planung, Entscheidung, Durchführung und Steuerung bzw. Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen. Der institutionelle Begriff umfasst die Personen bzw. den Organisationsbereich des Unternehmens, in dem unternehmerische Entscheidungen getroffen werden.

Die Demografie in der Bundesrepublik Deutschland lässt keinen Zweifel mehr daran, dass immer mehr Pflegebedürftigen immer weniger Menschen gegenüberstehen, die pflegen können und wollen. Diese Entwicklung ist unauflösbar. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass diese wertvolle Ressource Mensch im Rahmen der Dienstleistungserstellung, gleich in welcher Funktion, mit einem hohen Anteil wertschöpfend tätig werden sollte.

Definition: In diesem Buch definieren wir den Begriff der Wertschöpfung für Einrichtungen der ambulanten Pflege als Ergebnis aller Aktivitäten, die unmittelbar, also im direkten Kontakt, an und für alte und pflegebedürftige Menschen erbracht werden und die zur Verbesserung der Lebensqualität im Alltag sowie zum Erhalt und soweit möglich zur Verbesserung des physischen und psychischen Wohlbefindens betreuter Menschen beitragen.

Anders als in güterproduzierenden Betrieben mit klar definiertem Endzustand eines Produktes findet diese Wertschöpfung im Bereich der Pflege unter sich regelmäßig, ja sogar im Verlauf eines Tages, sich verändernden Rahmenparametern statt.

Was konkret bedeutet nun dies für Führungskräfte und Verantwortliche der Pflegeeinrichtung? An welcher Stelle genau und mit welchen Mitteln können die Pflegedienste ansetzen, um all diese sich stets verändernden Einflüsse zu identifizieren? Welche Instrumente können entwickelt und eingesetzt werden, um die Pflegedienste flexibel, modern und wirtschaftlich erfolgreich zu steuern?

Auf diese Fragen wollen wir in diesem Buch eingehen. Auch wenn der Schwerpunkt des Buches im Bereich der Steuerung von Prozessen liegt, sehen die Autoren als Schlüssel zum Erfolg eines Pflegedienstes

ein zeitgemäßes Management,

eine klar definierte und gesteuerte Organisation,

eine moderne Führung und damit einen modernen Einsatz der wichtigsten Ressource einer Pflegeeinrichtung, den einzelnen Mitarbeiter.

Der Begriff „modern“ bezieht sich dabei nicht nur auf Fragen der Führungsmethoden allgemein, sondern auch und vor allem auf den Einsatz technischer Mittel und Möglichkeiten als wesentlichen Bestandteil einer modernen Führung. Diese technischen Mittel und Möglichkeiten sollen unter dem Begriff „Pflege 4.0“ näher betrachtet werden.

[1]Unter dem Begriff Gesundheitssystem verstehen die Autoren alle Personen, Organisationen und Einrichtungen, die durch Prävention, Behandlung und Betreuung die Gesundheit von Menschen fördern und erhalten und Krankheiten bekämpfen. Vollstationäre Pflegeeinrichtungen nehmen hierbei eine spezialisierte Aufgabe wahr, ambulante Einrichtungen der Altenpflege wiederum ebenso spezialisierte Aufgaben in anderen Bereichen des Systems.[2](Bendel, 2020)

2„Pflege 4.0“

2.1Annäherung an einen Begriff

Der Begriff „Pflege 4.0“ ist und bleibt in absehbarer Zeit wohl inhaltlich noch lange nicht ausformuliert, umrissen und definiert. Der Begriff steht für eine Entwicklung im Bereich der ambulanten und stationären Pflege, die zunehmend durch dynamisch sich entwickelnde Technologien beeinflusst, wenn nicht gar bestimmt wird.

Pflege 4.0 kann und wird erheblich in alle Bereiche der Pflege eingreifen

durch die Möglichkeiten der digitalen Erfassung, Dokumentation und Auswertung pflegerischer Handlungen,

durch Assistenzsysteme, Hilfsmittel, z. B. bei der Verrichtung körperlich schwerer Pflegemaßnahmen oder passiv durch automatisierte Weitergabe von Informationen über den aktuellen Zustand des Pflegebedürftigen,

durch Mittel zur Kommunikation und Information nach innen und außen (z. B. zu Kostenträgern, Angehörigen, Ärzten oder Krankenhäusern) oder

durch therapeutische Roboter, die unmittelbar mit dem Pflegebedürftigen interagieren können.

Pflege 4.0 setzt allerdings Organisationen voraus, die mit diesen Technologien routiniert umgehen können. Dazu gehören

geeignete, weil strukturierte Prozesse, die die Möglichkeiten der Technologien ausschöpfen,

die Befähigung der Mitarbeiter und deren uneingeschränkte Bereitschaft zum Einsatz dieser Technologien und

allem voran moderne Managementmethoden, die Technologie, Mitarbeiterkompetenz und Prozesse koordinieren und steuern können.

Definition: Unter „Pflege 4.0“ verstehen die Autoren die Summe aller Aktivitäten einer Organisation und deren Prozesse, die unter Einsatz moderner, digitaler Systeme und Technologien erbracht werden, um die Anforderungen aller Prozessbeteiligten gleichermaßen zu berücksichtigen und zu kultivieren.[3]

2.2Organisation und Pflege 4.0 – Auflösung eines Spannungsfeldes

2.2.1Allgemeines

Ambulante Pflegedienste sind bei ihrer Dienstleistungserbringung in vielfältiger Weise Zielkonflikten ausgesetzt. Zielkonflikte entstehen innerhalb der Organisation durch unterschiedliche Interessenlagen und Befindlichkeiten der handelnden Personen, durch externe Anforderungen, z. B. gesetzliche Auflagen, durch Anforderungen der Kunden und deren Angehörige und nicht zuletzt aus betriebswirtschaftlicher Sicht durch den Zwang zur Wirtschaftlichkeit des Pflegedienstes. Auch wenn es sicher weitere Elemente gibt, die sich auf die Organisationsgestaltung und -entwicklung auswirken, lassen sich unter den Bedingungen der Pflege 4.0 viele Zielkonflikte auf 3 wesentliche Aktionsbereiche reduzieren, auf die wir uns im Weiteren konzentrieren wollen.

Die drei Aktionsbereiche sind in sich selbst hoch dynamisch und wirken sich ebenso dynamisch und sich gegenseitig beeinflussend, teils beschleunigend, teils aber auch hemmend, auf den Pflegedienst aus.

Abbildung 2: Prioritäten Pflege 4.0

Prioritäten wechseln dabei und passen sich den jeweiligen Erfordernissen an. Die Technologien, die im Rahmen von Pflege 4.0 zum Einsatz kommen sollten, subsumieren sich nicht nur unter den Begrifflichkeiten Ambient Assist Living (AAL) und Ambient Assist Work (AAW) (lesen Sie dazu mehr in Kapitel 2.2.5.), sondern auch unter den notwendigen Softwareunterstützungssystemen, die digital transformierte Prozesse auch wirklich zulassen. Das beginnt mit der lückenlos digitalen Leistungsbeauftragung durch die behandelnden Ärzte bis hin zu einer echten digitalen Rechnungsstellung (e-invoices) auf der Grundlage von z. B. elektronisch bearbeitbaren pdf-Dateien. Dabei wirken diese technologischen Ansätze direkt sowohl auf den Kunden als auch auf die Mitarbeiter ein. AAL ist dabei nicht nur als erleichternde Maßnahme für Mieter, Kunden, Patienten zu betrachten, sondern auch als Sicherheit für die Mitarbeiter. Vor allem Risiken können so besser erfasst, schneller erkannt und effektiver behoben werden. Damit wären wir direkt beim Thema dieses Buches, welches sich mit den Kennzahlen (KPI) beschäftigt. Dazu gehörten auch die Daten, die aus solchen AAL/AAW Prozessen resultieren. So ist es möglich, Informationen zu Sturzursachen zu bekommen, die in der Folge dazu beitragen, diese Ursachen abzustellen.

2.2.2Das Kano-Modell

2.2.2.1Beschreibung des Kano-Modells

Was genau möchte der Kunde heute und in Zukunft? Welche Anforderungen stellt er an das Unternehmen, das er mit der Erbringung einer Dienstleistung beauftragt?

Dieser Frage kann man sich mithilfe eines Modells annähern, das in den siebziger Jahren von Noriaki Kano entwickelt wurde. Seit seiner Vorstellung hat es an Aktualität nicht verloren und ist im Gegenteil aus der modernen Betriebswirtschaftslehre nicht mehr wegzudenken.

Kano geht davon aus, dass der Kunde immer wieder neu erobert werden muss und dass in Folge die Bemühungen von Unternehmen um die Kundenzufriedenheit einer bewussten Anstrengung bedürfen. Vergleicht man „Kundenzufriedenheit“ mit einem Fluss, wird ein Unternehmen ohne diese Bemühungen „abgetrieben“ und verliert in der Bewertung des Kunden an Ansehen.

Das Kano-Modell ist auch unter den Bedingungen der Pflege 4.0 ein hilfreiches Instrument, um die Dynamik der Kundensicht und Kundeninteressen zu erfassen und mit ihr die Organisation entwickeln zu helfen.

Bestandteile des Kano-Modells sind:

Basismerkmale,

Leistungsmerkmale,

Begeisterungsmerkmale,

unerhebliche Merkmale,

Rückweisungsmerkmale.

Was bedeuten diese Faktoren im Zusammenhang mit Pflege 4.0?

Sie stehen für die Erkenntnis, dass nichts, auch nicht die soziale Dienstleistung, einem Selbstverständnis unterliegt. Auch die soziale Dienstleistung ist ein „Produkt“, das Tag für Tag hergestellt und an einen damit hoffentlich zufriedenen Kunden weitergegeben wird.

Um Kundenzufriedenheit zu erreichen, bedarf es bei genauer Betrachtung zweier Faktoren: Mitarbeiterzufriedenheit und damit die Bereitschaft eine gute Leistung zu erbringen sowie die Kenntnis der Bedürfnisse des Kunden, um dessen Zufriedenheit erreichen zu können. Beide Faktoren bedingen jedoch einander! Unzufriedene Kunden, gleich aus welchem Grund, führen zu unzufriedenen Mitarbeitern. Unzufriedene Mitarbeiter erbringen schlechte Leistungen und können damit Kunden nicht mehr von der Qualität der Dienstleistung überzeugen und schon gar nicht begeistern.

Pflege 4.0 steht nicht zuletzt auch für die Gestaltung einer Prozesslandschaft, die zu zufriedenen Mitarbeitern führt. Diese Prozesslandschaft soll auch die Voraussetzungen schaffen, Kunden zufriedenzustellen und diese Kundenzufriedenheit auf gewünschtem Niveau zu halten. Dafür sollen als nicht unwesentliches Element auch die notwendigen (barrierefreien) technologischen Hilfs- und Unterstützungsmittel eingesetzt werden.

Bei der Umsetzung des Kano-Modells und seiner Bestandteile sind immer wieder die nachfolgenden Fragen zu beantworten, messbar zu machen und mit Zielen zu hinterlegen.

Was wollen Sie erreichen?

Welche Anforderungen hat der Kunde (auch der Angehörige, die Kostenträger, Ärzte, Therapeuten etc.)?

Welcher finanzielle Rahmen ist für diese Art von Kundenzufriedenheit vorgesehen?

Was ist realistisch?

2.2.2.2Das Modell als Grafik

Eine Grafik verdeutlicht die Zusammenhänge der einzelnen Merkmale:

Abbildung 3: Kano Modell 1

Die Achsen zeigen den Grad der Zufriedenheit (vertikale Achse) und den Erfüllungsgrad der einzelnen Merkmale auf.

Fehlen Basismerkmale, führt dies zu Unzufriedenheit, sind sie vorhanden, trägt dies jedoch nicht zu einer höheren als der „normalen“ Zufriedenheit bei.

Fehlen Begeisterungsmerkmale führt dies nicht zur Unzufriedenheit. Sind sie jedoch vorhanden, erhöhen sie unmittelbar die Zufriedenheit des Kunden.

Leistungsmerkmale erhöhen mit ihrem Vorhandensein und ihrer Ausprägung unmittelbar die Zufriedenheit, führen aber bei ihrem Fehlen auch genauso unmittelbar zu einer Unzufriedenheit.

Im Bewusstsein aller Akteure muss sein, dass sich die Kunden im Verlauf der Zeit insbesondere im Bereich der Begeisterungsmerkmale an ein hohes Niveau gewöhnen. Diese Merkmale nehmen früher oder später den Charakter von Basismerkmalen an. Hier wird es bei Dienstleistungen (wie es Pflegeleistungen sind) vor allem darauf ankommen, den Kunden regelmäßig über den Inhalt, den Umfang und die Ausprägung der Dienstleistung zu informieren. Dem Pflegebedürftigen oder dessen Angehörigen müssen regelmäßig die Vorteile der externen Leistungserbringung dargelegt werden und warum bestimmte Leistungen durch entsprechend gut ausgebildete Pflegekräfte erbracht werden sollten.

Auch hier hilft eine Grafik weiter, um typische Situationen zwischen Dienstleistungsunternehmen im Allgemeinen und Pflegediensten im Besonderen aufzuzeigen:

Abbildung 4: Kano Modell 2

Die Beauftragung einer Pflegeleistung erfolgt meist aufgrund einer erkannten Problemsituation, die aus eigener Kraft – aus unterschiedlichen Gründen – so nicht behoben werden kann. Das wahrgenommene Problem führt bei dem Kunden zu einer hohen Unzufriedenheit, er überträgt das Problem einem Pflegedienst. Dieser beginnt mit der Pflege und löst im Verlauf der Zeit das Problem des Kunden auf. Die dauerhafte Lösung des Problems, aufgrund eben der Aktivitäten des Pflegedienstes, suggeriert dem Kunden im Verlauf der Zeit, dass er eigentlich ja gar kein Problem mehr hat. Dies führt zur Frage, warum denn ein Pflegedienst überhaupt erforderlich ist.

Lösung: Der Pflegedienst muss also durch Kommunikation mit dem Pflegebedürftigen, und vielleicht sogar weit mehr mit den Angehörigen, die nunmehr entstandene Wahrnehmungslücke aufzeigen und darauf aufmerksam machen, dass das Problem nach wie vor besteht, durch Übernahme des Pflegedienstes aber keine Belastung für den Pflegebedürftigen mehr darstellt.

2.2.3Der Blick aus der Kundensicht

2.2.3.1Basismerkmale

Aus Sicht der Kunden stellen Basismerkmale ein Mindestmaß an Leistungen dar, die Pflegedienste in der unmittelbaren Zusammenarbeit zu erbringen haben.

Es sind die Faktoren, die auch von Prüfbehörden, die ja im weitesten Sinne ebenso Kunden der Pflegedienste sind, vorausgesetzt und überprüft werden. Für den pflegebedürftigen Kunden bzw. deren Angehörige sind z. B. Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Vertrauen bzw. Vertrautheit sehr wichtig, sie werden vorausgesetzt. Vor allem Vertrauen basiert auf Kennen und gekannt werden. Bei ständigem Wechsel von Mitarbeitern (Fluktuationsquote) fällt es beiden Seiten schwer, Vertrauen aufzubauen. Dann würde lediglich das Vertrauen in die Institution bleiben, die mit menschlicher Interaktion nicht zu vergleichen ist.

2.2.3.2Leistungsmerkmale

Als Leistungsmerkmale können grundsätzlich all die Prozesse gesehen werden, die unmittelbar am und mit dem Kunden erbracht werden. Es sind die vertraglich vereinbarten Leistungen, die nach Art und Qualität beschrieben sind und damit vom Kunden nachvollzogen werden können.

Darüber hinaus gibt es jedoch auch noch qualitative Leistungsmerkmale. Die Mitarbeiter der Pflegedienste greifen im Rahmen ihrer Tätigkeit in teils massiver Weise in die Privat- und Intimsphäre ihrer Kunden ein. Dies erfordert ein dementsprechend hohes Maß an sozialer Kompetenz, die Fähigkeit zur Empathie und vor allem die Fähigkeit, die Leistungen mit aller erforderlichen Diskretion zu erbringen. Ist der Aufbau einer vertrauensvollen Basis zwischen Kunde und Mitarbeiter noch als Basismerkmal zu sehen, ist insbesondere eine hohe soziale Kompetenz der Mitarbeiter im täglichen Umgang ein im grunde unabdingbares, wenngleich aus Kundensicht sehr subjektiv empfundenes Leistungsmerkmal für Pflegedienste.

Entscheidungen über diese Leistungsmerkmale werden bereits mit den ersten Gesprächen mit dem Kunden vorbereitet. Das bedeutet aber, dass nicht nur die tatsächlich pflegenden Mitarbeiter, sondern alle mit der Akquise und der sich anschließenden Pflege beschäftigten Mitarbeiter die Kriterien der Leistungsmerkmale erfüllen müssen. Leistungsmerkmale entscheiden über die Zusage oder Absage an einen Pflegedienst und sind damit unabdingbare Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg eines Pflegedienstes.

2.2.3.3Begeisterungsmerkmale

Begeisterung wird stets ausgelöst, wenn einem Menschen in besonderer und unerwarteter Weise etwas Positives widerfährt. Im Umgang mit Kunden kann Begeisterung schon durch vermittelte Wertschätzung, z. B. eine persönliche Ansprache, einen höflichen Umgang, der die Lebensleistung eines Kunden widerspiegelt, ausgelöst werden. Der scheinbar unausrottbare, einen anderen Menschen auf ungehörige Art und Weise vereinnahmende Satz „Wie geht es uns denn heute“ gehört mit Sicherheit nicht dazu.

Was aber heute Begeisterung bei Kunden auslöst, muss dies nicht auch morgen tun. Das bedeutet, dass man immer und immer wieder unmittelbar mit dem Kunden so kommunizieren muss, dass man dessen Bewertung der eigenen Leistung kennt und damit eine Veränderung der Einschätzung von einer „Begeisterung“ zu einer „Normalität“ einer besonderen Leistung frühzeitig wahrnehmen kann. Hilfreich ist es, im Rahmen dieser Kommunikation immer wieder die ja vom Kunden empfundene Begeisterung herauszustellen und sie damit regelmäßig als positive Leistung zu bestätigen. Dennoch ist es Aufgabe des Mitarbeiters, Veränderungen der Erwartungshaltung des Kunden in Bezug auf das Leistungsspektrum frühzeitig zu erkennen und entsprechend mit dem Ziel zu reagieren, dem Kunden dessen Sonderstellung bewusst zu machen.

2.2.3.4Unerhebliche Merkmale

Unerhebliche Merkmale führen weder zu Zufriedenheit noch, bei deren Fehlen, zu Unzufriedenheit bei den betreuten Kunden. So ist es für Kunden in den meisten Fällen absolut unerheblich, wie die Mitarbeiter technisch ausgestattet sind oder wie im Einzelnen die erbrachten Leistungen dokumentiert werden. Wichtig ist allenfalls, dass Leistungen dokumentiert werden und damit Rechnungen ordnungsgemäß erstellt werden können (Basismerkmal).

2.2.3.5Rückweisungsmerkmale

Rückweisungsmerkmale führen durch ihr bloßes Vorhandensein zu Unzufriedenheit bei den betreuten Kunden. Schmutzige Kleidung, unangenehme Körpergerüche, auch wenn das Essen im griechischen Restaurant am Vorabend noch so gut war, können wesentliche Kriterien für oder gegen eine Fortführung eines Versorgungsvertrages sein. Auch ein forsches, sehr direktes oder sehr vereinnahmendes Wesen von Pflegekräften kann zu Ablehnung und Zurückweisung des Pflegedienstes führen. Und genau hier ändern sich regelmäßig und teils erheblich die Anforderungen der Kunden und der Angehörigen. Die sogenannte Kriegsgeneration, die sich eher durch Bescheidenheit und Genügsamkeit auszeichnete, wird zunehmend durch eine Generation ersetzt, die konkrete Vorstellungen und Erwartungen an Leistungen hat und die eher mehr und nicht bezahlte zusätzliche Leistungen fordert.

2.2.4Der Blick aus Mitarbeitersicht

2.2.4.1Übertragung des Kano-Modells

Nicht nur Anforderungen der Kunden, auch Anforderungen der Mitarbeiter müssen heute mehr denn je in den Fokus der Führungskräfte gestellt werden.

Demografie und veränderte Verhaltensweisen der potenziellen Mitarbeiter zwingen zu einer immer schneller werdenden Anpassung der Arbeitsbedingungen und Managementmethoden. Nach wie vor ist für einige ambulante Pflegedienste festzustellen, dass selbst rudimentäre Elemente der Mitarbeiterführung, z. B. Stellen- und Funktionsbeschreibungen, nicht vorliegen. Wie will ich aber einen Mitarbeiter führen, wie seine Leistung bewerten und mit ihm besprechen, wenn ihm nicht einmal vollständig klar ist, welche Aufgaben er eigentlich hat? Wie kann ich die Erwartungen des Managements transportieren, die es ohne Zweifel ja gibt und geben muss?

Zwar wird stets betont, dass man ja längst regelmäßig Jahresgespräche durchführt, aber auf welcher Grundlage diese Gespräche stattfinden, kann zumeist nicht angegeben werden. So werden Ereignisse, gleich ob mit gutem Erfolg oder weniger gutem Erfolg, über den Bewertungszeitraum hin nicht notiert. Fehlt dann noch der regelmäßige Kontakt und wird das Jahresgespräch aufgrund von aus dem Mitarbeiterkreis eingeholten Informationen geführt, kann von einer objektiven Bewertung nicht mehr gesprochen werden.

Hier muss ein Umdenken stattfinden, will man die Möglichkeiten und Anforderungen unter den Bedingungen der Pflege 4.0 erfüllen. Modernes Management setzt auf das Können, auf die Fertigkeiten und Fähigkeiten der Mitarbeiter, auf die Übernahme von Verantwortung und die Bereitschaft, sich für die Entwicklung des eigenen Unternehmens einzubringen. Modernes Management nutzt hierzu alle Instrumente, die diese Bereitschaft fördern können.